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Gehorsamspflicht in der kath. Kirche


iskander

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Das hier ist als eine Weiterführung einer Nebendiskussion aus einem anderen Thread gedacht. Bei der Nebendiskussion ging es insbesondere darum, inwieweit der einzelne Gläubige innerhalb der Kath. Kirche ein Recht hat, einzelnen Lehrsätzen, die Glauben und Moral betreffen, die Zustimmung und den Gehorsam zu verweigern.

 

vor 17 Stunden schrieb Ennasus:

Karl Rahner hat diese Sichtweise als die größte Revolution des 2. Vatikanums bezeichnet: Kirche wird nicht mehr als Bindeglied zwischen Gott und den Menschen verstanden, sondern es ist umgekehrt: Kirche entsteht aus der Gemeinschaft von Menschen, die sich gerufen fühlen. Und wenn ich das so sehe, bin ich von vornherein Teil dieser Kirche und das, was ich lebe, gestaltet ihr Erscheinungsbild mit. So, in diesem Sinn, kommt mir vor, hat bei uns der Großteil der Katholiken einfach Verantwortung für sich selbst und damit auch für die Kirche übernommen. Ich auch. Zumal das Lehramt der Kirche sowieso nur e i n Aspekt von Kirche ist - und selbst da sehe ich mich gefordert, mein eigenes Verstehen mit einzubringen und die Kirche mitzugestalten. Ich habe als Gläubige Anteil am Lehramt der Kirche, ganz offiziell. Der Sensus Fidelium ist Teil des Lehramts.

 

Zuerst einmal möchte ich betonen, dass ich Deinen Zugang und Deine Sichtweise völlig respektiere. Das vorausgeschickt betonen allerdings die "konservativen" Katholiken hier immer wieder, dass der Sensus Fidelium keineswegs als eine Art eigenständige Quelle oder Autorität zu verstehen sei, und schon gar nicht als potentielles Korrelativ für die Entscheidungen der Hierarchie, sondern letztlich nur als die Bestätigung dessen, was "von oben" vorgegeben wird. Weicht die Meinung der Gläubigen von der offiziellen Lehre ab, dann ist sie eben kein Sensus Fidelium mehr. Und diese Sichtweise scheint durchaus der offiziellen Lehre zu entsprechen (siehe auch unten).

 

vor 17 Stunden schrieb Ennasus:

Ach ja, was die Moral anbelangt: Auch da ist schon lange das eigene Gewissen als letzte Instanz angesehen worden. Der jetzige Papst betont das noch viel mehr: Entscheidend für die Beurteilung moralischer Entscheidungen ist das "Forum internum":  das gebildete Gewissen des Einzelnen

 

Da würde ich dann doch ein Fragezeichen dahintersetzen wollen. Dabei geht es mir gar nicht so sehr darum, was beispielsweise Pastor aeternus im Zusammenhang mit dem ordentichen Lehramt - also nicht bezogen auf "unfehlbare Dogmen" - sagt:

 

"Wir lehren und erklären demnach, dass kraft der Anordnung des Herrn die römische Kirche über alle übrigen den Prinzipat der ordentlichen Gewalt besitzt, und dass diese wahrhaft bischöfliche Jurisdiktionsgewalt des römischen Papstes eine unmittelbare ist, gegen welche die Hirten und Gläubigen und die Hirten jeglichen Ritus und jeglichen Ranges, sowohl jeder insbesondere als alle insgesamt, zur hierarchischen Unterordnung und zum wahren Gehorsam verpflichtet sind, nicht bloß in den auf den Glauben und die Sitten bezüglichen Dingen, sondern auch in jenen, welche die Disziplin und Regierung der über den ganzen Erdkreis verbreiteten Kirche betreffen; so daß, durch die Bewahrung der Einheit sowohl der Gemeinschaft als des nämlichen Glaubensbekenntnisses mit dem römischen Papste, die Kirche Christi eine Herde unter einem obersten Hirten ist. Dies ist die Lehre der katholischen Wahrheit, von welcher niemand unbeschadet seines Glaubens und seines Heiles abweichen kann."

 

Auch die entsprechenden Formulierungen von Lumen gentium sind aus meiner Sicht nicht ausschlaggebend, auch wenn es dort heißt:

 

"Die Gläubigen aber müssen mit einem im Namen Christi vorgetragenen Spruch ihres Bischofs in Glaubens- und Sittensachen übereinkommen und ihm mit religiös gegründetem Gehorsam anhangen. Dieser religiöse Gehorsam des Willens und Verstandes ist in besonderer Weise dem authentischen Lehramt des Bischofs von Rom, auch wenn er nicht kraft höchster Lehrautorität spricht, zu leisten; nämlich so, daß sein oberstes Lehramt ehrfürchtig anerkannt und den von ihm vorgetragenen Urteilen aufrichtige Anhänglichkeit gezollt wird, entsprechend der von ihm kundgetanen Auffassung und Absicht."

 

Dogmen können zwar nicht explizit geändert werden, aber man kann sie ja dennoch so interpretieren, dass sie ihren Stachel verlieren. (Man denke etwa an das Dogma, dass es außerhalb der Kirche kein Heil gebe.)

 

Dagegen dürfte jedoch die Tatsache, dass der entsprechende Gehorsam nach wie vor explizit im Kirchenrecht (dem CIC) eingefordert wird, ins Gewicht fallen. Dort heißt es etwa:

 

"Can. 750 -§ 1. Kraft göttlichen und katholischen Glaubens ist all das zu glauben, was im geschriebenen oder im überlieferten Wort Gottes als dem einen der Kirche anvertrauten Glaubensgut enthalten ist und zugleich als von Gott geoffenbart vorgelegt wird, sei es vom feierlichen Lehramt der Kirche, sei es von ihrem ordentlichen und allgemeinen Lehramt; das wird ja auch durch das gemeinsame Festhalten der Gläubigen unter der Führung des heiligen Lehramtes offenkundig gemacht; daher sind alle gehalten, diesen Glaubenswahrheiten entgegenstehende Lehren jedweder Art zu meiden. [...]"

 

"Can. 752 — Nicht Glaubenszustimmung, wohl aber religiöser Verstandes und Willensgehorsam ist einer Lehre entgegenzubringen, die der Papst oder das Bischofskollegium in Glaubens- oder Sittenfragen verkündigen, wann immer sie ihr authentisches Lehramt ausüben, auch wenn sie diese Lehre nicht definitiv als verpflichtend zu verkünden beabsichtigen; die Gläubigen müssen also sorgsam meiden, was ihr nicht entspricht."

 

"Can. 754 — Alle Gläubigen sind verpflichtet, die Konstitutionen und Dekrete zu befolgen, welche die rechtmäßige Autorität der Kirche zur Vorlage einer Lehre und zur Verwerfung irriger Auffassungen erläßt, vor allem aber solche des Papstes oder des Bischofskollegiums."

 

Entsprechend formuliert der Kirchenhistoriker Hubert Wolf:

 

"Seit Pius IX. sind die Bischöfe zu Oberministranten des Papstes degradiert und die Gläubigen zu unmündigen Kindern des Heiligen Vaters. Denn die Theorie vom „ordentlichen Lehramt“ [...] besagt: Allem, was die Päpste, auch ohne die Unfehlbarkeit in Anspruch zu nehmen, zu diesem oder jenem Thema kundgetan haben, müssen die Gläubigen „in kindlichem Gehorsam“ zustimmen."

 

Natürlich kann man manche (lehramtlichen) Äußerungen von Papst Franziskus wie die, dass die Kirche dabei helfen solle, das Gewissen der Gläubigen zu bilden, es aber nicht ersetzen solle, so interpretieren, dass die bisherige Lehre damit aufgelockert werden soll. Es mag insofern durchaus sein, dass das der Anfang oder das erste Anzeichen einer gewissen Liberalisierung ist.

Andererseits ist eine Interpretation, wonach die Aussagen von FI den anderen Quellen inhaltlich widersprechen, zumindest nicht zwingend. Dazu sind die entsprechenden Äußerungen einfach zu vage. Einzelne unklare Äußerungen können jedenfalls kaum als stillschweigende "Abrogation" angesehen, mit welcher nachdrücklich und prominent formulierter Lehren und nach wie vor gültiger Gesetze aufgehoben werden - zumal es ja auch im CIC zu keinerlei Veränderungen in dieser Sache kam. 

 

Speziell bei Humane vitae und der Frage der "künstlichen Empfängnisverhütung" mag womöglich eine Ausnahme bestehen, oder zumindest ist der Fall nicht so eindeutig. Denn zwar betonen vatikanische Dokumente einerseits die Pflicht der Gläubigen zum Gehorsam - bis hin zu dem Punkt, dass jemandem, der sich in dieser Angelegenheit der kirchlichen Lehre nicht unterwirft, keine Absolution in der Beichte erhalten darf. Andererseits haben verschiedene Bischofskonferenzen Erklärungen  herausgegeben, die die Gewissensfreiheit in dieser Sache postulieren und die Priester im Hinblick auf die Verwaltung der Sakramente auffordern, diese Gewissensfreiheit zu interpretieren. Obwohl solche Erklärungen - jedenfalls die von Königstein - Paul VI. offenbar persönlich von Vertretern der jeweiligen Bischofskonferenz erläutert wurden, hat er nicht auf einer Aufhebung bestanden, was man womöglich als implizites Tolerieren interpretieren könnte. (Johannes Paul II. ließ sich von Bischof Lehmann offenbar überzeugen, hat auf einer Rücknahme nicht zu bestehen.)

 

Bei allen anderen Fragen der Moral (und natürlich des Glaubens) dürfte es - wenn ich mich nicht irre - gemäß der derzeit gültigen lehre und Gesetzgebung jedoch keinen Freiraum für das eigene Gewissen geben. (Außer natürlich in dem Sinne, dass man niemanden im Hinblick auf sein persönliches Leben etwas mit Gewalt aufzwingen darf. Eine "legitime" Gewissensentscheidung besteht aber offenbar nur darin, der kath. Lehre zu folgen.)

bearbeitet von iskander
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  • iskander changed the title to Gehorsamspflicht in der kath. Kirche
vor 4 Stunden schrieb iskander:

sondern letztlich nur als die Bestätigung dessen, was "von oben" vorgegeben wird. Weicht die Meinung der Gläubigen von der offiziellen Lehre ab, dann ist sie eben kein Sensus Fidelium mehr.

Das wirft für mich allerdings ein Problem auf:

Wenn ich es richtig sehe, erkennt das Lehramt das, was schon immer geglaubt wurde und spricht es, wenn Streitfragen aufkommen, aus bzw. macht es zur verbindlichen Norm. Das bedeutet für mich, dass zumindest etwas existieren muss, was vom Gottesvolk geglaubt wird, weil es sonst nichts für das Lehramt zu bestätigen gibt.

Wenn ich mich recht entsinne, bezieht sich die Wahrheit auf die ganze Kirche, und die umfasst sowohl das gläubige Volk als auch das Lehramt. Im Idealfall liegt hier ein synergetischer Effekt oder eine Übereinstimmung vor. Die Aufgabe des Lehramts bleibt festzustellen, was eben diese Wahrheit ist, und das tut Rom wohl vor der Festlegung eines Dogmas, indem es alle Teilkirchen befragen lässt. 

Aber wenn das Lehramt etwas zu glauben vorgibt, was bisher noch niemand geglaubt hat, hat sich das Lehramt aus der Wahrheit bewegt.

In vielen Punkten und Aspekten des Glaubens hat Rom bisher nicht festgestellt, was die Kirche glaubt, und solange kann man als Gläubiger wohl auch die Freiheit haben, sich in dem Sinne, wie es @Ennasus formuliert hat, als eigenverantwortliches Individuum zu glauben.

bearbeitet von Thanos
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vor 17 Stunden schrieb iskander:

... dass der Sensus Fidelium keineswegs als eine Art eigenständige Quelle oder Autorität zu verstehen sei, und schon gar nicht als potentielles Korrelativ für die Entscheidungen der Hierarchie, sondern letztlich nur als die Bestätigung dessen, was "von oben" vorgegeben wird. Weicht die Meinung der Gläubigen von der offiziellen Lehre ab, dann ist sie eben kein Sensus Fidelium mehr. Und diese Sichtweise scheint durchaus der offiziellen Lehre zu entsprechen (siehe auch unten).

 

Für mich ein Hinweis, dass "offizielle Lehre" und die summa theol. des Thomas von Aquin "idR" übereinstimmen. "idR" schreib ich nur, weil - obgleich ich bisher keinen Widerspruch gefunden habe - ich nicht ausschließen kann, dass ich irgendwann vielleicht doch noch einen finden werde.

 

Thomas schreibt in summa theol., II-II, q5, a3 (lt. Übersetzung):

Zitat

Ich antworte, im Häretiker, der sich weigert, einen einzigen Glaubensartikel anzunehmen, bleibe weder der geformte noch der ungeformte Glaube**. Denn die Gattung eines jeden Zustandes hängt ab vom Formalgrunde im Gegenstande; ist dieser entfernt, so kann der Zustand seiner Gattung nach nicht mehr bleiben. Der Formalgrund im Gegenstande des Glaubens aber ist die erste Wahrheit, insoweit sie geoffenbart wird in der Schrift und der Kirchenlehre, welche ihren Ursprung hat in der ersten Wahrheit. Wer also der unfehlbaren und göttlichen Richtschnur, nämlich der katholischen Kirchenlehre, nicht anhängt, da diese aus der ersten in der Schrift geoffenbarten Wahrheit hervorgeht, der hat nicht in sich den Zustand des Glaubens; mag er auch das, was Gegenstand des Glaubens ist, in anderer Weise festhalten als durch den Glauben; wie wenn jemand in der Vernunft eine Schlußfolgerung festhält, trotzdem er den strengen Beweisgrund dafür nicht kennt, es offenbar ist, daß er kein Wissen hat von dieser Schlußfolgerung, sondern nur ein Meinen. So nun ist es offenbar, daß jener, welcher der Lehre der katholischen Kirche als der unfehlbaren Richtschnur anhängt, auch Allem zustimmt, was die Kirche lehrt. Denn sonst, wenn er von dem, was die Kirche lehrt das, was er will, annimmt und was er will, verwirft, hängt er nicht mehr der unfehlbaren Richtschnur der Kirchenlehre an, sondern dem eigenen Willen. Wer also einen Glaubensartikel nicht annimmt, der will offenbar nicht in Allem der Lehre der Kirche folgen. Thut er dies nun hartnäckigerweise, so ist er ein Ketzer; ist er nicht hartnäckig, so irrt er bloß. Ein solcher Ketzer also, der einem einzigen Artikel den Glauben versagt, hat auch keinen Glauben betreffs der anderen, sondern ein gewisses Meinen je nach seiner Auswahl.

** s. summa theol., II-II, q4, a4

 

Der Glaube ist für Thomas also ein einziger Zustand, der die Zustimmung zu allem beinhaltet, was die Kirche lehrt. Ein cherry picking führt dazu, dass nicht mehr von "Glauben" gesprochen werden kann, sondern bestenfalls von "Meinen". Letzteres finde ich sehr originell, und es beruht wohl darauf, dass das Denksystem des Thomas nur die drei epistemischen Kategorien "Wissen", "Glauben" und "Meinen" kennt und wenn es sich nicht um Glauben handeln kann, weil es nicht auf dem einzigen Glauben beruht, "Wissen" allerdings auch nicht infrage kommt, weil es nicht auf Schauen beruht, dann bleibt halt nur mehr "Meinen" übrig.

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vor 35 Minuten schrieb SteRo:

Ein cherry picking führt dazu, dass nicht mehr von "Glauben" gesprochen werden kann, sondern...

 

vor 20 Minuten schrieb SteRo:

kann ich also das Katholischsein nach den mir angemessen erscheinenden moralischen Maßstäben (die keineswegs katholische sein müssen)

bearbeitet von Thanos
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Der Gegensatz "Gehorsam" versus "Gewissen" ist keiner, sofern man das Gewissen so versteht, wie es die Kirche lehrt. Gaudium et Spes schreibt dazu:


 

Zitat

 

16. Die Würde des sittlichen Gewissens

 

Im Innern seines Gewissens entdeckt der Mensch ein Gesetz, das er sich nicht selbst gibt, sondern dem er gehorchen muß und dessen Stimme ihn immer zur Liebe und zum Tun des Guten und zur Unterlassung des Bösen anruft und, wo nötig, in den Ohren des Herzens tönt: Tu dies, meide jenes.

 

Denn der Mensch hat ein Gesetz, das von Gott seinem Herzen eingeschrieben ist, dem zu gehorchen eben seine Würde ist und gemäß dem er gerichtet werden wird. Das Gewissen ist die verborgenste Mitte und das Heiligtum im Menschen, wo er allein ist mit Gott, dessen Stimme in diesem seinem Innersten zu hören ist.

 

Im Gewissen erkennt man in wunderbarer Weise jenes Gesetz, das in der Liebe zu Gott und dem Nächsten seine Erfüllung hat. Durch die Treue zum Gewissen sind die Christen mit den übrigen Menschen verbunden im Suchen nach der Wahrheit und zur wahrheitsgemäßen Lösung all der vielen moralischen Probleme, die im Leben der Einzelnen wie im gesellschaftlichen Zusammenleben entstehen. Je mehr also das rechte Gewissen sich durchsetzt, desto mehr lassen die Personen und Gruppen von der blinden Willkür ab und suchen sich nach den objektiven Normen der Sittlichkeit zu richten. Nicht selten jedoch geschieht es, daß das Gewissen aus unüberwindlicher Unkenntnis irrt, ohne daß es dadurch seine Würde verliert.

 

Das kann man aber nicht sagen, wenn der Mensch sich zuwenig darum müht, nach dem Wahren und Guten zu suchen, und das Gewissen durch Gewöhnung an die Sünde allmählich fast blind wird.

 

 

Das so bezeichnete und gemeinte (und zu schulende!) Gewissen ist also nicht etwas, daß etwas erlaubt, sondern etwas, daß aktives Tun oder aktives Unterlassen einfordert und dem man gehorchen muß.

 

Hier herrscht in meinen Augen das größte Mißverständnis. Es geht eben nicht um "ich kann xyz vor meinem Gewissen verantworten", sondern ein (quasi lutherisches) "ich kann nicht anders als xyz". Und zwar mit allen Konsequenzen.

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vor 13 Minuten schrieb rorro:

Der Gegensatz "Gehorsam" versus "Gewissen" ist keiner, sofern man das Gewissen so versteht, wie es die Kirche lehrt. Gaudium et Spes schreibt dazu:

Mit anderen Worten, das Gewissen im Wording der Kirche ist wieder einmal etwas völlig anderes als der normale Sprachgebrauch suggeriert und der "Primat des Gewissens" mal wieder eine von der Kirche verkündete Falltür nach der Höllen.

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vor 49 Minuten schrieb Flo77:

Mit anderen Worten, das Gewissen im Wording der Kirche ist wieder einmal etwas völlig anderes als der normale Sprachgebrauch suggeriert und der "Primat des Gewissens" mal wieder eine von der Kirche verkündete Falltür nach der Höllen.

 

Die Schlussfolgerung kann ich nicht nachvollziehen. Was @rorro zitiert hat und seine Ergänzung scheint mir genau das zu meinen, was unter Gewissen verstanden wird.

Wenn es Situationen gibt, in denen ich nicht anders handeln kann, auch wenn es gegen die Norm verstößt, handelt es sich um einen Akt des Gewissens. Es ist eine Handlung, die ich vollziehen muss, oder eine Handlung, die ich unterlassen muss, weil ich, trotz Abwägen und Reflektieren zu keiner anderen Entscheidung kommen kann, als mich genau so zu verhalten, wie ich gedrängt werde. 

 

Was viele Leute unter Gewissen meinen, ist ein darüber nachdenken, was man selbst falsch oder richtig findet, um sich dann entscheiden, in diesen oder jenen Situationen so oder so zu handeln, also eine ethische Reflektion. Das sind im Regelfall rationale Abwägungen. Bei einer Gewissensentscheidung, zu der ich gedrängt werde, kann ich rational zu der Entscheidung kommen, dass die Gewissensentscheidung nicht der Norm entspricht oder rational falsch ist, aber ich habe keine Handlungsalternative.

 

Zum Beispiel kann ich als Wehrpflichtiger die Existenz einer Armee notwendig und richtig finden, aber dennoch von meinem Gewissen her die Einsicht haben, dass ich keinen Menschen töten kann und mich deshalb gegen den Wehrdienst entscheiden. Ich kann mich gut an Fälle erinnern, wo Wehrpflichtige in ihrem Verweigerungsschreiben den Sinn und Zweck der Armee generell bestritten haben und deshalb verweigern wollten, das aber eben nicht akzeptiert wurde.

 

Deshalb kann man das Gewissen als Stimme Gottes verstehen: das Gewissen drängt dazu, uns richtig zum verhalten. Es kann aber auch passieren, dass dieses Gewissen getrübt ist und dann kommt das Gewissen zu inhaltlichen Fehlentscheidungen. Damit ist der Inhalt der Entscheidung nicht richtig, wenngleich es unser Bestreben war, richtig zu handeln.

bearbeitet von Thanos
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Gewissen im landläufigen Sinne ist die Entscheidungsfindung anhand der internalisierten Normen und Werte.

 

Die "katholische" Version setzt voraua, daß man aufgrund eines bestimmten, anzunehmenden bzw. zu adaptierenden Normenkanons immer zu den gleichen - nämlich den von der Kirche vorgegebenen - Schlüssen kommt. Und das anscheinend bis zu einem Grad, der mit Gehirnwäsche nett umschrieben ist.

 

Ganz platt formuliert: wer sich selbst befriedigt und dabei nicht das Gefühl hat gegen sein Gewissen zu verstoßen, hat den Normenkanon der Kirche nicht richtig verinnerlicht. E basta.

 

Ob dieser Kanon sinnvoll ist oder nicht - diese Prüfung verbinde ich mit dem Begriff "Gewissensschulung" - steht dabei aufgrund der lehramtlichen Hybris überhaupt nicht zur Debatte. Schulung des Gewissens "auf Katholisch" heißt nur, seinen erlernten Kanon soweit nötig anzupassen.

 

Eine Reflexion, Kritik oder gar Modifikation ist überhaupt nicht vorgesehen.

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vor 1 Stunde schrieb rorro:

Der Gegensatz "Gehorsam" versus "Gewissen" ist keiner, sofern man das Gewissen so versteht, wie es die Kirche lehrt. Gaudium et Spes schreibt dazu:


 

 

Das so bezeichnete und gemeinte (und zu schulende!) Gewissen ist also nicht etwas, daß etwas erlaubt, sondern etwas, daß aktives Tun oder aktives Unterlassen einfordert und dem man gehorchen muß.

 

Hier herrscht in meinen Augen das größte Mißverständnis. Es geht eben nicht um "ich kann xyz vor meinem Gewissen verantworten", sondern ein (quasi lutherisches) "ich kann nicht anders als xyz". Und zwar mit allen Konsequenzen.

 

Da geht es leider ziemlich durcheinander, weil der Zustand der Natur, die Synderesis, nicht vom Gewissen, welches eben kein Zustand der Natur ist, unterschieden wird. Die Synderesis ist jedoch nur Prinzip des Gewissens, welches man in der Tat schulen dh erlernen kann. Aber weder dem Naturzustand Synderesis noch dem angelernten Gewissen muss man gehorchen: Weil der Mansch freien Willen hat, kann er auch wider seine Natur (und also wider der Synderesis) handeln und weil das Gewissen die praktische Anwendung der Vernunft leitet, ist auch die Anwendung des Gewissens vom freien Willen abhängig.

 

Bedeutet "gehorchen müssen" also lediglich "man sollte gehorchen" (moralische Ermahnung), dann ist das in Ordnung, steht aber in keinster Weise über allen sonstigen moralischen Ermahnungen, denen der freie Wille Folge leisten kann oder auch nicht.

 

Der Ausdruck "ich kann nicht anders als xyz" deutet dagegen auf einen bereits geradlinigen Willen hin, der aber in beide Richtungen gehen kann: ins Übel oder ins Gute.

 

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vor einer Stunde schrieb Flo77:

und dabei nicht das Gefühl hat gegen sein Gewissen zu verstoßen, hat den Normenkanon der Kirche nicht richtig verinnerlicht. E basta.

 

Ja, das ist so.

Im Dritten Reich hätte es übrigens den Menschen gut getan, ein an der Lehre der Kirche gebildetes Gewissen zu haben, stattdessen haben sie ihr Gewissen durch ihre Vorurteile, politische Ideologie und Ängste soweit abstumpfen lassen, dass sie kein Problem damit hatten, dass 6 Millionen Juden getötet werden.

 

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vor 1 Stunde schrieb Flo77:

Und das anscheinend bis zu einem Grad, der mit Gehirnwäsche nett umschrieben ist.

Aber nein, das nennt sich „Freier Wille“, nichts im Universum ist dem Lehramtsgott wichtiger, dafür geht er sogar über Leichen und ewige Verdammnis.

 

Werner

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vor 1 Minute schrieb Werner001:

Aber nein, das nennt sich „Freier Wille“, nichts im Universum ist dem Lehramtsgott wichtiger, dafür geht er sogar über Leichen und ewige Verdammnis.

 

Werner

 

und trotzdem liebt er Dich, Werner.

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vor 29 Minuten schrieb Thanos:

Im Dritten Reich hätte es übrigens den Menschen gut getan, ein an der Lehre der Kirche gebildetes Gewissen zu haben

Jaja, im “Tausendjährigen Reich“. In tatsächlichen Tausend Jahren (und ein paar hundert mehr) hätte es den Menschen dagegen gut getan, kein an der Lehre der Kirche gebildetes Gewissen zu haben, selbst nach heutigen kirchlichen Maßstäben.

 

Werner

bearbeitet von Werner001
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1 hour ago, Thanos said:

 

Ja, das ist so.

Im Dritten Reich hätte es übrigens den Menschen gut getan, ein an der Lehre der Kirche gebildetes Gewissen zu haben, stattdessen haben sie ihr Gewissen durch ihre Vorurteile, politische Ideologie und Ängste soweit abstumpfen lassen, dass sie kein Problem damit hatten, dass 6 Millionen Juden getötet werden.

 

und auf welches gewissen haette die allein seeligmachende kirche hoeren muessen waehrend der inquisition, der verfolgung der templer, waehrend der pogrome, waehrend der verfolgung und ermordung der "falschen" christen, der ermordung der ureinwohner der neuen welt  usw. usw. usw.

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vor 5 Minuten schrieb elad:

und auf welches gewissen haette die allein seeligmachende kirche hoeren muessen waehrend der inquisition, der verfolgung der templer, waehrend der pogrome, waehrend der verfolgung und ermordung der "falschen" christen, der ermordung der ureinwohner der neuen welt  usw. usw. usw.

 

Das kannst Du mit Jahwe klären.

"Der HERR ist der rechte Kriegsmann, HERR ist sein Name" (2. Mose 15)

 

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Just now, elad said:

und auf welches gewissen haette die allein seeligmachende kirche hoeren muessen waehrend der inquisition, der verfolgung der templer, waehrend der pogrome, waehrend der verfolgung und ermordung der "falschen" christen, der ermordung der ureinwohner der neuen welt  usw. usw. usw.

das gleiche "kirchliche" gewissen hat anscheinend auch die betreiber der "rattenlinie", die finanzierer der gefaelschten dokumente der naziverbrecher und ihre unterstuetzung in suedamerika ermoeglicht

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vor 3 Minuten schrieb elad:

das gleiche "kirchliche" gewissen hat anscheinend auch die betreiber der "rattenlinie", die finanzierer der gefaelschten dokumente der naziverbrecher und ihre unterstuetzung in suedamerika ermoeglicht

 

Du, klär das wie gesagt mit Jahwe, der wohl auch Dein Herr ist.

Das meiste, was uns Christen vorgeworfen wird, stammt aus dem Tanach, den wir von Euch übernommen haben.

Daher brauchst Du uns nicht dafür kritisieren, wenn wir Euer Gottesbild übernommen haben.

bearbeitet von Thanos
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vor 18 Minuten schrieb Thanos:

Daher brauchst Du uns nicht dafür kritisieren, wenn wir Euer Gottesbild übernommen haben.

Daher ist es sinnvoll, sowas nicht von irgendjemandem zu übernehmen, sondern nach eigenen Bedürfnissen selbst zu erstellen und bei Bedarf anzupassen. Ich übernehme ja meine Garderobe auch nicht von irgendwelchen Altvorderen, nach dem Motto, was der Urgroßmutter gepasst hat, wird mir auch stehen 

 

Werner

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vor 7 Minuten schrieb Flo77:

Ausprobieren.

Das meiste muss man gar nicht probieren, weil es von vornherein klar ist. Der Zylinder vom Uropa wäre cool, ist aber zu klein.

Aber die Uhrkette ist nicht schlecht.

 

Werner

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vor 53 Minuten schrieb Werner001:

Daher ist es sinnvoll, sowas nicht von irgendjemandem zu übernehmen, sondern nach eigenen Bedürfnissen selbst zu erstellen und bei Bedarf anzupassen. Ich übernehme ja meine Garderobe auch nicht von irgendwelchen Altvorderen, nach dem Motto, was der Urgroßmutter gepasst hat, wird mir auch stehen 

 

Werner

 

Kann man machen, allerdings sollte man dann auch darauf verzichten, das Etikett von Schwiergermutters Kleidung auf die eigene Hose zu kleben.

 

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vor 1 Minute schrieb Thanos:

 

Kann man machen, allerdings sollte man dann auch darauf verzichten, das Etikett von Schwiergermutters Kleidung auf die eigene Hose zu kleben.

 

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