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Popper und die Wissenssoziologie


Marcellinus

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Hier noch der Hinweis, dass es aus der Vorlesungsreihe zur Wissenschaftstheorie, aus der mein letzter Link stammt, etliche weitere Videos gibt, die beim einen vielleicht der anderen auf Interesse stoßen könnten. Hier etwa zwei weitere Videos, in denen Probleme des Popperschen Ansatzes diskutiert werden

 

https://www.youtube.com/watch?v=AOn2NjTAp-0  (Weitere Grundprobleme)

https://www.youtube.com/watch?v=QAHviP8m-bk  (Die Wissenschaft hat sich historisch anders entwickelt, als es dem Popperschen Modell entspricht)

 

Die Videos sind nur ca. 13 bzw. 21 Minuten lang. Dennoch versteht man (trotz der Kürze der Zeit), wieso der Poppersche Ansatz zumindest in seiner "reinen" oder "ursprünglichen" Form heutzutage nicht viele Anhänger in der Wissenschaftstheorie hat.

 

Ein Überblick mit allen Videos (zum Teil auch zu anderen Themen) findet sich hier. Ich habe mir nur einige Videos angesehen, aber es scheint alles ziemlich gut und einfach erklärt zu sein.

bearbeitet von iskander
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Könnte es sein, daß du dich langsam verhedderst? Popper argumentierte als Philosoph gegen den Wahrheitsanspruch anderer Philosophen. Popper schrieb, wie sich Naturwissenschaften arbeiten sollten. Daß sie es in der Realität nicht tun, war ihm bekannt, für ihn aber unerheblich. Das ist eben der Unterschied zwischen einer philosophischen und einer wissenschaftlichen Wissenschaftstheorie. Eine philosophische Wissenschaftstheorie formuliert, wie sich Naturwissenschaften nach der Ansicht von Philosophen verhalten sollten, eine wissenschaftliche, also soziologische Wissenschaftstheorie sollte beschreiben, wie Wissenschaften realiter funktionieren.

 

Ich habe allerdings nicht den Eindruck, daß du das wirklich verstehst, weder den Konflikt, den Popper als Philosoph mit anderen Philosophen hatte, noch den Unterscheid zwischen Philosophie und theoretisch-empirischen Wissenschaften im allgemeinen. Und weil da so ist, schreibst du zwar sehr viel, aber du drehst dich immer nur im Kreis, eine Anstrengung, die einer besseren Sache wert wäre.

 

bearbeitet von Marcellinus
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On 9/11/2021 at 5:05 PM, iskander said:

Das erstaunt mich. Aristoteles wird als der eigentliche Begründer der Naturwissenschaften - namentlich der Biologie - angesehen. Und er scheint dabei nicht schlecht gewesen zu sein - Darwin jedenfalls sagte über ihn:

"Ich hatte bereits eine hohe Meinung von Aristoteles’ Verdiensten, aber nicht die geringste Ahnung, was für ein wundervoller Mensch er war. Linné und Cuvier waren – auf sehr unterschiedliche Weise – meine beiden Götter, aber im Vergleich zum alten Aristoteles waren sie doch bloße Schuljungen."

Lorenz hat schon seriös nachgeforscht. Aristoteles Verdienste stellte er nie in Frage, aber sie waren in erster Linie philosophisch. Naturwissenschaftlich würde ich vor allem seine Erkenntnis würdigen dass die Erde eine Kugel sei. Aber - eigentlich genau wie Darwin - stellte er eine These auf, die sich zweifellos falsifizieren liess, aber es lag and anderen sie zu bestätigen resp. zu "plausibilisieren". In Darwins Fall war es Mendel, in Aristoteles Fall war es Eratosthenes der den Erdumfang mw ziemlich genau berechnete. Das war aber etwa 100 Jahre später. Wissen dass dann wieder verloren ging, den Religionen seis gedankt.

 

On 9/13/2021 at 6:41 PM, iskander said:

"Es gibt falsifizierbare Aussagen [mindestens eine]."

Nehmen wir an, dieser Satz S sei falsifizierbar. Dann ist er womöglich als falsch erweisbar. Nehmen wir außerdem an, er ließe sich auch tatsächlich als falsch erweisen und sei also auch falsch. Dann gilt mit Negation:

"Es gibt keine falsifizierbaren Aussagen [nicht mal eine]." (Die Negation von "Es gibt mindestens ein X" lautet "Es gibt kein X.)

ach mach es doch ganz einfach.

"Es gibt einen Gott"

"Es gibt keinen Gott"

Dass der erste Satz nicht falsifizierbar ist (ergo Geschwurbel auch wenn es nicht explizit so eingestanden sondern als "Glaube" definiert wird) räumen mw mittlerweile sogar die Kirchen ein.

Der zweite Satz ist hingegen sehr leicht falsifizierbar: Hier ist Gott - empirisch intersubjektiv wahrnehmbar, nachprüfbar oder messbar. Aber bitte -  Behauptungen aus alten Schriften leisten das nicht! Aber statt den Satz zu falsifizieren hackt man auf den Atheisten herum dass sie ihre Aussage nicht beweisen könnten. Als ob nicht diejenigen in der Pflicht stünden eine Behauptung zu beweisen, sondern diejenigen die die Behauptung nicht glauben. Unabdingbarer Teil der Logik.

 

Somit  - so leids mir tut - sehe ich immer noch nicht worauf du hinaus willst. Eine Kritik an was? wem? wozu?

Grüssle, Phyllis

 

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vor 5 Stunden schrieb phyllis:

In Darwins Fall war es Mendel, in Aristoteles Fall war es Eratosthenes der den Erdumfang mw ziemlich genau berechnete. Das war aber etwa 100 Jahre später. Wissen dass dann wieder verloren ging, den Religionen seis gedankt.

Hi Phyllis,

 

Das war schon ein echter Fuchs. 

 

Gruss, Martin  

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@phyllis

 

Na ja, eigentlich habe ich mich ja intensiv bemüht, darzulegen, dass die Gleichung "nicht falsifizierbar = Blödsinn" nicht aufgeht. Ich habe dazu nicht nur selbst detailliert argumentiert, sondern auch mehrere (kurze) Videos verlinkt, in denen dies mit verschiedenen, m.E. stichhaltigen Überlegungen dargelegt wurde. Vielleicht kämen wir weiter, wenn Du einfach erklären würdest, warum Du offenbar nicht ein einziges der Argumente für überzeugend - oder wenigstens diskussionswürdig - hältst?


 

Zitat

 

"Es gibt einen Gott"

"Es gibt keinen Gott"

Dass der erste Satz nicht falsifizierbar ist (ergo Geschwurbel auch wenn es nicht explizit so eingestanden sondern als "Glaube" definiert wird) räumen mw mittlerweile sogar die Kirchen ein.

Der zweite Satz ist hingegen sehr leicht falsifizierbar: Hier ist Gott - empirisch intersubjektiv wahrnehmbar, nachprüfbar oder messbar. Aber bitte -  Behauptungen aus alten Schriften leisten das nicht!

 

 

Soweit ich mich erinnere, gab es durchaus auch Bemühungen, den Satz "es gibt einen Gott" zu widerlegen - ich meine mich etwa zu erinnern, dass Feuerbach versucht hat zu zeigen, dass die Definition Gottes (wie sie in der westlichen Welt dominant ist) unsinnig sei. Einen anderen, aber vom Resultat her ähnlichen Ansatz verfolgten die logischen Empiristen. Nicht, dass diese Ansätze vom Ergebnis her sehr überzeugend gewesen wären (das wird m.W: heute ziemlich allgemein zugegeben), aber die Sache ist auch nicht so unumstritten, wie Du es darstellst. Jedenfalls, wenn man mit "Falsifikation" nicht nur eine empirische sondern auch eine logische Widerlegung meint, was in diesem Fall aber naheliegend ist.

 

Und den Satz "es gibt keinen Gott" zu widerlegen, ist das gleiche wie den Satz "es gibt einen Gott" beweisen. Man kann natürlich den Beweis für jede Aussage in eine Widerlegung der Negation ebendieser Existenz-Aussage umformen. Aber ob das aber im Fall von Existenz-Aussagen normalerweise viel Sinn macht?

 

Jedenfalls setzt ein Beweis der Existenz Gottes natürlich voraus, dass Gott "intersubjektiv wahrnehmbar, nachprüfbar und messbar" ist - was nun allerdings wohl kaum jemand behaupten würde. (Selbst unsere eigenen Bewusstseinsgehalte sind das nicht im strengen Sinne, weshalb die Erforschung des Bewusstseins in der Psychologie zeitweise als "unwissenschaftlich" verschrien war.) Aber selbst, wenn man davon ausgehen würde, dass ein Gott als ein "messbares Wesen" im Weltraum "herumschwirrt", müsste er dann immer noch in "Messweite" sein und wir bräuchten geeignete Messinstrumente. Anders gesagt: Die These "Es gibt einen Gott" ist nur dann beweisbar, wenn man eine Reihe von Zusatz-Annahmen macht. Und entsprechend gilt das dann für die Widerlegung der Negation der These.

 

Zitat

Wissen dass dann wieder verloren ging, den Religionen seis gedankt.

 

Soweit ich informiert bin, ist das nicht korrekt. Man meinte zwar, dass die Erde im Zentrum sei, aber man wusste, dass sie eine Kugel ist:

 

"Die Vorstellung, dass das mittelalterliche Weltbild von einer Flacherde ausgeht, ist verbreitet, aber falsch. Sie entstand vielmehr erst aus dem Bedürfnis der Neuzeit, sich von der vorangegangenen Zeit abzugrenzen, das noch im 19. Jahrhundert im bekannten Holzstich von Flammarion (s. Abb.) Ausdruck fand. Entgegen dieser Legende war die Kugelgestalt der Erde nicht nur im mittelalterlichen arabisch-islamischen Kulturkreis[10] bekannt, sondern auch im europäischen Mittelalter Lehrmeinung.[11]"

https://de.wikipedia.org/wiki/Flache_Erde#Mittelalter

 

Zitat

Aber - eigentlich genau wie Darwin - stellte er eine These auf, die sich zweifellos falsifizieren liess

 

Genau an diesem Beispiel lässt sich die Tatsache, dass es mit dem Falsifizieren nicht ganz so einfach ist, ja gut veranschaulichen - siehe Video 2 meines letzten Beitrags: Lord Kelvin errechnete, dass die Zeit, seit die Erde aufgehört hatte, ein glühender Feuerball zu sein, viel zu kurz war, als dass nach Darwins eigener Abschätzung die Evolution möglich gewesen wäre.

Eine scheinbar eindeutige Falsifikation, jedenfalls, wenn man unterstellt, dass beide Abschätzungen wenigstens ansatzweise korrekt sind.

 

Was also konnte man tun? Zwei Dinge (alternativ):

- Die Evolutionstheorie als widerlegt betrachten.

- Die Hilfshypothesen, die zur Widerlegung nötig sind, infrage stellen.

 

Die zweite Option bestünde darin, dass man annimmt, dass wir uns irgendwo im Hinblick auf unser Weltbild oder im Hinblick auf unsere Beobachtungen in relevanter Weise irren, so dass die Evolutions-Theorie nur widerlegt scheint, es aber nicht ist. Dazu, an welcher Stelle wir uns dann konkret irren, muss man sich nicht festlegen; aber man hätte beispielsweise postulieren können, dass unsere Vorstellungen über die Thermodynamik der Erde falsch seien - etwa weil es noch völlig unbekannte und unerklärliche Kräfte oder Naturphänomene gebe, die dafür sorgten, dass die Erde sich viel langsamer abkühlt, als Kelvin das berechnet hatte.

Und so war es dann ja auch: Das unbekannte "Naturphänomen" war die Radioaktivität, die das Innere der Erde gewissermaßen "aufheizt". Aber damals war dieses Phänomen eben noch völlig unbekannt! Ein Natur-Phänomen zu postulieren, das die Erde in dieser Weise von innen erwärmt, wäre damals eine reine Ad-hoc-Hypothese ohne jeden Beweis gewesen (und wahrscheinlich eine, die auf viele eher "kurios" und "aus dem Ärmel geschüttelt" gewirkt hätte).

 

Und das ist eben der springende Punkt: Man kann "im Prinzip" immer die Meinung vertreten, dass die eigene These nicht widerlegt ist, sondern dass stattdessen andere Annahmen, die wir machen, falsch sind. Und manchmal verhält es dann auch tatsächlich so, und manchmal nicht. Und ob es sinnvoll ist, in dieser Weise zu argumentieren, um eine Widerlegung abzuwehren, oder ob man eine These als "falsifiziert" betrachten sollte, muss eben im Einzelfall unter Abwägung aller Umstände entschieden werden - und manchmal ist das recht einfach, manchmal aber auch nicht.

 

Zitat

 

Somit  - so leids mir tut - sehe ich immer noch nicht worauf du hinaus willst. Eine Kritik an was? wem? wozu?

 

Ich möchte die Behauptung kritisieren, dass nur falsifizierbare Sätze sinnvoll seien. An den "lieben Gott" habe ich dabei gar nicht gedacht. Aber dass das mit den falsifizierbaren Sätzen als Sinn-Kriterium wenig Sinn macht, gilt sogar schon für die Wissenschaft selbst (siehe dazu etwa das erste Video in meinem letzten Beitrag) und erst recht außerhalb empirischer Wissenschaften. Und dann wollte ich - völlig unabhängig davon - auch noch darauf hinweisen, dass es auch mit dem Falsifizieren selbst nicht immer so einfach ist, wie das oft hingestellt wird.

 

Drücke ich mich denn wirklich so unklar aus, dass nicht einmal meine Absicht rüberkommt (egal, ob man mir dann zustimmt oder nicht)? Wie soll ich mich denn anders ausdrücken?

bearbeitet von iskander
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@phyllis

 

Vielleicht ergänzend noch die Anmerkung, dass gerade bei der Evolutionstheorie umstritten ist, ob sie wirklich falsifizierbar ist. Manche Biologen (etwa Ernst Mayr) gehen/gingen davon aus, dass sie nicht im Popperschen Sinne falsifizierbar sei. Popper sah das offenbar ebenso, ungeachtet dessen, dass er die Evolutions-Theorie wertgeschätzt hat. Er hielt sie offenbar für ein sinnvolles und fruchtbares "metaphysisches Forschungsprogramm" (in seinen Worten), aber nicht für eine wissenschaftliche Theorie im eigentlichen Sinne. (Es wird zum Teil behauptet, dass Popper seine Haltung später geändert habe, aber das ist umstritten.)

 

Die Evolutionstheorie versucht einen komplexen historischen Prozess zu erklären, den wir nur mühevoll rekonstruieren können. Es dürfte hier einfacher als anderswo sein, mögliche Schwierigkeiten durch Ad-hoc-Annahmen zu umschiffen. Wenn wir beispielsweise zum Ergebnis kommen, dass die uns bekannten Mechanismen an irgendeiner Stelle vor zig Mio. Jahren nicht ausreichten, um eine evolutionäre Entwicklung aus natürlichen Ursachen zu erklären, wird man geneigt sein einzuwenden, dass es dann wohl Mechanismen oder Umstände geben mag bzw. vermutlich gegeben hat, die wir (noch) nicht kennen. Es wird hier vermutlich vor allem darum gehen, Argumente zu finden, die die Evolution plausibel oder unplausibel machen, aber weniger um eine "Falsifikation" im strikten Sonne.

Natürlich gibt es Teilthesen, die zur Evolutions-Theorie gehören oder sich aus ihr ableiten lassen, die sich im Prinzip einfacher falsifizieren lassen; aber wenn das nicht gelingt, ist es wohl schwierig das "Gesamt-Paket" der Theorie zu falsifizieren. Das Ziel für Evolutionsbiologen sollte hier m.E. weniger sein, die Evolution "falsifizierbar", sondern plausibel zu machen.

 

Generell spielt Falsifikation im Hinblick auf Beschreibungen oder Rekonstruktionen historischer Prozesse ohnehin oftmals keine so große Rolle - das gilt auch für die Menschheitsgeschichte, auch wenn das natürlich ein anderes Kapitel ist. Können wir widerlegen, dass es Napoleon gab und er bei Waterloo besiegt wurde? Man mag Details widerlegen können, aber die großen Ereignisse? Dass er Korse war, General, erster Konsul und Kaiser, dass er gegen unterschiedliche Staaten Krieg führte, ins Exil musste usw? Theoretisch vielleicht schon. Vielleicht finden wir mal historische Dokumente, die beweisen, dass die ganze Napoleon-Erzählung von A bis Z eine riesige Verschwörung war, dass es niemals einen prominenten Politiker gab, der so hieß oder so agierte, wie es ihm zugeschrieben wird; dass alle archäologischen Spuren, die auf ihn, sein Tun und seine Kriege hinweisen, künstlich gelegt wurden, und dass alle Berichte über ihn koordiniert erfunden und gefälscht wurden usw.

Aber ist das realistisch?

Sind unsere zentralen Annahmen über Napoleon unwissenschaftliches und "leeres Gerede", weil sie nicht falsifizierbar sind, jedenfalls nicht in irgendeinem relevanten Sinne?

 

Nochmals, was Popper selbst laut John Horgan sagte:

 

"His falsification concept, he [Popper] said, is a criterion for distinguishing between empirical and non-empirical modes of knowledge. Falsification itself is 'decidably unempirical'; it belongs not to science but to philosophy, or 'meta-science,' and it does not even apply to all of science. Popper seemed to be admitting that his critics were right: falsification is a mere guideline, a rule of thumb, sometimes helpful, sometimes not."

 

Ich habe jetzt zahlreiche Argumente dafür aufgeführt, dass sich nicht generell sagen lässt, dass allein "falsifizierbare" Sätze gehaltvoll sind. Es wäre jetzt hilfreich, wenn diejenigen, die das anders sehen und gerne diskutieren möchten, auf diese Argumente reagieren können - sonst wäre die Diskussion doch etwas unfruchtbar.

bearbeitet von iskander
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@iskander

Das Problem mit Popper ist, daß er ein Philosoph war. Und als solchem ging es ihm nicht darum, zu beschreiben, wie Naturwissenschaften wirklich funktionieren, sondern wie sie seiner Glaubensüberzeugung nach funktionieren sollten. 

 

Ihm ging es, wie vielen Philosophen, um die absolute Geltung von Sätzen. Und diese Geltung bekommt man nicht durch wissenschaftliche Beobachtungen, sondern nur durch das, was Popper die "Logik der Forschung" nennt, durch die fehlerfreie Rückführung auf andere absolut geltende Sätze. Nur leider, und das sah auch Popper, führt das in einen unendlichen Regress oder zu einem Satz, den man nur noch glauben kann. 

 

Das aber ist Metaphysik in höchster Potenz, und in sofern entbehrt es nicht einer gewissen Komik, aus dieser Position den Wissenschaften Metaphysik vorzuwerfen. Denn die Naturwissenschaften versuchen gar nicht, absolute geltende Sätze zu formulieren, sondern Modelle aufzustellen, die möglichst gut beschreiben, wie beobachtbare Tatsachen zusammen hängen könnten. Jedes dieser wissenschaftlichen Modelle gilt also nur so lange, bis man ein besseres hat. Theoretisch-empirische Wissenschaft sind in sofern immer vorläufig. Das scheint Philosophen schwer einsichtig zu sein. 

 

Geschichte ist wieder etwas anderes, keine Natur-, sondern eine Geisteswissenschaft, die zwar auf Tatsachenbeobachtungen beruht, wenn auch notwendig sehr fragmentarischen, ihre Urteile aber wesentlich zeitgenössischen Wertungen entnimmt, weshalb jede Generation von Historikern die Geschichte neu zu schreiben scheint. 

 

Das Problem mit der Philosophie ist aber noch mal ein anderes. Hier trifft der Anspruch auf die absolute Geltung von Sätzen auf überhaupt keine anderen Belege als das Dafürhalten des Philosophen selbst - Plausibilität, wie du es nennst. 

 

Ich denke, du kämst der Beantwortung deiner Fragen, die du hier so wortreich ausführst, entschieden näher, wenn du erst einmal akzeptieren würdest, daß Naturwissenschaften etwas grundsätzlich anderes sind als Philosophie, daß es sich bei ersteren um ein Wechselspiel zwischen Tatsachenbeobachtung und Theoriebildung handelt, die ihrerseits wieder durch weitere Tatsachenbeobachtungen belegt, erweitert oder widerlegt werden können, während Philosophie, darin der Theologie nicht unähnlich, nach absoluten Anfängen, Zeitlosem, Unwandelbaren, eben nach der "Wahrheit" sucht, und dafür keine anderen Belege hat als die Meinung des Philosophen selbst über die Geltung seiner Sätze. 

 

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Hi,

 

"erkennbar wahr" = Transformation von Worte in Wahrheit = Metaphysik.

 

 "reproduzierbar" = Transformation von anekdotischer Evidenz in verfügbares Wissen = Wissenschaft.

 

Dass die Falsifizierbarkeit nach Popper nicht der Wahrheit Weisheit letzter Schluss ist, weiß jeder Wissenschaftler. Witzigerweise ist das ja auch der Inhalt der popperschen Wissenschaftskritik: "Es gibt keine letzten Schlüsse."

 

Mein persönlicher Schluss ist, dass auch niemand diese letzten Schlüsse braucht. Eine Ansicht, die bei Metaphysikern eher selten zu finden ist. 

 

Gruß, Martin

bearbeitet von Soulman
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vor 17 Minuten schrieb Soulman:

Witzigerweise ist das ja auch der Inhalt der popperschen Wissenschaftskritik: "Es gibt keine letzten Schlüsse."

 

Das war der Philosoph Popper, der damit aber eigentlich die Philosophie kritisierte, denn Wissenschaften geben gar nicht vor, letzte Schlüsse zu liefern.

 

vor 17 Minuten schrieb Soulman:

Mein persönlicher Schluss ist, dass auch niemand diese letzten Schlüsse braucht. Eine Ansicht, die bei Metaphysikern eher selten zu finden ist. 

 

Oh, Theologie und Philosophie brauchen sie, zumindest die Suche danach. Sonst wäre ihre Existenzberechtigung futsch. 

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vor 16 Minuten schrieb Marcellinus:

Das war der Philosoph Popper, der damit aber eigentlich die Philosophie kritisierte, denn Wissenschaften geben gar nicht vor, letzte Schlüsse zu liefern.

Hmm. Ich denke auch Wissenschaftler sind in Gefahr sich an ihrem Wissen zu berauschen. Der kritische Rationalismus sorgt schon für eine gesunde Demut. Literarisch hat das z.B. Max Frisch mit seinem Homo faber aufgegriffen:

 

Zitat

Fabers Selbstbild ist das eines Rationalisten: „Ich glaube nicht an Fügung und Schicksal, als Techniker bin ich gewohnt, mit den Formeln der Wahrscheinlichkeit zu rechnen. […] Ich brauche, um das Unwahrscheinliche als Erfahrungstatsache gelten zu lassen, keinerlei Mystik; Mathematik genügt mir.“

 

Kannten die beiden sich? Waren ja Zeitgenossen.

 

Gruss, Martin 

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@Marcellinus

 

Das "metaphysische Forschungsprogramm" war von Popper keineswegs als Vorwurf gemeint. Ansonsten kann ich mich nur wiederholen, dass ich nicht im geringsten daran zweifele, dass Naturwissenschaft (anders als die Philosophie) als Wechselspiel von Theorie und Empirie funktioniert - das habe ich zig mal betont. Ich weiß nicht, was ich noch sagen müsste, damit Du das mal so akzeptierst,

 

Im Übrigen beruht ein Großteil Deiner Position einfach auf Missverständnissen und Vorurteilen. Und da Du ja "weißt", dass die Philosophie eh nur Mist ist, siehst Du keine Veranlassung, Dich mit ihr zu beschäftigen; und da Du Dich nicht mit ihr beschäftigst, besteht auch keine Chance, dass die Missverständnisse abgebaut werden; hier beißt sich die (schwarze) Katze in den Schwanz.

 

Wir kämen aber vielleicht wenigstens ein bisschen weiter, falls Du bereit bist, Deine Argumente bündig (als Prämissen plus Schluss) niederzuschreiben. Denn ich kann Deine Argumentation nicht wirklich rekonstruieren. Ich versuche mal, Dir das Prinzip zu verdeutlichen, indem ich es selbst mit meinen eigenen Argumenten vormache. Etwa bezogen auf mein Argument, dass viele Deiner Aussagen philosophischer und nicht soziologischer Natur sind:

 

Prämisse 1: Was nach allen üblichen Definitionen zur Philosophie und nicht zur Soziologie gehört, gehört zur Philosophie.

Prämisse 2: Viele von Marcellinus' "grundsätzlichen" Thesen zum Erkennen, zum Verhältnis von Denken und Empirie usw. gehören nach allen üblichen Definitionen zur Philosophie, insbesondere zur Erkenntnistheorie, und nicht zur Soziologie. (Beweis: Man schaue sich etwa die Definitionen von "Erkenntnistheorie" und "Soziologie" in der Wikipedia oder in jedem anderen Lexikon an.)

Schluss: Also gehören viele von Marcellinus' "grundsätzlichen" Thesen eindeutig zur Philosophie und nicht zur Soziologie.

 

Oder ein weiteres Argument:

 

Prämisse 1: Die Sozialwissenschaften können mit ihren Methoden nur Erkenntnisse generieren, die sich auf soziale Sachverhalte beziehen, etwa auf soziale Bedingungen von Wissen.

Prämisse 2: Die Aussage, dass es kein gültiges Erkennen ohne Empirie geben könne, oder dass die Logik ein rein menschliches System ohne objektive Gültigkeit sei, beziehen sich nicht auf einen sozialen Sachverhalt - etwa auf bestimmte soziale Bedingungen von Wissen. (Das ergibt sich schon daraus, dass in den entsprechenden Aussagen keine soziologischen Begriffe vorkommen. Die fraglichen Aussagen beziehen sich stattdessen auf die prinzipiellen Möglichkeiten und Grenzen von Wissen bzw. auf die Natur der Logik. )

Schluss: Es kann sich bei solchen Aussagen also nicht um eine Erkenntnisse handeln, die von den Sozialwissenschaften mit ihren Methoden generiert wurden.

 

Oder nochmals Duhem-Quine, diesmal etwas knapper:

 

Prämisse 1: Wir können nie eine These T über die physische Welt allein testen, sondern nur immer zusammen mit ihren Hilfshypothesen (das ist schon aus logischen Gründen so).

Prämisse 2: Wir können uns nie vollkommen sicher sein, dass die Hilfshypothesen über die empirische Wirklichkeit korrekt sind (eben weil wir im Hinblick auf die empirische Wirklichkeit kein absolut sicheres Wissen haben und nicht zu 100% einen Irrtum oder eine Täuschung ausschließen können).

Prämisse 3: Bei einer Falsifikation der These T wissen wir daher erst einmal nur, dass die zu testende These oder (inklusives "oder") mindestens eine der Hifshypothesen falsch ist. (Und die Wissenschaftler müssen prüfen, ob das Verwerfen der These oder der Hilfshypothesen plausibler ist.)

Schluss: Keine Falsifikation einer These T ist im ganz strikten Sinne absolut sicher (und es muss immer geprüft werden, ob sie plausibler als das Verwerfen der Hilfshypothesen ist).

 

Und daraus: Dieser Satz (der Schluss) ist wahr und gehaltvoll, aber nicht falsifizierbar.

 

Oder der Aufweis in einem früheren Beitrag, dass die Behauptung, dass es falsifizierbare Sätze gibt, nicht falsifiziert werden kann (aber dennoch wahr und sinnvoll ist sie trotzdem).

 

Ich setze im letzten Fall (Reductio ad absurdum) und natürlich auch in den anderen Fällen die Geltung der Logik voraus. Das könnte angesichts Deiner metalogischen Überzeugungen problematisch sein. Ohne das tiefer zu diskutieren, meine ich aber, dass meine Voraussetzung schon deswegen legitim sein sollte, weil auch die Falsifikation die Logik (insbesondere den Modus Tollens) voraussetzt, und weil Selbstwidersprüche auch in den empirischen Wissenschaften ein Kriterium der sicheren Falschheit sind.

 

Was bringt diese kurze, halb-formelle Darstellung?

Man kann, wenn man meine Argumente kritisieren möchte, prüfen, ob sie überhaupt rein logisch gültig sind (was sie aber sind), oder ob ich beispielsweise noch zusätzliche Prämissen bräuchte, die nicht selbstverständlich sind. Vor allem aber: Wer meine Argumente nicht teilt, kann erklären, welche der Prämissen er ablehnt und warum; und ich wiederum kann dann meinerseits erläutern, wieso ich diese Prämissen für sinnvoll halte (oder ggf. dem Kritiker recht geben). Man kann also schauen, wo genau der Hase im Pfeffer liegt.

Allerdings setzt eine solche Art der Kritik natürlich die Bereitschaft voraus, auf die Argumente des anderen überhaupt halbwegs detailliert einzugehen!

 

Bei komplexen, unübersichtlichen Debatten kann so eine semi-formelle Darstellung nützlich sein. Und es wäre für mein Verständnis sogar äußerst nützlich, wenn Du Deine zentralen Argumente in einer ähnlichen Weise darstellen könntest. Ich kann es nicht. Ich kann Deine Argumente bei aller Mühe nicht rekonstruieren; ich weiß nicht, was ihre zentralen Prämissen sind. Höchstens kann ich in Blaue spekulieren.

Nehmen wir Deine Behauptung, dass Deine Aussagen "wissenssoziologischer" und nicht "philosophischer" Natur sein. Wie ist das gemeint?

 

Etwa so?

 

Prämisse 1: Wissenssoziologen stellen Behauptungen der Art, wie Marcellinus sie tätigt, auf.

Prämisse 2: Wenn Wissenssoziologen bestimmte Behauptungen aufstellen, gehören sie in den Bereich der Wissenssoziologe.

Schluss:  Also gehören Behauptungen der Art, wie Marcellinus sie tätigt, in die Wissenssoziologie.

 

Dann würde ich allerdings zu Prämisse 1) die Frage stellen, wo die Wissenssoziologie derartige Aussagen tätigt; und zu Prämisse 2) würde ich anmerken, dass allein daraus, dass ein Soziologe etwas sagt, das Gesagte nicht zwingend soziologisch ist; das gilt für biologische wie für philosophische oder andere Äußerungen.

 

Oder ist es anders gemeint? Etwa so?

 

Prämisse 1: Die Wissenssoziologie hat mit ihren sozialwissenschaftlichen Methoden Behauptungen der Art, wie Marcellinus sie aufstellt, bewiesen (etwa die Behauptung, dass es kein Wissen geben könne, das nicht empirisch prüfbar ist).

Prämisse 2: Was die Wissenssoziologie mit ihren Methoden beweist, ist eine wissenssoziologische Behauptung (und sogar eine Erkenntnis).

Schluss: Also sind die von Marcellinus aufgestellten Behauptungen wissenssoziologischer Natur (und stellen sogar Erkenntnisse dar).

 

Dann würde ich allerdings wiederum zu Prämisse 1 fragen wollen, wo die Wissenssoziologie das denn nun geleistet hat.

 

Oder ist das ganz anders gemeint?

 

Auch aus Deiner Argumentation, dass ein Unterfangen (wie z.B. die Philosophie), welches seine Thesen nicht an der Empirie prüft, auch nicht zu Erkenntnissen gelangen könne, werde ich nicht schlau. Du verweist in diesem Zusammenhang immer auf die Naturwissenschaften. Aber wie ist das zu verstehen? So?

 

Prämisse 1: Die Naturwissenschaften sind bei ihrem Vorgehen auf das Mittel der empirischen Prüfung angewiesen, um Erkenntnisse zu generieren.

Prämisse 2: Was für die Naturwissenschaften in dieser Hinsicht gilt, gilt auch für völlig andere Unterfangen der Erkenntnisgewinnung (etwa die Philosophie), auch wenn es um ganz andere Fragen geht als in der Naturwissenschaft.

Schluss: Also wären auch die Philosophie und andere nicht-naturwissenschaftliche Unterfangen auf das Mittel der empirischen Prüfung angewiesen, wenn sie Erkenntnisse generieren wollen.

 

Prämisse 1 würde ich akzeptieren. Zu Prämisse 2 würde ich aber fragen, wie man diese beweisen möchte, ohne einen Zirkelschluss zu begehen. Und zudem müsste der Beweis für Prämisse 2 ja selbst auf Basis einer empirischen Prüfung stattfinden, falls er eine echte Erkenntnis und kein leeres Gerede darstellen soll.

 

Dasselbe gilt generell für jeden Beweis, nach welchem es ein Wissen ohne empirische Prüfung nicht geben kann; ein solcher Beweis muss auf einer empirischen Prüfung basieren - sonst wäre er ja "ex thesi" ungültig, weil er dann eben gerade kein Wissen liefern könnte. Aber wie sollte das gehen?

 

Prämisse 1: Mithilfe des Test-Verfahrens XY wurde die These, dass es Wissen ohne empirische Prüfung geben könne, empirisch widerlegt. (Mit Sicherheit? Mit hoher Wahrscheinlichkeit?)

Prämisse 2: Was empirisch widerlegt wurde, ist falsch.

Schluss: Also ist die These, dass es Wissen ohne empirische Prüfung geben könne, falsch. (Mit Sicherheit? Mit hoher Wahrscheinlichkeit?)

 

Hier wäre meine Frage: Wie sieht so ein entsprechendes Verfahren der empirischen Widerlegung konkret aus? (Wie kann es auch nur "im Prinzip" aussehen?)

 

Wie gesagt: Das sind meine ziemlich hilflosen Versuche, die zentralen Annahmen Deiner Argumentation zu rekonstruieren bzw. mir zu überlegen, wie man sie fassen könnte. Vielleicht meinst Du es auch ganz anders. Ich weiß es eben nicht. Vielleicht liegt das an mir, das mag ja sein. Vielleicht bin ich einfach zu begriffsstutzig.

Aber es wäre wahnsinnig hilfreich, wenn Du Deine zentralen Argumente in kurzer, bündiger Form aufschreiben könntest, so wie ich das mit meinen gemacht habe (und höchst spekulativ mit den Deinen versucht habe). Es müsste nicht perfekt sein, und auch nicht so formell wie bei mir (ich habe absichtlich auch "selbstverständliche" Schritte eingefügt). Und wie gesagt: Es geht in der Regel wirklich ganz schnell, mit wenig Aufwand. Es sind gewöhnlich ein paar kurze Sätze. Aber dann würde ich wenigstens verstehen, wie Deine Argumentation in ihrer Grundstruktur überhaupt funktioniert, was im Moment nicht der Fall ist.

 

Dieselbe Einladung richtet sich natürlich auch an @Soulman, soweit dort Interesse besteht.

bearbeitet von iskander
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Lob der Philosophie, auf eine Art jedenfalls
 

OK, fangen wir es mal von der anderen Seite an. Ich habe einer ganzen Reihe von klugen Menschen viel zu verdanken, und einige von ihnen waren Philosophen, John Stuart Mill, Bertrand Russel, Walter Kaufmann, Hans Albert, um nur die zu nennen, ja, und antike Philosophen wie Seneca oder Epikur, und last but not least Karl Marx und Auguste Comte. Ach ja, und Nietzsche natürlich. Ich denke, je länger ich darüber sinniere, umso länger würde die Liste. 

 

Ich begegnete ihnen über mein Interesse an antiker Geschichte, wie Seneca oder Epikur, vor allem aber aufgrund der historischen Umstände in den 70er Jahren mit dem Marxismus auf der einen und der Ideologiekritik erst daran, dann auch der Religionskritik. Hier habe ich den klaren Gedanken dieser Philosophen bei der Dekonstruktion von Wahrheitsansprüchen viel zu verdanken. 

 

Hier spürt man die Leidenschaft, mit der diese Menschen, besonders die neuzeitlichen Philosophen, sich mit der Frage nach der Begründung und Gültigkeit von Urteilen beschäftigt haben. Alle die, die ich als Beispiele genannt habe, haben sich zuerst mit den Begründungen beschäftigt, die sie vorfanden, und das waren in den meisten Fällen das Christentum. Wenig verwunderlich, daß sie deren Wahrheitsanspruch relativierten oder ablehnten. Bei Hans Albert kam zu seiner Religionskritik auch noch die am Marxismus dazu. 

 

Aber während bei der Kritik von Weltanschauungen und Ideologien ein scharfer Verstand und logisches Denken hinreichend sein mögen, sieht das bei der Formulierung der eigenen Überzeugungen schon anders aus. Hier endet die Kritik der Begründungen entweder im infiniten Regress oder im eigenen Glauben. Für den aber spricht am Ende des Tages nur die eigene Überzeugung, die eigene „Leidenschaft“, wie Russell das nannte, und von der führt nun mal keine zuverlässige Methode zur (reinen) Erkenntnis. 

Viele Philosophen haben mich fasziniert, denn es waren immer faszinierende Gestalten, und da sie mir alle durch Bücher begegnet sind, faszinierten mich vor allem ihre Gedanken, und nicht selten noch mehr ihre Kunst, diese zu formulieren, und das tun sie zu Teil bis heute. 

 

Aber ich konnte auch von Anfang an nicht übersehen, daß ich mit manchen Gedanken übereinstimmte, und mit anderen dagegen gar nicht, und das, obwohl es für beide die gleiche Art von Begründung gab, nämlich gar keine, außer der dezidiert geäußerten Meinung des jeweiligen Autors, es sei eben so und nicht anders. 

 

Es ist unvermeidlich. Eine Disziplin wie die Philosophie, die einzig allein auf dem Denken des einzelnen Philosophen beruht, hat letztlich keine andere Begründung als eben dieses: Cogito, ergo sum. Und so findet sich bei vielen von ihnen (soweit sie es überhaupt thematisieren) die entschiedene Behauptung, ihre persönlichen Urteile würden in keiner Weise von biografischen oder äußeren Faktoren beeinflußt, und kämen allein aus ihrem Inneren, aus einer Innenwelt der Ideen. 

 

A propos „äußere Welt“. Auch das so etwas, was man bei vielen Philosophen findet (und nicht nur bei ihnen), die Vorstellung, eines Gegensatzes zwischen der „Außenwelt“ und der „Innenwelt“ ihrer Ideen und Vorstellungen. Wobei eigentlich deutlich sein dürfte, daß diese „Innenwelt“ ausschließlich aus Vorstellungen und Einstellungen besteht, die jeder Einzelne von uns von anderen Menschen erst erlernen muß, zusammen mit den Worten, mit denen sie beschrieben werden. 

 

Mit anderen Worten: diese scheinbar unüberwindliche Grenze, mit der der Einzelne sich in unserer Gesellschaft vom Anderen, wie von den Anderen grundsätzlich getrennt empfindet, ist kein a priori, sondern eine erworbene Eigentümlichkeit unserer Stufe der Gesellschaftsentwicklung. 

 

Die Philosophie, wenn ich mal vereinfachen darf, beruht in ihrer Funktion der Welterklärung vor allem auf Abstraktion, von der Gesellschaft der Individuen und den zeitlichen Prozessen, die sie miteinander bilden, wird abstrahiert auf den einzelnen Menschen, der scheinbar alters-, zeit und voraussetzungslos einer als statisch angesehenen Welt gegenübertritt. 

 

Was man dagegen beobachten kann, ist eine Welt, die sich entwickelt hat und noch entwickelt, auf ihrer physikalischen, biologischen und auch und vor allem ihrer sozialen Ebene, Diese Entwicklung war und ist absichts- und ziellos, aber strukturiert, denn sonst wäre das Leben, das wir beobachten können, gar nicht möglich. Und weil es strukturiert ist, können wir Modelle erstellen, die wir mit diesen Beobachtungen vergleichen können. 

 

Alles, was jeder Einzelne von uns ist, und an Haltungen, Vorstellungen und Gefühlen mit sich herumträgt, hat sich im Verkehr mit anderen entwickelt. Wir alle sind ganz grundsätzlich auf einander angewiesen, und wir alle wechselwirken in jedem Augenblick mit allem, was uns umgibt, andere Menschen, Belebtes wie Nichtbelebtes, mag es uns jeweils bewußt sein oder nicht.  

 

Die Welterklärungsfunktion der Philosophie, und nur um die geht es, die von dieser vielfältigen Entwicklung der Welt absieht, und um der absoluten Gültigkeit ihrer Sätze willen auf etwas Statisches, Zeitloses, Einzelnes und Inneres reduziert, den eigenen Verstand zum Maßstab aller Dinge macht und damit auf ein Wissen verzichtet, daß zugegebenermaßen die allermeisten Philosophen auch nicht haben konnten, ist mittlerweile von der Zeit überholt. 

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vor 23 Stunden schrieb Marcellinus:

@iskander

Ist dir schon aufgefallen, daß deine Posts zwar immer länger werden, aber nicht unbedingt klarer?

 

Ich schreibe meine Argumente Prämisse für Prämisse auf - ja, wie soll es denn noch klarer gehen??

 

Oder setze ich da schon zu viel voraus? Müsste ich erst einmal erklären, dass jedes Argument logisch gesehen einfach ein Schluss ist, bei dem sich (wenn er korrekt ist) aus wahren Prämissen mithilfe logischer Regeln eine Konklusion ergibt - und dass die Konklusion einfach die These ist, für die das Argument angeführt wird?

 

Schreibt man seine Argumente entsprechend auf, dann ist es für den anderen einfach, sie Schritt für Schritt nachzuvollziehen und zu prüfen - oder wenn er sie nicht nachvollziehen kann, kann er sagen, wo es hakt. Dann kann man nämlich ganz genau sehen, was der andere für sein Argument voraussetzt und was nicht, Punkt für Punkt.

 

Und wenn wir schon dabei sind: Natürlich müssen wir wissen, dass die Prämissen unserer Argumente wahr sind, wenn die Argumente etwas taugen sollen. Oder wir müssen zumindest wissen, dass die Prämissen wahrscheinlich wahr sind. Ohne wahre Prämissen ist das Argument nämlich ungültig. Und wenn wir nicht wissen, ob unsere Prämissen wahr sind und unser Argument also gültig oder ungültig, dann ist das Argument für uns völlig wertlos. Das gilt für jedes Argument - auch für eines, welches die Begrenzung von Wissen beweisen soll.

 

Ich habe zahlreiche Argumente angeführt und diese nachvollziehbar dargelegt. Du bist auf keines - auf kein einziges - jemals eingegangen, soweit ich mich erinnere. Doch, Du bist kurz auf die Duhem-Quine-These eingegangen - aber nur so lange, bis ich kurz erklärt habe, auf welchen Prämissen sie beruht.

 

Ich mache Dir nur ein Beispiel unter vielen: Ich habe schon länger in diesem Thread dargelegt, dass es natürlich unsinnig ist, zu behaupten, dass jeder Beweis in einem unendlichen Regress oder einer willkürlichen Annahme (oder einem logischen Zirkel) endet. Die entsprechenden Überlegungen Alberts beruhen nicht nur auf falschen Annahmen, sondern sie münden in einen Selbstwiderspruch und sind somit absurd. Ich hatte mal mit einem Albert-Jünger eine Diskussion, in deren Verlauf er zugeben musste, dass der Widerspruch besteht. Er wollte dann trotzdem nicht von seiner Position lassen - von mir aus: Viele Menschen leben ja mit Widersprüchen. Aber er hat meine Argumentation wenigstens rezipiert. Du ignorierst sie hingegen vollkommen.

So wie Du alle meine Argumente vollkommen ignorierst. Du könntest sagen, wo Deiner Meinung nach der Denkfehler bei mir liegt, zumal ich sie ja wirklich Schritt für Schritt ausführe - aber nein; Du fängst einfach jedes mal von vorne an, so als hätte ich nichts geschrieben. Du ignorierst es einfach komplett.

 

Du weigerst Dich außerdem trotz mehrfacher Bitte, die Prämissen Deiner Argumente offenzulegen - obwohl dies doch mit geringen Aufwand verbunden wäre. Aber vielleicht verstehst Du nicht, worum ich Dich da genau bitte, und was das soll; das will ich dann nicht tadeln. Vielleicht gehe ich zu sehr von dem aus, was mir geläufig ist.

So ist es aber für mich jedenfalls nicht möglich, Deine Argumente zu rekonstruieren. Nur ein Beispiel:

Du äußerst ja immer wieder die These, dass das "reine Denken" bzw. Einsicht nichts an Erkenntnis bringen könne. Wie begründest Du diese These? Wie rechtfertigst Du sie? Man könnte leicht den Eindruck gewinnen, dass die einzige Rechtfertigung für Deine These eben im vernünftigen Denken, eben in der Einsicht zu finden ist, ohne jeden Rekurs auf eine empirische Prüfung. Etwa so:

 

"Es ist eine Einsicht - und somit eine gültige Erkenntnis -, dass Einsicht nicht von Gefühl und Meinung unterscheidbar ist, und dass Einsicht also keine Erkenntnis ist."

 

Das würde aber bedeuten, dass man Einsicht als gültige Erkenntnismethode akzeptieren müsste und zugleich nicht als gültige Erkenntnismethode akzeptieren dürfte. Zudem widerspräche dieses "Argument" Deiner These, dass Erkenntnis immer an eine empirische Prüfung gebunden ist.

Wenn man Dich also so interpretieren würde, würdest Du zahlreiche "Grundsatz-Aussagen" treffen, die nicht auf empirischer Prüfung, sondern auf Einsicht und vernünftigem Denken beruhen, obwohl Du zugleich abstreitest, dass so etwas überhaupt möglich ist.

 

Verstehst Du den Punkt denn? Verstehst Du, dass es irrational wäre zu behaupten, dass ein bestimmtes Verfahren (wie etwa das "reine Denken") keine Erkenntnis liefern könne, und zugleich seine eigenen Thesen auf eben dieses Verfahren zu stützen?

 

Oder interpretiere ich Dich falsch? Steht hinter Deiner Behauptung, dass "reines Denken" ohne empirische Prüfung nicht zu Erkenntnissen führen könne, als Argument nicht einfach nur das "reine Denken" - sondern tatsächlich eine empirische Prüfung (wie auch immer die aussehen soll - denn eigentlich handelt es sich hier um eine Unmöglichkeit)?

 

Oder willst Du gar nicht sagen, dass Einsicht und reines Denken überhaupt nicht zu validen Erkenntnissen führen können, sondern dass es auf die jeweilige Fragestellung ankommt? Dann drückst Du Dich allerdings eher irreführend aus.

 

Mir fallen also mindestens drei Interpretationsmöglichkeiten für Deine entsprechenden Äußerungen ein:

- Sie stellen einen Selbstwiderspruch dar, bei dem Du die Gültigkeit eines Erkenntnisprinzips bestreitest, das Du zugleich in Anspruch nimmst.

- Deine Thesen sollen alle empirisch geprüft und belegt sein - wie auch immer das gehen soll.

- Sie sind nicht streng wörtlich zu verstehen.

(- Vielleicht gibt es noch weitere Möglichkeiten, an die ich nicht gedacht habe.)

 

Ich kann diese Frage nicht beantworten. Ich kann es trotz aller Rückfragen aus dem Text nicht erkennen, wie ich Deine Äußerungen zu interpretieren habe.

 

Und wenn wir gerade bei "Einsicht" sind, und Du die offenbar nur für "Meinung" und "Gefühl" hältst, möchte ich Dich nochmals darauf hinweisen, dass jede Erkenntnis an der Einsicht hängt. Sie hängt an Annahmen, die nicht mehr empirisch beweisbar sind. Das gilt auch für eine empirische Widerlegung. Siehe hier.

 

Irgendwie habe ich bei Dir den Verdacht, dass Du meinst, dass ein Argument, das (angeblich) die Unmöglichkeit einer Erkenntnis beweist, kein Wissen voraussetzen und kein Wissen herbeiführen würde, und dass daher ganz andere Maßstäbe für ein solches Argument gelten würden als für eines, welches beansprucht, "positives" Wissen zu erzeugen. Aber das ist nur ein Verdacht, und auf eine entsprechende Anmerkung von mir bist Du nicht eingegangen.

 

Oder setze ich hier zu viel voraus? Müssten wir eigentlich erst einmal klären, dass jede These begründet sein will (nicht immer von etwas anderem her), wenn sie mehr sein soll als eine reine Behauptung? Und dass man eine These rationalerweise nicht mithilfe der Methode X gültig beweisen kann, wenn die These besagt, dass die Methode X ungültig ist und man mit ihr überhaupt nichts beweisen kann? Herrscht da Einigkeit? Oder siehst Du das anders? Oder verstehst Du gar nicht, was ich da überhaupt meine?

Wenn Du auf diese Frage konkret antworten könntest, wüssten wir zumindest, wo wir dran sind.

Es sollte doch möglich sein, auf solche konkreten Fragen einzugehen?

 

@Soulman

 

Zitat

"erkennbar wahr" = Transformation von Worte in Wahrheit = Metaphysik.

 

 "reproduzierbar" = Transformation von anekdotischer Evidenz in verfügbares Wissen = Wissenschaft.

 

 

Bei Deinen Beiträgen fällt mir immer wieder auf, dass Du eine sehr ungewöhnliche, sehr eigenwillige Begrifflichkeit verwendet, die völlig unüblich ist. Beispielsweise scheinst Du die Begriffe "erkennbar wahr" und "Wissen" so zu gebrauchen, dass da jeweils etwas ganz anderes gemeint sei. Auch Deine Definition von "Metaphysik" ist sehr "eigenwillig", wie schon ein Blick in die Wikipedia zeigen würde.

Nun kann jeder mit Sprache umgehen, wie er will. Ich kann auch meinen Tisch "Elefant" nennen - das verbietet mir keiner. Und ich kann und will Dir natürlich auch nichts verbieten. Eine Diskussion ist aber gewöhnlich einfacher, wenn man die üblichen Begriffe auch in ihrer üblichen Bedeutung benutzt.

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vor 12 Stunden schrieb iskander:

Natürlich müssen wir wissen, dass die Prämissen unserer Argumente wahr sind, wenn die Argumente etwas taugen sollen. Oder wir müssen zumindest wissen, dass die Prämissen wahrscheinlich wahr sind. Ohne wahre Prämissen ist das Argument nämlich ungültig. Und wenn wir nicht wissen, ob unsere Prämissen wahr sind und unser Argument also gültig oder ungültig, dann ist das Argument für uns völlig wertlos. Das gilt für jedes Argument - auch für eines, welches die Begrenzung von Wissen beweisen soll.

 

Siehst du, da hast du das Problem der (zumindest deiner Art von) Philosophie, in dem Versuch, allgemeingültige Sätze aus „wahren Prämissen“ abzuleiten (und nicht etwa „wahrscheinlich wahren“, das ist Wischt-Waschi). Entweder eine Prämisse ist wahr, oder eben nicht. Tertium non datur. 

 

Nur gibt es leider außerhalb von Mathematik oder Logik keine „wahren Prämissen“. Da nennt man sie Axiome, und man hat sich auf sie geeinigt. In dieser Welt gibt es aber nichts „absolut Wahres“, vom Umgangssprachlich „wahren“ abgesehen, aus denen man etwas in irgendeiner Weise interessantes ableiten könnte. 

 

Alles ist geworden, hat sich entwickelt, und dein Versuch, sich auf irgend einen „wahren Anfang“ zurückzuziehen, ist ein Aberglaube, ein Glaube wider besseres Wissen, und jede deiner Prämissen ist es auch. 

 

Die Methode der Philosophie, die du bevorzugst, ist, ähnlich der Theologie, eine selbstbezügliche Übung darin, das Thema zu verfehlen, und weil sie in dieser Welt keine objektive Bedeutung mehr hat, versuchst du, andere in deine philosophische Scheinwelt hineinzuziehen, in der du meinst die Regeln bestimmen zu können, und beklagst dich ständig, wenn niemand dein Spiel mitspielt. 

 

Aber dieses Spiel ist von gestern, und nur noch für die interessant, die es spielen mögen. Für alle anderen, und damit auch für mich, ist es höchstens noch von historischer Bedeutung. Zur Erklärung der Wirklichkeit trägt es nichts mehr bei. 

 

Du könntest dir selbst einen Gefallen tun: dir klar werden, daß die Art von Philosophie, die du betreibst, nicht eine Form der Erkenntnis, des Wissenserwerbs ist, sondern ein in sich geschlossenes Glaubenssystem, das sich von der Theologie höchstens noch durch die Abwesenheit von Gottesvorstellungen unterscheidet (wenn überhaupt). Mit dem Wissenserwerbs der Naturwissenschaften, deren Methode von Versuch und Irrtum, von Modellbildung und empirischer Überprüfung, hat das nichts zu tun. 
 

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vor 16 Stunden schrieb iskander:

Nun kann jeder mit Sprache umgehen, wie er will. Ich kann auch meinen Tisch "Elefant" nennen - das verbietet mir keiner. Und ich kann und will Dir natürlich auch nichts verbieten. Eine Diskussion ist aber gewöhnlich einfacher, wenn man die üblichen Begriffe auch in ihrer üblichen Bedeutung benutzt.

Hi iskander,

 

stimmt!

 

Gruss, Martin

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@Soulman

 

Gut, dann halte Dich bitte dran. Denn dass meine Terminologie nicht ungewöhnlich ist, sondern Deine, kannst Du wirklich ganz leicht verifizieren. Es wirkt halt sehr dilettantisch.

Zudem wäre es vielleicht auch hilfreich, wenn Du nicht immer nur Deine Meinung sagen würdest, sondern sie auch mal argumentativ begründen würdest. Und bevor jetzt eine weitere "Retourkutsche" kommt: Du musst meine Argumente nicht akzeptieren, aber um abzustreiten, dass ich mich wenigstens bemühe, meine Position zu begründen, während Du das so gut wie gar nicht tust, müsste man böswillig sein.

bearbeitet von iskander
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vor einer Stunde schrieb iskander:

Gut, dann halte Dich bitte dran.

Hi, 

 

also willst du doch, dass ich mich an deine Wortschachregeln halte? Ich hatte dich anders verstanden. 
 

Zitat

Nun kann jeder mit Sprache umgehen, wie er will. 

 

Gruss, Martin

bearbeitet von Soulman
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@Marcellinus

 

Zitat

In dieser Welt gibt es aber nichts „absolut Wahres“, vom Umgangssprachlich „wahren“ abgesehen, aus denen man etwas in irgendeiner Weise interessantes ableiten könnte. 

 

Was ist denn hier der Unterschied zwischen "Umgangssprache" und philosophischer Terminologie? Ich jedenfalls gebrauche das Adjektiv "wahr" in der gleichen Weise wie die Umgangssprache.

 

Mir ging es hier aber gar nicht um die Frage, welche Wahrheiten die Philosophie zutage fördern mag oder auch nicht, sondern um eine logische Erläuterung, die nützlich sein kann - nämlich wie man Argumente analysieren kann. Vergiss einmal die Philosophie für einen Moment und denke an den Alltag. Ein Argument kann wie gesagt als logischer Schluss verstanden werden, der aus Prämissen und Konklusion besteht. Sind die Prämissen wahr und ist das logische Schema gültig, dann ist auch die Konklusion wahr ("logisch zwingend").

 

Beispiel:

 

Prämisse 1: Erna ist eine Kuh.

Prämisse 2: Alle Kühe sind Säugetiere.

Konklusion: Erna ist ein Säugetier.

 

Falls ich Prämisse 1 und 2 akzeptiere, muss ich (sofern ich mit der Logik nicht auf Kriegsfuß stehe) auch die Konklusion akzeptieren.

Es gibt aber auch Fehlschlüsse, etwa diesen:

 

Prämisse 1: Erna ist eine Kuh.

Prämisse 2: Manche Kühe haben ein geschecktes Fell.

Konklision: Erna hat ein geschecktes Fell.

 

Ich kann in diesem Fall durchaus die Prämissen zugeben und trotzdem abstreiten, dass die Konklusion stimmt, ohne mir den Vorwurf gefallen lassen zu müssen, ein Irrationalist zu sein. 

 

Der Nutzen, den man hat, wenn man seine Argumente im Sinne eines logischen Schlusses aufschreibt, besteht darin, dass nun genau verstanden werden kann, wie das Argument funktioniert, und was man voraussetzen muss, damit es gültig ist. Sozusagen Schritt für Schritt. Das ist sonst manchmal nicht so klar.

 

Und wenn jemand ein Argument in einer solchen logischen Form präsentiert, gibt es drei sinnvolle Reaktionen:

 

- Man akzeptiert alle Prämissen des Arguments, die logisch korrekte Struktur des Arguments, und damit auch die Konklusion.

- Man findet einen Logik-Fehler (es sollte aber eigentlich selten passieren, dass jemandem so ein Fehler unterläuft) und kann dann die Konklusion ablehnen.

- Oder man lehnt mindestens eine der Prämissen ab und kann dann auch die Konklusion ablehnen.

 

Und weil es selten der Fall ist, dass man alle Prämissen ablehnt, sollte man dann auch erklären, welche Prämisse(n) man ablehnt. Und wenn die Prämissen des anderen einen einigermaßen vernünftigen Eindruck machen, oder wenn er sie begründet hat, sollte man auch sagen können, warum man sie ablehnt. Auf diese Weise kann sozusagen "punktgenau" diskutiert werden. Man kann sehen, was umstritten ist und was nicht.

 

Ich führe das zum einen deshalb aus, weil ich oft nicht verstehe, wie Deine Argumente funktionieren. Die detaillierten Rückfragen von mir ignorierst Du leider regelmäßig.

Zum anderen gehst Du eigentlich nie auf meine Argumente ein. Man merkt zwar, dass Du meine Argumente ablehnst, aber Du sagst eigentlich nie, wo der kritische Punkt ist.

 

Wenn wir uns darauf einigen könnten, dass wir die zentralen Prämissen unserer Argumente bekanntgeben, und dass wir dem anderen, sofern wir seine Argumente ablehnen, erklären, welche Prämisse(n) wir nicht akzeptieren, kämen wir vielleicht weiter. Selbst wenn wir keine Einigung erzielen, könnten wir wenigstens erkennen, was der andere genau meint und warum.

 

Zitat

Nur gibt es leider außerhalb von Mathematik oder Logik keine „wahren Prämissen“.

 

Marcellinus, tu mir bitte einen großen Gefallen. Bitte. Bitte wirklich. Beantworte folgende Frage: Ist der gerade zitierte Satz denn eine wahre Aussage? Wenn ja, wie kann man ihn dann ohne Selbstwiderspruch vertreten? Und wenn er nicht wahr ist: Was sollen wir dann mit ihm anfangen? Welche Relevanz hat er denn dann?

 

Nochmals, kannst Du diese Fragen beantworten?

 

Denn hier kommen wir an den springenden Punkt. Du scheinst völlig zu übersehen, dass die Wahrheits- und Erkenntnisansprüche, die von Skeptikern erhoben werden, eben auch Wahrheits- und Erkenntnisansprüche sind. Der Skeptiker, der behauptet, man könne keine Wahrheit erkennen, behauptet ja, dass genau die Wahrheit sei: Dass es keine erkennbare Wahrheit gebe. (Nur dass das halt widersprüchlich ist.)

Er glaubt also, dass er selbst, der Skeptiker, durchaus die Wahrheit begriffen habe und sie nun der Welt verkünde; und wenn er das nicht glaubt - nun, dann wäre er lieber Dichter oder Märchenerzähler geworden. Ein Dichter oder Märchenerzähler sagt auch viel, ohne irgendeinen Anspruch auf Wahrheit oder Erkenntnis zu erheben. Oder er hätte jemand bleiben sollen, der philosophische Fragen aufwirft, ohne aber den Eindruck zu erwecken, er habe Antworten. (Und die Skepsis ist eine Antwort auf eine sehr relevante philosophische Frage; denn hier wird eben etwas behauptet.)

 

Und falls Du jetzt sagst: Nun, gewisse banale Wahrheiten des Alltags können wir schon erkennen - aber keine interessanten, keine relevanten, keine bedeutungsvollen Wahrheiten: Ja verdammt - ist es denn nicht interessant, ist es denn nicht relevant, ist es denn nicht bedeutungsvoll, ob wir nun "große Wahrheiten" erkennen können oder eben nicht? Ist das denn Wurst? Macht das denn keinen Unterschied? Wäre die Erkenntnis, dass wir nie irgendwelche "bedeutungsvolle Wahrheiten" erkennen können, denn nicht bedeutungsvoll, nicht interessant und nicht relevant - wenn vielleicht auch in einem unerfreulichen Sinne?

 

Abgesehen davon bleibt auch unklar, wie Du sachlich begründen möchtest, dass "banale" Erkenntnisse möglich sind, aber keine philosophischen. Du schreibst:

 

Zitat

Ihm [Popper] ging es, wie vielen Philosophen, um die absolute Geltung von Sätzen. Und diese Geltung bekommt man nicht durch wissenschaftliche Beobachtungen, sondern nur durch das, was Popper die "Logik der Forschung" nennt, durch die fehlerfreie Rückführung auf andere absolut geltende Sätze. Nur leider, und das sah auch Popper, führt das in einen unendlichen Regress oder zu einem Satz, den man nur noch glauben kann. 

 

Was hat das mit "absolut geltenden" Sätzen (was immer das auch genau sein mag) zu tun? Albert, der hier ja prominent zu nennen wäre, bezieht seine Behauptung, dass jedes Begründen letztlich auf einer völlig willkürlichen Annahme, einem Zirkelschluss oder einem unendlichen Regress beruht, keineswegs nur auf die Begründung philosophischer oder bedeutungsvoller oder höchst sicherer Sätze; er bezieht seine Behauptung vielmehr auf die Begründung aller Sätze. Wieso sollte seine Behauptung denn auch nur "absolut geltende Sätze" (was immer das sein mag) treffen? Wenn jede Begründung ungültig ist, dann ist die Begründung aller Sätze ungültig.

 

Damit kann es dann allerdings gar kein Wissen geben - denn Zirkelschlüsse und co. erzeugen nicht etwa Wissen, das halt ein wenig banal oder ein wenig mit Unsicherheit behaftet wäre, sondern sie erzeugen überhaupt kein Wissen. Auch kein wahrscheinliches, auch kein vorläufiges, auch kein "fallibles" - einfach gar nichts. Wir wüssten dann nicht einmal (auch nicht im Sinne von "wahrscheinlichem" Wissen), dass die Erde eine Kugel ist - und in der Tat nicht einmal, dass es sie gibt. Und "falsifizieren" kann man dann natürlich auch nichts - denn wenn ich die Behauptung falsifizieren will, dass die Erde eine Scheibe ist, muss ich zumindest wissen, dass sie gekrümmt ist (wenn ich vielleicht auch nicht wissen muss, dass sie eine Kugel ist). Und spätestens hier sollte jedem vernünftigen Menschen der Verdacht kommen, dass etwas mit Alberts Argumentation grundlegend nicht stimmen kann.

 

Wenn Du also meinst, dass man "alltägliches" Wissen haben könne, oder wahrscheinliches Wissen, aber kein sicheres oder jedenfalls kein "bedeutungsvolles" Wissen, so kannst Du Dich sicher nicht auf Alberts Argumentation berufen, und sicher auch nicht auch nicht auf die Poppers. Du kannst natürlich selbst ein Argument kreieren, das Deinen Zwecken entspricht. Ich wäre gespannt - vor allem, wenn Du dann wirklich die Prämissen, von denen Du ausgehst, klarmachen könntest. Denn zumindest ich sehe nicht, wie so etwas zirkelfrei und ohne Selbstwiderspruch gehen könnte.

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vor 43 Minuten schrieb iskander:

Was ist denn hier der Unterschied zwischen "Umgangssprache" und philosophischer Terminologie? Ich jedenfalls gebrauche das Adjektiv "wahr" in der gleichen Weise wie die Umgangssprache.

 

Das merkt man! Was du hier spielst, ist Kindergarten. Sorry, wenn sich das unfreundlich anhört. Glaubst du wirklich, Wissen entstehe aus einer Abfolge von Sätzen? Ich habe versucht, dir klarzumachen, daß du dich innerhalb eines geschlossenen, gedanklichen Systems bewegst. Es gelingt mir offenbar nicht (oder du verarscht uns alle).

 

Du spielst ein Spiel mit Worten ("Wortschachspiel", wie @Soulman das treffend genannt hat), ein Spiel, das vielleicht innerhalb der Philosophie eine Rolle spielen mag, aber auch da bin ich mir nicht sicher. Außerhalb aber, und erst recht in den Naturwissenschaften ist dein Spiel bedeutungslos, und deshalb spiele ich es nicht mit. 

 

Dieser Thread heißt "Popper und die Wissenssoziologie". Deine Sprachlogeleien sind schon lange Offtopic. Du kannst gern einen eigenen Thread aufmachen, in dem du deine Vorstellung von Philosophie darstellst, und welche Bedeutung sie für dich hat. Da wir beide doch nur aneinander vorbeireden, ist für mich hier erst einmal Schluß.

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@Soulman

 

Zuerst einmal:

Nein, es ist kein Widerspruch, jemanden zu bitten oder an jemanden zu appellieren, dies und jenes zu tun, und gleichzeitig festzustellen, dass es seine freie Entscheidung ist, ob er dem Appell Folge leistet. Zumal ich ja auch in meinem ersten Beitrag schon darum "geworben" habe, dass Du es vielleicht doch etwas anders halten mögest als bisher.

 

Nun gut, dann halt im Klartext.

Deine Texte zeichnen sich durch begriffliche Konfusion aus und sind auch inhaltlich entsprechend geartet. Man sieht an der Begriffsbildung wie am Inhalt, dass da jemand, der sich niemals in die entsprechenden Fragen eingearbeitet hat, aufschreibt, was er halt gerade so denkt. Dass Du Dich nicht einmal auch nur bemühst, wenigstens ein einziges Argument anzuführen, sondern immer nur Deine "qualifizierte" Meinung von neuem zum besten gibst, und das mit einem besserwisserischen Habitus, der sich gewaschen hat, macht die Sache nicht angenehmer. Allerdings ist das nicht ungewöhnlich für Leute, die sich niemals mit einem Problem oder einer Fragestellung befasst haben und dennoch - oder gerade deshalb - glauben, dass das, was sie sich gerade mal so zusammendenken, der Weisheit letzter Schluss sein müsse.

 

Ich wollte Dich mit besonderer Höflichkeit und Zurückhaltung darauf aufmerksam machen, dass es vielleicht auch etwas anders ginge. Zwar hätte ich auch schreiben können, dass sich Deine Beiträge eigentlich schon durch Deine abwegige, dilettantisch anmutende Begriffsbildung "nicht gerade qualifizieren", um es freundlich zu sagen. Aber ich habe Dir den gesichtswahrenden Ausweg lassen wollen, dass Du die Sprache nur etwas eigenwillig verwendest.

 

Offenbar kommt das aber nicht richtig an und führt nur zu pampigen Verhalten - bis hin zu der nun wirklich lächerlichen (indirekten) "Retourkutsche", dass meine Terminologie das Problem sei. Deshalb dann meine etwas direktere Bitte an Dich, es doch etwas anders zu halten.

Aber auch das nutzt offenbar nichts.

Gut, dann halt der Klartext jetzt. Ob der mehr fruchtet, weiß ich auch nicht, aber mehr kann ich dann auch nicht tun.

 

(Und ich erledige gleich auch die "Retourkutsche" für Dich: Ich bin es natürlich, der sich noch nie mit der entsprechenden Materie auseinandergesetzt hat, und meine Begrifflichkeit verrät genau dies, und ich bin es, der sich in dieser Diskussion noch einmal bemüht, ein Argument anzuführen - ja klar.)

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vor 52 Minuten schrieb iskander:

Und ich erledige gleich auch die "Retourkutsche" für Dich: Ich bin es natürlich, der sich noch nie mit der entsprechenden Materie auseinandergesetzt hat, und meine Begrifflichkeit verrät genau dies, und ich bin es, der sich in dieser Diskussion noch einmal bemüht, ein Argument anzuführen - ja klar.

 

Hast du schon mal den Gedanken riskiert, daß du hier einen "Sache" eingeführt hat, wir wollen sie mal provisorisch "Philosophie" nennen, deren Bedeutung du erheblich höher einschätzt als andere? Trotzdem scheinst du der Ansicht zu sein, du wärest derjenige, der die Regeln der Diskussion bestimmen kann. Mit dieser Ansicht stehst du ziemlich allein. Angesichts dieser Tatsache halte ich deine Strategie, andere, die deine Meinung nicht teilen, abzuqualifizieren, für wenig zielführend. ;)

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@Marcellinus

 

Zitat

Glaubst du wirklich, Wissen entstehe aus einer Abfolge von Sätzen?

 

Wo habe ich das denn so geschrieben?

 

Zuerst einmal: Wissen besteht in gewisser Weise in unserem Denken; unsere Gedanken bzw. unsere Überzeugungen stellen Wissen dar, sofern sie wahr sind (und weitere Kriterien erfüllen).

Gedanken bzw. Überzeugungen kann man nun sprachlich ausdrücken, und dann lassen sie sich besser untersuchen und diskutieren - obwohl man natürlich nicht alle Gedanken bzw. Überzeugungen auch in Satzform ausdrücken muss.

 

Und Wissen entsteht natürlich oft durch "geordnete Ketten" von Gedanken bzw. Überzeugungen, bei denen wir davon ausgehen, dass die einzelnen Gedanken bzw. Überzeugungen zutreffend sind. Diese "Ketten" sind logisch gesehen "Schluss-Ketten" - und man kann sie wieder in sprachlicher Form darstellen.

 

Aber jede "Überzeugungskette" hat natürlich immer einen oder mehrere Anfangs- oder Ausgangspunkte - das gilt für unser Alltagswissen genauso wie für die Philosophie (oder was Du möchtest). Und entsprechend hat auch jede logische Schlusskette, die man sprachlich darstellt, einen Anfang. Sie kann nicht unendlich sein

 

Ich will nicht ausschließen, dass ich mich vielleicht irgendwo "missverständlich" ausgedrückt haben könnte - aber das wäre dann eben wirklich ein Missverständnis. Denn es ist nicht unüblich, statt über "Überzeugungen" mitunter über diejenigen (Aussage-)Sätze zu sprechen, durch welche die entsprechenden Überzeugungen ausgedrückt werden- gewissermaßen "stellvertretend". Falls da tatsächlich eine Stelle meiner Ausführungen missverständlich gewesen sein sollte, kannst Du sie mir vielleicht nennen.

 

(Mit "Satz" meine eigentlich ohnehin der sog. "propositionale Gehalt" von Urteilen, was man vereinfachend vielleicht als "gedanklichem Inhalt" übersetzen könnte. Und der ist nicht an eine bestimmte sprachliche Form gebunden, lässt sich aber in unterschiedlichen Sprachen repräsentieren - aber ich dachte, dass man die Sache nicht unnötig kompliziert machen muss.)

 

Und ansonsten: Unterstelle mir nicht immer gleich das schlimmste. Nicht alles ist böse Absicht, und manches lässt sich auch durch Nachfrage klären. 🙂

 

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vor 35 Minuten schrieb Marcellinus:

 

Hast du schon mal den Gedanken riskiert, daß du hier einen "Sache" eingeführt hat, wir wollen sie mal provisorisch "Philosophie" nennen, deren Bedeutung du erheblich höher einschätzt als andere?

 

Mag sein, spielt aber keine Rolle. Ich muss die Insktenkunde nicht unbedingt hoch einschätzen (das ist nur ein Beispiel, ich habe nichts gegen sie) - und trotzdem werde ich mich nach Möglichkeit nicht unbedingt ständig unqualifiziert über sie äußern. Vor allem aber werde ich nicht ein Verhalten der Art an den Tag legen, wie ich es gleich beschreibe.

 

Zitat

Trotzdem scheinst du der Ansicht zu sein, du wärest derjenige, der die Regeln der Diskussion bestimmen kann.

 

Nö, bin ich nicht. Ich darf es aber kritisch sehen und auch kritisch kommentieren, wenn jemand, der über eine Sache wirklich nichts weiß und sich diesbezüglich offenbar auch nie um Wissen bemüht hat, ständig gewaltig auf die Kacke haut; wenn er alles mögliche, was er nun wirklich gar nicht versteht, unbesehen in Bausch und Bogen verdammt; wenn er dafür aber seine eigenen, nun ja, "speziellen" Überzeugungen offenbar für die große Weisheit hält, die es nicht einmal argumentativ zu begründen, sondern nur noch zu verkünden gilt; wenn er anderen Leuten, die vielleicht doch ein wenig mehr wissen, ständig sagt, wo's lang geht; und wenn er zu allem auf vorsichtige Hinweise nur mit Pampigkeit reagiert (übrigens zum zweiten mal).

 

Zitat

Mit dieser Ansicht stehst du ziemlich allein.

 

Ich hege diese Ansicht wie gesagt nicht - außer Du behauptest, dass jeder, der das Diskussionsverhalten einer anderen Person kritisiert, sich anmaßen würde, "die Regeln der Diskussion [zu] bestimmen". Dann allerdings träfe das auch Dich, denn Du kritisierst ja nun mich.
 

Zitat

Angesichts dieser Tatsache halte ich deine Strategie, andere, die deine Meinung nicht teilen, abzuqualifizieren, für wenig zielführend. ;)

 

 

Das tue ich ja auch nicht. Ich qualifiziere niemanden ab, nur weil er eine andere Meinung hat. Und auch nicht, weil er vielleicht auf einem bestimmten Gebiet weniger Wissen hat als ich - es gibt genug Gebiete, auf denen andere mehr Wissen haben als ich. Und auch nicht allein, weil sich jemand vielleicht überschätzt - das ist menschlich. Damit ich jemanden - nein, nicht "abqualifiziere", sondern deutlich kritisiere, müssen andere Bedingungen vorliegen, wie etwa gerade beschrieben.

 

(Ach ja, wenn wir schon am Kritisieren sind - dass Du den konstruierten "Widerspruch" der daraus bestehen soll, dass ich jemandem "einerseits" nahelege, sein Verhalten zu überdenken, ihm aber "andererseits" sage, dass es letztlich an ihm liegt, ob er meiner Empfehlung folgt, quasi beklatschst, finde ich jetzt auch nicht eine so starke Leistung - aber damit qualifiziere ich Dich nicht ab und spreche Dir auch nicht das Recht ab, das so zu halten, wenn Du möchtest.)

bearbeitet von iskander
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@Marcellinus

 

Ein Knackpunkt besteht vielleicht darin, dass Du meinst, dass die Philosophie sich auf irgendwelche vermeintlichen "Einsichten" berufen müsse, während die die Alltagserfahrung und die empirischen Wissenschaften das nicht müssten; sie seien in der komfortablen Lage, vermeintliche Einsichten an der "harten Realität" prüfen zu können.

 

Wenn Du allerdings Deine eigene Erkenntnis ernst nimmst, dass Beobachtung immer "theorieabhängig" ist, dann sollte Dir klar werden, dass das nicht stimmt; denn auch die ganz normale alltägliche Beobachtung - um von der wissenschaftlichen Beobachtung erst gar nicht zu reden - setzt immer eine Reihe von "Annahmen" voraus. Und diese Annahmen können zum Teil selbst eben nicht mehr empirisch geprüft werden können - schon weil jede empirische Prüfung diese Annahmen machen muss, um überhaupt ans Werk gehen zu können.

 

Es beginnt schon damit, dass das, was wir beispielsweise "sehen", wenn wir konsequent alle Theorie weglassen, bestenfalls noch ein dreidimensionales Farbmuster ist, von dem Teile eine gewisse zeitliche Kontinuität besitzen. Man könnten nach der Elimination aller Theorie dann noch sagen: "Links rot, rechts dunkel, in der Mitte weiß" - und genau genommen selbst das nicht mehr, denn auch hier kommen schon begriffliche Einordnungen und Unterscheidungen ins Spiel, die wir nicht unmittelbar sinnlich wahrnehmen.

Dass die "Farbmuster", die wir "sehen", durch bestimmte "Gegenstände" verursacht werden, die außerhalb des Bewusstseins befindlich sind, und die diese und jene Eigenschaften haben, ist gewissermaßen eine "theoretische Annahme". Wir können sie niemals mit den Sinnen prüfen. Wir können sie nicht empirisch bestätigen oder falsifizieren. Sie ist uns so selbstverständlich und intuitiv so vertraut, dass wir sie normalerweise überhaupt nicht bewusst bedenken. Aber es ist eine "Annahme", die wir (implizit) machen, und die wir auch machen müssen, wenn wir begründet etwas über die "Welt da draußen" sagen wollen, über ihre Beschaffenheit, über ihre Gegenstände. 

 

Für ein nicht ganz so grundlegendes Level gilt das Entsprechende: Wir sehen einen Stein. Aber woher wissen wir, dass es ein Stein ist? Nun ja, es sieht aus wie ein Stein. Wir können den Stein auch physikalisch und chemisch untersuchen. Aber woher wissen wir, dass unsere Untersuchung verlässlich ist? Und dass der Stein sich seit der letzten Untersuchung nicht in etwas verwandelt hat, was nur noch so aussieht?

 

Nun, wir werden antworten, dass wir solche Vorgänge noch nie beobachtet haben. Nach allem, was wir wissen (oder zu wissen glauben), waren unsere Untersuchungen bisher immer verlässlich, wenn sie entsprechend sauber durchgeführt wurden. Und wir haben es auch noch nie festgestellt, dass ein Stein sich spontan in etwas anderes verwandelt hätte. 

 

Aber hier könnte unser Zweifler nun einwenden: Ja, das mag ja alles so stimmen. Aber dass es sich bisher immer so verhalten hat, dass unsere Messungen verlässlich waren (oder schienen sie das nur zu sein?), und dass wir bisher nie beobachtet haben, dass ein Stein sich in etwas anderes verwandelt, heißt nicht, dass das immer so bleiben muss. Nur weil etwas sich in der Vergangenheit so und so verhalten hat (oder wir das dachten), muss es sich nicht auch in der Gegenwart und Zukunft ebenso verhalten (Induktions-Problem). Es könne also durchaus sein, dass das, was wir für einen Stein halten, keiner sei, trotz vorhergehender Untersuchung.

 

Was würden wir antworten? Wohl dass das nicht völlig auszuschließen sei; dass wir keinen endgültigen und definitiven Beweis haben, dass es sich nicht so verhalten könne, wie der Zweifler es erwägt. Wir würden aber sagen, dass das von ihm beschriebene Szenario extrem unplausibel sei. Und dass es umgekehrt extrem plausibel sei, dass ein Ereignis, das noch nie beobachtet wurde, entweder gar nicht oder nur äußerst selten auftrete. Vielleicht werden wir diese Position weiter zu begründen versuchen. Aber jede dieser Begründungen wird letztlich an die Einsicht des Zuhörers appellieren. Wir können dem Zweifler nicht einfach "empirisch beweisen", dass er Unrecht hat. Sieht er aus irgendeinem Grund nicht ein, dass unsere Position vernünftig ist und seine nicht, dann mag er gute Augen, gute Ohren, eine gute Nase und einen guten Geschmacks- und Tastsinn haben: Wir können ihn nicht überzeugen. (So wie wir auch ein Tier, das mit noch so guten Sinnen ausgerüstet ist, von vielen Dingen nicht überzeugen können, weil es ihm an Einsicht fehlt.)

 

Und das Gesagte ist selbstverständlich nicht nur für "empirische Bestätigung" relevant, sondern auch für Falsifikation. Wenn wir uns beispielsweise nicht sicher sein können, ob das Objekt, dass wir vor uns haben, ein Stein ist, dann können wir mit seiner Hilfe auch keine Thesen über Steine falsifizieren.

 

Man könnte zu dem Thema noch viel sagen, aber belassen wir es hierbei.

 

Was folgt aus alledem? Jede auf Empirie gestützte Erkenntnis, mag sie auch noch so alltäglich und banal sein, ist auf "theoretische Annahmen" angewiesen. Und diese "theoretischen Annahmen" sind zum Teil nicht empirisch prüfbar - sondern jede empirische Prüfung muss sie voraussetzen. Manche dieser theoretischen Annahmen sind daher also auch nicht "durch die Empirie korrigierbar".

Und wenn wir jetzt davon ausgehen, dass nicht all unser "Alltags-Wissen" über die Welt nur eine Fiktion ist, dann müssen wir auch annehmen, dass wenigstens einige unserer theoretischen Voraussetzungen "zutreffen", vulgo "wahr sind". Oder dass sie jedenfalls sehr wahrscheinlich wahr sind. Und der einzige Grund, den wir bei ganz basalen Annahmen haben, lautet, dass diese Annahmen "vernünftig" oder "einsichtig" sind - oder jedenfalls auf entsprechend einsichtige Annahmen zurückführbar sind. (Und in solchen Fällen haben wir meistens nicht mal eine ganz sichere Einsicht, sondern höchstens ein hohes Maß an Plausibilität.)

 

Der springende Punkt ist hier, dass "Empirie" und "Einsicht" sich in manchen Fällen nicht gegenseitig "stützen", sondern unabhängig voneinander sind. Beide müssen verlässlich sein, damit wir zu einer gültigen Erkenntnis gelangen. Wir haben hier also sozusagen eine "doppelte Abhängigkeit" der Erkenntnis vor uns. Versagt unsere Einsicht in so einem Fall, dann nützt auch die sinnliche Wahrnehmung nichts. Und dasselbe wie für die sinnliche Wahrnehmung gilt natürlich erst recht für empirischen Messmethoden, denn auch die sind ja letztlich auch auf die Beobachtung angewiesen.

 

Natürlich sind die "Einsichten", auf die die Philosophie sich beruft, anderer Art als die hier diskutierten. Aber man müsste eben konkret schauen, was das impliziert - ob das bedeuten muss, dass philosophische Überlegungen keine Erkenntnis herbeiführen können. Das könnte man etwa an konkreten Beispielen diskutieren. Und ein Beispiel wären eben die Überlegungen zur Theorieabhängigkeit von Erfahrung, wie ich sie gerade ausgebreitet habe, und wie Comte sie im Prinzip ähnlich festgehalten hat, und wie Du sie ja im offenbar auch akzeptierst, jedenfalls im Grundsatz.

Denn wenn solche Überlegungen sich (auch) auf die Empirie  beziehen und sicher ein Minimum an empirischer Vorerfahrung bei demjenigen voraussetzen, der sie anstellt, bestehen sie letztlich ja doch aus "reinem Denken". Wir "prüfen" diese Überlegungen nicht "experimentell", und wir wüssten auch nicht, wie das sinnvollerweise gehen sollte. Es ist ein (philosophisches) Nachdenken über das Verhältnis von Theorie und Beobachtung.

 

bearbeitet von iskander
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