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Wertung der Liturgie


thomas12

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Und was die historischen Gegebenheiten angeht (kams Oma usw.): natürlich war früher alles besser, und so mancher Bischof wird wahrscheinlich seinen Vorgänger insgeheim verfluchen, dass der in den 50ern und 60ern eine Pfarrei nach der anderen aus dem Boden gestampft hat, anstatt einfach größere Zentralkirchen zu bauen. Dann wären die Leute das Fahren von kelin auf gewöhnt. Es ist nicht die Entfernung, es ist das Wegbrechen einer Institution vor Ort. Und da wird m.E. viel zu unsensibel mit den Gefühlen der Leute umgegangen. Es wird aufrecht erhalten, so lange es noch irgendwie geht, und dann wird Hals über Kopf zusammengelegt. Wirklich funktionieren tun diese Seelsorgeeinheiten nur da, wo sie von engagierten Haupt- und Ehrenamtlichen in längerer aber intensiver Vorbereitungszeit in die Wege geleitet wurden.

Ich denke, das ist der Kern des Problems. Bekanntes - das, was 'immer' schon war - verändert sich; Gewohntes geht 'verloren'.

 

Das was chrk im Rückblick feststellt, habe ich miterlebt. Ich denke, dass neben dem Gefühl "wir können uns das (finanziell und personell) leisten" auch die Absicht stand, eben nicht nur Gottesdienste zu feiern, sondern auch den Menschen eine geistige und geistliche Heimat zu bieten. Gerade in den 1950ern waren Heimatvertriebene und Flüchtlinge noch nicht integriert, da wurde (zumindest in meiner Heimatstadt) von den Pfarrern einiges geleistet. Natürlich kam es durch den inneren Zusammenschluss auch zu einer gewissen Abgrenzung nach außen (nicht zuletzt auch durch die Pfarrer, Stichwort: invidia clericalis).

 

Aus der Distanz eines nicht unmittelbar Betroffenen und damit "nur" eines Beobachters habe ich beides (wenn auch ganz anders, Heimatvertriebene haben in dem speziellen Fall keine Rolle gespielt) miterlebt: Da wurde in einer Kleinstadt in den 1960er Jahren eine neue Kirche (von einem damals noch dort ansässigen Orden) gebaut, und zu der neuen Kirche eine neue Gemeinde gegründet. Die Trennung der alten Gemeinde erfolgte im wesentlichen dadurch, dass alle, die links von der Hauptdurchgangsstraße wohnten, fortan zur "neuen" Gemeinde, die auch einen eigenen Pfarrer bekam, gehören sollten. Der Unmut war groß, von den Älteren und Alteingesessenen wollte niemand zur "neuen" Gemeinde gehören, deren neue Kirche auch als potthässlich empfunden wurde - und das alles nur, weil man auf der flaschen Straßenseite wohnte ... :facepalm:

 

Niemand wollte in der "neuen" Kirche heiraten, niemand dort seine Kinder taufen lassen, zur Erstkommunion ließ man die Kinder dort nur grummelnd gehen und weil die "Altgemeinde" halt nicht mitspielte, die Kinder von links der Hauptstraße in er altehrwürdigen Kirche Erstkommunion feiern zu lassen ... ein Kreis von Menschen, die da tatsächlich die "neue" Gemeinde sein wollten, bildete sich nur allmählich und blieb überschaubar, im Grund waren's erklärte Revoluzzer und später Sympathisanten von "Wir sind Kirche", die es in der "alten" Gemeinde schwer gehabt hätten, einen Platz zu finden. Und sie erhielten auch Zulauf von Sympathisanten aus der "alten" Gemeinde. Das Revoluzzer-"Gschmäckle" haftet deswegen dieser Gemeinde noch heute an, auch wenn beide, Alt- und Neugemeinde, inzwischen in einer Seelsorgeeinheit vereint sind und sich so manches, was zunächst sehr zugespitzt erschien, inzwischen einigermaßen geglättet hat. Es sind auch Gemeindemitglieder zugezogen und nachgewachsen, die den früheren Zustand und die früheren Vorbehalte gar nicht kennen, und das Gemeindeleben, das sich letztlich dann doch gaaaanz allmählich und fast im Verborgenen entwickelt hat, besteht jetzt trotz Seelsorgeeinheit weiter (ein großzügiges Gemeindezentrum wurde noch in den 1970er Jahren gebaut). Noch kommt das Pfarrteam der SE rum und findet allsonntäglich in jeder der beiden Gemeinden eine Messe statt (es ist nicht ganz einfach zu organisieren, denn es wurden ja seit der Zusammenlegung der beiden Gemeinden noch ein paar kleine benachbarte Dorfgemeinden zur SE geschlagen, die auch berücksichtigt sein wollen) ... Auf die Idee, zur selben Zeit in Kirche A eine Wortgottesfeier zur Wahrung der Gemeindeidentität - das war ja ein Streitpunkt hier im Thread - zu veranstalten, zu der in Kirche B die Sonntagsmesse stattfindet, würde aber wohl kaum jemand kommen (jedenfalls schätze ich die Leut so ein).

bearbeitet von Julius
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Und was die historischen Gegebenheiten angeht (kams Oma usw.): natürlich war früher alles besser, und so mancher Bischof wird wahrscheinlich seinen Vorgänger insgeheim verfluchen, dass der in den 50ern und 60ern eine Pfarrei nach der anderen aus dem Boden gestampft hat, anstatt einfach größere Zentralkirchen zu bauen. Dann wären die Leute das Fahren von kelin auf gewöhnt. Es ist nicht die Entfernung, es ist das Wegbrechen einer Institution vor Ort. Und da wird m.E. viel zu unsensibel mit den Gefühlen der Leute umgegangen. Es wird aufrecht erhalten, so lange es noch irgendwie geht, und dann wird Hals über Kopf zusammengelegt. Wirklich funktionieren tun diese Seelsorgeeinheiten nur da, wo sie von engagierten Haupt- und Ehrenamtlichen in längerer aber intensiver Vorbereitungszeit in die Wege geleitet wurden.

Ich denke, das ist der Kern des Problems. Bekanntes - das, was 'immer' schon war - verändert sich; Gewohntes geht 'verloren'.

 

Das was chrk im Rückblick feststellt, habe ich miterlebt. Ich denke, dass neben dem Gefühl "wir können uns das (finanziell und personell) leisten" auch die Absicht stand, eben nicht nur Gottesdienste zu feiern, sondern auch den Menschen eine geistige und geistliche Heimat zu bieten. Gerade in den 1950ern waren Heimatvertriebene und Flüchtlinge noch nicht integriert, da wurde (zumindest in meiner Heimatstadt) von den Pfarrern einiges geleistet. Natürlich kam es durch den inneren Zusammenschluss auch zu einer gewissen Abgrenzung nach außen (nicht zuletzt auch durch die Pfarrer, Stichwort: invidia clericalis).

 

Aus der Distanz eines nicht unmittelbar Betroffenen und damit "nur" eines Beobachters habe ich beides (wenn auch ganz anders, Heimatvertriebene haben in dem speziellen Fall keine Rolle gespielt) miterlebt: Da wurde in einer Kleinstadt in den 1960er Jahren eine neue Kirche (von einem damals noch dort ansässigen Orden) gebaut, und zu der neuen Kirche eine neue Gemeinde gegründet. Die Trennung der alten Gemeinde erfolgte im wesentlichen dadurch, dass alle, die links von der Hauptdurchgangsstraße wohnten, fortan zur "neuen" Gemeinde, die auch einen eigenen Pfarrer bekam, gehören sollten. Der Unmut war groß, von den Älteren und Alteingesessenen wollte niemand zur "neuen" Gemeinde gehören, deren neue Kirche auch als potthässlich empfunden wurde - und das alles nur, weil man auf der flaschen Straßenseite wohnte ... :facepalm:

 

Niemand wollte in der "neuen" Kirche heiraten, niemand dort seine Kinder taufen lassen, zur Erstkommunion ließ man die Kinder dort nur grummelnd gehen und weil die "Altgemeinde" halt nicht mitspielte, die Kinder von links der Hauptstraße in er altehrwürdigen Kirche Erstkommunion feiern zu lassen ... ein Kreis von Menschen, die da tatsächlich die "neue" Gemeinde sein wollten, bildete sich nur allmählich und blieb überschaubar, im Grund waren's erklärte Revoluzzer und später Sympathisanten von "Wir sind Kirche". Das "Gschmäckle", alles was anderen lieb und teuer an Kirche war, zerstören und zerschmettern zu wollen, haftet dem verbliebenen Rest noch heute an. Inzwischen - Priestermangel - sind beide, Alt- und Neugemeinde, wieder in einer Seelsorgeeinheit vereint, sind auch Gemeindemitglieder zugezogen und nachgewachsen, die den früheren Zustand gar nicht kennen, und behauptet sich das Gemeindeleben, das sich letztlich dann doch gaaaanz allmählich und fast im Verborgenen entwickelt hat, trotz Seelsorgeeinheit weiter (ein großzügiges Gemeindezentrum wurde noch in den 1970er Jahren gebaut). Noch kommt das Pfarrteam rum und findet allsonntäglich in jeder der beiden Gemeinden eine Messe statt (es ist nicht ganz einfach zu organisieren, denn es wurden ja seit der Zusammenlegung der beiden Gemeinden noch ein paar kleine benachbarte Dorfgemeinden zur SE geschlagen, die auch berücksichtigt sein wollen) ... Auf die Idee, zur selben Zeit in Kirche A eine Wortgottesfeier zur Wahrung der Gemeindeidentität - das war ja ein Streitpunkt hier im Thread - zu veranstalten, zu der in Kirche B die Sonntagsmesse stattfindet, würde aber wohl kaum jemand kommen (jedenfalls schätze ich die Leut so ein).

Die Ausgangslage war in meiner Heimatstadt anders, die neuen Pfarreien wurden in Neubaugebieten errichtet (in einem Fall weiß ich es nicht genau, aber sonst bin ich mir sicher).

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Liebe Laura,

 

 

 

...

Wenn hier einfach Gemeinde platt gemacht werden mit dem Hinweis, dass die nächste Kirche ja "nur" 2 km entfernt ist, gehen Strukturen kaputt, die Halt geben. Menschlichen Halt, der für viele sicher genauso wichtig ist wie die Gottesdienste, wenn nicht wichtiger.

Der Verlust einer Kirchengemeinde in einem Dorf ist da noch einmal schlimmer...

Am HEILIGEN GEIST GOTTES, seinem BEISTAND und LEHRER soll der Gläubige Halt finden und nicht an Kirchengemeinden!

 

Dafür doch hat JESUS CHRISTUS vom VATER für die Gläubigen den HEILIGEN GEIST erbeten.

Und dafür lässt der HEILIGE GEIST zur Zeit die Gemeinden zusammenfallen.

 

 

 

Gruß

josef

bearbeitet von josef
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So wie ich unser Bistum wahrnehme, orientiert sich die Streuktur der Seelsorgseinheiten nicht wirklich an den Gegebenheiten, sondern v.a. an der Personalentwicklung. Es darf zukünftig nicht mehr Pfarreien geben als Priester....

 

Allerdings ist auch klar, dass selbst wenn die Jugend ins Priesteramt drängen würde, die heutige Struktur gar nicht finanzierbar ist. Man sieht das sehr schön an den Diskussionen unserer evangelischen Glaubensgeschwister. Im Grunde müsste jede Gemeinde, die einen eigenen Pfarrer und eine eigene Kirche möchte, diese auch bezahlen können. Das ist auf dem strukturschwachen Land aber kaum möglich (und aus diesem Grund gibt es da ja auch immer weniger Geschäfte, Restaurants, Ärzte usw.).

Umgekehrt ist zu fragen, wie groß ist die Pflicht der Allgemeinheit, für eine kleiner Gruppe eine lokale Identität aufrecht zu erhalten. Diese Frage müsste im Rahmen einer Strategie zur Entwicklung eines Bistums diskutiert werden.

 

Es wird sich kaum verhindern lassen, dass Kirchen geschlossen werden. Und es wird tendenziell die neueren Kirchen treffen. Ich fände es wichtig, darüber nachzudenken, was zusammenpasst, auch wenn das nicht das alleinige Kriterium sein kann.

Und ich würde mir natürlich wünschen, dass es mehr und mehr geeignete Seelsorger geben würde, aber das ist noch einmal eine andere Diakussion.

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Das ist auch eine denkbare Möglichkeit. Ich erinnere mich, dass ich vor ... (muss mal rasch Kopfrechnen) ... ungefähr 30 Jahren mal einige Zeit in der - aus katholischer Perspektive - tiefsten Diaspora zu tun hatte: dort hatte ein einzelner Pfarrer, ohne Unterstützung durch Diakon, Pastoralreferent, Gemeindereferentin und dergleichen, keine 5 oder zehn Gemeinden an der Backe sondern seine Schäflein auf 25 (bürgerliche) Gemeinden verteilt, und die lagen weit gestreut und nicht nur 2 km voneinander entfernt. Über den ganzen Sprengel gerecht verteilt, hatte er 4 etwas größere Gottesdienstorte mit kleinen Kirchen, in anderen Gemeinden fand der katholische Gottesdienst in größeren Abständen in der evangelischen Kirche statt. Ich weiss nicht mehr, in welchem Abstand dieser Pfarrer in seinem Sprengel rumkam, kann mich aber noch gut daran erinnern, dass wenn in der näheren Umgebung am Sonntag kein katholischer Gottesdienst stattfand, Katholiken selbstverständlich den evangelischen Gottesdienst besuchten. Nicht nur den Gottesdienst übrigens: die waren da auch sonst integriert. Einer unserer Gärtnerlehrlinge war am nächstgelegenen katholischen Gottesdienstort Messdiener, der hat manchmal ein bisschen aus dem Nähkästchen eines jungen Diasporakatholiken geplaudert. - Der Unterschied von dort zu hier fällt aber noch nach 30 Jahren ins Auge: In den Dörfern dort in der Gegend lebten in jeder (bürgerlichen) Gemeinde nicht mehr als jeweils eine Handvoll Katholiken. Die notleidenden priesterlosen Gemeinden hier haben ein Mehrfaches an Ehrenamtlichen vorzuweisen (auch wenn davon beileibe nicht alle die Gottesdienste zu frequentieren scheinen). Für mich wäre jedenfalls der Besuch des evangelischen Gottesdienstes am Sonntag sicher die geringere Hürde als das Gezerre um die Auslastung der bestallten Wortgottesfeierleiterinnen und -leitern, und möglicherweise sehen das bei uns in der Gegend andere auch so.

bearbeitet von Julius
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