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Theodizee jenseits aller Weltanschauung?


michl

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Ach ja, letzte Frage für heute.

 

Hat eigentlich vor mir schon mal sein Gottesbild auf den "Markt der Möglichkeiten" getragen?

 

M.E.

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Die Gottesbilder der A&A sind nichtpersönlich. Die letzte Instanz, das innerste Wirkprinzip ist in ihren Augen ein lebloser Prozess, der weder gut, lieb oder böse sein kann. Lediglich wir - wir können ihn als gut oder schlecht empfinden.

Dann wäre es aber nicht die Frage der Theodizee, sondern ein Hadern mit dem Schicksal. Sind das nicht zwei ganz verschiedene Fragen?

Lieber Martin,

 

dazu habe ich eigentlich gestern schon was geschrieben, aber heute bin ich damit schon nicht mehr ganz zufrieden. Also ein neuer Anlauf.

 

Wenn die Natur und das (blinde) Schicksal als letzte Instanz gesehen werden, sind sie tatsächlich Gottesbilder, auch wenn sie mit dem christlichen Gottesbild nicht vergleichbar sind.

Die Verschiedenheit der beiden Gottesbilder liegt insbesondere in der Frage der Personhaftigkeit. Die A&A glauben eben nicht an eine Absicht, einen Willen und eine Ansprechbarkeit.

Daraus ergibt sich linear, dass auch der Umgang mit dem Gottesbild angesichts des Leids ein anderer ist.

 

Auch aus dem Verständnis der A&A stellt sich die Frage, ob die letzte Instanz gerecht ist - auch wenn die Gerechtigkeit der Welt bei ihnen als eine Projektion des Gerechtigkeitsbedürfnisses des Menschen auf die Welt gesehen wird. Das zwangsläufige Ergebnis dieser Frage ist dann für die A&A unumgänglich: Was (nicht wer) auch immer das Grundprinzip dieser Welt ist, ist nicht gerecht. Und es gibt auch keinen Ausgleich oder Sinnerfüllung des Leides. Eine Rechtfertigung braucht es auch nicht geben, da die Natur keine Person ist und daher ebenso wenig einer Rechtfertigung bedarf wie ein Steinbrocken, der einem Menschen auf den Kopf fällt.

 

Insofern ist das Theodizeeproblem für die A&A keine Auseinandersetzung mit einem persönlichen Gott und die allzumenschlichen Vorwürfe des Schicksals können lediglich eine subjekiv praktische (und zugleich nicht-rational abgedeckte) Eigenschaft des Menschen sein. Diese Vorwürfe gehen aber in Nichts - Wirkung auf die Natur haben sie nicht und ihre Wahrheit leitet sich auch nur subjektiv-mittelbar (durch die naturgeprägte Wesensart des Menschen) ab.

 

Unbenommen dessen bleibt meine Vermutung, dass sich zumindest für das subjektive Erleben und Verhalten hinter den unpersönlichen Sichtweisen der A&A eine lebendige und durchaus emotionale Theodizee-Auseinandersetzung abspielt. Völligen Nichtglauben halte ich für gar nicht realisierbar und habe es auch noch bei keinem lebendigen Menschen angetroffen.

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Für mich ist XXXX nicht irgend ein Wesen, was irgendwo ist, und was irgendwas könnte, es aber dann doch nie macht.

Für mich ist Gott:

die Quelle allen "Seins", ohne das "Sein" selber zu sein.

 

Leben lebt und Leben stirbt.

Leiden gehört zu dieser Welt, wie Lust und Schmerz.

 

Eine andere Frage ist, ob wir dazu beitragen, daß dieses Leid unnötigerweise vermehrt wird.

Bewußtsein trägt eben auch Verantwortung.

 

Klemens, wovon würdest du dich in einer Welt ohne Leid ernähren?

Von Licht? Von Liebe?

Würdest du atmen? Würdest du trinken?

 

Eve

Hallo Eve!

 

Für mich ist XXXX nicht irgend ein Wesen, was irgendwo ist, und was irgendwas könnte, es aber dann doch nie macht.

Für mich ist Gott:

die Quelle allen "Seins", ohne das "Sein" selber zu sein.

 

Also meinst du, dass die "Quelle allen Seins, ohne das Sein selber zu sein" nicht die Macht hat, das Leid aus dieser Welt zu schaffen.

 

Ein interessanter Aspekt!

 

Ist es so, weil ER die Quelle allen Seins ist oder weil ER das Sein nicht selber ist?

 

Leben lebt und Leben stirbt.

Leiden gehört zu dieser Welt, wie Lust und Schmerz.

 

So soll es sein!

 

Eine andere Frage ist, ob wir dazu beitragen, daß dieses Leid unnötigerweise vermehrt wird.

Bewußtsein trägt eben auch Verantwortung.

 

Eben!

 

Klemens, wovon würdest du dich in einer Welt ohne Leid ernähren?

Von Licht? Von Liebe?

Würdest du atmen? Würdest du trinken?

 

Keine Ahnung, wie das Leben im Paradies sein wird.

Hier auf unserer Erde und in unserer jetzigen Daseinsform ist so ein Leben nicht möglich.

 

Liebe Grüße

Klemens

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Hi Klemens,

Ist es so, weil ER die Quelle allen Seins ist oder weil ER das Sein nicht selber ist?

Mein Modell der verschiedenen Ebenen:

 

1.ER ist die Quelle, SIE ist das Sein.

2. XXX ist die Quelle, X ist das Sein.

3. XXXX ist.

 

Wobei, das ist jetzt Spielerei - dabei kommt nämlich raus, daß es mich eigentlich nicht gibt. So merkwürdig das klingen mag, ich halte das für möglich.

 

Also meinst du, dass die "Quelle allen Seins, ohne das Sein selber zu sein" nicht die Macht hat, das Leid aus dieser Welt zu schaffen.

war in blau - aber wohl von dir, oder?

ich stelle mir diese Frage nicht. Ohne Leid würde es mich nicht geben. Seit 500 Mio Jahren wird auf diesem Planeten höheres Leben geboren, und stirbt auch wieder. Mein Körper, mein Bewußtsein, ist nur durch dieses Leben und Sterben entstanden.

 

In der Frage, ob XXXX die Macht hätte, schwingt für mich immer die Vorstellung mit, daß man sich da eine fertige Welt als "Schöpfung" vorstellt. Plopp - so ist die Welt. Plopp - jetzt isse anders.

Kann ich nicht nachvollziehen.

 

Gruß Eve

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Mit der "Theodizee"-Frage haben ja nicht wenige Menschen Probleme - die Glaubenden und die Nichtglaubenden, auf je eigene Weise.

Gäbe es einen dritten Weg einer Antwort, welcher sich von theologischen und atheistischen Denkansätzen gleichermaßem distanzieren könnte?

Wenn ja - was wäre das für ein Weg?

Die Theodizee betrifft die Rechtfertigung Gottes - stellt man diese Frage, so setzt man die Existenz Gottes voraus, sonst ist die Frage nicht sinnvoll.

 

Und es gibt mehrere "dritte Wege". Ganz stark vereinfacht ergibt sich das Theodizeeproblem aus einem Widerspruch, der sowohl emotionaler als auch logischer Art ist:

 

(P1) Gott ist allmächtig.

(P2) Gott ist allwissend.

(P3) Gott ist gütig und liebt alle Menschen.

(P4) Jemand der Menschen liebt, wird ihnen kein Leid zufügen (wenn es keinem höheren Zweck dient, wie etwa ein Zahnarzt, der unser Leben rettet, in dem er uns Schmerzen dabei zufügt, wenn er uns den vereiterten Zahn zieht) und nicht zulassen, dass ihnen Leid widerfährt.

(P5) Es gibt Leid, welches nicht gerechtfertigt ist (wie im Zahnarzt-Beispiel, einiges an Leid kann durchaus gerechtfertigt sein).

-----------------------------------------------------------------

(S1) Gott weiß von unserem Leid (folgt aus (P2)).

(S2) Wenn Gott uns liebt, dann wird er uns vor nicht gerechtfertigtem Leid bewahren (folgt aus (P3) und (P4)), daher dürfte es kein Leid geben. Das steht im Widerspruch zu (P5).

(S5) Folglich muss (Satz vom Widerspruch) eine der Prämissen (P1) bis (P5) falsch sein (welche das ist geht aber aus dem Problem nicht hervor).

 

Meist wird versucht, das Problem zu lösen, in dem man (P5) für falsch erklärt, das sind die Theodizeen - entweder, in dem es kein Leid gibt, oder zumindest kein ungerechtfertigtes Leid oder es gibt Leid, aber das wird durch ein höheres Gut gerechtfertigt (beispielsweise den freien Willen).

 

M. A. nach sind die bisherigen Theodizeen, die (P5) attackieren, gescheitert. Das möchte ich hier nicht weiter ausführen. Gehen wir davon aus, dass (P5) richtig ist, dann bleiben (P1) bis (P4), die falsch sein müssen. Man kann also dass Theodizeeproblem so lösen:

 

1. Gott existiert nicht. Damit gibt es keinen Grund, Gott angesichts des Leidens zu rechtfertigen.

 

2. Gott ist nicht allmächtig ((P2) ist falsch). Gott kann also nicht anders handeln, als Leid zuzulassen, weil er es nicht verhindern kann. Diese Lösung wird von einigen wenigen Theologen favorisiert.

 

3. Gott ist nicht gütig und liebend (sondern beispielsweise moralisch neutral, wie die Natur). Dieses Gottesbild (wie es beispielsweise die Deisten vertreten) ist aber generell auch eine Ablehnung des christlichen Gottes und damit des Christentums insgesamt. Insbesonders könnte man auf einen neutralen oder gar bösartigen Gott keine Moral stützen, im Gegenteil - bei einem bösartigen Gott müsste man jede theistische Moral sogar strikt ablehnen.

 

Die Ansicht, dass (P4) falsch ist, widerspricht unserem moralischen Empfinden und würde auf 3. hinauslaufen.

 

Man kann also den Widerspruch auflösen, in dem man Gott die Allmacht oder die Liebe abspricht (oder beides).

 

Eine weitere Lösung besteht im Pantheismus. Wenn das Universum alles ist, was der Fall ist, dann ist Gott das Universum selbst, und das Universum selbst steht uns nicht liebend gegenüber.

 

Eine weitere Lösung besteht im Polytheismus. Wenn es mehrere, teilweise antagonistische Götter gibt, so kann deren Streit untereinander sehr gut erklären, warum es Leid gibt. In diesem Fall gibt es aber keinen allmächtigen und liebenden Gott. Ein weiteres Beispiel wäre die Gnosis, nach der das Universum aus zwei sich widerstreitenden Prinzipien besteht, einem guten und einem bösen Gott. Nicht der gute Gott ist der Schöpfer der Welt, sondern der böse Gott, der gute Gott kann uns allenfalls Hinweise geben, wie wir das Beste aus unserem Schicksal machen. Aber der gute Gott ist nicht allmächtig, sonst hätte er dem Treiben des bösen Gottes schon längst ein Ende gesetzt.

 

Nur der Monotheismus, der auf einem allmächtigen und liebenden Gott besteht, muss sich mit dem Theodizeeproblem auseinandersetzen, für andere Glaubensformen ist er irrelevant. Wenn man den logischen Beweis akzeptiert, muss man das christliche Gottesbild aufgeben (und damit den Kern des Christentums), aber die Folge dessen ist nicht zwangsläufig Atheismus, sondern ein Monotheismus mit einem ohnmächtigen Gott oder ein Polytheismus oder ein Pantheismus oder ein Deismus.

 

Atheismus und Theismus sind nur dort scharfe Gegensätze, wo ein Monotheismus vorherrscht. Gegenüber einem Pantheisten oder einem Deisten wäre die überwiegende Mehrheit meiner atheologischen Argumente gegen Gott wirkungslos, was bedeutet, ich kann mich mit Pantheisten und Deisten auch als Atheist über viele wesentliche Fragen des Weltbilds einigen, was Gott angeht. Auch gegenüber einem Polytheisten wäre ich in echter Argumentationsnot. Es gibt einen gleitenden Übergang vom Atheismus zum Theismus, ein Kontinuum, das viele religiöse Strömungen umfasst.

 

Natürlich ist das Theodizeeproblem nicht der einzige Einwand gegen den christlichen Gott, aber es ist derjenige, der am stärksten einleuchtet (weil eben nicht nur logischer, sondern auch emotionaler Natur, Religion beruht aber mehr auf Emotionalität als auf Rationalität, wie sich leicht zeigen lässt). Das Argument des Unglaubens halte ich für ein noch stärkeres Argument.

 

Eine weitere Möglichkeit, das Theodizeeproblem zu "lösen" sollte noch erwähnt werden, weil viele Gläubige diese favorisieren: Gott unterliegt keiner menschlichen Logik. Was dabei meist übersehen wird ist die Tatsache, dass diese "Lösung" für das Christentum noch viel verheerender ist als sämtliche logischen Argumente gegen Gott, weswegen vor allem die Elite unter den Theologen auf dieses "Argument" (besser: das Ende aller Argumentationen) nicht zurückgreift, weil man damit zugeben würde, dass der Glauben gänzlich irrational ist, und zwar von A bis Z.

 

Es gibt also sehr viele Lösungen des Theodizeeproblems, die aber meist von den Christen nicht einmal in Erwägung gezogen werden. Man nimmt lieber einen absurden (= logisch widersprüchlichen) Gott in Kauf als einen, der nicht liebend oder nicht allmächtig ist, obwohl gerade die Allmacht Gottes logisch gesehen besonders widersprüchlich ist (abseits des Theodizeeproblems). Wie gesagt, es ist mehr die Emotionalität als die Rationalität, die den Glauben bestimmt, auch wenn viele Gläubige dies ganz anders sehen - aber zu Unrecht.

 

Mit dem Christentum vereinbar ist allenfalls die Aufgabe der Allmacht. Aus diversen Gründen ist das aber keine populäre Alternative, auch wenn sie logisch zwingend ist.

 

Falls Du zu den einzelnen Punkten noch Fragen hast, frage, ich werde mich bemühen, sie zu beantworten.

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Noch ein Hinweis: Die wohl gründlichste und umfassendste Analyse des Theodizeeproblems finden wir bei Streminger:

 

 

Streminger, Gerhard: 1992, Gottes Güte und die Übel der Welt, Das Theodizeeproblem, Mohr Siebeck, Tübingen.

 

Eine sehr gute Auseinandersetzung mit dem Thema leistet auch Drange:

 

Drange, Theodore M.: 1998, Nonbelief and Evil: Two Arguments for the Nonexistence of God, Prometheus Books, New York.

 

Beides sind Auseinandersetzungen aus atheistischer Sichtweise.

 

Bemerkenswert auch dieser Auszug aus Vorgrimler, Herbert: 2000, Neues Theologisches Wörterbuch, m. CD-ROM, Herder, Freiburg (Th = Theodizee, Hervorhebung von mir):

 

Ernsthaft wurden die den Glauben u. die Theologie erschütternden Fragen der Th. erst in der Neuzeit aufgegriffen, wobei erstmals Leibniz die Endlichkeit mit ihren Übeln als Preis der menschlichen Freiheit ansehen wollte. Aufklärerische Versuche zur Rechtfertigung Gottes wurden durch das Erdbeben von Lissabon 1755 nachhaltig erschüttert. Im 19. Jh. verschärft sich die Tendenz, die Versuche zur Th. unter Hinweis auf die Nichtexistenz Gottes abzuweisen u. sich auf Impulse, Übel u. Leiden praktisch zu bekämpfen, zu beschränken. Noch zur Zeit des Zweiten Weltkriegs existierten theol. Auffassungen, die Übel als Preis der Evolution zu »erklären«. Die Menschheitskatastrophe von »Auschwitz« bedeutete sachlich das Ende aller Th. Die französische Existenzphilosophie antwortete mit der These, das menschliche Dasein oder auch die Schöpfung im ganzen sei absurd. Sie hielt, wie später Menschen unterschiedlicher Weltanschauung (Th. W. Adorno †1969, D. Sölle), jeden Versuch, dem Leiden Sinn zu unterstellen, für verwerflich, betonte aber die Notwendigkeit einer Solidarität mit den Leidenden. K. Barth († 1968) hielt alle rationalen Bemühungen um eine Th. für theologisch illegitim; allein eine Selbstrechtfertigung Gottes könne die Fragen der Th. beantworten. Die Geschichte der Th. hat radikale Konsequenzen für Theologie u. Glaube: Die verharmlosende Rede von der Allmacht Gottes ist zu Ende; Eingriffe der göttlichen Vorsehung in Naturabläufe sind unvorstellbar; die unvollkommene u. unvollendete Schöpfung kann nicht einfachhin als »gut« bezeichnet werden; die göttlichen Geistimpulse sind offenbar nicht imstande, negative menschliche Freiheitsentscheidungen zu verhindern; der christliche Umgang mit Schmerzen u. Leiden muß sich mit der unablässigen Erinnerung an die Opfer der Menschheitsgeschichte u. der Schöpfung verbinden.

 

Vorgrimler deutet es an: Die verharmlosende Rede von der Allmacht Gottes ist zu Ende.

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Hallo, Volker -

 

Danke für Deine hervorragende und akribische Analyse, der ich meine Anerkennung aussprechen möchte!

 

Nur zwei kleine Einwände hätte ich:

Ich meine nämlich nicht, daß wir Menschen Vernunftwesen sind. Aber sicher gibt es Menschen, welche vernunftbetonter sind als andere Mitmenschen.

Weiters ist die "Eroberung des Sinnlosen" für mich etwas zutiefst Menschliches.

 

Verzeihe mir nun bitte, wenn ich an dieser Stelle einen Auszug aus meiner Antwort an Dich (im Thread „unsterbliche Seele“ in der Gladiatorenarena) hier wiederhole:

 

...

Vollmer habe ich gelesen und lese ich immer noch, ich habe ja selbst an anderer Stelle z.B. u.a. auf den hypothetischen Realismus verwiesen.

 

Ich anerkenne durchaus die Evolutionstheorie als naturwissenschaftliche Theorie und habe dies mehrfach betont.

Glaube kann meiner Meinung nach durchaus ein virtuoser Zirkel sein.

Logik ist gebunden an unseren Denkapparat. Jene Abstraktionen sind eben Teil-Abstraktionen jener Realitäten, die Du und ich gemeinsam Naturgesetze nennen könnten - oder was meinst Du?

...  (Im Dialog mit VertreterInnen der A&A-Gruppe habe ich "G ..." nie erwähnt und immer versucht, mich auf den math.-natwss. Bereich zu beschränken.)

 

Also: was will dieser komische Knilch michl eigentlich?

Zunächst einmal unsere Gemeinsamkeiten ausloten. Und da wären aus meiner Sicht der hypothetische Realismus eines G. Vollmer, das mathematisch-naturwissenschaftliche Fundament und die evolutionäre Erkennntnistheorie eine gemeinsame Basis - oder täusche ich mich?

 

Was ich nun auf keinen Fall will (und auch nicht kann, zumal sich schon weitaus Größere als ich daran die Zähne ausgebissen haben), ist dies: "Überzeugen" und "Rechthaben" Das klingt jetzt blöd, ist es wahrscheinlich auch.

Diese Haltung gründet in persönlichen, aber tief empfundenen Lebenserfahrungen (auf die ich mich z.B. Dir gegenüber nicht berufen würde, weil sie ausgesprochen subjektiv sind).

 

Wenn Du einst sagen könntest: Wenigstens teilweise kann man als Atheist bzw Agnostiker sich mit einem typus michl arrangieren, nämlich in der Form, zumindest theoretisch ein Stückerl mehr Menschlichkeit gemeinsam zu schaffen ... dann genügt mir das völlig.

 

Ob vielleicht als ein Mosaiksteinchen hierzu die Reflexion menschlichen Leids - egal welche Weltanschauung jener Mensch hat - dienen könnte: jener dritte Weg als gemeinsame Suche?

 

 

Mit freundlichen Grüßen

 

michl

bearbeitet von michl
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(P4) Jemand der Menschen liebt, wird ihnen kein Leid zufügen (wenn es keinem höheren Zweck dient, wie etwa ein Zahnarzt, der unser Leben rettet, in dem er uns Schmerzen dabei zufügt, wenn er uns den vereiterten Zahn zieht) und nicht zulassen, dass ihnen Leid widerfährt.

 

[...]

 

Die Ansicht, dass (P4) falsch ist, widerspricht unserem moralischen Empfinden und würde auf 3. hinauslaufen.

 

 

Da fehlt mir die von Dir auch angesprochene menschliche Freiheit als weitere Prämisse. Gott ist kein Marionettenspieler. Unter solch neuer Prämisse müßte dann also der zweite Teil Deiner (P4) "und nicht zulassen, dass ihnen Leid widerfährt." entfallen. Denn daß es den Menschen widerfährt, ist ja offensichtlich. Die Frage bleibt dann nur: warum?

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Hi Volker,

die Vorstellung von "Allmacht" stammt wahrscheinlich aus Zeiten, als Menschen natürliche Katastrophen wie Brände, Überschwemmungen, Unwetter etc. einem Wesen zugeschrieben von dem man wohl annahm, daß es zu unabhängigen Handlungen fähig sei.

Dieses Wesen wurde mit Opfern besänftigt, seine Gutmütigkeit wurde mittels Gebeten beschworen.

Warum sollten wir diese Allmachtsvorstellungen die von Menschen von vor 4000 Jahren stammen weiterhin pflegen?

 

Fernseher und Handy einerseits, aber All-Machts-Vorstellungen, die tausende von Jahren alt sind?

 

Sehe ich nicht ein.

 

Eve

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Volker_Biallass

Hallo soames :blink:

(P4) Jemand der Menschen liebt, wird ihnen kein Leid zufügen (wenn es keinem höheren Zweck dient, wie etwa ein Zahnarzt, der unser Leben rettet, in dem er uns Schmerzen dabei zufügt, wenn er uns den vereiterten Zahn zieht) und nicht zulassen, dass ihnen Leid widerfährt.

 

[...]

 

Die Ansicht, dass (P4) falsch ist, widerspricht unserem moralischen Empfinden und würde auf 3. hinauslaufen.

 

Da fehlt mir die von Dir auch angesprochene menschliche Freiheit als weitere Prämisse. Gott ist kein Marionettenspieler. Unter solch neuer Prämisse müßte dann also der zweite Teil Deiner (P4) "und nicht zulassen, dass ihnen Leid widerfährt." entfallen. Denn daß es den Menschen widerfährt, ist ja offensichtlich. Die Frage bleibt dann nur: warum?

 

Als Allmächtiger kann man natürlich verhindern, dass Leid widerfährt, auch wenn das mit dem freien Willen verursacht wird. Die Allmacht müsste nichts unmögliches leisten, sondern nur als eine Art Blitzableiter einschreiten.

 

Die Idee, dass wir als freie Wesen einen Allmächtigen überfordern können, ist keinesfalls zwingend.

 

Der einzige logische Konflikt bestünde, wenn wir ums Verrecken leiden wollen, er da aber keine Lust drauf hat (von wegen Liebe und so). Aber das wäre ja kein ungerechtfertigtes Leid, sondern angefordertes :ph34r:

 

scnr Volker

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@alle,

wer von euch stellt sich die "Allmacht Gottes" so vor:

Ein eigenständiges, nichtsterbliches Wesen, daß volle Kontrolle über Raum und Zeit hat , und somit ALLES ohne Zeitvelust verändern könnte.

 

Eve

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Nur zwei kleine Einwände hätte ich:

Ich meine nämlich nicht, daß wir Menschen Vernunftwesen sind. Aber sicher gibt es Menschen, welche vernunftbetonter sind als andere Mitmenschen.

Weiters ist die "Eroberung des Sinnlosen" für mich etwas zutiefst Menschliches.

 

Ich denke auch, dass wir keine (reinen) Vernunftwesen sind. Konrad Lorenz sprach davon, wir seien "vernunftbegabt". Inwieweit man seine Begabung ausnutzt, bleibt natürlich jedem selbst überlassen.

 

Die Eroberung des Sinnlosen, so denke ich, ließe sich auch mit der Vernunft machen.

 

Verzeihe mir nun bitte, wenn ich an dieser Stelle einen Auszug aus meiner Antwort an Dich (im Thread „unsterbliche Seele“ in der Gladiatorenarena) hier wiederhole:

 

Ich denke, ich werde Dir auch in dem entsprechenden Thread antworten, wenn Du nichts dagegen hast (weil es hier m. A. nach zu weit vom Thema wegführt).

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Hallo soames :blink:
(P4) Jemand der Menschen liebt, wird ihnen kein Leid zufügen (wenn es keinem höheren Zweck dient, wie etwa ein Zahnarzt, der unser Leben rettet, in dem er uns Schmerzen dabei zufügt, wenn er uns den vereiterten Zahn zieht) und nicht zulassen, dass ihnen Leid widerfährt.

 

[...]

 

Die Ansicht, dass (P4) falsch ist, widerspricht unserem moralischen Empfinden und würde auf 3. hinauslaufen.

 

Da fehlt mir die von Dir auch angesprochene menschliche Freiheit als weitere Prämisse. Gott ist kein Marionettenspieler. Unter solch neuer Prämisse müßte dann also der zweite Teil Deiner (P4) "und nicht zulassen, dass ihnen Leid widerfährt." entfallen. Denn daß es den Menschen widerfährt, ist ja offensichtlich. Die Frage bleibt dann nur: warum?

 

Als Allmächtiger kann man natürlich verhindern, dass Leid widerfährt, auch wenn das mit dem freien Willen verursacht wird. Die Allmacht müsste nichts unmögliches leisten, sondern nur als eine Art Blitzableiter einschreiten.

 

Die Idee, dass wir als freie Wesen einen Allmächtigen überfordern können, ist keinesfalls zwingend.

 

Der einzige logische Konflikt bestünde, wenn wir ums Verrecken leiden wollen, er da aber keine Lust drauf hat (von wegen Liebe und so). Aber das wäre ja kein ungerechtfertigtes Leid, sondern angefordertes :ph34r:

 

scnr Volker

Hallo Volker,

 

ja, als Allmächtiger könnte man Leid verhindern, Blitzableiter sein. Aber trotz des Besitzes dieser Kraft sie nicht benutzen, da die menschliche Freiheit geachtet werden soll, schließt sich nicht logisch aus. Ich wollte also keine Überforderung Gottes annehmen. Und es gibt ja noch die Wunder ...

 

Daß die Liebe zu seinen Geschöpfen, auch wenn sie unverschuldet leiden, nicht vergehen muß, ist damit auch nicht gesagt. Wie es, ich glaube Eve oder Karolin schon gesagt hat: Er erleidet alles mit. Und schließt den Menschen in seine Hand, wenn seine Stunde kommt.

 

Die Idee der Freiheit aber schließt ja gerade ein, daß sie auch zum Bösen genutzt werden kann. Schon Satan, der große Verführer, ist ein aus freiem Willen von Gott abgefallener Engel. Was zeigt, daß man sich selbst in direkter Anschauung Gottes in Freiheit sündig von ihm abwenden kann. Die negativen Folgen der Freiheit kannte Gott also, als er die Menschen frei erschuf. Doch ohne sie wäre es eben auf ein reines Marionettentheater hinausgelaufen.

 

Der Grundkonflikt besteht also zwischen Gottes Liebe zu den Menschen und der ihnen zur Vervollkommnung ihrer Würde gegebenen Freiheit.

 

Was meinst Du dazu?

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(P4) Jemand der Menschen liebt, wird ihnen kein Leid zufügen (wenn es keinem höheren Zweck dient, wie etwa ein Zahnarzt, der unser Leben rettet, in dem er uns Schmerzen dabei zufügt, wenn er uns den vereiterten Zahn zieht) und nicht zulassen, dass ihnen Leid widerfährt.

 

Die Ansicht, dass (P4) falsch ist, widerspricht unserem moralischen Empfinden und würde auf 3. hinauslaufen.

Obwohl du behauptest, lieber Volker, das P4 unserem moralischen Empfinden widerspricht, würde ich P4 als falsch bezeichnen: Gott ist ein großer Pädagoge, der möchte, dass wir hier auf Erden sozusagen als Vorbereitung Liebe und Einsatz lernen. Deshalb ist es hier auf Erden auch teilweise so ungemütlich (Naturkatastrophen, von Gott zugelassen), außerdem müssen wir Menschen auch durch irgendetwas zu Tode kommen (um damit erst ins Paradies zu gelangen!), das kann durch Krankheiten oder Naturkatastrophen passieren.

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(P4) Jemand der Menschen liebt, wird ihnen kein Leid zufügen (wenn es keinem höheren Zweck dient, wie etwa ein Zahnarzt, der unser Leben rettet, in dem er uns Schmerzen dabei zufügt, wenn er uns den vereiterten Zahn zieht) und nicht zulassen, dass ihnen Leid widerfährt.

 

[...]

 

Die Ansicht, dass (P4) falsch ist, widerspricht unserem moralischen Empfinden und würde auf 3. hinauslaufen.

 

 

Da fehlt mir die von Dir auch angesprochene menschliche Freiheit als weitere Prämisse. Gott ist kein Marionettenspieler. Unter solch neuer Prämisse müßte dann also der zweite Teil Deiner (P4) "und nicht zulassen, dass ihnen Leid widerfährt." entfallen. Denn daß es den Menschen widerfährt, ist ja offensichtlich. Die Frage bleibt dann nur: warum?

Nun, die Prämisse gehört bereits zu einer Theodizee (also zu einer Lösung), mir ging es nur darum, das Problem zu formulieren. Wie ich bereits angedeutet habe, besteht eine der möglichen Lösungen des Theodizeeproblems darin, (P4) als falsch anzusehen: Eine leidfreie Welt wäre nur möglich, wenn Menschen keinen freien Willen hätten. Da freier Willen aber ein sehr hohes Gut ist, ist daher Leid gerechtfertigt.

 

Ich will auf die möglichen Einwände hier nicht allzu ausführlich eingehen, nur soviel: Das Beispiel mit dem Zahnarzt ist nämlich unvollständig, einem Zahnarzt ist es nur erlaubt, uns Schmerzen zuzufügen, wenn wir unser Einverständnis dazu gegeben haben (oder wenn man das Einverständnis billigerweise voraussetzen kann, z. B. bei einem schweren Unfall, bei dem das Opfer bewusstlos ist). Aber wir haben Gott nie ein Einverständnis gegeben, uns um des freien Willens zuliebe leiden zu lassen. Die meisten Menschen in schweren Leidsituationen würden, ließe man ihnen die Wahl, nämlich auf den freien Willen verzichten, wenn sie um diesen Preis Leidfreiheit bekämen.

 

Ein zweiter Einwand ist: Eine Welt, in der die Menschen freien Willen haben, aber trotzdem in allen Situationen moralisch richtig handeln, ist sowohl logisch möglich als auch erstrebenswert, es sollte für einen Allmächtigen auch möglich sein, diesen Zustand herzustellen. Hier fruchtet auch der Einwand nichts, dass Gott nur tun kann, was logisch möglich ist. Wenn die Gesetze der Logik für Gott nicht gelten, dann wäre dies sogar noch sehr viel einfacher.

 

Dritter Einwand: Man kann damit zwar die moralischen Übel erklären, nicht aber die natürlichen Übel. Die natürlichen Übel (Erdbeben, Sturmfluten, Unwetter, Krankheiten etc.) ließen sich in einer Kombination erklären, nachdem Gott keine Welt schaffen kann, die logisch unmöglich ist, d. h. die natürlichen Übel lassen sich dadurch erklären, dass Gott bei der Erschaffung der Welt keine vollkommene Handlungsfreiheit hatte. Das passt damit zusammen, dass Allmacht meist definiert wird als Gott kann alles tun, was logisch möglich ist. Andere Definitionen führen nämlich zu logischen Paradoxien wie etwa "Kann Gott einen Stein schaffen, der so schwer ist, dass er ihn nicht hochheben kann?".

 

Vierter Einwand: Gerade für Kinder, die sterben, wird durch moralische Übel die Gesamtheit des freien Willens vermindert, nicht vermehrt, also gibt es Übel, die dem angezielten Gut entgegenwirken.

 

Fünfter Einwand: Wenn aus freiem Willen naturgemäß moralische Übel folgen, dann haben die Menschen im Paradies entweder keinen freien Willen, keine Handlungsmöglichkeit, oder es gibt dort Leid. Wenn man die Existenz des Paradieses behauptet, dann behauptet man zugleich, dass es Gott möglich ist, eine leidfreie Welt zu schaffen mit freiem Willen und allem, die Frage wäre dann, warum er dies nicht tut? Und ewiges Leid im Paradies wäre sicher völlig unannehmbar. Wer also sagt "Gott konnte keine leidfreie Welt schaffen" und gleichzeitig "Es gibt ein Paradies", der widerspricht sich damit selbst. Außerdem, geschehenes Leid wird nicht durch eine Widergutmachung ungeschehen gemacht, ferner erlangen nicht alle Menschen das Paradies, also gibt es auch Leid ohne Wiedergutmachung (dies ist zugleich ein Einwand gegen die Wiedergutmachungsthese).

 

Sechster Einwand: Dass es einen freien Willen gibt, ist nicht sicher, eher im Gegenteil.

 

Siebter Einwand: Man kann das Theodizeeproblem auch logisch umdrehen und als eine Satanodizee auffassen. Diese Satanodizee geht so:

 

Wenn ein böser Gott die Welt geschaffen hat, um Leid zu verursachen, wieso gibt es dann das Gute?

 

Nun kann man viele Theodizeen einfach umdrehen und damit die Satanodizee schaffen. D. h. man kann mit ihnen genausogut die Rechtfertigung begründen, warum Gott bösartig ist. Damit aber ist die Theodizee gescheitert, weil ein Argument, mit dem man auch das logische Gegenteil begründen kann, niemals ein gültiges Argument sein kann. Um nämlich zu zeigen, dass Gott nicht bösartig ist, müsste man die Satanodizee widerlegen, damit widerlegt man gleichzeitig aber auch die Theodizee. Oder man tut das nicht, dann hat man eben eine Begründung für die Bösartigkeit Gottes gefunden. Man kann die Verteidigung des freien Willens in diesen Fall umdeuten.

 

Das Problem der Satanodizee gilt auch für die "Verteidigung der unbekannten Gründe", nach denen Gott gute Gründe hat, Leid zuzulassen, die wir aber leider nicht kennen. Mit exakt derselben Begründung kann man auch zeigen, dass es einen bösartigen Gott gibt, der aus uns unbekannten Gründen aber auch das Schöne und Gute in der Welt zulassen muss.

 

Die meisten Gläubigen kennen das Problem der Satanodizee nicht, wissen daher auch nicht, dass ihre Lösungsansätze ungültig sind.

 

Um die Verteidigung des freien Willens als gültige Lösung zu etablieren, müsste man alle diese (und weitere) Einwände widerlegen. Aber auch die besten "analytischen" Theologen (Plantinga und Swinburne) sind daran gescheitert, es besteht also wenig Hoffnung.

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(P4) Jemand der Menschen liebt, wird ihnen kein Leid zufügen (wenn es keinem höheren Zweck dient, wie etwa ein Zahnarzt, der unser Leben rettet, in dem er uns Schmerzen dabei zufügt, wenn er uns den vereiterten Zahn zieht) und nicht zulassen, dass ihnen Leid widerfährt.

 

Die Ansicht, dass (P4) falsch ist, widerspricht unserem moralischen Empfinden und würde auf 3. hinauslaufen.

Obwohl du behauptest, lieber Volker, das P4 unserem moralischen Empfinden widerspricht, würde ich P4 als falsch bezeichnen: Gott ist ein großer Pädagoge, der möchte, dass wir hier auf Erden sozusagen als Vorbereitung Liebe und Einsatz lernen. Deshalb ist es hier auf Erden auch teilweise so ungemütlich (Naturkatastrophen, von Gott zugelassen), außerdem müssen wir Menschen auch durch irgendetwas zu Tode kommen (um damit erst ins Paradies zu gelangen!), das kann durch Krankheiten oder Naturkatastrophen passieren.

Das bezeichnet man im Angelsächsischen als "Soul Making Theodicee". Diese wird fast überhaupt nicht mehr vertreten (außer z. B. durch Hicks, und, soweit ich weiß, wird sie noch von den Mormonen verteidigt).

 

Ein Einwand dagegen ist, dass man die Schädlichkeit von Leid etc. auch erlernen kann, ohne selbst zu leiden. Außerdem ist es so, dass viele Menschen an dem ihnen oder ihren Angehörigen zugefügten Leid zerbrechen, ein Lernen aber, welches den Lernenden zerbricht, ist zutiefst ungerecht. Abgesehen davon widerfährt nicht allen Menschen Leid, also sind die Voraussetzungen sehr ungleich verteilt. Ferner, wenn man die früh gestorbenen Kinder berücksichtigt, wird klar, dass viele Menschen nie die Chance haben, etwas zu lernen. Würden alle Menschen gleich alt und an Altersschwäche sterben und hätten auch sonst die gleichen Voraussetzungen, dann könnte man diese Theodizee erfolgreich vertreten.

 

Menschen müssen nicht durch Naturkatastrophen umkommen, um zu sterben.

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(P4) Jemand der Menschen liebt, wird ihnen kein Leid zufügen (wenn es keinem höheren Zweck dient, wie etwa ein Zahnarzt, der unser Leben rettet, in dem er uns Schmerzen dabei zufügt, wenn er uns den vereiterten Zahn zieht) und nicht zulassen, dass ihnen Leid widerfährt.

 

Die Ansicht, dass (P4) falsch ist, widerspricht unserem moralischen Empfinden und würde auf 3. hinauslaufen.

Obwohl du behauptest, lieber Volker, das P4 unserem moralischen Empfinden widerspricht, würde ich P4 als falsch bezeichnen: Gott ist ein großer Pädagoge, der möchte, dass wir hier auf Erden sozusagen als Vorbereitung Liebe und Einsatz lernen. Deshalb ist es hier auf Erden auch teilweise so ungemütlich (Naturkatastrophen, von Gott zugelassen), außerdem müssen wir Menschen auch durch irgendetwas zu Tode kommen (um damit erst ins Paradies zu gelangen!), das kann durch Krankheiten oder Naturkatastrophen passieren.

Das bezeichnet man im Angelsächsischen als "Soul Making Theodicee". Diese wird fast überhaupt nicht mehr vertreten (außer z. B. durch Hicks, und, soweit ich weiß, wird sie noch von den Mormonen verteidigt).

 

Ein Einwand dagegen ist, dass man die Schädlichkeit von Leid etc. auch erlernen kann, ohne selbst zu leiden. Außerdem ist es so, dass viele Menschen an dem ihnen oder ihren Angehörigen zugefügten Leid zerbrechen, ein Lernen aber, welches den Lernenden zerbricht, ist zutiefst ungerecht. Abgesehen davon widerfährt nicht allen Menschen Leid, also sind die Voraussetzungen sehr ungleich verteilt. Ferner, wenn man die früh gestorbenen Kinder berücksichtigt, wird klar, dass viele Menschen nie die Chance haben, etwas zu lernen. Würden alle Menschen gleich alt und an Altersschwäche sterben und hätten auch sonst die gleichen Voraussetzungen, dann könnte man diese Theodizee erfolgreich vertreten.

 

Menschen müssen nicht durch Naturkatastrophen umkommen, um zu sterben.

Es gibt ja sogar noch Schlimmeres als Leid im Leben, nämlich den Tod und den müssen alle erleiden. Dass das Leben ungerecht ist, wissen wir alle, dafür gibt es aber nach unserem Glauben eine jenseitige Gerechtigkeit!

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Es gibt übrigens noch eine ganze Reihe bisher noch nicht erwähnter Theodizeen:

 

Die Testtheorie: Wir sind hier auf der Erde, weil Gott mit uns eine Art Test durchführt, um zu sehen, wer für das Paradies geeignet ist. Die Einwände hiergegen sind, dass die Testbedingungen ungleich und unfair sind, außerdem zweifelt man damit indirekt die Allmacht und das Allwissen von Gott an: Wer einen test durchführt, weiß offensichtlich nicht, wie dieser Test ausgeht, sonst müsste er ihn nicht durchführen.

 

Die Reinkarnationstheorie: Ein Einwand gegen die Verteidigung des freien Willens besteht darin, dass nicht jeder die Gelegenheit hat, seinen freien Willen auszuüben bzw. nicht in gleichem Maße. Nimmt man aber an, dass wir wiedergeboren werden, dann kann man diesen Einwand entkräften. Die Gegeneinwände möchte ich hier nicht ausführen, komme aber gerne darauf zurück (ein christlicher Einwand lautet, dass die Reinkarnationslehre nicht zum Christentum "kompatibel" ist, daher wird das von Christen nur sehr selten vertreten).

 

Die populärste Theodizee besteht darin, sich nicht mit dem Problem auseinanderzusetzen, d. h. das Problem schlicht auszusitzen. Die Beweislast, so wird behauptet, liege sowieso beim Atheisten, der beweisen müsse, dass das Leid nicht mit der Güte Gottes vereinbar sei, man kann sich also zurücklehnen und die Atheisten dabei beobachten, wie sie sich mit so einem Beweis abmühen. Das Problem mit dieser Verteidigung besteht darin, dass es sich um keine handelt und dass man Probleme nicht löst, in dem man sie ignoriert. Ferner wird verkannt, dass die Atheisten ziemlich gute Argumente haben und damit auch den einen oder anderen Christen überzeugen, weil das Problem des Leids selbst so ziemlich jeden von uns betrifft.

 

Ferner wird übersehen, dass es erfolgreiche analytische Beweise dafür gibt, dass überflüssiges oder ungerechtfertigtes Leid (was man in allgemeinen als "Übel" bezeichnet) sich nicht mit der Güte Gottes vereinbaren lassen, dass also die Atheisten ihren Teil der Arbeit bereits erledigt haben. Außerdem kann man in der Öffentlichkeit keine Debatten damit gewinnen, dass man die Argumente der Gegenseite einfach an sich abprallen lässt. Das erweckt den Eindruck, dass man die Gläubigen in dieser Frage einfach in Stich lässt und ist mit der Behauptung, dass der Theismus die wichtigen Fragen der Menschheit beantworten kann, nicht kompatibel. Es ist eher ein Ausdruck von Hilflosigkeit als ein echtes Argument.

 

Unabhängig von der Frage nach der Beweislast muss man sich ohnehin fragen, wie man eine Moral als "gut" bezeichnen will, wenn sie auf der ungeklärten Frage nach der Güte Gottes basiert. Außerdem besteht der Kern des Christentums in der Hoffnung auf ein Leben im Paradies, wie man diese Hoffnung aufrecht erhalten will, wenn man die Kernfragen dazu nicht beantworten kann, ist nicht nur mir unerfindlich.

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Nur zwei kleine Einwände hätte ich:

Ich meine nämlich nicht, daß wir Menschen Vernunftwesen sind. Aber sicher gibt es Menschen, welche vernunftbetonter sind als andere Mitmenschen.

Weiters ist die "Eroberung des Sinnlosen" für mich etwas zutiefst Menschliches.

 

Ich denke auch, dass wir keine (reinen) Vernunftwesen sind. Konrad Lorenz sprach davon, wir seien "vernunftbegabt". Inwieweit man seine Begabung ausnutzt, bleibt natürlich jedem selbst überlassen.

 

Die Eroberung des Sinnlosen, so denke ich, ließe sich auch mit der Vernunft machen.

 

...

Hallo, Volker -

 

Danke für Deine Antwort!

 

Quasi als Exkurs trage ich noch etwas nach zur Beziehung von Emotion und Verstand, dessen Weiterführung ja die Vernunft ist.

 

Allerdings haben für mich auch die folgenden Ausführungen starke Relevanz für unsere Fragestellung:

 

Wie verstandesgeleitet ist der homo sapiens sapiens eigentlich?

 

Auf der Titelseite des FOCUS (Nr. 24 vom 7.Juni 2004) ist u.a. zu lesen:

„Die Intelligenz der Gefühle / Gehirnforscher zeigen, warum die Intuition oft wichtiger ist als der Verstand / Der Weg zur klugen Entscheidung ...“

Im Inhaltsverzeichnis (S. 6) wird unter den Titelthemen u.a. angeführt: „ ... Neue Forschungen rehabilitieren Intuition und Gefühlsentscheidung ... Warum unbewusstes Denken oft überlegen ist ...“

 

Im genannten Artikel ist auf S. 136 zur neurobiologischen Gehirntheorie zu lesen:

 

„Emotionen entscheiden

Das emotionale Erfahrungsgedächtnis steuert den Menschen - auf der Basis all seiner bis dahin gesammelten Er-lebnisse, die als >>angenehm<< oder >>unangenehm<< abgespeichert wurden. Beeinflusst wird dessen Arbeit aber auch durch angeborene Affekte oder Grundbedürfnisse (etwa Hunger, sexuelles Begehren, Aggression, Wut, Schmerz, Bindungstrieb). Ziele der Emotionen: das Überleben sichern und ein möglichst widerspruchsfreies Selbstbild aufrechterhalten.

 

Der Verstand ist nur >>Berater<<

Der bewusste Verstand ist zwar ein wichtiges Hilfsmittel zur Bewältigung des Lebens - die Fähigkeit zu planen, Logik und Rechenkünste verschaffen dem Menschen einen großen Vorsprung vor allen Tieren. Aber die Letztentscheidung hat das emotionale limbische System - das auch das Verhalten der Tiere steuert.

(Die Hervorhebung stammt von mir.)

 

Nein, ich werde nicht unterschlagen, daß besagter FOCUS - Artikel natürlich auch erwähnt, daß manche Gehirnforscher die Zweifel am freien Willen untermauert sehen (vgl. a.a.O.: S. 137 - „Kein freier Wille?).

 

Für mich stellt dies allerdings eine problematische Übertragung physikalisch-chemischer Befunde auf psychologische Interpretationen dar. Weiters bietet dieser Ansatz so für mich - wie schon an anderer Stelle angedeutet - weder in der Gottesfrage noch hinsichtlich des Praxisbezuges (Konsequenzen menschlichen Handelns) eine Argumentationshilfe.

In dem erwähnten Artikel ist auch ein Interview mit dem Professor für Verhaltensphysiologie an der Uni Bremen, Gerhard Roth abgedruckt („>>Kants großer Irrtum<< Gehirnforscher Gerhard Roth über den Sinn der Emotionen - und seine wissenschaftlichen Zweifel an der Existenz von Willensfreiheit, Schuld, Gut und Böse“ : S. 142 - S. 145). Ich zitiere zwei im FOCUS hervorgehobene Kernsätze:

 

„Alle verhaltensrelevanten Überzeugungen müssen emotional sein. Reine Verstandesfunktionen bewirken nichts.“ (a.a.O.: S. 144)

„Gut und schlecht sind soziale Konstruktionen. Es gibt leider in uns kein robustes Gewissen.“ (a.a.O.: S. 145)

 

Aus Fairnessgründen habe ich auch diesen für manche (auch für mich) unbequemen Satz zitiert.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

michl

bearbeitet von michl
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die Vorstellung von "Allmacht" stammt wahrscheinlich aus Zeiten, als Menschen natürliche Katastrophen wie Brände, Überschwemmungen, Unwetter etc. einem Wesen zugeschrieben von dem man wohl annahm, daß es zu unabhängigen Handlungen fähig sei.

Dieses Wesen wurde mit Opfern besänftigt, seine Gutmütigkeit wurde mittels Gebeten beschworen.

Warum sollten wir diese Allmachtsvorstellungen die von Menschen von vor 4000 Jahren stammen weiterhin pflegen?

 

Gute Frage. Ich kann sie auch nicht beantworten. An der Allmacht Gottes hält man mehr deswegen fest, weil man die emotionale Hoffnung hegt, dass sich eines Tages alles zum Guten wenden wird, wenn Gott nicht allmächtig ist, dann hat diese Hoffnung keine sehr gute Basis. Es sind mehr emotionale als rationale Gründe, die die Gläubigen an der Allmacht Gottes festhalten lässt, obwohl mit der Aufgabe der Vorstellung eines allmächtigen Gottes sich das Theodizeeproblem in Nichts auflösen würde.

 

Außerdem entstand die Idee eines allmächtigen Gottes in der Auseinandersetzung mit anderen Religionen, so in der Art eines "Wettrüstens": Mein Gott ist nämlich stärker als Deiner. Da die Menschen oft dem Stärkeren folgen, ist ein Gott umso attraktiver, je mächtiger er ist (obwohl es moralisch sehr fragwürdig ist, stets dem Stärkeren zu folgen). Hier kann das Christentum und der Islam "punkten", weil sie die Idee der Macht bis an ihr logisches Ende betrieben haben, bis hin zur Allmacht eben, trotz der Probleme, die diese Vorstellung heraufbeschwört.

 

Man darf nicht vergessen, dass es neben dem Theodizeeproblem noch eine Reihe weiterer atheologischer Argumente gegen die Allmacht Gottes gibt, denen man damit Tür und Tor öffnet. So stellt auch das Argument des Unglaubens die Allmacht Gottes in Frage, ebenso die Beweise der Nichtexistenz Gottes durch die logischen Widersprüche, die sich alleine aus dem Attribut "Allmacht" ergeben (siehe beispielsweise auch Martin, Michael (Hrsg.) und Monnier, Ricki (Hrsg.): 2002, The Impossibility of God, Prometheus Books, New York, oder Gale, Richard M.: 1993, On the Nature and Existence of God, Cambridge University Press, Cambridge, man spielt den starken Atheisten in die Hände, wenn man ihnen diese Möglichkeit offen lässt).

 

Die meisten Gläubigen gehen diesen Problemen aber ganz einfach dadurch aus dem Weg, dass sie sich nicht mit derartigen Problemen beschäftigen, insofern ist das nur etwas für philosophisch Interessierte. Es bedeutet aber auch, dass man hier die Schlacht um die gebildeten Schichten verlieren wird (was sich bereits abzeichnet) und die Religion "marginalisiert". Aber das führt nur sehr langfristig zu Problemen - aber wenn das so weitergeht, hat man irgendwann einmal ein ganz gutes Kriterium dafür, ob jemand gebildet und intelligent ist - er ist es dann, wenn er nicht an Gott glaubt. Noch aber ist es längst nicht soweit, nur sind die Kirchen dabei, dieses Feld den Philosophen zu überlassen, ohne sich über die Konsequenzen im Klaren zu sein.

 

Allerdings, und das ist das Problem, wenn man sich auf eine Auseinandersetzung mit den Atheisten einlässt und man verliert die Debatten, dass sich dann dieses Problem noch beschleunigt, was auch nicht ganz von der Hand zu weisen ist. Und ich vermute manchmal, dass die Kirche genau dies befürchtet, wenn dem so wäre (das ist Spekulation), dann wird sie wohl wissen, warum dem so ist. Man sollte eben keine Schlachten anfangen, die man nicht gewinnen kann, manchmal reicht das Risiko schon aus.

 

Auf dem Gebiet der Gottesbeweise ist das nämlich schon eingetreten: Man hat alle Schlachten gegen die Atheisten verloren. Selbst so geniale und durchdachte Gottesbeweise wie die von Plantinga und Swinburne sind mittlerweile widerlegt worden (siehe auch Parsons, Keith M.: 1990, God and the Burden of Proof: Plantinga, Swinburne, and the Analytic Defense of Theism (Frontiers of Philosophy), Prometheus Books, New York), was die Atheisten in ihrer Ansicht bestätigt hat und ihnen neue Zuversicht geben wird, was eine Auseinandersetzung mit den Theisten angeht. Die Versuche von Plantinga und Swinburne haben den Untergang der Gottesbeweise eher beschleunigt als verhindert. Nun ist das Gebiet der Gottesbeweise nicht so wichtig, als dass man (als Theist) dort nicht eine Niederlage leicht verschmerzen könnte, eine Niederlage beim Theodizeeproblem wäre schon ernsthafter.

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Nun, die Prämisse gehört bereits zu einer Theodizee (also zu einer Lösung), mir ging es nur darum, das Problem zu formulieren. Wie ich bereits angedeutet habe, besteht eine der möglichen Lösungen des Theodizeeproblems darin, (P4) als falsch anzusehen: Eine leidfreie Welt wäre nur möglich, wenn Menschen keinen freien Willen hätten.

Das ist ein Ausweichen. Wenn man die menschliche Freiheit als weitere Prämisse hinzunähme und Deine Prämisse 4 abänderte (denn auch der zweite Teil dieser bildet einen Teil Deiner Lösung): Was wäre dann die Folge?

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Quasi als Exkurs trage ich noch etwas nach zur Beziehung von Emotion und Verstand, dessen Weiterführung ja die Vernunft ist.

 

Allerdings haben für mich auch die folgenden Ausführungen starke Relevanz für unsere Fragestellung:

 

Wie verstandesgeleitet ist der homo sapiens sapiens eigentlich?

Eigentlich handelt es sich um ein Seitenthema, aber die Frage ist zu wichtig, um sie einfach beiseite zu schieben.

 

Ob Verstand oder Gefühl für einen wichtiger sind, kann man ganz einfach beantworten. Nehmen wir einmal die (für die hier anwesenden Gläubigen) sehr wichtige Frage "Existiert Gott?", die ja positiv beantwortet wird.

 

Nun meine Frage:

 

Angenommen, ich würde jeden Deiner Gründe nehmen, die Deiner Ansicht nach für Gott sprechen, und würde diese Punkt für Punkt widerlegen, würdest Du dann den Glauben an Gott aufgeben?

 

Ich könnte das Ganze noch verstärken, in dem ich die Argumente anführe, die gegen Gottes Existenz sprechen. Nun mag man diese Frage für sehr hypothetisch halten bzw. es für unmöglich halten, dass ich das kann. Aber mal für einen Moment angenommen, ich könnte es, wie sähe dann Deine Antwort aus?

 

Wenn Du die Frage mit JA beantwortest, dann bist Du ein eher durch den Verstand geleiteter Mensch. Aber die Antwort auf diese Frage ist sehr, sehr selten Ja.

 

Wenn Du die Frage mit ICH WEIß NICHT beantwortest, dann bist Du Dir darüber im Unklaren, ob Du dem Verstand oder Deinen Gefühlen einen Vorrang einräumen wirst.

 

Die häufigste Antwort auf diese Frage wird aber NEIN lauten. In diesem Fall ist es offensichtlich, dass aus emotionalen Gründen geglaubt wird. Vielleicht stellt sich jeder einmal selbst diese Frage und versucht, sie für sich selbst ehrlich zu beantworten (muss ja nicht hier in der Öffentlichkeit erfolgen). Das ist auch der Grund dafür, dass der Stand der Diskussion für uns Atheisten so extrem schwieirig ist, wir könnten die besseren Gründe für unseren Unglauben haben, aber trotzdem die Debatten verlieren.

 

Ich selbst würde die Gegenfrage, ob ich an Gott glauben würde, wenn man mir dafür gute Gründe nennt (auch ohne alle meine Einwände zu widerlegen!) sofort und ohne zu zögern mit JA beantworten, was zeigt, wo ich in dieser Frage stehe. Tatsächlich bin ich aktiv auf der Suche nach wirklich guten Einwänden gegen meine Auffassung, aber je länger ich diese Debatten führe, umso geringer wird meine Hoffnung, dass sich da noch etwas finden lässt. Das hat mir den Ruf eingetragen, starrsinnig zu sein, aber ehrlich Leute, das liegt nur an meinem Widerwillen gegen schwache Argumente.

 

Nun ist es aber so, dass mich die Frage, ob Gott existiert, wirklich interessiert. Ich nehme diese Frage ernst.

 

Ich bin aber aus folgenden Gründen nicht bereit, emotionale Argumente zu akzeptieren. Wenn man keine Sprachspiele spielt, dann kann die Frage nach der Existenz Gottes doch ernsthaft nur so beantwortet werden:

 

Entweder, es gibt einen Gott, mehrere Götter oder keinen Gott.

 

Ferner sehe ich, dass es zwischen einem Glauben an Gott und auch für einen Unglauben an Gott unerheblich ist, was von den angeführten Möglichkeiten tatsächlich der Fall ist. Man kann an Gott glauben, wenn es keinen gibt, man kann auch nicht an Gott glauben, wenn es einen gibt. Alle diese Möglichkeiten kann man nicht ausschließen, man sollte sie also alle bedenken - oder aufhören, zu behaupten, man würde in dieser Frage Vernunft walten lassen. Das alles vorausgeschickt.

 

Nun werden die Emotionen meist völlig verkannt, viele Menschen wissen einfach nicht, worum es sich dabei handelt. Auch der FOCUS-Artikel (den ich nicht gelesen habe, ich entnehme dies nur aus dem, was Du sagst) scheint die Begriffe "Emotion", "Intuition", "unbewusst" etc. durcheinanderzuwerfen.

 

Emotionen sind, stark verkürzt ausgedrückt, Bewertungen von Wahrnehmungen oder Gedanken. Diese sind für eine Entscheidungsbildung meist Voraussetzung - wenn ich mich beispielsweise für eine neue Wohnung entscheide, dann will ich, dass ich mich dort auch wohlfühle, also ziehe ich bei meiner Entscheidung meine Gefühle zu Rate. Das gilt auch für viele andere Dinge des Lebens.

 

Aber: Bewertungen zeigen uns nicht, was wahr oder unwahr ist, sondern was gut für uns ist oder was schlecht für uns ist. Bewertungen zeigen uns nicht, was real ist, sondern lediglich, ob wir uns mit dem, was wahrgenommen wird oder was wir denken, wohlfühlen oder nicht oder ob wir es gar widerlich finden. Ich könnte mich sehr wohl fühlen mit der Idee, dass es einen Gott gibt, aber genau diese Frage interessiert mich nicht. Denn es gibt keinen grund, anzunehmen, dass Gott existiert, weil ich mich mit der Vorstellung, er täte es, wohlfühle (umgekehrt natürlich auch nicht).

 

Man darf die beiden Fragen:

 

Existiert Gott?

 

und

 

Würde ich mich mit der Existenz Gottes gut fühlen oder nicht?

 

nicht durcheinanderwerfen, eine positive Antwort auf die zweite Frage impliziert keine Antwort auf die erste Frage, völlig unabhängig davon, was ich denke. Die Frage nach der Existenz Gottes ist - so sehr dies Gläubigen auch widerstreben mag - keine Frage, auf die unsere Gefühle rgendeine Antwort geben können oder sollten. Andersrum ist es natürlich so, dass eine positive Antwort auf die erste Frage eher eine Antwort auf die zweite Frage impliziert bzw. diese Frage überhaupt erst stellt.

 

Ich habe als Psychologe gelernt, diese Art Fragen genau auseinanderzuhalten. Die Mehrheit der Menschen kann dies nicht, davon leben teilweise die Psychologen. Das beantwortet auch die Frage, ob wir mehr Verstandes- oder Gefühlswesen sind - wir sind letzteres.

 

Ich bin in meinem Leben immer gut damit gefahren, die Frage nach Existenz und Bewertung voneinander zu trennen. Und ich sehe andererseits, dass eine Vielzahl menschlicher Probleme ursächlich damit zusammenhängt, dass wir das zu oft nicht tun, dass wir also Gefühlsfragen mit dem Verstand und Verstandesfragen mit dem Gefühl beantworten (letzteres ist am Häufigsten, mit deutlichem Abstand).

 

Bei vielen Fragen kann man dies nicht so klar voneinander trennen, aber bei Fragen nach der Existenz ist das problemlos möglich. Wenn ich mich in eine Frau verliebe, so ist das klar eine Gefühlsfrage - aber da wird die Existenz dieser Frau bereits vorausgesetzt. Sich in eine Frau zu verlieben, die nicht existiert, ist hingegen bereits neurotisches Verhalten. Sich mit dem Verstand zu entscheiden, ob man eine Frau liebt, ist ebenfalls neurotisch, wenn es auch ausgesprochen selten geschieht (es setzt voraus, dass man seinen Verstand falsch gebraucht!).

 

Für mich ist die Frage nach der Existenz Gottes primär, die Frage meiner emotionalen Haltung dazu sind sekundär. Mit den Emotionen zu beginnen heißt, die falsche Reihenfolge zu benutzen.

 

Ein sehr gutes Buch über die Rolle der Gefühle in der Religion ist dieses: Giovannoli, Joseph, 2000, The Biology of Belief: How Our Biology Biases Our Beliefs and Perceptions, Rosetta Press, Inc., New York. Kurz gesagt, die Betonung der Gefühle in der Rolle der Religion sind ein starkes Argument gegen den Glauben, gegen seinen Wahrheitsgehalt, sondern ein Argument dafür, dass wir alle in unserer Gefühlswelt manipuliert worden sind, so dass wir angefangen haben, zu glauben, und das Buch erklärt auch die Gründe, warum es so schwer ist, sich davon zu lösen. Ich werde daher sofort misstrauisch, wenn mir jemand für bestimmte Fragen (nicht alle, versteht sich) emotionale Gründe nennt - dann schrillen in mir die Alarmglocken, weil versucht wird, mich zu manipulieren.

 

Man muss für jede Frage die Balance wahren zwischen seinen Gefühlen und seinem Verstand. Die Frage, welche Eissorte ich esse, ist eine fast reine Gefühlsfrage, obwohl mein Verstand noch ein kleines Wörtchen dabei mitzureden haben sollte, ob ich überhaupt Eis esse, weil ich übergewichtig bin. Andererseits, bei der Frage nach der Existenz Gottes, spielen natürlich auch meine Gefühle eine sehr gewichtige Rolle, nämlich dabei, ob ich diese Frage überhaupt für wichtig halte. Aber bei der Beantwortung dieser Frage helfen mir die Gefühle nicht. Wie auch?

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Nun, die Prämisse gehört bereits zu einer Theodizee (also zu einer Lösung), mir ging es nur darum, das Problem zu formulieren. Wie ich bereits angedeutet habe, besteht eine der möglichen Lösungen des Theodizeeproblems darin, (P4) als falsch anzusehen: Eine leidfreie Welt wäre nur möglich, wenn Menschen keinen freien Willen hätten.

Das ist ein Ausweichen. Wenn man die menschliche Freiheit als weitere Prämisse hinzunähme und Deine Prämisse 4 abänderte (denn auch der zweite Teil dieser bildet einen Teil Deiner Lösung): Was wäre dann die Folge?

Nun, wenn man eine mögliche Lösung des Theodizeeproblems bereits in die Formulierung des Problems mit einfließen lässt, so wird die Frage damit unnötig verkompliziert, außerdem erzeugt man damit einen rethorische Frage: Man hat die Frage bereits in der Frage (vermeintlich) beantwortet. Das ist keine ganz saubere Vorgehensweise.

 

Lässt man dies als legitim zu, dann erzeugt man außerdem einen logischen Zirkel: Man setzt voraus, was man eigentlich erst zeigen müsste, nämlich, dass der freie Willen eine Lösung des Problems darstellt. Das würde aber nichts an den Einwänden gegen den freien Willen ändern, denn man müsste diese Prämisse begründen, und genau daran hapert es.

 

Ferner, wenn man diese Vorgehensweise für richtig hält, könnte ich die Prämisse im Gegenzug so abändern, dass eine Lösung des Problems bereits in der Frage unmöglich gemacht wird, weil ich meine Einwände auch darin unterbringen könnte, dann würde ich ebenfalls einen Widerspruch erzeugen.

 

Es ist aber sinnvoll, seine Prämissen so einfach wie möglich zu halten. Es gibt eine Formulierung des Theodizeeproblems von Drange, wo die Prämissen bereits so gestaltet sind, dass man alle möglichen Einwände dagegen halten kann, in dem man immer genau eine Prämisse bestreitet. Das ist für eine saubere Diskussion erheblich besser.

 

Wie gesagt, es steht Dir frei, die Prämissen so abzuändern, wie Du es möchtest. Plantinga hat dies in seiner Formulierung des Theodizeeproblems getan, was dann lediglich zu einer Umkehrung führt, weil jetzt der Atheist die Prämissen bestreiten muss, um zu zeigen, dass dort ein logischer Widerspruch besteht. Wie man vorgeht ist insofern einerlei und würde an der Folge nichts ändern.

 

Gute Formulierungen eines Problems bestehen darin, dass man die Prämissen so aufstellt, dass möglichst wenige oder keine der Prämissen bestritten werden können. Insofern ist vielleicht meine Version nicht ganz so sauber wie die von Drange. Die stärksten Argumente erkennt man daran, dass keine der Prämissen bestritten wird. Vielleicht bringe ich in der Arena mal einen Beweis für die Nichtexistenz Gottes, der aus lauter von Theisten nicht bestrittenen Prämissen besteht. Aber Vorsicht, ich könnte mir erst die Zustimmung zu den Prämissen holen und dann den Beweis führen.

 

Ich sehe nicht, wo ich der Frage ausgewichen bin, denn ich habe ausdrücklich erwähnt, dass der freie Willen ein Einwand ist, den man gegen die Prämisse führen kann, und ich habe meine Entkräftung des Einwands bereits ausgeführt. Wenn Du also den freien Willen in die Prämissen einführst, müsste ich nur mein Posting mit den Einwänden wiederholen.

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