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Lichtmess und Flucht nach Ägypten


Udalricus

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... was genau Deine Befürchtung wäre, wenn Du den Kindern keine "historisch passend" (gemachte) Version der Ägyptenreise präsentierst?

 

Ich habe kein Problem damit, ihnen zu erklären, dass nicht alles, was in der Bibel steht, historisch richtig sein muss. Bei der Schöpfungsgeschichte mache ich das ja auch immer so und erarbeite mit den Kindern die Aussageabsichten.

 

Ich bin mir bei der Kindheitsgeschichte allerdings nicht sicher, ob man deren Historizität so voreilig ad acta legen kann.

 

Zum anderen steht dann ja sofort die Frage im Raum: "Was stimmt denn dann noch alles nicht? Ist Jesus vielleicht gar nicht auferstanden?"

 

Aber diese Frage muss sich doch jeder Christ irgendwann einmal stellen: "Wie kann ich so etwas glauben?" Es geht um den Kern unserer Lehre, gerade um den muss man sein Leben lang kämpfen. Das Schlimmste ist in meinen Augen nicht, dass jemand einmal sagt: "Das Grab war leer!" Vielleicht glaubt das sogar jede/r mal irgendwann in seinem Leben, aber was ist, wenn er zu "Ostern" gar nicht mehr zurückfindet, weil ja nur das "Faktische" zählt?

 

Du kannst die Welt nicht aufhalten, die Betonung von Skeptizismus und oberflächlicher Wissenschaftsgläubigkeit wird weiter zunehmen. Aber kann die Botschaft von Ostern allen Ernstes davon widerlegt werden, dass nach unserem normalen wissenschaftlichem Verständnis die Toten nicht auferstehen können?

Wäre es nicht viel wichtiger, den Kindern das Gefühl für das Geheimnis Jesu mitzugeben, dieses Gefühl, dass wir vielleicht ein ganzes Leben nicht verstehen werden, aber ahnen und vertrauen dürfen? Dass es Geheimnisse gibt, die uns über die Tod tragen können?

 

Wenn Du Angst vor dem Zweifel am "bloss faktischen" hast, dann wirst Du irgendwann verlieren. Du bist in einem Wettlauf mit Skeptikern, deren Wissen und Erklärmacht immer weiter zunimmt. Wenn aber ein Mensch im Geheimnis leben darf bzw. sein Leben lang vom Geheimnis begleitet wird, dann hat er "lebendiges Wasser", zu dem er aus dem Zweifel und aus der Verzweiflung zurückkehren kann. "Jetzt sehe ich wie in einem Spiegel, und in rätselhaften Bildern; dann aber werden ich Gott von Angesicht zu Angesicht sehen!"

 

Damit will ICH gar nicht mal die "Historizität" anzweifeln, ich halte sie aber für ein schwaches Fundament des Glaubens. Mir wäre es aber wichtiger, dass andere Menschen begreifen, dass wir nicht auf diesen unzuverlässigen Rettungsring angewiesen sind, sondern als Christen tatsächlich im Geschenk des Glaubens plötzlich einmal selbst schwimmen lernen könnten - no strings attached!

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... wo der Engel des Herrn dem Josef im Traum sagt, "sie sind gestorben, die dem Kinde nach dem Leben trachteten".

 

War's vielleicht derselbe Engel, der einst Moses in Midian mitteilte, dass alle, die ihm nach dem Leben getrachtet hätten, inzwischen tot seien ... woraufhin Moses den Esel einfing, sein Weib und die beiden Söhne auf denselben packte und nach Ägypten zurückkehrte, um letztendlich die Israeliten aus der Macht des Pharao zu befreien? :D

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(...)

Wir wissen zwar heute nicht mehr genau, wie und wann die Reise nach Ägypten ablief, aber die Menschen haben sich auch schon damals schon damit beschäftigt, welchen Gefahren schon der kleine Jesus ausgesetzt war (...).

 

Genau deshalb gibt es doch diese Legenden vom Bethlehemitischen Kindermord und der Flucht nach Ägypten. Die "Gefährdung und wunderbare Rettung eines später bedeutenden Kindes" ist ein verbreitetes literarisches Motiv in Herrscherbiografien. Zitat: "Ähnliche Legenden werden auch von Mose, vom frühbabylonischen Herrscher Sargon von Akkade, vom Perserkönig Kyros und vom Kaiser Augustus überliefert." Und: "Die Erzählung ist sicher legendarisch". (Arbeitsbuch zum Neuen Testament, 14. Auflage, S. 451).

 

Alfons

 

 

Aber hier passt jetzt mein Kaiser-Karl-Beispiel wie die Faust aufs Auge:

 

Was ich an dieser Argumentation nie besonders bestechend finde: Wieso soll es historisch nicht so gewesen sein, nur weil es auch ansonsten passt?

 

Genauso könnte man doch z. B. behaupten, Karl der Große habe nie eine Krone getragen, weil "Krone" halt das typische Symbol für König/Kaiser ist. Das war es schon immer, und man kann es ja in jedem Kaspertheater sehen. Wer so naiv ist und nur wegen den Krönungslegenden und den deutenden Darstellungen späterer Zeiten (die natürlich dem Machterhalt der Monarchie dienten) meint, Karl der Große habe jemals eine Krone auf dem Kopf gehabt, der solle sich mal mit ernsthafter Geschichtswissenschaft beschäftigen.

 

 

Bestechende Logik.

Ich versuche es auch einmal, ja?

 

"Genau so könnte man doch z.B. behaupten, der Fuchs in der La Fontaine-Fabel vom Fuchs und dem Raben könne gar nicht sprechen, weil die Fähigkeit der menschlichen Sprache bei Füchsen ein typisches Anzeichen für eine Fabel ist. Das war schon immer so, wir kennen das aus den Deutsch-Unterricht. Wer so naiv ist, nur wegen der in vielen Ländern verbreiteten unterschiedlichen Fabeln von redenden Füchsen zu schließen, auch der Fuchs bei La Fointaine könne gar nicht sprechen, sollte sich mal ernsthaft mit Logik befassen."

 

So korrekt?

 

Alfons

 

Mit dem kleinen Unterschied, dass die Verfasser von Fabeln sich über ihre Textart im Klaren waren, die Verfasser der Evangelien (bei Lukas 1 sogar ausdrücklich nachzulesen) ihre Berichte aber offensichtlich nicht als Legenden verstanden.

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Mit dem kleinen Unterschied, dass die Verfasser von Fabeln sich über ihre Textart im Klaren waren, die Verfasser der Evangelien (bei Lukas 1 sogar ausdrücklich nachzulesen) ihre Berichte aber offensichtlich nicht als Legenden verstanden.

 

Tja, und da sind wir genau bei dem Punkt, auf den ich dich hinweisen möchte. Eine Fabel ist eine Erzählung, die eine Wahrheit über Menschen transportiert, nicht wahr? Nur ein Narr würde behaupten, sie transportiere die Wahrheit, dass Füchse sprechen können. Auch eine Legende hat eine innere Wahrheit. Sie teilt mit, dass nun von einem außergewöhnlichen Menschen die Rede sein wird, von jemandem, der so hoch über den anderen Menschen steht, dass auf ihn die normalen Verhältnisse von Ursache und Folge, von Wissen und Logik nicht mehr passen. Eine Legende verkündet keine historische Wahrheit, sondern eine Glaubenswahrheit (das war jetzt ein Zitat...).

 

Wenn du nun davon ausgehst, dass die Texte der Evangelien wörtlich wahr sind - weil die Verfasser der Evangelien sich, wie du postulierst und wie Lukas ja auch schreibt, als Berichterstatter verstanden haben - dann wird das Ganze zu einer Frage des Dran-Glaubens. Dann musst du glauben, dass die beiden Legenden vom Kindermord und von der Ägyptenflucht gar keine Legenden sind, obwohl sie in Legendenform geschrieben sind und anderen biblischen wie außerbiblischen Legenden ähneln. Sondern dass sie die pure historische Wahrheit wiedergeben. Dieses Glauben an die wörtliche Bedeutung von Texten, die man für historische Wahrheit hält, dieses Glauben an die äußere Schale der biblischen Überlieferung, der den inneren Kern der Botschaft übersieht, dieses Glauben - so kommt es mir vor - mit zusammengebissenen Zähnen und zusammengekniffenen Augen, hat aber nichts mit dem Glauben zu tun, den Shubashi in diesem Posting wunderbar beschreibt: ein Glaube, der aus dem Vertrauen lebt und den Zweifel zulässt, ein Glaube ohne Rettungsring, ein Glaube mit offenen Augen und einem Lächeln statt der zusammengebissenen Zähne.

 

Alfons

 

 

Als Zugabe eine kleine Quizfrage zum Thema. Sie stammt auch aus dem Text, über den wir in diesem schönen Thread reden (Danke an Udalricus für das Eröffnen): "Im Traum empfing er Befehl von Gott und zog ins galiläische Land und kam und wohnte in der Stadt, die da heißt Nazareth; auf dass erfüllt würde, was da gesagt ist durch den Propheten: Er soll Nazarener heißen." (Matthäus 2, 22f.) Frage: Von welchem Propheten ist die Rede?

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Mit dem kleinen Unterschied, dass die Verfasser von Fabeln sich über ihre Textart im Klaren waren, die Verfasser der Evangelien (bei Lukas 1 sogar ausdrücklich nachzulesen) ihre Berichte aber offensichtlich nicht als Legenden verstanden.

Mach dich mal ein bisschen über Geschichtsschreibung in der Antike kundig. Da z.B.

Da steht auch was zu Lukas.

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Mit dem kleinen Unterschied, dass die Verfasser von Fabeln sich über ihre Textart im Klaren waren, die Verfasser der Evangelien (bei Lukas 1 sogar ausdrücklich nachzulesen) ihre Berichte aber offensichtlich nicht als Legenden verstanden.

Mach dich mal ein bisschen über Geschichtsschreibung in der Antike kundig. Da z.B.

Da steht auch was zu Lukas.

Entschuldige, aber das kommt mir wie eine Ausrede vor, und der Wiki-Artikel behautet ja auch genau das: daß es sich bei den Evangelien um eine "besondere literarische Form" handle. Das hat mit antiker, griechisch-römischer Tradition der Geschichtsschreibung, zB. Thukydides, nichts zu tun. Die Vermischung von behaupteter Historizität und Heilsgeschichte bei AT wie NT ist vielmehr Ausdruck der Tatsache, daß die Juden wie Christen der Überzeugung waren, daß der Ablauf der Geschichte ihre religiösen Vorstellungen bestätigte.

 

Es ist unbestritten, daß es in der Antike (wie heute) auch jede Menge Geschichtsklitterung zu politischen Zwecken gab, und daß manche Darstellung keineswegs so "wertfrei" wie behauptet daherkam. Aber die ständige Vermischung von Mythos und Geschichte, die Unordnung der Wirklichkeit unter die Religion wurde unter den Christen zum Prinzip, und erst unter den weltanschaulichen Diktaturen der Neuzeit übertroffen. Dazu noch einmal ein Zitat aus dem von dir verlinkten Artikel:

 

"Diese Art der Geschichtsschreibung beruht auf einem transzendenten Ordnungsschema. Obwohl die Autoren betonen, das vorgefundene Material kritisch überprüft zu haben, werden dieser vorgegebenen Ordnung die Fakten untergeordnet. Auswahl und Gewichtung der Darstellung ergeben sich aus dem Primat der Religion. Eine davon unabhängige Geschichtsschreibung, wie sie in der Antike in Ansätzen entwickelt worden ist, wird bedeutungslos."

bearbeitet von Marcellinus
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Mit dem kleinen Unterschied, dass die Verfasser von Fabeln sich über ihre Textart im Klaren waren, die Verfasser der Evangelien (bei Lukas 1 sogar ausdrücklich nachzulesen) ihre Berichte aber offensichtlich nicht als Legenden verstanden.

Mach dich mal ein bisschen über Geschichtsschreibung in der Antike kundig. Da z.B.

Da steht auch was zu Lukas.

Entschuldige, aber das kommt mir wie eine Ausrede vor, und der Wiki-Artikel behautet ja auch genau das: daß es sich bei den Evangelien um eine "besondere literarische Form" handle. Das hat mit antiker, griechisch-römischer Tradition der Geschichtsschreibung, zB. Thukydides, nichts zu tun. Die Vermischung von behaupteter Historizität und Heilsgeschichte bei AT wie NT ist vielmehr Ausdruck der Tatsache, daß die Juden wie Christen der Überzeugung waren, daß der Ablauf der Geschichte ihre religiösen Vorstellungen bestätigte.

 

Es ist unbestritten, daß es in der Antike (wie heute) auch jede Menge Geschichtsklitterung zu politischen Zwecken gab, und daß manche Darstellung keineswegs so "wertfrei" wie behauptet daherkam. Aber die ständige Vermischung von Mythos und Geschichte, die Unordnung der Wirklichkeit unter die Religion wurde unter den Christen zum Prinzip, und erst unter den weltanschaulichen Diktaturen der Neuzeit übertroffen. Dazu noch einmal ein Zitat aus dem von dir verlinkten Artikel:

 

"Diese Art der Geschichtsschreibung beruht auf einem transzendenten Ordnungsschema. Obwohl die Autoren betonen, das vorgefundene Material kritisch überprüft zu haben, werden dieser vorgegebenen Ordnung die Fakten untergeordnet. Auswahl und Gewichtung der Darstellung ergeben sich aus dem Primat der Religion. Eine davon unabhängige Geschichtsschreibung, wie sie in der Antike in Ansätzen entwickelt worden ist, wird bedeutungslos."

 

Sorry, ich sehe gerade, dass ich den falschen Link gesetzt habe, ich wollte den ganzen Wikiartikel verlinken.

Da steht nämlich deutlich mehr zu antiker Geschichtsschreibung.

Aber abgesehen davon, das ist ja genau das, was der Großteil der Mitschreibenden hier unermüdlich wiederholt: es ging weder Lukas noch Matthäus noch den anderen Evangelisten um Historizität. Sondern sie schauten mit der Erfahrung der Menschen, die Ostern erlebt und bezeugt hatten, auf das Leben Jesu zurück und deuteten es im Licht dieser Erfahrungen. Dafür sammelten sie Geschichten und Legenden, die sich rings um das Leben Jesu entwickelt hatten und komponierten sie auf der Basis ihres jeweiligen theologischen Hintergrunds bzw. auf dem ihrer Gemeinden. Lukas zeigt u.a. mit seiner Kindheitsgeschichte, dass Gott in Jesus ganz unmittelbar bei den Menschen ist. Und zwar besonders bei den Armen und Ausgegrenzten.

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Von welchem Propheten ist die Rede?

 

Jesaja 11,1 ---> Es ist ein Ros entsprungen ...

Jeremia (steht da nicht auch manchmal von "den" Propheten?)

 

"Wie uns die Alten sungen, von Jesse kam die Art..."

Nein, leider kein Nazarener in Jesaja 11,1.

 

"Die Propheten" ist besser, ja, ich habe Mt. 2,23 im Münchner NT nachgeschaut, das ja ganz dicht dran ist am griechischen Text: "...und angekommen wohnte er in einer Stadt, genannt Nazaret; auf daß erfüllt würde das Gesagte durch die Propheten, daß Nazoraier er gerufen werden wird."

 

Alfons

 

Ps: Danke für deinen Hinweis oben auf 2. Mose 4,20 ("zieh wieder nach Ägypten, denn die Leute sind tot..."). Das hatte ich nicht mehr im Kopf. Ich habe die Stelle gerade aufgeschlagen und sehe, dass ich früher etwas mit Bleistift an den Rand geschrieben hatte: Mt.2.20 :D

bearbeitet von Alfons
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Ps: Danke für deinen Hinweis oben auf 2. Mose 4,20 ("zieh wieder nach Ägypten, denn die Leute sind tot..."). Das hatte ich nicht mehr im Kopf. Ich habe die Stelle gerade aufgeschlagen und sehe, dass ich früher etwas mit Bleistift an den Rand geschrieben hatte: Mt.2.20 :D

Ich hatte in Klasse 5 (Gymnasium) einen Lehrer, der uns mit dieser Methode die Zwei-Quellen-Theorie hat entwickeln lassen :)

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"Die Propheten" ist besser, ja, ich habe Mt. 2,23 im Münchner NT nachgeschaut, das ja ganz dicht dran ist am griechischen Text: "...und angekommen wohnte er in einer Stadt, genannt Nazaret; auf daß erfüllt würde das Gesagte durch die Propheten, daß Nazoraier er gerufen werden wird."

Ich hätte jetzt auf Am 2,11 getippt.

(Ri 13,5.7 ist allerdings das unmittelbarere Vorbild)

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Simson, die EÜ verweist auf Ri 13,5.7.

Ich habe die EÜ gerade nicht zur Hand. Sondern nur die Luther-Übersetzung. Da wohnen die Eltern von Simson aber nicht in Nazareth, sondern in Zora. Also auch nichts.

Aber eine tolle Parallele zu Lukas 1,31 !

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Simson, die EÜ verweist auf Ri 13,5.7.

Ich habe die EÜ gerade nicht zur Hand. Sondern nur die Luther-Übersetzung. Da wohnen die Eltern von Simson aber nicht in Nazareth, sondern in Zora. Also auch nichts.

Aber eine tolle Parallele zu Lukas 1,31 !

Es geht nicht um Nazareth: 5 Denn dein Sohn wird schon im Mutterleib ein Nasiräer, ein Gott Geweihter, sein. Niemals dürfen ihm die Haare geschnitten werden. Er wird anfangen, Israel aus der Gewalt der Philister zu retten." 6 Da lief die Frau zu ihrem Mann und sagte: "Ein Gottesmann ist zu mir gekommen. Er sah aus wie der Engel Gottes selbst, und ich bekam es mit der Angst zu tun. Ich wagte nicht einmal, ihn zu fragen, woher er kommt. Und er hat mir seinen Namen auch nicht gesagt. 7 Aber er sagte zu mir: 'Du wirst schwanger werden und einen Sohn bekommen. Von jetzt an darfst du weder Wein noch Bier trinken und auch nichts Unreines essen, denn dein Sohn wird von Mutterleib an bis zum Tag seines Todes ein Nasiräer sein (Richter 13, http://www.bibleserver.com/)

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Mit dem kleinen Unterschied, dass die Verfasser von Fabeln sich über ihre Textart im Klaren waren, die Verfasser der Evangelien (bei Lukas 1 sogar ausdrücklich nachzulesen) ihre Berichte aber offensichtlich nicht als Legenden verstanden.

 

Auch eine Legende hat eine innere Wahrheit. Sie teilt mit, dass nun von einem außergewöhnlichen Menschen die Rede sein wird, von jemandem, der so hoch über den anderen Menschen steht, dass auf ihn die normalen Verhältnisse von Ursache und Folge, von Wissen und Logik nicht mehr passen. Eine Legende verkündet keine historische Wahrheit, sondern eine Glaubenswahrheit (das war jetzt ein Zitat...).

 

 

Das Problem sehe ich an dem Punkt, wo du sagst, der betreffende Text sei eine Legende, und so tust, als sei das dem Autor sonnenklar gewesen und er gar keine historische Wahrheit transportieren wollte. Zumindest der Autor des Lukasevangeliums sagt ja in seinem Prolog gerade nichts von Legenden, sondern gibt sich wie ein Verfasser, der gut recherchiert hat.

 

 

Wenn du nun davon ausgehst, dass die Texte der Evangelien wörtlich wahr sind - weil die Verfasser der Evangelien sich, wie du postulierst und wie Lukas ja auch schreibt, als Berichterstatter verstanden haben - dann wird das Ganze zu einer Frage des Dran-Glaubens. Dann musst du glauben, dass die beiden Legenden vom Kindermord und von der Ägyptenflucht gar keine Legenden sind, obwohl sie in Legendenform geschrieben sind und anderen biblischen wie außerbiblischen Legenden ähneln. Sondern dass sie die pure historische Wahrheit wiedergeben. Dieses Glauben an die wörtliche Bedeutung von Texten, die man für historische Wahrheit hält, dieses Glauben an die äußere Schale der biblischen Überlieferung, der den inneren Kern der Botschaft übersieht, dieses Glauben - so kommt es mir vor - mit zusammengebissenen Zähnen und zusammengekniffenen Augen, hat aber nichts mit dem Glauben zu tun, den Shubashi in diesem Posting wunderbar beschreibt: ein Glaube, der aus dem Vertrauen lebt und den Zweifel zulässt, ein Glaube ohne Rettungsring, ein Glaube mit offenen Augen und einem Lächeln statt der zusammengebissenen Zähne.

 

 

1. behaupte ich gar nicht, dass ich an alle historischen Details der Kindheitsgeschichte glauben muss. Ich sehe doch auch die Widersprüche und denke mir dabei, dass da wohl mindestens einer von beiden Autoren etwas im Legendstil einfügt. Aber der Umkehrschluss, dass deshalb kein einziger geschildeter Sachverhalt historisch sein kann, der drängt sich mir beim besten Wille nicht auf.

 

2. beharrst du seltsamerweise weiterhin darauf, dass der, der eine Erzählung für potenziell historisch möglich hält, "den inneren Kern der Botschaft übersieht". Dabei haben wir Jahrhunderte von Schriftauslegung, deren Autoren vom historischen Wahrheitsgehalt der Schriften überzeugt waren und gleichzeitig den inneren Kern der Botschaft wunderbar herausarbeiteten. Der schon öfter erwähnte vierfache Schriftsinn leistet doch genau das: über die faktischen Schilderung hinaus nähert man sich den tieferen Sinn an.

 

 

 

Als Zugabe eine kleine Quizfrage zum Thema. Sie stammt auch aus dem Text, über den wir in diesem schönen Thread reden (Danke an Udalricus für das Eröffnen): "Im Traum empfing er Befehl von Gott und zog ins galiläische Land und kam und wohnte in der Stadt, die da heißt Nazareth; auf dass erfüllt würde, was da gesagt ist durch den Propheten: Er soll Nazarener heißen." (Matthäus 2, 22f.) Frage: Von welchem Propheten ist die Rede?

 

Die Stelle gibt's es - so viel ich aus meiner Erinnerung weiß - so nicht in den kanonischen Schriften des Alten Testaments.

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Mit dem kleinen Unterschied, dass die Verfasser von Fabeln sich über ihre Textart im Klaren waren, die Verfasser der Evangelien (bei Lukas 1 sogar ausdrücklich nachzulesen) ihre Berichte aber offensichtlich nicht als Legenden verstanden.

Mach dich mal ein bisschen über Geschichtsschreibung in der Antike kundig. Da z.B.

Da steht auch was zu Lukas.

Entschuldige, aber das kommt mir wie eine Ausrede vor, und der Wiki-Artikel behautet ja auch genau das: daß es sich bei den Evangelien um eine "besondere literarische Form" handle. Das hat mit antiker, griechisch-römischer Tradition der Geschichtsschreibung, zB. Thukydides, nichts zu tun. Die Vermischung von behaupteter Historizität und Heilsgeschichte bei AT wie NT ist vielmehr Ausdruck der Tatsache, daß die Juden wie Christen der Überzeugung waren, daß der Ablauf der Geschichte ihre religiösen Vorstellungen bestätigte.

 

Es ist unbestritten, daß es in der Antike (wie heute) auch jede Menge Geschichtsklitterung zu politischen Zwecken gab, und daß manche Darstellung keineswegs so "wertfrei" wie behauptet daherkam. Aber die ständige Vermischung von Mythos und Geschichte, die Unordnung der Wirklichkeit unter die Religion wurde unter den Christen zum Prinzip, und erst unter den weltanschaulichen Diktaturen der Neuzeit übertroffen. Dazu noch einmal ein Zitat aus dem von dir verlinkten Artikel:

 

"Diese Art der Geschichtsschreibung beruht auf einem transzendenten Ordnungsschema. Obwohl die Autoren betonen, das vorgefundene Material kritisch überprüft zu haben, werden dieser vorgegebenen Ordnung die Fakten untergeordnet. Auswahl und Gewichtung der Darstellung ergeben sich aus dem Primat der Religion. Eine davon unabhängige Geschichtsschreibung, wie sie in der Antike in Ansätzen entwickelt worden ist, wird bedeutungslos."

 

Ich finde, Marcellinus hat es als "Outsider" gut getroffen: "Die Vermischung von behaupteter Historizität und Heilsgeschichte bei AT wie NT ist vielmehr Ausdruck der Tatsache, daß die Juden wie Christen der Überzeugung waren, daß der Ablauf der Geschichte ihre religiösen Vorstellungen bestätigte."

 

Auch wenn man nicht geschichtswissenschaftliche Beweise gegen die Heilsgeschichte stellen sollte, ist es für Christen (und Juden) keineswegs egal, ob die Heilsgeschichte stattgefunden hat oder nur eine Legende ist. Ich möchte das nicht an einzelnen Details festmachen und es ist sicher gefährlich, den Glauben an einzelnen Begebenheiten aufzuhängen. Aber wenn Jesus nur ein netter Kerl war und alles andere Legendenbildung einer (unglaublich kreativen und tiefgründigen) Urgemeinde - dann fehlt m. E. etwas Wesentliches an der christlichen Botschaft.

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Das Problem sehe ich an dem Punkt, wo du sagst, der betreffende Text sei eine Legende, und so tust, als sei das dem Autor sonnenklar gewesen und er gar keine historische Wahrheit transportieren wollte. Zumindest der Autor des Lukasevangeliums sagt ja in seinem Prolog gerade nichts von Legenden, sondern gibt sich wie ein Verfasser, der gut recherchiert hat.

"Sonnenklar" hat er nicht gesagt. Und so ganz nebenbei bemerkt: zu guter Recherche kann auch das Sammeln von Legenden gehören - zur Zeit des Evangelisten Lukas sowieso.

bearbeitet von Julius
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(...) "Im Traum empfing er Befehl von Gott und zog ins galiläische Land und kam und wohnte in der Stadt, die da heißt Nazareth; auf dass erfüllt würde, was da gesagt ist durch den Propheten: Er soll Nazarener heißen." (Matthäus 2, 22f.) Frage: Von welchem Propheten ist die Rede?

 

Die Stelle gibt's es - so viel ich aus meiner Erinnerung weiß - so nicht in den kanonischen Schriften des Alten Testaments.

 

Das war die Antwort, die ich im Sinn hatte - der Ort Nazareth kommt im Ersten Testament nicht vor. Und dunkel im Hinterkopf hatte ich, als ich das gestern schrieb, eine Erklärung aus Kindertagen dazu: Matthäus habe in diesem Bibelvers Nazarener und Nasiräer verwechselt. Genau auf diese Spur haben nannyogg, Flo77 (Simsons Geburt, Richter 13,7: "Der Knabe wird ein Geweihter Gottes=Nasiräer sein von Mutterleib an, und er wird anfangen, Israel zu erretten") und gouvernante (Amos 2,11) hingewiesen. Danke dafür. So recht überzeugt bin ich von dieser Verwechselungsgeschichte nicht, allerdings fällt mir auch keine bessere Lösung ein. Dass Jesus zwar Nazarener/Nazoräer, aber kein Nasiräer war, dürfte aber einsichtig sein. Julius' Hinweis auf Jesaja 11,1 (die Messias-Ankündigung "Es wird ein Reis hervorgehen aus dem Stamm Isais") hatte ich zunächst nicht verstanden. Beim Googeln, zum Beispiel auf dieser amüsanten Website, fand ich aber, dass sich da mit viel Phantasie ein Verbindung herstellen lässt, denn das hebräische Wort für Reiser oder Spross heiße "nezer", und das klinge fast wie Nazarener. Damit wären die Nasiräer allerdings wieder draußen.

 

Alfons

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Ich vermute, daß die Evangelisten irgendeine Verbindung ins AT herstellen wollten, weil Nazareth (aus dem ja schon sprichwörtlich nichts Gutes kommen konnte) als Herkunftsort des Messias einfach nichts hergab.

 

Aber die Frage ist genauso wie die ob das Haus in Kapharnaum in das "Er" ging nun Jesus oder Petrus gehörte.

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Julius' Hinweis auf Jesaja 11,1 (die Messias-Ankündigung "Es wird ein Reis hervorgehen aus dem Stamm Isais") hatte ich zunächst nicht verstanden. Beim Googeln, zum Beispiel auf dieser amüsanten Website, fand ich aber, dass sich da mit viel Phantasie ein Verbindung herstellen lässt, denn das hebräische Wort für Reiser oder Spross heiße "nezer", und das klinge fast wie Nazarener. Damit wären die Nasiräer allerdings wieder draußen.

 

Ja, eine solche Theorie hatte ich auch im Hinterkopf - es ist Lichtjahre her und ich weiss nicht, wo ich sie aufgeschnappt habe - deswegen hat sich in meiner Erinnerung auch das Lied "es ist ein Ros entsprungen" in dem Zusammenhang eingeprägt. Mag sein, dass die Theorie mal aufgegriffen wurde, als jemand was zur Geschichte des Liedes erzählte. Aber das kriege ich nicht mehr so recht zusammen. Jedenfalls braucht der "Ros" wohl nicht Nazareth dazu, um zu entspringen, der Stumpf kann auch anderswo stehen - in Bethlehem oder so.

bearbeitet von Julius
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Julius' Hinweis auf Jesaja 11,1 (die Messias-Ankündigung "Es wird ein Reis hervorgehen aus dem Stamm Isais") hatte ich zunächst nicht verstanden. Beim Googeln, zum Beispiel auf dieser amüsanten Website, fand ich aber, dass sich da mit viel Phantasie ein Verbindung herstellen lässt, denn das hebräische Wort für Reiser oder Spross heiße "nezer", und das klinge fast wie Nazarener. Damit wären die Nasiräer allerdings wieder draußen.

 

Alfons

Das erinnert irgendwie an die vielen "Deutungen" der Nostradamus-Verse, wo ja auch (natürlich auch nur für vergangene Ereignisse) die haarsträubendsten Erklärungen gebastelt werden, um aus einem völlig kryptischen Text eine Vorhersage des Ereignisses zu konstruieren.

 

Werner

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(...)

Wenn du nun davon ausgehst, dass die Texte der Evangelien wörtlich wahr sind - weil die Verfasser der Evangelien sich, wie du postulierst und wie Lukas ja auch schreibt, als Berichterstatter verstanden haben - dann wird das Ganze zu einer Frage des Dran-Glaubens. Dann musst du glauben, dass die beiden Legenden vom Kindermord und von der Ägyptenflucht gar keine Legenden sind, obwohl sie in Legendenform geschrieben sind und anderen biblischen wie außerbiblischen Legenden ähneln. Sondern dass sie die pure historische Wahrheit wiedergeben. Dieses Glauben an die wörtliche Bedeutung von Texten, die man für historische Wahrheit hält, dieses Glauben an die äußere Schale der biblischen Überlieferung, der den inneren Kern der Botschaft übersieht, dieses Glauben - so kommt es mir vor - mit zusammengebissenen Zähnen und zusammengekniffenen Augen, hat aber nichts mit dem Glauben zu tun, den Shubashi in diesem Posting wunderbar beschreibt: ein Glaube, der aus dem Vertrauen lebt und den Zweifel zulässt, ein Glaube ohne Rettungsring, ein Glaube mit offenen Augen und einem Lächeln statt der zusammengebissenen Zähne.

 

 

1. behaupte ich gar nicht, dass ich an alle historischen Details der Kindheitsgeschichte glauben muss. Ich sehe doch auch die Widersprüche und denke mir dabei, dass da wohl mindestens einer von beiden Autoren etwas im Legendstil einfügt. Aber der Umkehrschluss, dass deshalb kein einziger geschildeter Sachverhalt historisch sein kann, der drängt sich mir beim besten Wille nicht auf.

 

2. beharrst du seltsamerweise weiterhin darauf, dass der, der eine Erzählung für potenziell historisch möglich hält, "den inneren Kern der Botschaft übersieht". Dabei haben wir Jahrhunderte von Schriftauslegung, deren Autoren vom historischen Wahrheitsgehalt der Schriften überzeugt waren und gleichzeitig den inneren Kern der Botschaft wunderbar herausarbeiteten. Der schon öfter erwähnte vierfache Schriftsinn leistet doch genau das: über die faktischen Schilderung hinaus nähert man sich den tieferen Sinn an.

 

 

zu 1: Da gibt es auch keinen Umkehrschluss. Ein apodiktisches Urteil wie "dass deshalb kein einziger geschilderter Sachverhalt historisch sein kann", also quasi die Gegenposition zu dem fundamentalistischen "Jedes Wort der Bibel ist von Gott so diktiert und wörtlich wahr", möchte ich mir nicht anmaßen. Ich halte allerdings jede Aussage der Bibel für exegetisch hinterfragbar, und die Ergebnisse weisen darauf hin, dass die Wahrscheinlichkeit, dass legendarische Erzählungen zugleich historische Wahrheit sind, ziemlich gering ist. Dazu habe ich weiter oben schon etwas geschrieben.

 

zu 2: Da hast du recht. Natürlich sind "wörtliches Verständnis der Bibel" und "Erkenntnis der Botschaft" vereinbar. Ich bin da von meiner Lebenserfahrung ausgegangen. Und da habe ich allerdings immer wieder merken müssen, dass bei vielen Menschen ein wörtliches Bibelverständnis der tieferen Erkenntnis dessen, was in diesen Texten an Weisheit und Wissen steckt, arg im Wege steht. Was ich, obwohl ich kein Christ bin, sehr bedauere.

 

Alfons

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Demnach müsste Herodes schon kurz nach seinem Mordbefehl gestorben sein, möglicherweise hat er einen Herzinfarkt bekommen, als ihm klar wurde, dass er mit seiner Aktion nicht erfolgreich war.

 

Achja, noch was. Quirinius wurde 6 n Chr. Statthalter in Syrien und hat dort gemäß Flavius Josephus eine Volkszählung veranstaltet. Herodes starb aber bereits 4 v. Chr.

 

Werner

Na, die Erkenntnis, dass sich beim Ertsellen des gregorianischen Kalenders ein wneig verrechnet wurde, ist so neu auch nicht. Ich finde 4-6 Jahre verzählen nicht so schlecht, und bei "Herodes" muss man wohl auch immer aufpassen ob nun Papa oder einer der Söhne gemeint ist.

Aus Matthäus geht eindeutig hervor, dass der Vater gemeint ist. Und der starb 10 Jahre bevor Quirinius Statthalter in Syrien wurde.

 

Werner

 

Naja, wenn ich mir so die gefühlte Amstzeit einiger Bürgermeister heutzutage ansehe, dann sind die 10 Jahre wirklich nicht so viel...

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