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Popper und die Wissenssoziologie


Marcellinus

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@Marcellinus

 

Es tut mir leid, aber Du gehst halt fast gar nicht auf meine Beiträge ein. Offenbar verstehst Du sie auch teilweise nicht. Warum das so ist, ist für Dich auch keine Frage: Was ich schreibe, muss Unsinn sein. Eine alternative Deutung kommt gar nicht erst in Betracht.

 

Wir könnten vielleicht weiterkommen, wenn Du doch mehr inhaltlich und konkret auf meine Beiträge eingehen würdest, Ich versuche es daher mit konkreten Fragen:

 

1) Deine ganzen Auffassungen zu den prinzipiellen Möglichkeiten und Grenzen der Erkenntnis, zum Verhältnis von Denken und Empirie, zum Status der Philosophie, zu ihrem Verhältnis zu den Naturwissenschaften; Deine Auffassungen zur Natur der Logik, zur (mangelnden) Beweisbarkeit des Platonismus usw: Wenn Deine Auffassungen zu solchen Fragen Deiner Meinung nach nicht philosophisch sind, was sind sie dann? Aussagen, die sich rein "fachwissenschaftlich" (etwa rein natur- oder sozialwissenschaftlich) belegen lassen?

 

2) Anerkennst Du, dass eine strikt empiristische Überzeugung (nach welcher es nur im Zusammenhang mit empirischer Prüfung "Wissen" geben kann), irrational ist? Wenn nein, was ist dann Deiner Meinung am von mir dargelegten Beweis falsch?

 

3) Anerkennst Du, dass es in der Wirklichkeit notwendige und kontingente ("zufällige") Zusammenhänge gibt, wobei die einen sinnvollerweise empirisch erforscht werden können und die anderen nicht? Wenn Du es verneinst, was ist dann Deiner Meinung nach am von mir dargelegten Beweis falsch?

 

Falls Du 2) und 3) zugibst, aber für trivial hältst, würde ich zweierlei erwidern: Es handelt sich hier um fundamentale Aussagen dazu, wie die Wirklichkeit "überhaupt" beschaffen ist und wie unserer Erkenntnisvermögen sich ihr annähern kann; und während einzelne Beispiele trivial sind, sind diese Erkenntnisse, sobald sie im Sinne von Allgemein-Aussagen formuliert werden, schon weniger trivial. Würde man sie ohne Beispiele der nächstbesten Person vorliegen, so würde diese wohl erst mal ins Nachdenken kommen.

Allerdings ist es natürlich immer subjektiv, was man interessant findet; und es ist auch evident, dass man hier in einem Thread keine weitreichenden philosophischen Analysen abliefern kann. Was dann allerdings per se auch noch nicht gegen die Philosophie spricht.

 

Zitat

Der von mir hervorgehobene Teil ist schlicht Unsinn [...]

 

Ja, wie könnte es auch anders sein! Du kannst mit dem Gesagten nichts anfangen, also muss es ja wohl Unsinn sein.

 

Zitat

[...] denn dein Beispiel ist eben kein Beispiel von "reinem Denken", sondern eine etwas verschwurbelte Beschreibung von Kausalität [...]

 

Beschreibung von Kausalität? Nein, keineswegs; und wenn ich Du wäre, würde ich nun meinerseits den Begriff "Unsinn" gebrauchen. Für einen Bankraub ist durch Ernst Müller ist es u.a. natürlich eine notwendige Bedingung, dass Ernst Müller gezeugt wurde und dass die überfallene Bank gebaut wurde. - aber man kann wohl schwerlich sagen, dass Ernst Müllers Eltern oder der Bauunternehmer, der die Bank errichtet hat, den Banküberfall verursacht hätten.

 

Zitat

Je nachdem, um welchen Teil der Wirklichkeit es sich handelt, braucht man dafür theoretisch-empirische Modelle zB aus dem Bereich der Physik oder der Biologie. 

 

Wenn man Aussagen zu konkreten kausalen Verhältnissen oder Bedingungs-Verhältnissen tätigen möchte!

Man kann aber auch ganz allgemein nach dem Verhältnis z. B. von hinreichenden und notwendigen Bedingungen und Kausalität fragen, wie es unabhängig vom Einzelfall besteht. 

 

Vielleicht hast Du auch eine merkwürdige Vorstellung davon, was etwa Thomas Nagel mit dem etwas missverständlichen Wort vom "reinen Denken" meint, auf welches die Philosophie angewiesen sei. Philosophen, die sich mit Fragen beschäftigen, welche mit alltäglicher oder wissenschaftlicher Erfahrung zu tun haben, versuchen natürlich nicht, sich von allem empirischen Wissen über diese Erfahrungen freizuhalten, um dann so "rein" wie möglich über ihre Fragen nachdenken zu können. Vielmehr bemühen sie sich selbstredend, entsprechende Sachkenntnisse zu berücksichtigen.

Aber sie gehen alsdann eben wie gesagt auf eine allgemeinere Ebene. Sie schauen sich also beispielsweise an, welche Formen von Bedingungs- und Kausalverhältnissen man im Alltag, insbesondere aber auch in den Wissenschaften (etwa Physik und Biologie) vorfindet. Und sie versuchen dann, Allgemeingültiges über solche Bedingungs-Verhältnisse zu sagen; also etwas, was nicht nur für eine Einzelwissenschaft gilt, sondern für jede (Natur-)Wissenschaft. (Siehe etwa das Hempel-Oppenheim-Schema als ein ziemlich einfaches Beispiel, auch wenn es da auch eher um hinreichende als um notwendige Bedingungen geht.)

Eben dies tun Physiker und Biologen nicht.

 

Sind Physiker und Biologen auf diese philosophische Arbeit angewiesen?

Wohl nicht.

Ist das ein Problem für die Philosophie?

Ist es ein Problem für die Archäologie und für die vergleichende Linguistik, dass Physiker und Biologen nicht (oder höchstens marginal) von diesen Disziplinen profitieren? Ist es umgekehrt ein Problem für die Kernphysik, dass die vergleichende Linguistik nicht auf sie angewiesen ist?

 

Vielleicht findest Du Fragen, wie die Philosophie sie stellt, persönlich uninteressant (glaube ich aber nicht; s.u.). Das wäre Dein gutes Recht. Es interessiert sich auch nicht jeder für das alte Ägypten. Das ist aber nochmals etwas anderes als zu behaupten, dass eine rationale Auseinandersetzung mit dem alten Ägypten unmöglich oder gegenstandslos wäre und die Ägyptologie ein sinnloses Unternehmen sei!

 

Zitat

Bei nichts von dem ist Philosophie eine Hilfe, im Gegenteil, was auch niemanden wundern sollte, denn dafür bräuchte man ein Fachstudium, und das auch noch in allen möglichen Fächern. 

 

Ich lasse mal das "im Gegenteil" weg, weil ich das als unsachliche Polemik einstufe, und antworte zum Rest: Ja, mathematische, physikalische, chemische, biowissenschaftliche, sozialwissenschaftrliche (usw,) Fragen werden nicht von der Philosophie beantwortet. Sie werden vielmehr von der Mathematik, der Physik usw. beantwortet; so wie auch genuin philosophische Fragen von der Philosophie beantwortet werden!

Ist das überraschend?

 

Wie kommst Du denn immer auf diese seltsame fixe Idee, dass die Philosophie entweder selbst Naturwissenschaft sein sollte oder wenigstens die Naturwissenschaft erfolgreich quasi "anleiten" müsste, um von Wert zu sein?

Was ich Dir andauernd zu erläutern versuche ist, dass die Philosophie sich anderen Fragestellungen zuwendet als die anderen Disziplinen. Und die Behauptung, dass solche philosophischen Fragen (mit der Methode der Philosophie) nicht sinnvoll gestellt oder beantwortet werden könnten, ist eben nichts als eine Behauptung Deinerseits (und letztlich eine selbstwidersprüchliche).

 

Wirst Du hierzu befragt,

- so so erklärst Du einfach wiederholt, dass es eine Erkenntnis, die nicht mithilfe empirischer Prüfung zustandekommt, nicht geben könne.

- verweist darauf, wie die Naturwissenschaften (!) arbeiten und betonst, und dass sie (!) auf die empirische Prüfung angewiesen sind, um ihre (!) spezifischen Fragen zu bearbeiten.

- zitierst Leute, die Deine Meinung teilen, ohne dass in den Zitaten jedoch ein Beleg für diese Meinungen zu finden wäre.

 

Letzteres kann man bezogen auf mich übrigens nicht sagen. Wenn bei mir ein Zitat nicht zur reinen Veranschaulichung eines Punktes dient, wie zuletzt das von Aristoteles in einer Nebensache, so zeichnet es sich durch eine nachvollziehbare Argumentation aus (siehe etwa hier das Zitat von Willaschek). Dein Vorgehen hingegen ist nicht nur aus offensichtlichen Gründen grundsätzlich problematisch, sondern leidet auch darunter, dass z.B. Comte in einer ganz anderen Zeit gelebt hat, in welcher die Philosophie auch noch deutlich anders aussah als heute. (Allerdings ist Letzteres eher ein zweitrangiges Problem.)

 

Und was für Fragen stellt die Philosophie, eine Disziplin, die Du ja für ein (weitgehend) sinnloses Unternehmen hältst? Unter anderem auch und gerade solche, die auch Du hier die ganze Zeit zu beantworten versuchst:

 

- Was kann der Mensch überhaupt wissen?

- Was vermag er durch "Nachdenken" herauszufinden?

- Was durch Empirie?

- Was ist überhaupt das Verhältnis von Denken und Empirie?

- Was kann die Wissenschaft ganz grundsätzlich leisten? (Führt sie beispielsweise zur Wahrheit? Zu einer Annäherung an diese? Oder hilft sie uns nur, besser mit der Welt zurechtzukommen?)

- Was kann die Philosophie leisten, was nicht?

- Was ist das Verhältnis von Wissenschaft und Philosophie?

- Was ist die Natur formaler Systeme wie Logik und Mathematik; inwieweit sind sie "menschgemacht" und inwieweit vielleicht nicht? Und wie verhalten sie sich zu "anderen" Teilen der "Wirklichkeit"?

 

Falls Du philosophische Fragen für trivial, bedeutungslos oder unbeantwortbar hältst, wundert es mich schon, dass Du Dich (auch vor unseren Diskussionen) offenbar intensiv mit ihnen befasst hast und Antworten auf sie gibst, und zwar in einer Weise, die durchaus subjektiv überzeugt anmutet!!

 

Wenn Du mir nicht glaubst, dass Fragen wie die gerade erwähnten in der Tat typische Fragen der Philosophie sind, und zwar oft Kernfragen, dann google doch bitte einfach mal nach Begriffen wie "(theoretische) Philosophie", "Erkenntnistheorie", "Wissenschaftstheorie", "Metalogik", "Philosophie der Mathematik" usw.

 

Außerdem beantwortest Du Fragen wie die gerade aufgeführten mithilfe von "reinem Denken". Nirgendwo hier verweist Du auf einen naturwissenschaftliches oder sozialwissenschaftliches Experiment, welches Deine Positionen beweisen würde! Nirgendwo erklärst Du, inwieweit Deine Thesen "empirisch prüfbar" sein könnten!

 

Natürlich tätigst Du auch zu ein paar rein oder weitgehend "deskriptive" Aussagen dazu, wie Wissenschaft faktisch arbeitet oder sich geschichtlich entwickelt hat; diese Aussagen mag man etwa der Wissenschafts-Historie zuordnen, und sie sind nicht philosophisch. Solches Faktenwissen ist aber auch den Wissenschaftsphilosophen bekannt; und so wenig wie diese beschränkst Du Dich auf solche rein "deskriptiven" Feststellungen.

Die meisten Deiner Thesen gehen über alle "deskriptiven" Erkenntnisse zur faktischen historischen Entwicklung und zur Arbeitsweise der Wissenschaften weit hinaus und befassen sich mit grundsätzlichen "geltungstheoretischen" Fragen; oder sie sind von solchen "deskriptiven" Erkenntnissen überhaupt unabhängig. Das betrifft etwa Deine Auffassungen dazu, ob das "reine Denken" sinnvolle Fragen beantworten kann; in welchem Verhältnis empirische Wissenschaft und Philosophie prinzipiell stehen (unabhängig von zufälligen/kontingenten historischen Irrungen und Wirrungen); oder dazu, was der grundsätzliche Status von Logik und Mathematik und ihr Verhältnis zur "Wahrheit" ist. Keine Deiner entsprechenden Positionen ist allein daraus ableitbar, wie die Naturwissenschaften de facto arbeiten oder wie sie sich historisch entwickelt haben (zum Teil hat das eine mit dem anderen sogar wenig bis nichts zu tun). Wenn Du etwas anderes behaupten solltest, wäre ich auf Deine Darlegungen sehr gespannt!

 

Dein Denken zu den weiter oben angesprochenen eminent philosophischen Fragen ist genauso "non-empirisch" wie das derjenigen Philosophen, die sich mit den gleichen Fragen beschäftigen!

 

Vielleicht glaubst Du, Deine Überlegungen seien nicht philosophischer Natur, weil Du "skeptische" Antworten im Hinblick auf die Möglichkeiten des "reinen Denkens" und der "Philosophie" gibst (z.B. Philosophie nur als reine Kritik gelten lässt). Aber Philosophie wird übereinstimmend über ihren Gegenstandsbereich und ihre Methode definiert, und nicht darüber, welche inhaltlichen Antworten jemand auf ihre Fragen gibt.

Abgesehen davon sind Deine Antworten durchaus selbst nicht "brandneu", sondern stellen im Wesentlichen ein Gemisch aus bestimmten skeptischen, empiristischen, positivistischen und falsifikationistischen Positionen dar - und wie ich schon sagte, hat bisher noch kein Mensch unter der Sonne in Abrede gestellt, dass es sich hier um spezifisch philosophische Positionen handelt.

 

Man kann es drehen und wenden wie man will: Nach jeder Definition betreibst hier die ganze Zeit Philosophie!

Du betreibst hier nicht Naturwissenschaft oder empirische Sozialforschung, sondern Du bewegst Dich auf einer Meta-Ebene, einer der "Reflexion"; und Du reflektierst darüber, was Wissenschaft überhaupt kann, was Philosophie kann, wie das Verhältnis von Denken und Empirie beschaffen ist usw. Nur scheint Dir genau dies nicht zu erhellen!

 

Offenbar hast Du Dir selbst ein geschlossenes philosophisches System zurechtgelegt; aber Du kannst entweder nicht erkennen oder willst Dir nicht eingestehen, dass Deine entsprechenden Auffassungen philosophisch sind (obwohl dafür ein Blick in ein beliebiges Lexikon zum Beweis genügen würde); Du kannst es nicht, weil Deine philosophischen Auffassungen in der Sache eben so beschaffen sind, dass nach ihnen so etwas wie valide philosophische Auffassungen gar nicht existieren können! Das zeigt aber nur, wie problematisch und letztlich selbstwidersprüchlich diese Auffassungen sind.

 

(Und hier läge auch meine Erklärung dafür, dass Du einen Großteil meiner Ausführungen nicht verstehst; es fehlt Dir nicht am Intellekt, aber Du hast Dich in einem theoretischen Gebäude eingerichtet, aus dem Du nicht mehr rauskommst.)

 

Insofern bitte ich Dich erneut - und diesmal wirklich herzlich, denn es ist jetzt sicher schon das siebte oder achte mal - dass Du die oben unter 1) gestellte Frage beantwortest: Wenn Deine hier dargelegten Überzeugungen nicht philosophischer Natur sein sollen, was sind sie dann? Es müsste Dir doch möglich sein, Dich wenigstens mal zu dieser Frage zu äußern.

bearbeitet von iskander
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Ok, also noch etwas ausführlicher: Es geht also um Wahrnehmung und Realität, um die Welt und unser Bild von ihr. Und schon sind wir mitten drin in der Philosophie, und obwohl es die seit über 2.500 Jahren gibt, und sich fast genauso lange mit genau diesen Problemen beschäftigt, ist dabei bisher nicht wirklich etwas herausgekommen.

 

Das Dilemma ist, daß man hier nach absoluten Begriffen sucht, die man den rein äußeren Erscheinungen gegenüberstellt und man sich fragt, wie man eigentlich zu einem Bild von dieser Welt kommt, wenn man ohne vorgegebene Kategorien nicht einmal etwas wahrnehmen kann, aber ohne Wahrnehmung auch keine Kategorien hat. Induktion oder Deduktion? Die „Lösung“ von Popper, sich um die Entstehung von Theorien einfach nicht zu kümmern, ist auch keine Lösung.

 

Dabei hat ein Mann vor fast 200 Jahren das Problem schon ziemlich genau gesehen, Auguste Comte, der heute noch der Positivist schlechthin gilt , also als jemand, der meine, man könne bei wissenschaftlicher Arbeit von Beobachtungen ausgehen, auf Grund derer man nachträglich Theorien bilde („positiv“ war für ihn selbst übrigens ein Synonym für „wissenschaftlich“). Comte dagegen schrieb:

 

„Denn wenn auch auf der einen Seite jede positive Theorie notwendigerweise auf Beobachtungen fundiert sein muß, so ist es auf der anderen Seite nicht weniger richtig, daß unser Verstand eine Theorie der einen oder anderen Art braucht, um zu beobachten. Wenn man bei der Betrachtung von Erscheinungen diese nicht unmittelbar in Beziehung zu gewissen Prinzipien setzen würde, wäre es nicht nur unmöglich für uns, diese isolierten Beobachtungen miteinander in Verbindung zu bringen ... wir würden sogar völlig unfähig sein, uns an die Tatsachen zu erinnern; man würde sie zum größten Teil nicht wahrnehmen.“ (Auguste Comte, Cours de Philosophie Positive, Band 1, Paris 1907)

 

Wissenschaftliche Arbeit, Wahrnehmung überhaupt ist also nichts anderes als ein wechselseitiger Prozeß von Beobachtung und Theoriebildung. Ihr Ausgangspunkt ist unsere im Laufe der Evolution entstandene Fähigkeit zur Wahrnehmung, die wiederum in einem wechselseitigen Prozeß von Veränderung und Auslese entstanden sind. Diese Wahrnehmungen, die wir machen, sind optimiert auf einen ganz einfachen Zweck: das Überleben. Wir sehen die Welt nicht so wie sie ist, sondern so, wie es für das Überleben am zweckmäßigsten ist. Unser Vorfahr, der von dem herannahenden Säbelzahntiger eine unrealistische Vorstellung hatte, war bald ein Toter, und schied damit als Vorfahr aus. Das Bild, daß uns unsere Wahrnehmungsorgane von dieser Welt zeigen, ist also realistisch, aber es ist nicht die Welt an sich, ist nicht im philosophischen Sinne wahr.

 

Diese Beobachtungen erklären aber nicht jeden möglichen Zusammenhang. Man kann einen Blitz sehen, ohne zu verstehen, was das ist. Unsere Natur zwingt uns aber, uns mit unvollständigen Antworten nicht zufrieden zu geben, besonders dann, wenn wir uns davon bedroht fühlen. Es ist neurowissenschaftlich nachgewiesen, daß unserer Gehirn, besonders unter Stress, lieber eine Fantasieerklärung produziert, als eine Frage unbeantwortet zu lassen. Dabei geben wir von Natur aus Erklärungen mit einem persönlichen Verursacher eindeutig den Vorzug, solange wir keine anderen Informationen haben. Auch hier ist der biologische Sinn wieder ganz einfach. Wenn unser Vorfahr ein ungekanntes Geräusch hörte, nahm er erst einmal an, da sei eine Person oder ein Tier. Wenn er sich irrte, hatte er sich einfach nur geirrt. Wenn er aber ein Geräusch für harmlos hielt, hinter dem ein Gegner steckte, war er vielleicht tot, bevor er seinen Irrtum bemerken konnte. Urban Legends und Verschwörungstheorien funktionieren heute noch nach dem Schema.

 

Am Beginn unserer Entwicklung, als die Menschen noch kaum Informationen über die Zusammenhänge in dieser Welt besaßen, bildeten sie sich ihrer Vorstellungen, die Modelle von den Zusammenhängen zwischen den Beobachtungen, die sie in der Welt machten, mit Hilfe der Fantasie und der Annahme, daß hinter allem persönliche Verursacher stecken müßten. So entstanden vermutlich die ersten Religionen. Und diese Modelle funktionierten häufig sogar. Man machte einen Regentanz für den Wettergott und irgendwann regnete es. Das war die Bestätigung. Wenn der Regen ausblieb, hatte man eben nicht genügend getanzt. Nur die positiven Fälle werden registriert.

 

Aberglauben funktioniert heute noch so. Du kannst 10mal am Freitag, dem 13. nichts erlebt haben, das eine Mal, wo du dir den Arm gebrochen hast, bestätigt die Theorie.

Aber im Laufe der Zeit scheiterten eben doch viele dieser Modelle und wurden durch solche ersetzt, die realistischer waren. Krankheiten betrachtete man ursprünglich als von Geistern verursacht. Aber man konnte die Geister noch so viel beschwören, manche Krankheiten kamen immer wieder. Bis jemand die Beobachtung machte, daß Fieber häufig in der Nähe von Sümpfen auftrat. Dort stank es erbärmlich. Also mußte der Gestank die Krankheiten verursachen. Man legte den Sumpf trocken und Gestank und Fieber verschwanden. Die Miasmentheorie war geboren. In unserem heutigen Verständnis war sie falsch, aber realistischer als die Geistertheorie war sie allemal und sie bestätigte sich in der Wirklichkeit. Sie war ein Fortschritt.

 

Bis man im 19. Jh in London der Cholera-Epidemie nicht Herr wurde. London war wie alle großen Städt im Europa der damaligen Zeit eine schmutzige Stadt und es stank erbärmlich. Also versuchte man den krankmachenden Gestand zu beseitigen, indem man die Abwässer in die Themse leitete - aus der die Menschen ihr Trinkwasser nahmen. Der Gestank war weg, die Krankheit wütete schlimmer als zuvor. Erst an diesem Widerspruch zur Wirklichkeit erkannte man seinen Irrtum, und man begann zu vermuten, es müsse etwas mit dem verunreinigten Wasser zu tun haben, nicht mit dem Gestank. Der praktische Erfolg stellte sich sofort ein, die theoretischen Bestätigung kam erst sehr viel später, als man unter dem Mikroskop Bakterien beobachten konnte.

 

Wir beginnen also mit beobachtbaren Eigenschaften. Unsere Vorstellungen sind Modelle von Zusammenhängen zwischen solchen Beobachtungen. Ob diese Modelle falsch sind, können wir nur feststellen, wenn sie mit der Wirklichkeit, die sie beschreiben sollen, in Widerspruch geraten, wenn und nur dann wenn wir Beobachtungen machen, die unseren Modellen widersprechen. Fortschritt entsteht dadurch, daß wir alte Modelle durch bessere ersetzen, wobei besser heißt: in besserer Übereinstimmung mit mehr Beobachtungen. Dabei kann herauskommen, daß die alte Theorie schlicht falsch war, oder, wie im Falle von Newton, nur in gestimmten Fällen galt. Wichtig ist der Vergleich, der Komparativ. Die neue Theorie ist nicht etwa wahr, aber sie ist auch nicht beliebig, sie ist einfach besser, realistischer.

 

Das gilt auch schon für vorwissenschaftliche Vorstellungen. Dagegen hat man das wissenschaftliche Stadium eines Fachgebiets erreicht, wenn neue Theorien alte nicht mehr für unbrauchbar erklären, sondern sie umfassen, wie die Relativitätstheorie die Newtonsche Mechanik.

 

Unsere Vorstellungen von dieser Welt sind also nicht beliebigen Theorien, und sie sind auch keine unveränderlichen Wahrheiten und sie sagen uns auch nichts über das „Wesen“ dieser Welt, sondern sie sind ein Prozeß, in dessen Verlauf unserer Vorstellungen immer realistischer und weniger fantasiegeladen geworden sind. Dieser Prozeß ist nicht zwangsläufig (es gab ja auch schon Rückschritte und es kann sie wieder geben) und er ist auch nicht zielgerichtet, sondern ein Prozeß, in dem die Anzahl und die Zuverlässigkeit nachprüfbarer Aussagen über die Wirklichkeit zugenommen haben.

 

Sie enthalten sicher auch heute noch Fantasievorstellungen, die uns nicht bewußt werden, weil sie uns selbstverständlich erscheinen, und bisher nicht mit der Wirklichkeit kollidiert sind. In der Regel können wir nur durch solche Widersprüche Fehler entdecken. Das letzte Wort hat eben (meistens) das Experiment. Unsere Theorien sind nicht in einem philosophischen Sinne wahr, und sie sind auch nicht bloße Konvention oder Konstruktion, sondern sie werden (im günstigen Falle) besser, realistischer. Und das ist das Maß für den wissenschaftlichen Fortschritt, für Erkenntnisfortschritt im allgemeinen. 

 

Auf solche und viele andere Erkenntnisse dieser Art gründen sich meine Vorstellungen. Sie sind nicht philosophisch, sondern soziologisch, gründen sich nicht auf Idealvorstellungen, sondern auf das, was sich in dieser Welt nachprüfbar beobachten läßt. 

 

Manche Begriffe mögen sich ähnlich anhören wie philosophische Begriffe, das, was ich damit begreife, ist es nicht. Sie zu unterscheiden, scheint dir Schwierigkeiten zu bereiten. Dabei ist es eigentlich ganz einfach. Immer wenn von statischen, absoluten Begriffen die Rede ist, wie irgendetwas "wirklich“, endgültig oder prinzipiell sei, und dafür keine anderen Belege angeführt werden können, als das eigene Denken, dann ist es Philosophie. Wenn es statt dessen die theoretische und nachprüfbare Verarbeitung dessen ist, was sich in der beobachtbaren Wirklichkeit zuträgt, dann ist es Wissenschaft. Und wo es keine beobachtbare Wirklichkeit gibt, ist Metaphysik. Deshalb steht im Titel dieses Thread auch Wissenssoziologie, für den Fall, daß es dir entgangen ist. ;)

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@Marcellinus

 

Zitat

Das Dilemma ist, daß man hier nach absoluten Begriffen sucht, die man den rein äußeren Erscheinungen gegenüberstellt und man sich fragt, wie man eigentlich zu einem Bild von dieser Welt kommt, wenn man ohne vorgegebene Kategorien nicht einmal etwas wahrnehmen kann, aber ohne Wahrnehmung auch keine Kategorien hat.

 

 

Da müsste man jetzt ins Detail einsteigen und beleuchten, inwieweit genau Katgeorien und Wahrnehmung voneinander abhängen. Es ist zum Beispiel ein großer Unterschied, ob einem die Kategorien erst im Zusammenspiel mit Sinneserfahrung bewusst werden oder ob sie in einem umfassenden Sinne "aus der Erfahrung kommen". Hier stieße man dann schnell zu den Problemen, um die es Kant vor allem ging, aber das würde hier wohl den Rahmen sprengen. Aber davon unabhängig gibt es zwei Wirklichkeitsbereiche, in denen sich solche Probleme gar nicht erst stellen: Selbsterkenntnis, soweit sie dem reinen Erleben gilt - und ideale Zusammenhänge.

Und auch hier berührt man etwas Wahres und Relevantes.

 

Zitat

„Denn wenn auch auf der einen Seite jede positive Theorie notwendigerweise auf Beobachtungen fundiert sein muß, so ist es auf der anderen Seite nicht weniger richtig, daß unser Verstand eine Theorie der einen oder anderen Art braucht, um zu beobachten. Wenn man bei der Betrachtung von Erscheinungen diese nicht unmittelbar in Beziehung zu gewissen Prinzipien setzen würde, wäre es nicht nur unmöglich für uns, diese isolierten Beobachtungen miteinander in Verbindung zu bringen ... wir würden sogar völlig unfähig sein, uns an die Tatsachen zu erinnern; man würde sie zum größten Teil nicht wahrnehmen.“ (Auguste Comte, Cours de Philosophie Positive, Band 1, Paris 1907)

 

Zuerst einmal: Das gilt ja vor allem für  empirische Wissenschaften.

Zweitens stellt sich hier folgende Frage für mich: Was heißt hier "Theorie"? Ist damit einfach ein "A priori" gemeint - also sozusagen bestimmte Fähigkeiten des Geistes, die nicht einfach aus der sinnlichen Erfahrung stammen, die aber für (sinnliche) Erkenntnis benötigt werden? Dann würde ich sagen: Zweifelsohne. Kategorien wie "Einheit", "Identität", "Zusammenhang", "Kausalität", "Ding - Eigenschaft", "Relation" usw. können nicht im eigentlichen Sinne "aus der Sinneserfahrung stammen". Wenn allerdings gemeint ist, dass man erst mal Theorien im Sinne von "reinen Annahmen" haben muss, um empirisch etwas dann würde ich das so nicht unterschreiben, oder nur mit erheblicher Differenzierung.

 

Allerdings ist die Philosophie in diesem Punkt ohnehin in einer komfortablen Lage. Selbst wenn man diese Stelle bei Comte so interpretieren würde (und der Interpretation zustimmen würde), dass der Mensch durch das Aufeinander-Beziehen von Theorie und Empirie nichts in valider Weise zu erkennen vermag, weil Theorie und Empirie dann in einer fatalen zirkulären Weise voneinander abhängen,so beträfe das vor allem die empirische Erkenntnis. Es wäre also die empirische Wissenschaft, die dann in großen Schwierigkeiten stecken würde. Die Philosophie beträfe das aber nicht oder viel weniger. Die Philosophie könnte sich vielmehr auf die Schulter klopfen dafür, was sie etwas Interessantes über das Verhältnis von Theorie und Empirie - und damit über die empirische Wissenschaft - (vermeintlich) erkannt hat. Denn auch die Erkenntnis von Grenzen (in diesem Fall der empirischen Wissenschaft, nicht der Philosophie) ist einer Erkenntnis; und hier sicher auch eine relevante und interessante.

 

Denn Comtes Überlegungen an dieser Stelle mögen "empirisch inspiriert" sein, aber sie sind kein Ergebnis empirischer Forschung. Sie sind vielmehr philosophisch - und auch die Begründung für sie muss philosophisch erfolgen Man unternimmt ja kein Experiment, aus welchem dann (und sei es mithilfe einer "Theorie") Comtes Auffassung folgen würde. Comte spricht hier als Philosoph und scheint das auch selbst zu erkennen, wie der von Dir zitierte Buchtitel ("Cours de Philosophie Positive") nahelegt.
 

Zitat

Wissenschaftliche Arbeit, Wahrnehmung überhaupt ist also nichts anderes als ein wechselseitiger Prozeß von Beobachtung und Theoriebildung. Ihr Ausgangspunkt ist unsere im Laufe der Evolution entstandene Fähigkeit zur Wahrnehmung, die wiederum in einem wechselseitigen Prozeß von Veränderung und Auslese entstanden sind. Diese Wahrnehmungen, die wir machen, sind optimiert auf einen ganz einfachen Zweck: das Überleben. Wir sehen die Welt nicht so wie sie ist, sondern so, wie es für das Überleben am zweckmäßigsten ist.

 

 

Immerhin ist unser Zugang zur Welt gut genug, um die Evolution entdeckt und doch so einiges über sie gelernt zu haben - und um daraus auch noch weitreichende philosophische Schlüsse darüber zu ziehen, wie begrenzt die menschliche Erkenntnis ist! Nicht gerade eine Kleinigkeit, sondern etwas, was erhebliche wissenschaftl. Anstrengungen erfordert.

Und hier hat man dann folgende "Zwickmühle", wenn man mit Verweis auf die Evolution die Fähigkeiten des menschlichen Erkenntnisvermögens grundlegend infragestellt:

 

- Entweder der Mensch erkennt ziemlich viel (und zwar ziemlich richtig). Dann darf man der Evolutionstheorie wohl vertrauen. Und dann könnte man aus ihr vielleicht auch ableiten, dass der Mensch ziemlich wenig erkennt. Das geht dann aber eben nicht mehr ohne Selbstwiderspruch.

- Oder man sagt, dass der Mensch nichts oder nur wenig erkennen kann. Dann erscheint es allerdings fraglich, ob er einen so komplexen Vorgang wie die Evolution (weitgehend) richtig erkennt und interpretiert. Wenn er das aber nicht tut, ist die die Evolution auch kein Argument für irgendwas.

 

Ein sehr weitreichendes Argument gegen die Erkenntnis ist der Verweis auf die Evolution also nicht: Wenn es ein weitreichendes Argument sein sollte, müsste man annehmen, dass der Mensch einerseits so etwas Komplexes wie die Evolution richtig beurteilen kann, und dass andererseits daraus folgt, dass er komplexe Dinge nicht richtig beurteilen kann.

 

Dessen ungeachtet ist natürlich eines kaum bestreitbar: Die menschliche (Welt-)Erkenntnis ist begrenzt und unvollkommen, und sicher auch nicht frei von Verzerrungen.

Aber das ist so eine allgemeine Aussage!

Man müsste hier in die Details gehen und sich auch fragen, inwieweit der Mensch Fehler vermeiden oder wenigstens minimieren kann: Die Aussage etwa, dass das Fallgesetz zu allen Zeiten gilt, und zwar immer und im ganzen Universum, ist sicher potentiell "fehleranfälliger" als etwa die Behauptung, dass das Fallgesetz "zumindest in der Regel" zu unserer Zeit und in dem von uns beobachtbaren Raum gilt.

Aber auch hier würde ich sagen: Diese Schwierigkeiten betreffen eigentlich erst einmal die Naturwissenschaften, weniger die Philosophie. Ein Philosoph kann im Prinzip sogar mit der These leben, dass die ganze Außenwelt eine große Täuschung sei,

 

Zitat

Wir beginnen also mit beobachtbaren Eigenschaften. Unsere Vorstellungen sind Modelle von Zusammenhängen zwischen solchen Beobachtungen. Ob diese Modelle falsch sind, können wir nur feststellen, wenn sie mit der Wirklichkeit, die sie beschreiben sollen, in Widerspruch geraten, wenn und nur dann wenn wir Beobachtungen machen, die unseren Modellen widersprechen. Fortschritt entsteht dadurch, daß wir alte Modelle durch bessere ersetzen, wobei besser heißt: in besserer Übereinstimmung mit mehr Beobachtungen.

 

Das stimmt, trifft aber wiederum vor allem die empirischen Wissenschaften, und die Philosophie nur wenig.

 

Nun gut, in eine gewissen Sinne prüft sich auch die Philosophie in manchen Bereichen an der Empirie. So ist etwa ersichtlich, dass empirischen Wissenschaften anders arbeiten, als z.B. Popper sich das in seinem wissenschaftstheoretischen Ansatz vorgestellt bzw. gewünscht hat. In den empirischen Wissenschaften spielt die Falsifikation eine deutlich geringere Rolle und die Induktion eine deutlich größere, als das nach Popper angebracht wäre. Und man versucht dort oftmals auch, Widerlegungen durch "Ad-hoc-Annahmen" zu entgehen, und das kann durchaus sinnvoll sein. Die Wissenschaften arbeiten anders, als sie es laut Popper sollten. (Und dies, obwohl Popper und der Falsifikationsmus unter Naturwissenschaftlern sehr populär sind.)

Und diese Diskrepanz zwischen (Popperschem) Ideal und Praxis war dann offenbar auch einer der Gründe dafür, dass andere Ansätze den von Popper ergänzt oder modifiziert haben. Außerdem entwickelt sich etwa die Philosophie der Physik natürlich gewisserweise auch mit der Physik mit, weil sie ja eben auf deren Erkenntnissen gewissermaßen aufbaut. 

Insofern gab oder gibt es in manchen Bereichen auch innerhalb der Philosophie eine gewisse "Korrektur" durch die Empirie. Aber in vielen Fällen ist das eben gar nicht nötig, weil die Philosophie sich nicht mit Dingen beschäftigt, die so oder auch anders sein könnten. Nehmen wir als Beispiel nochmals eine Erkenntnis, die ich schon sinngemäß zuvor formuliert hatte:

 

"Es gibt Zusammenhänge in dieser Welt, die auch ganz anders sein könnten (oder zumindest scheint es uns so zu sein). Es gibt aber auch Zusammenhänge, die bestehen notwendigerweise, immer und überall. Und wir vermögen sie zumindest in einigen Fällen auch zu erkennen - und zwar durch reine Einsicht, ohne jede empirische Prüfung."

 

Ich persönlich halte dies Aussage keineswegs für banal (auch wenn sie sich mithilfe banaler Beispiele als wahr erweisen lässt); aber darauf kommt es mir nicht an, denn sie dient eh nur zur Illustration. Diese gerade (in Anführungszeichen gesetzte) Erkenntnis kann nicht empirisch überprüft und widerlegt werden. Und selbst wenn unsere ganze wahrnehmbare Welt womöglich eine Fiktion wäre, würden sie in einem gewissen Sinne immer noch gelten - im Sinne von: "Falls es etwas von einer bestimmten Art gibt oder geben sollte, muss oder müsste es so und so beschaffen sein." Man könnte hier dann auch - um Deine Begrifflichkeit aufzunehmen - von "unveränderlichen Wahrheiten" sprechen. Selbst wenn diese "unveränderlichen Wahrheiten" vielleicht nur gewissen Segmenten der Wirklichkeit gelten und nicht "der ganzen Welt".

 

Hier hat man es nicht mit "Induktion", sondern mit "Intuition" zu tun (der Begriff ist allerdings missverständlich); Und das ist eben häufig so in der Philosophie. Es geht zum Teil einfach um grundlegende Kategorien, die in einem gewissen Sinne da sind, noch "bevor" wir dann Einzelgegenstände (empirisch) untersuchen. Das Beispiel mit dem Nagel, der im Gegensatz zu einer Überzeugung "rostig" sein kann, ist natürlich trivial; aber man kommt dann schnell zu weiteren Fragen, die weniger trivial sind. "Überzeugungen" und "Nägel" gehören offenbar ganz anderen "Kategorien" an. Trotzdem sind beide - im weitesten Sinne - Teil der "Wirklichkeit". Was für Kategorien gibt es dann überhaupt in der (uns bekannten) Wirklichkeit? Wie stehen sie zueinander? Was scheint "selbständig" existieren zu können; was kann nur existieren, indem es gewissermaßen ein "Aspekt" einer anderen Sache ist usw? Hier käme man dann in die Ontologie.

Und solche Fragen kann und muss man nicht empirisch beantworten ("empirisch" im Sinne einer Überprüfung der Theorie an Beobachtung oder Experiment).

 

Zitat

Unsere Vorstellungen von dieser Welt sind also nicht beliebigen Theorien, und sie sind auch keine unveränderlichen Wahrheiten und sie sagen uns auch nichts über das „Wesen“ dieser Welt, sondern sie sind ein Prozeß, in dessen Verlauf unserer Vorstellungen immer realistischer und weniger fantasiegeladen geworden sind.

 

Na ja, wenn sie immer "realistischer" werden, sollten sie eigentlich auch immer mehr über "das Wesen" dieser Welt aussagen - oder zumindest über gewisse Aspekte davon. Denn das Wesen einer Sache zeigt sich ja in seinen Eigenschaften; und je mehr und je akkurater wir diese erkennen, desto mehr nähern wir uns dann tendenziell auch "dem Wesen" der Sache an, oder jedenfalls einem Aspekt von ihm.

 

Ich gebe Dir aber ja im Prinzip und im Großen und Ganzen recht, was Deine Beschreibung des wissenschaftl. Prozesses und seiner Limitationen angeht. Nur wie ich schon sagte:

 

Diese Limitationen sind eigentlich eher ein Problem für die empirischen Wissenschaften!

 

Zitat

Das letzte Wort hat eben (meistens) das Experiment. Unsere Theorien sind nicht in einem philosophischen Sinne wahr, und sie sind auch nicht bloße Konvention oder Konstruktion, sondern sie werden (im günstigen Falle) besser, realistischer. Und das ist das Maß für den wissenschaftlichen Fortschritt, für Erkenntnisfortschritt im allgemeinen. 

 

Das würde ich vielleicht etwas anders formulieren, aber Du meinst ungefähr, was ich auch meine. Aber auch hier gilt wieder: Das gilt für die empirische Wissenschaft. Die Philosophie stellt andere Fragen und ist von all diesen Problemen höchstens recht eingeschränkt betroffen!

 

Zitat

Auf solche und viele andere Erkenntnisse dieser Art gründen sich meine Vorstellungen. Sie sind nicht philosophisch, sondern soziologisch, gründen sich nicht auf Idealvorstellungen, sondern auf das, was sich in dieser Welt nachprüfbar beobachten läßt. 

 

Aus der Soziologie im Sinne einer Wissenschaft von sozialen Beziehungen, sozialen Institutionen, sozialen Verhältnissen usw. kann man natürlich schon einige Erkenntnisse gewinnen. Man kann hier insbesondere lernen,

- dass manche Vorstellungen, die früher in der Wissenschaft dominant waren, inzwischen als obsolet betrachtet werden; und dass es immer wieder neue Modifikationen von Modellen gibt.

- dass die Modellannahmen, die man heute hat, meistens besser mit den Beobachtungen, die man macht, im Einklang stehen als frühere Modellannahmen.

- dass innerhalb der Erfahrungs-Wissenschaften die Prüfung einer Theorie an der Praxis tendenziell zu Modellen führt, die besser mit den Beobachtungen übereinstimmen. 

- wie die Wissenschaftler ihre Wissenschaft interpretieren.

- in welchem Maße und zu welchen Fragen es in der Wissenschaft (oder auch der Philosophie) Kontroversen gibt.

- wie sich das Verhältnis von Philosophie und Wissenschaften historisch entwickelt hat und aktuell aussieht.

 

Das ist es im Wesentlichen dann aber auch. Sobald es um "geltungstheoretische" Fragen geht, kommt man nicht wirklich weiter, indem man einfach nur untersucht, wie Wissenschaftler sich faktisch verhalten und wie die Wissenschaft sich faktisch entwickelt hat.

 

Du scheint, wenn ich Dich richtig verstehe, bei aller Vorsicht die Postion zu vertreten, dass die Wissenschaft zu einer gewissen "Annäherung" an die Wahrheit führt, oder dass sie jedenfalls zur Beseitigung von Irrtümern beiträgt.

Aber selbst das ist schon eine philosophische Position, nämlich der "(moderate) Realismus"! Dem steht der "Instrumentalismus" gegenüber, welcher durchaus auch von ernstzunehmenden Leuten vertreten wurde. Die Wikipedia dazu:

 

"Dem Instrumentalismus zufolge sind die Hypothesen und die theoretischen Gesetze einer Theorie weder wahr noch falsch (wie etwa vom Realismus behauptet), sondern dienen lediglich dazu, eine empirische Adäquatheit der Folgerungen aus den Prämissen einer Theorie herzustellen. Die Postulate einer Theorie gelten dem Instrumentalisten lediglich als Mittel zum Zweck, also als Instrumente."

 

Es ist nicht möglich, diese Frage ("Realismus vs. Instrumentalismus") empirisch zu beantworten - sei es naturwissenschaftlich oder sozialwissenschaftlich. Denn die Befunde ("Erfolg der Wissenschaft") sind sowohl mit einem (gemäßigten) Realismus wie mit einem Instrumentalismus kompatibel. Wer meint, dass eine Prüfung von wissenschaftlichen Theorien an Beobachtung Experiment die Korrektur von Irrtümern und zumindest eine bruchstückhafte Annäherung an die Wahrheit ermöglicht (oder wer dies verneint), hat also bereits die Philosophie betreten. Oder genauer: Er hat bereits eine bestimmte wissenschaftsphilosophische Position angenommen.

 

Aus den Sozialwissenschaften (oder den Naturwissenschaften) alleine lässt sich insbesondere nicht ableiten,

- dass die Naturwissenschaften durch eine Prüfung ihrer Annahmen an der Beobachtung der "Wahrheit" näher kommen oder Irrtümer abbauen; vor allem aber,

- welche Arten der (validen) Erkenntnis es überhaupt gibt;

- ob das Denken ganz allgemein (also stets und auch außerhalb der Erfahrungs-Wissenschaften) auf die empirische Prüfung angewiesen ist, um zu validen Ergebnissen zu gelangen.

- was die Philosophie sinnvollerweise zu leisten vermag.

- ob philosophische Theorien beweisbar sind, und wenn ja welche und wie; und wenn nicht, wie sich diese Unbeweisbarkeit beweisen lässt.

- wie Philosophie und empirische Wissenschaften jenseits aller faktischen Verhältnisse zueinander stehen; wie sie sozusagen sinnvollerweise zueinander stehen sollten.

- was die Natur von formalen Systemen wie Logik und Mathematik ist. (Ob es z.B. nur menschgemachte logische Systeme gibt, oder ob bestimmte Prinzipien bestehen, denen das menschliche Denken Genüge tun muss, um nicht systematisch zu unsinnigen Ergebnissen zu kommen; und in letzterem Fall: In welchem Verhältnis menschgemachte Logik-Systeme zu "ideal-logischen" Prinzipien stehen.) 

 

Wenn Du der Auffassung sein solltest, dass Du Fragen wie die gerade aufgeführten auf Grundlage von rein soziologischen (oder auch rein wissenschaftshistorischer) Befunden beantworten kannst, so wäre ich höchst interessiert, wie das funktionieren sollte.
 

Zitat

Manche Begriffe mögen sich ähnlich anhören wie philosophische Begriffe, das, was ich damit begreife, ist es nicht. Sie zu unterscheiden, scheint dir Schwierigkeiten zu bereiten. Dabei ist es eigentlich ganz einfach. Immer wenn von statischen, absoluten Begriffen die Rede ist, wie irgendetwas "wirklich“, endgültig oder prinzipiell sei, und dafür keine anderen Belege angeführt werden können, als das eigene Denken, dann ist es Philosophie. Wenn es statt dessen die theoretische und nachprüfbare Verarbeitung dessen ist, was sich in der beobachtbaren Wirklichkeit zuträgt, dann ist es Wissenschaft. Und wo es keine beobachtbare Wirklichkeit gibt, ist Metaphysik. Deshalb steht im Titel dieses Thread auch Wissenssoziologie, für den Fall, daß es dir entgangen ist. ;)

 

 

Das stellt mich jetzt in der Tat vor ein Problem:

 

- Du bist ja der Auffassung, dass es nur dort, wo Theorien an der Empirie geprüft werden, Erkenntnis bzw. Erkenntnis-Fortschritt geben kann. So eine These kann man auf der Grundlage der Wissenschafts-Soziologie vielleicht durchaus rechtfertigen, soweit sie sich allein auf die Erfahrungswissenschaften oder natürlich auch auf unsere "Alltags-Erfahrung" bezieht. Da kann man dann wohl in einem gewissen Sinne "nachprüfen" und "beobachten", dass empirische Wissenschaften, wenn sie empirisch vorgehen, Beobachtungen besser beschreiben können, als wenn sie nicht empirisch vorgehen. (Die Realismus-Instrumentalismus-Frage sei hier mal ausgeklammert.)

 

- Du gehst aber offenbar zugleich davon aus, dass das Denken auch in allen anderen Kontexten (wie etwa dem der Philosophie) auf die empirische Prüfung angewiesen ist bzw. wäre, um zu Erkenntnissen zu gelangen - und dass die Philosophie deshalb auch keine Erkenntnisse produzieren kann. Es ist jedoch unmöglich, ebendiese Behauptung empirisch, etwa mithilfe der Soziologie, zu "prüfen" oder zu "belegen". Die prinzipiellen "Möglichkeiten und Grenzen" von "reinem Denken" bzw. der "Philosophie" kommen nicht als Gegenstände/Objekte der Sozialwissenschaften vor und könnten außerdem auch nicht mit sozialwissenschaftlich Methoden (etwa sozialwissenschaftlichen Feldstudien) erforscht werden. Der Soziologe würde danach fragen, wie verbreitet eine philosophische Auffassung ist, ob sie im Lauf der Zeit "populärer" geworden ist usw. - aber er wird nicht fragen ob die entsprechende philosophische Auffassung inhaltlich "wahr" ist oder nicht, oder ob sie eine "Erkenntnis" darstellt oder nicht. Die Soziologie verfügt auch über kein Kriterium, um zu entscheiden, wie weit "reines" bzw. "philosophisches" Denken trägt - um solche Fragen zu beantworten, wäre eine inhaltliche Analyse notwendig, keine solche von sozialen Strukturen. Sozialwissenschaften sagen etwas dazu, was Philosophen als soziale Subjekte tun - aber nichts dazu, ob philosophische Überzeugungen inhaltlich richtig oder falsch sind, oder ob Philosophie überhaupt zu Erkenntnissen führen kann!

 

Nach Deiner eigenen Logik wären also die meisten Deiner Auffassungen "Philosophie bzw. "Metaphysik", wenn ich mich nicht völlig irre. Und damit kämen wir noch zu folgendem Punkt:

 

Zitat

Ok, also noch etwas ausführlicher: Es geht also um Wahrnehmung und Realität, um die Welt und unser Bild von ihr. Und schon sind wir mitten drin in der Philosophie, und obwohl es die seit über 2.500 Jahren gibt, und sich fast genauso lange mit genau diesen Problemen beschäftigt, ist dabei bisher nicht wirklich etwas herausgekommen.

 

Erstens: Um das wirklich zu beurteilen, müsste man sich die Dinge schon im Detail ansehen, also inhaltlich. Der Verweis allein auf fehlende Einigkeit ist kein ausreichendes Argument (s.u.).

Zudem scheint ja doch durchaus etwas herausgekommen zu sein - auch aus Deiner Sicht. Nämlich eben Deine Auffassungen zu Themen wie "Erkennen", "Denken und Empirie", "Philosophie und Naturwissenschaft". "Status von Logik und Mathematik", usw. (Denn diese Überzeugungen sind wie gesagt eindeutig philosophischer Natur.)

 

Ich kann mir nämlich nicht vorstellen, dass Du Deine eigenen diesbezüglichen Auffassungen nicht für Erkenntnisse hältst. (Sonst müsste ich mir allerdings dumm vorkommen - so wie jemand, der einem anderen erklären möchte, dass Tiere gar nicht sprechen können, obwohl der andere doch nur eine Tier-Fabel erzählt und gar keine zoologischen Aussagen tätigen wollte.) Und ich kann mir auch nicht recht vorstellen, dass Du all diese "philosophischen Erkenntnisse" für irrelevant hältst und meinst, es würde für unser Selbst- und Weltverständnis keinerlei Rolle spielen, ob Du recht hast oder ob das ziemliche Gegenteil Deiner Überzeugungen zutrifft.

Das Problem wäre dann halt nur, dass Du eine Philosophie vertrittst, nach der man sinnvollerweise gar keine Philosophie vertreten kann.

 

Eine Anmerkung noch: Vielleicht meinst Du, man könne die These, dass es keine begründeten philosophischen Erkenntnisansprüche geben könne, dadurch "sozialwissenschaftlich" beweisen, indem man auf die fehlende Einigkeit innerhalb der Philosophie aufmerksam macht. Nach dem Motto: Wo Menschen unterschiedliche Meinungen haben, gibt es auch keine Erkenntnis - auf die inhaltliche Ebene muss man sich da gar nicht erst begeben.

 

Gegen eine solche Auffassung spricht allerdings einiges:

- Es gibt Fälle, in denen einige Menschen Meinungen vertreten, die offensichtlich absurd sind; trotzdem halten wir daran fest, dass ein begründetes Urteil auch in solchen Fällen möglich ist. (Auch in der Wissenschaft werden mitunter von manchen Leuten merkwürdige Auffassungen vertreten.)

- Falls es begründete Erkenntnis in der Philosophie gibt, irren sich manche Philosophen (sagen wir die mit Meinung A) und andere haben recht (sagen wir die mit Meinung B). Falls es keine Erkenntnis in der Philosophie gibt, irren sich aber (praktisch) alle Philosophen (sowohl die mit Meinung A wie die mit Meinung B). Es ist aber nicht einzusehen, wieso es a priori und unter Absehen von inhaltlichen Erwägungen wahrscheinlich sein soll, dass alle sich irren als dass nur ein Teil sich irrt; oder wieso ersteres sogar sicher sein sollte.

- Praktisch alle Philosophen sind sich wenigstens darin einig, dass zumindest in einem gewissen Umfang philosophische Erkenntnis möglich ist. (Die meisten dürften sich auch sonst in so manchem einig sein.) Falls es philosophische Erkenntnis gibt, haben die allermeisten Philosophen also zumindest in einem oder einigen Punkten recht; falls nicht, haben (praktisch) alle Philosophen in allem Unrecht. Auch hier ist nicht einsichtig, wieso die zweite Option plausibler sein sollte als die erste, oder gar zwingend.

- Die Behauptung, dass nicht erkennbar wahr ist, was umstritten ist, ist selbst umstritten (um das Mindeste zu sagen). Also kann sie nach ihrer eigenen Logik nicht erkennbar wahr sein.

- Es lässt sich an positiven Beispielen zeigen, dass philosophische Erkenntnis möglich ist - etwa die, dass es neben "zufälligen" auch notwendige und einsichtige Zusammenhänge gibt (auch wenn das vielleicht eine etwas "basale" Einsicht ist - aber es geht hier ja ums Beispiel).

 

Die Soziologie kann also feststellen, wie die Philosophie sich entwickelt, welche Kontroversen es gibt usw. Sie kann z.B feststellen, dass es in einem bestimmten Punkt Meinungsverschiedenheiten gibt. Welche Seite in dieser Frage allerdings recht hat - ob überhaupt eine Seite recht hat - das kann sie nicht erkennen. Da müsste sie sich die jeweiligen (philosophischen) Fragen dann inhaltlich anschauen und sie inhaltlich erörtern - und das wäre dann selbst Philosophie. 🙂

bearbeitet von iskander
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vor 8 Stunden schrieb iskander:

Da müsste man jetzt ins Detail einsteigen und beleuchten, inwieweit genau Katgeorien und Wahrnehmung voneinander abhängen.

 

Nein, muß man nicht. 

 

vor 8 Stunden schrieb iskander:

Allerdings ist die Philosophie in diesem Punkt ohnehin in einer komfortablen Lage. Selbst wenn man diese Stelle bei Comte so interpretieren würde (und der Interpretation zustimmen würde), dass der Mensch durch das Aufeinander-Beziehen von Theorie und Empirie nichts in valider Weise zu erkennen vermag, weil Theorie und Empirie dann in einer fatalen zirkulären Weise voneinander abhängen,so beträfe das vor allem die empirische Erkenntnis. Es wäre also die empirische Wissenschaft, die dann in großen Schwierigkeiten stecken würde.

 

Jetzt wird es, wie sagst du so schön: „inhaltlich“ falsch. Was ist eine „empirische Erkenntnis“? Wenn mir ein Bachstein auf den Fuß fällt? Es gibt keine „rein empirische Erkenntnis“ wie auch nicht jede Verallgemeinerung Philosophie ist. Philosophie ist eine Verallgemeinerung nur dann, wenn sie durch nichts anderes belegt ist als durch die Vorurteile des Philosophen. Man könnte auch sagen, du hast einfach nicht verstanden, was eine wissenschaftliche Theorie ist. 

 

vor 8 Stunden schrieb iskander:

Praktisch alle Philosophen sind sich wenigstens darin einig, dass zumindest in einem gewissen Umfang philosophische Erkenntnis möglich ist.

 

Was allerdings auch das einzige ist, in dem sie sich einig sind, und was ebenso wenig zur Sache beiträgt wie die Tatsache, daß "praktisch alle" Theologien sich darin einig sind, daß die Theologie "in einem gewissen Umfang" etwas über die Beziehung der Menschen zu "Gott" sagen kann. Ich hab es schon einmal geschrieben: Die Philosophie ist, ähnlich wie die Theologie, mittlerweile eine selbstbezügliche, sinnlose Übung darin, das Thema zu verfehlen. Sie befriedigt nur noch die Bedürfnisse derer, die sie betreiben. Zum Wissen der anderen trägt sie nichts mehr bei. 

 

vor 8 Stunden schrieb iskander:

Die Soziologie kann also feststellen, wie die Philosophie sich entwickelt, welche Kontroversen es gibt usw. Sie kann z.B feststellen, dass es in einem bestimmten Punkt Meinungsverschiedenheiten gibt. Welche Seite in dieser Frage allerdings recht hat - ob überhaupt eine Seite recht hat - das kann sie nicht erkennen. Da müsste sie sich die jeweiligen (philosophischen) Fragen dann inhaltlich anschauen und sie inhaltlich erörtern - und das wäre dann selbst Philosophie.

 

Wer Recht hat, hat die Philosophie noch nie entscheiden können, kein Wunder, ohne objektive Kriterien! „Inhalte“, die nicht durch Fakten besser belegbar sind als andere, sind einfach nur Meinungen, und Meinungen gibt’s im Dutzend billiger, taugen höchstens für’s Feuilleton, wie die Philosophie. 

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und für Ethikräte. Da kann man die richtigen Meinungen auch immer gut gebrauchen.

 

Gruss, Martin

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vor 10 Minuten schrieb Soulman:

und für Ethikräte. Da kann man die richtigen Meinungen auch immer gut gebrauchen.

 

„Ethik ist der Versuch, Moral rational zu begründen und zwischen sinnvollen und weniger sinnvollen moralischen Regeln zu unterscheiden.“ Aber indem Ethik moralische Regeln rational zu begründen sucht, relativiert sie sie, säht Zweifel, wo Gewißheit war. „Aufgabe der Ethik ist es daher, vor Moral zu warnen, wie es der Soziologe Niklas Luhmann so treffend formuliert hat.“ 

 

Nur sind Ethiker keine Soziologen, sondern Philosophen oder Theologen, und so geben sie vor, etwas rationalisieren zu können, was sich nicht rationalisieren läßt: moralische Vorlieben. „Die Rationalisierung des Irrationalen aber führt mit ziemlicher Sicherheit in die Ideologie.“

 

(Vergl. dazu Alexander Grau, Hypermoral. Hervorhebung von mir)

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vor 9 Stunden schrieb Marcellinus:

Jetzt wird es, wie sagst du so schön: „inhaltlich“ falsch. Was ist eine „empirische Erkenntnis“? Wenn mir ein Bachstein auf den Fuß fällt?


Das ist jetzt wohl ein rein semantisches Problem: Mit "empirischer Erkenntnis" meine ich eine Erkenntnis, die wesentlich auch auf der Sinneserfahrung beruht und von ihr abhängig ist. Also zum Beispiel, dass Kupfer Strom leitet. Ich verwende den Ausdruck somit im üblichen Sinne.

 

Zitat

Es gibt keine „rein empirische Erkenntnis“ [,...]

 

 

Das ist ja unstrittig und das habe ich schon mehrfach betont. Deshalb wundert es mich auch, dass Du mich wegen einer vielleicht etwas missverständlichen, aber durchaus gängigen und allgemein "korrekt verstandenen" Terminologie "korrigieren" möchtest.

 

Zitat

[...] wie auch nicht jede Verallgemeinerung Philosophie ist.

 

Was soll in diesem Zusammenhang eine "Verallgemeinerung" sein? Eine Generalisierung von Einzel-Feststellungen mittels Induktion?

Ansonsten gilt: Allgemeine Aussagen darüber, welche Arten der Erkenntnis es gibt, welche Grenzen das Erkenntnisvermögen hat, wie sich Denken und Erfahrung zueinander verhalten etc. pp. gehören natürlich zum Kernbereich der Erkenntnistheorie.

 

Zitat

Philosophie ist eine Verallgemeinerung nur dann, wenn sie durch nichts anderes belegt ist als durch die Vorurteile des Philosophen.

 

Dann wären die meisten Deiner Ausführungen allerdings "Philosophie". Denn empirisch belegbar oder prüfbar sind sie nicht - weder natur- noch sozialwissenschaftlich. Oder zumindest hast Du bisher nicht einmal im Ansatz deutlich gemacht, wie man Deine Behauptungen "sozialwissenschaftlich" gültig belegen können sollte,

 

Zitat

Man könnte auch sagen, du hast einfach nicht verstanden, was eine wissenschaftliche Theorie ist. 

 

Da sieht man halt mal wieder, wie dumm und unwissend ich doch bin. 🙂

 

Zitat

Was allerdings auch das einzige ist, in dem sie sich einig sind, und was ebenso wenig zur Sache beiträgt wie die Tatsache, daß "praktisch alle" Theologien sich darin einig sind, daß die Theologie "in einem gewissen Umfang" etwas über die Beziehung der Menschen zu "Gott" sagen kann.

 

Du hast meine Argumentation nicht wirklich verstanden, oder? Es ging nicht um einen positiven Beweis aus der Übereinstimmung der Philosophen, sondern allein "negativ" darum, dass nicht einsichtig ist, wieso es a priori plausibler oder gar zwingend sein sollte, dass alle (fast) irren als dass fast (alle) recht haben. Dass damit in der Sache selbst nichts bewiesen ist, liegt auf der Hand, und etwas anderes habe ich auch nie behauptet.

 

Zitat

Die Philosophie ist, ähnlich wie die Theologie, mittlerweile eine selbstbezügliche, sinnlose Übung darin, das Thema zu verfehlen. Sie befriedigt nur noch die Bedürfnisse derer, die sie betreiben. Zum Wissen der anderen trägt sie nichts mehr bei. 

 
Die Frage ist halt, wie sinnvoll es ist, wenn jemand, der keine Kenntnisse eines Themas hat, meint, das Thema in einer ganz pauschalen Weise beurteilen zu können. Aber das soll jeder für sich selbst entscheiden. ;)

 

Zitat

„Inhalte“, die nicht durch Fakten besser belegbar sind als andere, sind einfach nur Meinungen, und Meinungen gibt’s im Dutzend billiger, taugen höchstens für’s Feuilleton, wie die Philosophie.

 

Ich habe mehrfach dargelegt, dass man sinnvollerweise zwischen notwendigen und kontingenten Zusammenhängen unterscheiden sollte. Welche Rolle "Fakten" (im Sinne von "Tatsachen, die auch ganz anders sein könnten") spielen, hängt also ganz von der Fragestellung ab. Ich habe Dir auch mehrere Beispiele für philosophische Erkenntnis gegeben (und zwar nicht nur triviale), die nicht empirisch prüfbar sind, aber dennoch gültig. Und ich habe Dich expressis verbis gebeten, dazu Stellung zu nehmen. Du hast das nie getan, sondern Du ignorierst meine Argumente einfach und wiederholst Deine Position eben immer wieder. Nun, da kann ich halt auch nichts machen. 

 

Ich versuche es hier aber nochmals an einem weiteren Beispiel, diesmal aus der Wissenschaftstheorie, nämlich der Duhem-Quine-These (Wikipedia):

 

Zitat

 

Die Duhem-Quine-These (auch Quine-Duhem-These, Holismus-These) behauptet die Unterbestimmtheit einer Theorie durch Beobachtungsdaten. Demnach besteht eine Theorie aus vielen miteinander verknüpften Aussagen, die zusammen ein möglichst kohärentes Ganzes bilden.

Dementsprechend kann einerseits eine Theorie nicht durch einzelne empirische Beobachtungen und Experimente verifiziert oder falsifiziert werden – es stehen immer eine Reihe weiterer Theorien mit zur Debatte. Andererseits haben erkenntnistheoretische Subjekte stets mehrere Möglichkeiten, wenn eine Beobachtung im Widerspruch zu einer bestimmten Theorie steht, diese Theorie so zu verändern, dass sie wieder mit den Beobachtungen übereinstimmt.

 

 

(Ganz streng genommen ist es somit überhaupt nicht möglich, irgendeine Aussage über einen empirischen Zusammenhang über die "Außenwelt" zweifelsfrei zu belegen oder auch zu widerlegen.)

 

Hier gilt doch zweifelsohne Folgendes:

- Die These ist erkennbar wahr.

- Die Wahrheit der These wird durch das vernünftige Denken erkennt. Dieses Denken mag in einem gewissen Sinne "empirisch informiert" sein, aber die These selbst ist nicht empirisch belegbar; eine empirische Prüfung der These ist unnötig bzw. sogar unmöglich, und ihre empirische Korrektur ist ausgeschlossen.

- Die These gehört eindeutig in den Bereich der Philosophie, in diesem Fall der Wissenschaftstheorie.

 

Hier hätten also ein (weiteres) Beispiel für eine valide (philosophische) Erkenntnis, die nicht "empirisch prüfbar" ist und trotzdem weit mehr als eine "reine Meinung" darstellt.

Deshalb hier die direkte Frage an Dich: Streitest Du das ab?

 

Wirst Du diese Frage beantworten? Oder wirst Du sie ignorieren, wie so viele Fragen und Kritikpunkte von mir?

(Und wenn Du sagst, das Beispiel sei etwas simpel - nun gut, in einer Diskussion wie dieser ist wohl kaum Platz für eine umfassende philosophische Analyse. Abgesehen davon dürften viele Leute, die man auf der Straße anspricht, sich solche Zusammenhänge auch noch nicht klar gemacht haben; ganz so trivial sind sie auch nicht.)

 

 

Zitat

Wer Recht hat, hat die Philosophie noch nie entscheiden können, kein Wunder, ohne objektive Kriterien!

 

Doch - natürlich kann sie das in vielen Fällen. Das objektive Kriterium ist Schlüssigkeit des Argumentes. Dass nicht jeder alles einzusehen vermag, tut dem wie gesagt keinen Abbruch.

(Und natürlich kommt es letztlich auch in der empirischen Forschung auf die Einsicht in die Schlüssigkeit des Argumentes an - wenn die Argumente auch von anderer Art sind. Schon die Frage, ob es zum Beispiel überzeugender ist, eine These als "falsifiziert" zu betrachten oder die Hintergrundannahmen infragezustellen (was im Prinzip immer möglich ist), ist ihrerseits nicht empirisch beantwortbar, und sie ergibt sich auch nicht aus einem formalen Algorithmus (siehe Duhem-Quine). Sondern hier muss der Wissenschaftler "mittels vernünftigem Denken" selbst entscheiden, was er als plausibler betrachtet; und genau das ist dann gewissermaßen das "letzte entscheidende Kriterium". Dass es vielen Menschen in der Praxis offenbar leichter fällt, vernünftig empirisch-wissenschaftlich als vernünftig philosophisch zu denken, will ich nicht abstreiten - aber das steht wieder auf einem anderen Blatt.)

 

Vielleicht sollten wir die Sache aber einfach mal anders angehen - anstatt dass ich immer lang und breit meine Position und meine Kritik begründe, versuchst Du einfach mal Deine Behauptungen zu begründen. Denn das hast Du bisher ja nicht wirklich getan:

 

- Wenn es etwa um Deine Meinung geht, wonach nur Inhalte, die durch "Fakten belegbar" seien, zu Erkenntnissen führen könnten, so argumentierst Du "zum Beweis" immer, dass die Erfahrungs-Wissenschaften nur weiterkommen, wenn sie ihre Aussagen empirisch prüfen, und dass sie auch dann bestenfalls eine Annäherung an die Wahrheit erreichen.

Warum das aber etwa für die Philosophie - die ja keine Erfahrungswissenschaft ist und sich ganz andere Fragen stellt - relevant sein sollte, sagst Du nirgendwo. Du magst dann eben erneut behaupten, dass nur das Denken, das an der Erfahrung prüfbar ist, zu Erkenntnissen führen könne (und dass also nur eine Erfahrungswissenschaft zu Erkenntnissen führen könne).

Das ist aber kein Argument, sondern entweder die reine Wiederholung Deiner Behauptung oder ein Zirkelschluss.

 

- Schon mehrfach habe ich Dich darauf hingewiesen, dass Deine eigene Position nicht empirisch prüfbar ist, und dass Deine Thesen nach jeder Definition der Welt "philosophisch" im vollen Sinne sind. Und dass Deine Auffassungen daher extrem selbstwidersprüchlich sind.

Du gehst auf diese Kritik so gut wie überhaupt nicht ein. Stattdessen erklärst Du einfach nur mal in einem Nebensatz, dass Deine Thesen irgendwie "(wissens)soziologisch" zu verstehen seien. Was das genau heißen soll, sagst Du nicht. Auf meine detaillierten Ausführungen dazu, dass Positionen der Art, wie Du sie vertrittst, weder zum Gegenstandsbereich der Sozialwissenschaften gehören noch mit sozialwissenschaftlichen Methoden als wahr oder falsch erweisbar sind, schweigst Du Dich aus. Auf meine wiederholte Bitte, konkret aufzuzeigen, wie jene Thesen von Dir, welche m.E. eindeutig philosophisch sind, mithilfe sozialwissenschaftlicher Methoden belegt werden können sollen, reagierst Du ebenfalls nicht.

 

Daher noch einmal die herzliche Bitte an Dich, wenigstens zu begründen,

 

- wieso nach Deiner Meinung nur dort "Wissen" entstehen kann, wo eine empirische Prüfung möglich ist. (Und hier bitte keine Beweise dafür, dass die "empirischen Wissenschaften" auf empirische Prüfung angewiesen sind, und bitte keine zirkulären "Beweise". Und bitte auch keine Beweise, welche nicht ihrerseits selbst empirisch prüfbar bzw. empirisch widerlegbar sind.)

 

- wie ein Soziologe mit den Methoden seines Faches belegen können sollte, dass das Denken, sofern es nicht empirisch prüfbar ist, keine Erkenntnis generieren kann, oder dass philosophische Erkenntnis unmöglich sei. (Und ein Beweis dafür, dass die entsprechenden Fragen überhaupt zum Themengebiet der Sozialwissenschaften gehören, wäre auch noch nett, ist aber zweitrangig.)

 

Ebenfalls wäre es nett, wenn Du wenigstens auf mein Beispiel mit der Duhem-Quine-These eingehen könntest, und zwar indem Du zu meinen konkreten diesbezüglichen Anmerkungen Stellung nimmst. .

bearbeitet von iskander
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vor 14 Stunden schrieb iskander:

Ebenfalls wäre es nett, ...

 

Nein, ich war jetzt lange genug nett. Mein Punkt ist ganz einfach: Philosophie, ebenso wie Religion, trägt nichts mehr zur Erklärung dieser Welt bei, ist aber, im Unterschied zur Religion, und das demonstrierst du hier immer wieder wortreich, selbst ganz anderer Ansicht. 

 

So wie die Theologie außerhalb der Religion keine Bedeutung mehr hat, so ist auch die Philosophie außerhalb ihrer selbst ohne Bedeutung, ein totes Pferd, wie jemand so treffend sagte. Du bist natürlich ganz anderer Ansicht, und ich habe nicht vor, dir deinen Glauben auszureden (schon allein, weil es ganz offenkundig nicht geht). 

 

Wir sprechen unterschiedliche Sprachen, und zu einem gewissen Teil leben wir auch in unterschiedlichen Welten. Das ist an sich nichts Ungewöhnliches. Mit Religiösen ist es ähnlich. Die haben sich allerdings zu einem großen Teil (zumindest in unserer Weltgegend) darauf verständigt, daß Religion und Wissenschaft zwei ganz unterschiedliche Ebenen sind, und man einerseits ein Gläubiger sein kann, und andererseits sich eines methodischen Naturalismus bedienen kann, um Wissenschaft zu treiben. 

 

So könnten auch Philosophen, die doch sonst so stolz sind auf ihre Fähigkeit zu denken, zu der Einsicht kommen, daß Philosophie und Wissenschaft zwei ganz unterschiedliche Ebenen sind, das eine eine Welt der Metaphysik, die Welt der abstrakten Gedanken, das anderen die beobachtbare Wirklichkeit. 

 

Es ist sicherlich kein Geheimnis, daß ich mit beidem, der Welt des Glaubens wie der metaphysischer Gedanken, nichts anfangen kann. Deshalb diskutiere ich weder Theologie noch diese Form von Philosophie, sondern bemühe mich nur um eine klare Abgrenzung zu beiden Disziplinen. Ich hatte gehofft, darin würden wir weiterkommen. Ich habe mich getäuscht. 
 

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vor 16 Stunden schrieb iskander:

Hier gilt doch zweifelsohne Folgendes:

- Die These ist erkennbar wahr.

- Die Wahrheit der These wird durch das vernünftige Denken erkennt. Dieses Denken mag in einem gewissen Sinne "empirisch informiert" sein, aber die These selbst ist nicht empirisch belegbar; eine empirische Prüfung der These ist unnötig bzw. sogar unmöglich, und ihre empirische Korrektur ist ausgeschlossen.

- Die These gehört eindeutig in den Bereich der Philosophie, in diesem Fall der Wissenschaftstheorie.

 

zu 1. nein. Sie ist falsch.

zu 2. Die Falsifizierung der Newtonschen Gravitationstheorie erfolgte durch Beobachtungen im relativistischen Bereich. In der empirischen Wissenschaft ist eine Falsifizierung kein Problem, weil auch ein "Irrtum" (idF.: "Das Gravitationsgesetz nach Newton ist eine universelle Wahrheit") eine sehr wertvolle Erkenntnis darstellt, zu wichtigen neuen Fragen führt und damit das Gegenteil eines Problems ist.

zu 3. ja, und ein schöner Beleg dafür, dass der Philosophie der Papierkorb fehlt. Eine These wird durch Worte zu einer erkennbaren universellen Wahrheit. Amen. Der Taschenlügnertrick dieser These ist dabei ihre angebliche Gültigkeit als philosophische, bzw. als nichtrelativistische, erkennbare  "Wahrheit", während sie Erkenntnis relativistisch definiert. Kein Wunder, warum es keinen Nobelpreis für Philosophie gibt.

 

Desweiteren ist die Duhem-Quine-These jünger als die Relativitätstheorie, welche die problematischen empirischen Beobachtungen zur Gravitation nachvollziehbar macht(e). Die Urheber dieser These hätten also wissen können, dass ihre These nichts taugt. Das Gravitationsgesetz nach Newton ließ sich nicht "an die Beobachtung anpassen" und es standen auch keine "Reihe weiterer Theorien mit zur Debatte".

 

Macht euch doch mal ehrlich. Der philosophische Wahrheitsbegriff ist blanke Metaphysik. Nur wofür? Neue Fragen können es per Definition nicht sein. Mir kommt es vor wie die ewige Suche nach Atlantis.

 

Gruss, Martin

bearbeitet von Soulman
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vor 7 Stunden schrieb Marcellinus:

Nein, ich war jetzt lange genug nett. Mein Punkt ist ganz einfach: Philosophie, ebenso wie Religion, trägt nichts mehr zur Erklärung dieser Welt bei [...]

 

Deine "Nettigkeit" besteht darin, dass Du hier andauernd Thesen wiederholst, die Du nicht einmal im Ansatz beweist. Dein "Beweis" etwa für die gerade zitierte These erschöpft sich darin, dass Du immer wieder dieselbe Behauptung tätigst; und dass Du ansonsten analysierst, wie Erfahrungswissenschaften vorgehen und welchen Limitationen sie unterworfen sind. Dass das höchstens dann relevant wäre, wenn Du (zirkelfrei) zeigen könntest, dass Philosophie nach denselben Prinzipien funktioniert (oder eigentlich funktionieren müsste) wie Erfahrungswissenschaften, muss ich Dir nicht erklären?

 

Oder doch? Ist das ein kritischer oder kontroverser Punkt? Immerhin kommen auf meine Rückfrage, wie Du Deine Thesen zur Philosophie untermauern könntest, fast jedes mal sehr ausführliche Analysen zur Vorgehensweise der Naturwissenschaften. Das wäre dann immerhin keine fehlende "Nettigkeit", sondern ein Missverständnis, das sich hoffentlich ausräumen ließe. .

 

Eine merkwürdige Form der "Nettigkeit" besteht aber jedenfalls darin, dass Du immer dann, wenn ich Dir konkrete Beispiele für genuine und gültige philosophische Erkenntnis gebe, diese komplett ignorierst. Meine Bitte, darauf einzugehen, nutzt absolut nichts, in keinem einzigen Fall. So etwa jetzt zuletzt mit der Duhem-Quine-These, die immerhin etwas Grundsätzliches über unser Wissen über die erfahrbare Welt besagt und daher sicher schon für sich genommen ein Einwand gegen Deine Thesen wäre.

 

Du erklärst nicht, was mit meinen Beispielen - und das heißt hier: mit meinen Argumenten - nicht stimmt, sondern ignorierst diese einfach komplett!

 

Zitat

So wie die Theologie außerhalb der Religion keine Bedeutung mehr hat, so ist auch die Philosophie außerhalb ihrer selbst ohne Bedeutung, ein totes Pferd, wie jemand so treffend sagte.

 

Der Beweis?

a) Du behauptest es.

b) Du verweist darauf, dass die Erfahrungswissenschaften auf empirische Überprüfbarkeit ihrer Aussagen angewiesen sind

 

Zitat

So könnten auch Philosophen, die doch sonst so stolz sind auf ihre Fähigkeit zu denken, zu der Einsicht kommen, daß Philosophie und Wissenschaft zwei ganz unterschiedliche Ebenen sind, das eine eine Welt der Metaphysik, die Welt der abstrakten Gedanken, das anderen die beobachtbare Wirklichkeit. 

 

Dass Philosophie und Einzelwissenschaft auf unterschiedlichen Ebenen operieren bzw. sich unterschiedliche Fragen stellen, versuche ich Dir die ganze Zeit klarzumachen. Soweit Philosophie sich auf "beobachtbare Dinge" bezieht, tut sie es unter einem ganz anderen Aspekt als empirisch arbeitende Wissenschaften (anderes Formalobjekt). Und was die "Welt der abstrakten Gedanken" angeht, so müsste man darüber reden, was Du im Detail meinst. Und vermutlich kämen wir schon hier an einen Knackpunkt.

 

Zitat

Wir sprechen unterschiedliche Sprachen, und zu einem gewissen Teil leben wir auch in unterschiedlichen Welten. Das ist an sich nichts Ungewöhnliches. Mit Religiösen ist es ähnlich.

 

Das hat wohl weniger mit der Sprache zu tun, sondern damit, dass Du eine ganz "spezielle" Philosophie pflegst, ohne es zu merken.

Unter anderem hast Du philosophische Überzeugungen dazu,

 

- inwieweit der Mensch überhaupt zur Erkenntnis fähig ist

- ob das empirisch nicht prüfbare Denken zu Erkenntnissen führen kann.

- wie Denken und Empirie sich überhaupt zueinander verhalten.

- was die grundsätzlichen Möglichkeiten und Grenzen empirischer Wissenschaft ausmacht

- wie sich Philosophie und Naturwissenschaften zueinander verhalten.

- was die Natur von Logik und Mathematik ist, und was Wahrheit ist und wie die beiden genannten Disziplinen sich zu ihr verhalten.

 

Ich habe Dich jetzt wirklich X mal gebeten, dass Du erklärst, wie sich diese Deine ganzen Thesen empirisch prüfen oder begründen lassen, oder inwiefern sie keine Philosophie darstellen - denn sonst stellen sie einen einzigen Selbstwiderspruch dar.

Die einzige Antwort, die man jedoch mal zwischendurch bekommt, ist der höchst allgemeine und unbestimmte Verweis auf die "Wissens-Soziologie"; Deine Thesen seien sozialwissenschaftlich zu verstehen.

Was damit konkret gemeint ist, erklärst Du aber auch auf mehrere Nachfrage nicht. Und nirgendwo legst Du auch nur im Ansatz dar, wie man allein auf Grundlage sozialwissenschaftlicher Erkenntnisse (und ohne in die Philosophie gehen zu müssen) Deine ganzen Thesen konkret begründen könnte! Oder wie sie mithilfe der Soziologie "empirisch prüfbar" gemacht werden können. Nirgendwo etwas dazu, wie das auch nur im Prinzip, wie das rein methodisch funktionieren könnte!

 

Und ginge es beispielhaft nur darum, wie man Deine zentrale These, dass jedes Erkennen auf empirische Prüfbarkeit angewiesen sei (und dass die Philosophie keine Erkenntnisse generieren könne) sozialwissenschaftlich begründen und dann empirisch überprüfen könne.

(Spannend wäre es natürlich auch, wie man Deine Thesen zur Natur der Logik allein aus der Analyse sozialer Gegebenheiten gültig ableiten oder auf sozialwissenschaftlicher Basis valide empirisch prüfen könnte; aber das wäre dann die Kür.)

 

Obwohl es sich da wirklich um ein entscheidendes Moment der ganzen Diskussion handelt, obwohl der Gutteil meiner Kritik darauf abzielt, und obwohl ich selbst ausführlich auf Deine These mit der sozialwissenschaftlichen Begründbarkeit Deiner Auffassungen eingegangen bin, kommt zu diesem neuralgischen Punkt von Deiner Seite:

Nichts! Rein gar nichts!

 

Die gesamte detaillierte Kritik, die ich an der Selbstwidersprüchlichkeit Deines gedanklichen Systems übe, schmetterst Du ab mit dem Hinweis, dass Deine Thesen "wissenssoziologisch" zu verstehen seien - ohne jedoch in irgendeiner Weise plausibel zu machen, wie man sie rein soziologisch verstehen kann, wie sie soziologisch begründbar sein sollen, inwiefern man sie dann "empirisch prüfen" kann, oder wieso meine entsprechenden Einwände obsolet sein sollten.

 

Auf meine zentrale Kritik an Deinen Thesen antwortest Du also, indem Du ein einziges Schlagwort hinwirfst, zu welchem Du von Dir aus nichts sagst, und zu welchem Du dann auch jede Rückfrage ignorierst.

 

Wenn dieses Dein Gebaren - zu dem wie gesagt auch das konsequente Ignorieren aller meiner Beleg-Beispiele gehört - für Dich nicht nur ein faires, sondern sogar ein "nettes" Diskussions-Verhalten darstellt, dann sprechen wir allerdings wirklich unterschiedliche Sprachen.

 

@Soulman

 

Nimm's mir nicht übel, aber Du hast die Duhem-Quine-These bzw. die ihr zugrundeliegende Problematik nicht einmal im Ansatz verstanden. 

(Bitte verlange von mir nicht, dass ich Dir den Sachverhalt erkläre, sondern google selbst. In der englischsprachigen Wikipedia findet sich beispielsweise etwas Brauchbares, wenn auch eher rudimentär. Hier (englisch) scheint es auch ganz gut erklärt zu sein, auch wenn ich es nur grob überflogen habe. Vorausgesetzt natürlich, Du hältst es überhaupt für eine realistische Möglichkeit, dass das Verständnis-Problem auf Deiner Seite liegen könnte.)

 

Womit Du immerhin bewiesen hast, was ich schon gesagt hatte: Ganz so trivial ist diese Erkenntnis (Duhem-Quine) eben doch nicht. Womit wir dann ein gutes Beispiel für eine genuine, nicht ganz triviale und relevante philosophische Erkenntnis hätten - also etwas, was man dann am besten durch konsequente Nicht-Beachtung "entkräftet", jedenfalls sofern man ein bestimmter anderer, namentlich ungenannter Teilnehmer dieser Diskussion ist.

 

Der Rest Deines (z.B "ihre [der Philosophie] angebliche Gültigkeit als philosophische, bzw. als nichtrelativistische, erkennbare  'Wahrheit', während sie Erkenntnis relativistisch definiert") hat keinerlei mir verständlichen Sinn, weshalb ich darauf nicht eingehen kann.

bearbeitet von iskander
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vor 28 Minuten schrieb iskander:

Nimm's mir nicht übel,

mach ich nicht. Schwamm drüber.

 

lieben Gruss, Martin

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vor 2 Stunden schrieb Soulman:

mach ich nicht. Schwamm drüber.

 

lieben Gruss, Martin

 

Umso besser! Und falls Du den von mir verlinkten Text gelesen und verstanden hast, dürften ja hoffentlich auch alle Missverständnisse ausgeräumt sein.

 

Da Du ja @Marcellinus zudem zuzustimmen scheinst, lade ich auch Dich ein, die an ihn gerichteten Fragen zu beantworten; also zumindest einmal aufzuzeigen, wie man eine These der Art "Was sich nicht empirisch prüfen lässt, ist kein Wissen", ihrerseits empirisch prüfen kann (denn sonst würde sie sich ja selbst aufheben). Wenn nicht im Detail, dann doch wenigstens, wie das "prinzipiell" funktionieren sollte. (Sei es "soziologisch" oder wie auch immer)

.

Und da Marcellinus zumindest bisher diese Frage nicht beantwortet und auch keinen sachdienlichen Hinweis gegeben hat, kann sie vielleicht sonst jemand beantworten.

bearbeitet von iskander
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@iskander

Es hat keinen Sinn. Du hast von Naturwissenschaften, und wie sie funktionieren, offenbar keine Ahnung. Dein Reden von „Erfahrungswissenschaften“ oder die Idee, „empirische Beweise“ beruhten wesentlich auf Sinneserfahrungen, sprechen eine klare Sprache. Und nein, der Wert eine wissenschaftlichen Erkenntnis besteht nicht darin, ob dem einzelnen Wissenschaftler seine eigene These „plausibel“ erscheint. In der Philosophie mag das hinreichen, aber deshalb die Qualitätskriterien der Naturwissenschaften zu ignorieren oder sogar in Abrede zu stellen, nur weil die eigene Disziplin so etwas wie Qualitätskriterien gar nicht hat, ist schon dreist. 

 

Um dir eine Ahnung davon zu geben, was unter dieser empirischen Überprüfung naturwissenschaftlicher Theorien zu verstehen ist, könntest du nach „Einstein Sonnenfinsternis“ googlen. Falls dir das zu anstrengend ist, hier der Link: Die Sonnenfinsternis, die Einsteins Relativitätstheorie bewies. 

 

Hier hast du alles zusammen, eine wissenschaftliche Theorie, die auf einem wissenschaftlichen Gebiet, in diesem Falle der Astronomie, ein neues Modell anbot, das über die bisher geltenden Modelle hinausging, ein empirischer Beweis, der eben etwas anderes ist als eine „Sinneserfahrung“ und eine wissenschaftliche Community, die ihre Anerkennung einer neuen Theorie von eben einem solchen empirischen Beweis abhängig macht, selbst aufgrund ihrer Fachkenntnis die Kriterien aufstellt, die für die Anerkennung einer neuen Theorie maßgeblich sind, ohne einen Philosophen weit und breit. 

 

Und das Schöne! Es funktioniert! Letzte Bestätigung für Einsteins Theorie: Die Messung von Gravitationswellen 2016, die Einstein aufgrund seiner Berechnungen 1916 vorhergesagt hatte. Nichts davon hat mit Philosophie zu tun, nirgendwo braucht es Philosophen, die Theorien danach beurteilen, ob sie ihnen „plausibel“ erscheinen. Im Gegenteil: für die moderne Physik ist es gerade charakteristisch, daß sie „unplausibel“ ist, aber durch exakte Messungen bestätigt werden kann. Kein modernes Navigationsgerät würde ohne dies funktionieren. Würden wir darauf warten, daß Philosophen so etwas konstruieren, kämen wir nie irgendwo an, wie die Philosophie insgesamt auch nicht. 

 

Und nun gehe nach Hause, gehe in dich, und überdenke dein Leben. :D Diese „Diskussion“ mit dir ist für mich jedenfalls zu Ende. 

 

Viele Grüße
Marcellinus
 

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Ich habe mich entschlossen, doch etwas zur Duhem-Quine-These zu schreiben, weil @Marcellinus und @Adonai den entsprechenden Beitrag von @Soulman geliked haben und ich also davon ausgehen muss, dass auch ihnen das Prinzip nicht vertraut ist. 

 

Man kann nie eine isolierte Theorie T, die sich auf die empirische Wirklichkeit bezieht, prüfen, sondern immer nur ein Konglomerat aus einer Theorie T, aus Hintergrundannahmen über die Wirklichkeit (was wir als "Hintergrundwissen" zu wissen glauben) und aus Theorien über unsere Beobachtungen bzw. Messungen. (Hintergrund-Annahmen und Annahmen über unsere Beobachtung seine hier zu "Hilfshypothesen" zusammengefasst.)

 

Der oben verlinkte Text macht das Problem an einem sehr einfachen Beispiel deutlich. Nehmen wir an, jemand will den Siedepunkt von Ethanol messen und kommt dabei zum Ergebnis, dass er nicht bei ca. 78,5 Grad Celsius liegt (obwohl er das "sollte"). Ist damit die These, dass Ethanol bei ca. 78,5 Grad siedet, "falsifiziert"? Natürlich nicht - man wird eher eine der Hilfshypothesen anzweifeln. Hilfshypothesen wären in diesem Fall etwa:

- Dass sich im Becher tatsächlich Ethanol befindet.

- Dass der Luftdruck im Labor normal ist.

- Dass das Thermometer richtig funktioniert.

- ...

 

Man wird also annehmen und festhalten:

 

"The sample in the beaker is not ethanol, or my thermometer is not working properly, or my glassware is not clean, or the sample is contaminated, or the air pressure in the lab is unusual, or (any of a number of other alternatives). [...]

Auxiliary hypotheses are crucial, but usually unstated, parts of any instance of disconfirmation reasoning. Auxiliary hypotheses are crucial simply because, without them, we would not expect to get the observation in question. And as the case of the beaker of ethanol illustrates, in any situation where a theory is used to make a prediction that turns out to be incorrect, it is always possible (indeed, in many cases it is likely) that the theory is fine and that one or more of the auxiliary hypotheses are mistaken. [...]

The same situation with auxiliary hypotheses arose (and is still present) in the cold fusion example. It is true, for example, that the large number of neutrons one would expect to observe from cold fusion were in fact not observed. But the expected large number of neutrons depends on the auxiliary hypothesis that the processes involved in cold fusion are more or less similar to the processes involved in usual (hot) fusion. The proponents of the theory had the option–and indeed, they took this option–of retaining their belief in cold fusion and instead rejecting the auxiliary hypothesis that cold fusion is like usual fusion. In the case of cold fusion theory, eventually the quantity of disconfirming evidence increased to the point where there are now relatively few who still accept cold fusion theory (though notably, there are still those who continue to adhere to cold fusion theory and reject the ever-available auxiliary hypotheses). But in general, the question of when it is more reasonable to reject a theory in the face of disconfirming evidence, and when instead it is more reasonable to reject one or more of the auxiliary hypotheses, is an extraordinarily difficult question. And importantly, there is no recipe for answering this question.

In short, then, here are the two most important points about disconfirming evidence and reasoning. First, when one is faced with evidence that seems to disconfirm a theory, it is not only an option, but indeed it is often more reasonable, to maintain one’s belief in the theory and instead reject one of the auxiliary hypotheses. And second, the question of when it is more reasonable to reject a theory, and when instead it is more reasonable to reject one or more of the auxiliary hypotheses, is not a question that can be answered by applying any cut and dried recipe."

 

Dahinter steht eine simple Logik: Wenn eine Konjunktion von Sätzen (A und B und C und D) falsch ist, dann wissen wir erst mal nur, dass mindestens einer der Sätze falsch sein muss. Ob das aber "unsere zu prüfende These" T ist, die falsch ist, oder eine Hilfsannahme, wissen wir erst mal nicht.

Und zweitens ist folgende Erkenntnis wichtig: Wir können nie zu 100% sicher sein, dass unsere Annahmen über unsere Messungen und unsere "übrigen" Überzeugungen über die physische Wirklichkeit völlig korrekt sind. Es könnte immer Abweichungen von unseren Modellen geben - vielleicht auch ganz unerwartete und merkwürdige. Wir müssten ansonsten das Universum in seiner gesamten Wirklichkeit erkennen, und zwar irrtumsfrei. Deshalb können wir auch nie 100% sicher sein, dass unsere Hilfs-Hypothesen stimmen - und damit auch nie, ob die zu testende These falsch bzw. falsifiziert ist.

 

In der Praxis sieht es so aus, dass es in manchen Fällen vernünftig ist, eine vermeintliche Falsifizierung abzulehnen. In anderen Fällen wäre das unvernünftig. Wie es in dem von mir zitierten Text heißt, gibt es aber kein Patent-Rezept, sondern es kommt auf die Plausibilitäts-Prüfung im konkreten Fall an. Und absolute Sicherheit gibt es auch nicht.

 

Für die Bestätigung von Theorien gibt es ebenfalls (neben dem Induktions-Problem) fundamentale Schweirigkeiten. Um nochmals aus dem verlinkten Text zu zitieren:

 

"To illustrate this with just one example, consider again the case of the bending of starlight predicted by Einstein’s theory. This would appear to be a pretty simple prediction and observation. Everyone agrees Einstein’s theory predicts the bending of starlight, and that a solar eclipse would provide an opportunity to observe such bending. So go out during the next solar eclipse, and see whether or not starlight is bent. The observation may not be trivial, but it does sound reasonably straightforward. But in fact the case is not at all so straightforward. For example, in order to do the calculations necessary to predict the position of bent versus unbent starlight, a good number of simplifying–and, strictly speaking, incorrect–assumptions had to be made. In the actual observations in May of 1919, in order to make the calculations manageable, the sun was treated as a perfectly spherical, non-rotating body, with no outside influences acting on it (such as the gravitational effects of bodies such as the Earth, moon, and other planets). Of course, in fact the sun is not spherical, and it rotates, and there are any number of outside influences acting on it. In short, everyone knew these assumptions were wrong, but everyone also knew that, without making such simplifying assumptions, the necessary calculations could not be done. Most (not all, but most) of those familiar with the bent starlight observations of 1919 agree that these simplifying assumptions did not change the overall implication of the observation, namely, that the observation provided confirming evidence for Einstein’s theory. Nonetheless, the point I am trying to drive home is that actual cases of confirming evidence tend to involve factors that are much more complex than are generally recognized."

 

Ein Problem ist hier erneut, dass wir wieder eine Theorie T nicht allein prüfen können, sondern immer nur zusammen mit Hilfshypothesen. Aus diesem Konglomerat leiten wir dann Vorhersagen ab. Ist (wenigstens) eine dieser Hilfshypothesen falsch, dann könnten wir unter Umständen einen bestimmten Befund als Bestätigung für die Therie T interpretieren, obwohl er T gar nicht wirklich bestätigt. (Ein ganz simples Beispiel: Vielleicht ist das Reagenzglas verunreinigt. Ein komplexeres Beispiel wurde in der gerade zitierten Passage über die Ablenkung des Lichts angedeutet, wobei im Text noch nicht einmal die Möglichkeit von unbekannten Störvariablen in Betracht gezogen wird.)

 

Abgesehen davon gibt es nicht nur eine Theorie, die einen bestimmten empirischen Befund (zusammen mit ihren Hilfshypothesen) erklärt, sondern mehrere.

 

Auch hier gilt natürlich wieder, dass es "praktisch" dennoch unvernünftig wäre, bestimmte Bestätigungen ernsthaft zu bezweifeln; aber auch hier muss wieder im individuellen Fall entschieden werden, was plausibel ist, und auch hier gibt es wieder keine absolute Sicherheit.

 

Soweit man einfach nur "historisch" feststellt, dass es bsiher nicht immer gelungen ist, Hypothesen zu falsifizieren, auch wenn sie den Beobachtungen zu widerprechen scheinen, ist das noch keine Philosophie. Vielleicht meint man dann, dass das Problem lösbar sei oder an bestimmten wandelbaren Bedingungen hängt und vielleicht in der Zukunft nicht mehr auftritt. Wenn man allerdings versteht, dass dieses Problem universal ist, dass es prinzipiell nicht (völlig!) lösbar ist, dass es auch in der Zukunft noch da sein wird; und wenn man außerdem versteht warum das so sein muss, dann betritt man eine meta-wissenschaftliche Ebene (nämlich die der Wissenschaftsphilosophie), Und sie beruht nicht auf einer Verallgemeinerung empirischer Befunde, sondern auf Einsicht in einen allgemeingültigen Zusammenhang.

Die Duhem-Quine-These ist nicht allein naturwissenschaftlich (etwa mit den Mitteln der Physik) begründbar, und sie ist auch nicht "empirisch prüfbar". Wahr ist sie trotzdem.

 

Ich hoffe, dieser kurze Exkurs hat etwas Licht ins Dunkel gebracht.

bearbeitet von iskander
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@Marcellinus

 

Mein letzter Beitrag hat sich mit Deinem gekreuzt. Vielleicht möchtest Du ihn Dir oder auch den verlinkten Text, aus welchem ich zitiere, nochmals in Ruhe durchlesen, bevor Du in eine sinnlose Polemik verfällst.

 

Die Terminologie, die ich verwende (z.B. "empirische Wissenschaften" oder "Erfahrungswissenschaften") ist allgemein etabliert. Und diese Begriffe implizieren nach dem üblichen Sprachgebrauch auch nicht jene naiven und falschen Vorstellungen, die Du mir unterstellst. Dass Du mit der üblichen Terminologie und ihrer Bedeutung nicht vertraut bist, kreide ich Dir nicht an. Was ich denkwürdig finde ist allerdings, dass Du mir auf dieser Basis wiederholt bestimmte Missverständnisse unterstellst, denen ich bereits mehrfach entgegengetreten bin.

 

Dass empirische Wissenschaften wesentlich auf Sinneserfahrung beruhen, ist schlichtweg eine Tatsache. Wir stellen auch im Falle eines Teilchenbeschleunigers mit unseren Sinnen fest, ob ein Messwert angezeigt wird oder nicht. Dass der Messwert für sich allein noch nichts aussagt, sondern nur innerhalb eines komplexen Theorie-Gebäudes, welches wiederum mit anderen Beobachtungen und Messungen verbunden ist, ist dabei so selbstverständlich wie die Tatsache, dass die sinnliche Erfahrung eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für empirische Wissenschaft ist. Ohne die "basale Stufe" der Empirie, die auch (nicht allein) auf direkterer sinnlicher Erfahrung beruht, gäbe es aber auch keine höheren oder komplexeren Stufen der empirischen Wissenschaft.

Vielleicht kann man meine Aussage missverstehen - aber dann muss man schon etwas böswillig sein.

 

Gut, Du kannst also nicht sagen, wie man mit sozialwissenschaftlichen Mitteln Deine Thesen belegen oder empirisch prüfbar machen kann. Oder meinst Du, dass sich mit dem allgemeinen Hinweis, dass eine empirische Prüfung immer auch mit theoretischen "Annahmen" verbunden sein muss, die Frage schon erledigt hat? Nach dem Motto:

"Jede empirische Prüfung setzt auch theoretische Annahmen voraus - also sind meine Thesen auch sozialwissenschaftlich prüfbar."

 

Es wäre hier aber entscheidend, wie denn jene sozialwissenschaftlichen Ansätze und Methoden, mit denen sich Deine Thesen vermeintlich belegen und prüfen lassen sollen, aussehen sollen.

Dass eine entsprechende sozialwissenschaftliche Prüfung Deiner Thesen auch auf theoretische "Annahmen" angewiesen wäre, ist dabei nicht das Problem, sondern eine Selbstverständlichkeit. Die Frage lautet nur, ob die entsprechenden "theoretischen Annahmen" von jener Art wären, wie die Soziologie sie in Anschlag bringt, um sozialwissenschaftliche Forschungsarbeiten durchführen zu können. Geht es um "Annahmen", wie man sie zur Erhebung, Beschreibung, Erklärung und Einordnung sozialwissenschaftlicher Befunde braucht und verwendet? Dann wäre alles in Ordnung. Sollte man darüber hinausgehend auch noch genuin philosophische Annahmen machen müssen, dann allerdings wäre Deine Soziologie eine verkappte Philosophie. (Wenn man genug philosophische Annahmen in eine Disziplin "reinsteckt", kann man natürlich auch philosophische Fragen auf ihrer Basis beantworten - das gälte selbst für die Botanik, ist aber hoffentlich nicht das, was Du meinst.)

 

Wie Du es aber dann wirklich meinst, weiß ich nicht und kann ich auch nicht wissen, weil Du ja nicht einmal vage andeutest, wie eine soziologische Begründung und Prüfung derjenigen Deiner Thesen, welche ich für eindeutig philosophisch halte, aussehen könnte. Auch in Deinem letzten Beitrag bist Du dieser entscheidenden Frage einmal mehr ausgewichen. Zum gefühlt hundertsten mal.

Dass Du meine Frage nicht beantworten möchtest, weil ich angeblich so gar nichts von Wissenschaft verstehe, ist eine offensichtliche Ausrede. Nicht nur, dass Du meine Frage unabhängig hiervon wenigstens knapp beantworten könntest - sondern Du hast wie gesagt auch die ganze Zeit über eine Antwort beharrlich verweigert, auch als Du mich einer Diskussion mit Dir noch würdig befunden hast und noch etwas zu sagen hattest.

 

Es wäre an dieser Stelle intellektuell weit redlicher, wenn Du einfach zugeben würdest, dass Du keine Antwort hast.

bearbeitet von iskander
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@Marcellinus @iskander

 

Ich möchte mich mal, trotz Eurer offensichtlichen Widersprüchlichkeit der Positionen, mal für diesen Thread bedanken.

In allen langen Beiträgen steckt viel Arbeit, aber auch viele Informationen, zu denen ich erst mal mit Gewinn nachlesen muss.

Eigentlich seid Ihr zusammen der Beleg, dass egal, von welcher wissenschaftlichen Position man ausgeht, allein durch die Konfrontation dieser Positionen häufig einen Erkenntnisgewinn zieht, möglicherweise selbst, durch notwendige Umformulierung für bestimmte Fragesstellungen und erneutes Nachschlagen und Reflexion des schon gewussten, aber auch durch den bewussten didaktischen Eifer des Argumentierens.

Ohne hier jetzt adäquat Stellung nehmen zu können, erscheint mir der Verdienst beider Ansichten deutlich:

1.) Das Experiment und die Beobachtung mit seiner Möglichkeit der Replizierbarkeit bleibt der naturwissenschaftliche Goldstandard.

2.) Die Theorie und die Hypothese (in gewissem Sinne also „Tradition“) sind das sinnvolle Treppengeländer, dass den leichtgläubigen „Absturz“ in die Fehlinterpretation verhindern kann.

Als Beispiel dafür mag das OPERA-Experiment gelten, indem eben die gut beprobte Relativitätstheorie dafür sorgte, die erstaunlichen Messwerte zur Neutrino-Geschwindigkeit zu korrigieren.

Auf der anderen Seite konnte Einstein sich Zeit seines Lebens nicht mit den vermeintlichen Paradoxien der Quantenmechanik anfreunden.

Die Nützlichkeit verschiedener Ansatzpunkte liegt eben in der „skeptischen“ Herausforderung.

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@Marcellinus

 

Hier nochmals etwas zu Deiner Position und zur Duhem-Quine-These, was vielleicht der Klärung dienen könnte.

 

Zu Deiner Aussage, man solle Deine Behauptungen "wissenssoziologisch" verstehen, möchte ich kurz mein eigenes Verständnis wiedergeben.

 

Nach den üblichen Definitionen befassen sich die Sozialwissenschaften mit sozialen Phänomenen. Die Wikipedia etwa schreibt zur "Soziologie":

 

"Soziologie (lateinisch socius ‚Gefährte‘ und -logie) ist eine Wissenschaft, die sich mit der empirischen und theoretischen Erforschung des sozialen Verhaltens befasst, also die Voraussetzungen, Abläufe und Folgen des Zusammenlebens von Menschen untersucht."

 

(Die Definitionen für "Sozialwissenschaften" sehen ähnlich aus.)

Soweit die Soziologie sich mit dem Phänomen des "Wissens" befasst, müsste sie das also immer unter einer bestimmten Rücksicht tun: Nämlich der, von welchen sozialen Bedingungen und Prozessen "Wissen" in welcher Weise abhängt. Die Soziologie fragt also nicht: "Was ist Wissen?" oder "Welche Formen der gültigen Erkenntnis gibt es überhaupt?", sondern etwas wie: "Wie beeinflussen institutioneller Rahmen und andere soziale Faktoren die Entstehung von Wissen etwa in der Chemie?"

 

Insofern würde man meinen, dass Thesen, wie Du sie geäußert hast (etwa dazu, was die grundsätzlichen Möglichkeiten und Grenzen des Wissens sind, ob bestimmte Formen der Erkenntnis auch ohne Empirie möglich sind, was der Status von Logik und Mathematik ist usw.) eigentlich per definitionem nicht in das Feld der Soziologie fallen können - einfach, weil sie keine unmittelbaren Aussagen zu sozialen Bedingungen und Phänomenen beinhalten.

 

Vor allem aber lassen sich mit den Methoden der Sozialforschung (etwa Analyse sozialer Strukturen, sozialwissenschaftliche Experimente) immer nur Fragen prüfen, bei denen ein soziale Bedingungen und Phänomene eine Schlüsselrolle spielen, und immer unter dieser Rücksicht. Eine soziologische Analyse des Verhaltens von Chemikern im Hinblick auf eine bestimmte Forschungsfrage etwa sagt etwas darüber aus, wie die entsprechenden Chemiker sich im Hinblick auf diese Forschungsfrage verhalten - aber erst einmal nichts dazu, wie diese chemische Forschungsfrage inhaltlich zu beantworten ist.

Insofern scheint evident, dass die Soziologie auch aus methodischen Gründen nicht in der Lage sein sollte, Fragen von der Art zu beantworten, welche "gültigen" Formen von Wissen es ganz grundsätzlich gibt, wie die Natur der Mathematik zu interpretieren ist usw.

 

Des Weiteren dürften die "Wissenssoziologie" in der Regel einen "externen" Wissensbegriff haben, soweit es nicht um sozialwissenschaftliche Fragen selbst geht. Denn es lässt sich ja nicht etwa mit sozialwissenschaftlichen Methoden prüfen, ob das, was die Chemiker als "Wissen" betrachten (etwa die Falschheit der Phlogiston-Annahme) tatsächlich "Wissen" darstellt, oder doch nur "vermeintliches Wissen".

Die einzige sinnvolle soziologische Operationalisierung von "Wissen" sieht hier doch wohl so aus, dass man das als "Wissen der Chemie" betrachtet, was nach einem breiten Konsens der Chemiker "Wissen" ist; dass man das, was nach einem breiten Konsens der Chemiker "Unwissen" ist, als "Unwissen" klassifiziert; und dass man sich zu Fragen, die in der Chemie umstritten sind, eines Urteils enthält.

Bei der allgemeinen Frage, was man unter "Wissen" überhaupt versteht, wird hingegen wohl entweder ein alltäglicher oder ein philosophischer Wissensbegriff zum Tragen kommen; denn die Soziologie fragt wie gesagt nicht danach, was Wissen an und für sich ist, sondern was seine sozialen Bedingungen sind.

 

So habe ich das zumindest bisher verstanden. Aber vielleicht verstehe ich auch etwas falsch oder ich stehe auf dem Schlauch; und dann wäre ich für Aufklärung dankbar.

 

Was ich hoffe, richtig verstanden zu haben, betrifft folgende Auffassungen, die ich Dir zuschreibe:

- Deine eigenen Thesen sind nicht philosophischer, sondern soziologischer Natur.

- Ohne empirische Prüfung kann es keine Erkenntnis geben, sondern nur leere Worte.

 

Da ich nun erst mal davon ausgehe, dass Deine eigenen Ausführungen über die Möglichkeiten und Grenzen des Wissens, das Verhältnis von Denken und Empirie, den Status der Philosophie usw. kein leeres Gerede sind, sondern (zumindest wahrscheinliche) gültige Erkenntnis, schlussfolgere ich, dass Deine entsprechenden Thesen empirisch geprüft und bestätigt wurden (und zwar vermutlich dann wohl von den Sozialwissenschaften). Andernfalls wären Deine ganzen Ausführungen ja selbstwidersprüchlich.

Deshalb wäre meine Frage nochmals: Wie ist das zu verstehen, dass Deine Ausführungen "wissenssoziologisch" seien? Wie können sie (mit sozialwissenschaftlichen Mitteln) empirisch geprüft werden? Und vor allem: Welche soziologischen empirischen Prüfungen gab es da, auf die Du Dich beziehst?

 

Ich möchte Dir im Widerspruch zu meinem letzten Beitrag einfach mal zugutehalten, dass Du meine Fragen nur deswegen nicht beantwortest, weil Du angesichts meiner Verteidigung der Duhem-Quite These meinst, dass ich rein gar nichts von der Wissenschaft und ihren Methoden verstünde, und dass es daher nicht sinnvoll sei, meine Fragen zu beantworten. Das wundert mich zwar etwas, da meine speziellen Fragen ja eigentlich unabhängig von meiner extremen Unwissenheit beantwortbar wären, und vor allem, weil ich die Fragen ja schon öfter zu einer Zeit gestellt hatte, als Du noch mit mir geredet hast. Aber es sei, wie es sei. Ich versuche daher nochmals, die Sache mit der Duhem-Quine-These "auszuräumen", um es Dir so hoffentlich zu ermöglichen, mir doch noch zu antworten.

 

Ganz kurz vorausgeschickt: Wir prüfen eine These T ja dadurch, dass wir aus ihr ableiten, was für eine Beobachtung wir machen müssten, falls die These T stimmt; und im nächsten Schritt prüfen wir dann, ob wir die entsprechende Beobachtung auch tatsächlich machen können. Können wir die Beobachtung nicht machen, verwerfen wir die zu prüfende These. (Wenn es draußen regnet, sollten wir die Beobachtung machen können, dass die Straße nass ist; kommen wir trotz Prüfung zum Ergebnis, dass die Straße nicht nass ist, verwerfen wir die These, dass es draußen regnet (ist jetzt nur ein Beispiel zur Illustration).)

 

Die Duhem-Quine-These, die besagt, dass eine solche Falsifikation nie mit "absoluter" Sicherheit erfolgen kann, beruht eigentlich auf nur zwei Prämissen, und der Rest ist elementare Logik:

 

Prämisse 1: Wir testen in der empirisch arbeitenden Wissenschaft nie eine einzelne Annahme, sondern immer eine Annahme im Verbund mit Hilfs-Hypothesen (Hypothesen, die unser "Hintergrundwissen" ausmachen und Hypothesen zu unserem Beobachten.)

 

Das sollte relativ evident sein: Wenn ich eine Gesteinsprobe vom Pluto untersuchen möchte (etwa, um irgendeine These zu falsifizieren), muss ich unzählige Annahmen machen - darunter etwa die, dass der Pluto sich zum Zeitpunkt X befinden wird, wenn meine Sonde auf ihn trifft, und die, dass meine Raumsonde eine ganz bestimmte Route zurücklegt, wenn ich sie so und so beschleunige. Sonst landet meine Sonde womöglich auf dem Charon und nicht auf dem Pluto; und sie bringt dann Gesteinsproben von ersterem mit nach Hause.

Außerdem muss ich natürlich davon ausgehen, dass mein Messgerät, das die Gesteinsproben auf der Erde analysiert, in einer gewissen Weise funktioniert - sonst kann ich aus den Messdaten nichts schließen oder ich schließe sogar etwas Falsches. Auch braucht man stets eine Art "Ceteris-paribus"-Annahme, dass keine unvorhesehbaren oder unbekannten Störfaktoren ins Spiel "hineinpfuschen".

 

Prämisse 2: Wir können uns nie absolut sicher sein, dass unsere Hilfshypothesen wahr sind.

 

Der Grund ist einfach der, dass wir das Universum nicht vollständig und unter Ausschluss jeden möglichen Irrtums erkennen können. Für Dich als Falsifikationisten sollte diese Prämisse leicht zu akzeptieren sein: Wenn wir nicht mit Sicherheit wissen können, ob eine These über die physische Welt wahr ist, dann können wir auch nicht ganz sicher sein, ob die Hilfs-Hypothesen, die wir für eine empirische Untersuchung einer Theorie brauchen, wahr sind. Der Rest ist wie gesagt simple Logik, und ich schreibe das ganze mal informell, aber "schematisch" nieder.
 

1) Wir testen nie eine zu prüfende Theorie T allein, sondern immer im Verbund mit Hilfs-Hypothesen.

2) Wir können nie ganz sicher sein, dass unsere Hilfshypothesen wahr sind.

3) Wenn aus unserer zu prüfenden Theorie T zusammen mit ihren Hilfshypothesen folgt, dass wir die Beobachtung B machen müssten, wir die Beobachtung B aber nicht machen, dann folgt mit dem Schluss des "Modus Tollens" zwar, dass der "Komplex" (logisch: die Konjunktion) aus der zu prüfender Theorie und den ganzen Hilfs-Hypothesen falsch ist. .

4) Das heißt aber nur, dass mindestens eine dieser Annahmen falsch sein muss. Es kann sein, dass nur die Theorie T falsch ist; es kann sein, dass nur eine Hilfs-Hypothese oder auch mehrere falsch sind; und es kann sein, dass T und eine oder mehrere Hilfshypothesen zugleich falsch sind. (Wenn Paul immer im Ochsen sitzt, falls Montag ist und falls außerdem seine Frau aus dem Haus ist, und wenn Paul heute nicht im Ochen sitzt, dann wissen wir nur, dass entweder heute nicht Montag ist, oder dass Pauls Frau nicht aus dem Haus gegangen ist, oder dass weder seine Frau aus dem Haus gegangen noch Montag ist - welche dieser drei Optionen die richtige ist, wissen wir aber nicht.)

5) Daraus folgt, dass es im Prinzip immer möglich ist, dass unsere zu prüfende Theorie T wahr ist, obwohl wir die von ihr im Verbund mit den Hilfshypothesen vorhergesagte Beobachtung nicht machen können. (Es ist in so einem Fall dann eben mindestens eine Hilfs-Hypothese falsch.) Das heißt aber, dass wir eine Theorie nie mit "absoluter Sicherheit" falsifizieren können.

 

Ein ganz einfacher Fall wäre ein falsch negativer Test: Befindet sich die Substanz X in einer Probe, die ich in ein Reagenzglas tue, dann sollte sich der Inhalt des Glases blau verfärben. In der Probe ist die Substanz X, ich tue sie auch ins Reagenzglas, aber es verfärbt sich dennoch nichts. Das kann dann viele Ursachen haben, eventuell auch, dass in der Probe noch andere Substanzen vorhanden sind, die die blaue Verfärbung verhindern. In diesem Fall wäre nicht die zu prüfende These "In der Probe befindet sich die Substanz X" falsch, sondern die Hilfshypothese, die da lautet: "Die Probe ist von kritischen Verunreiningungen frei."

 

Ob es in in Fällen, in denen die Beobachtung einer Theorie (vermeintlich) widerspricht, sinnvoll ist, die entsprechende Theorie als "falsifiziert" zu betrachten (oder ob man stattdessen an den Hilfs-Hypothesen zweifeln sollte), muss in einer Gesamt-Schau aller Umstände abgewogen werden. In manchen Fällen kann es an der Antwort keinen ernsthaften Zweifel geben, in anderen sieht die Sache schwieriger aus.

 

Beim Verweis auf die Duhem-Quine-These ging es mir selbstredend nicht darum, abzustreiten, dass viele Befunde der Wissenschaft einen sehr hohen Grad an praktischer Sicherheit erreichen (wenn auch keine "absolute" Sicherheit); ich habe den Eindruck, dass meine eigenen Ansichten zur Wissenschaft eher sogar etwas weniger skeptisch sind als Deine. Und erst recht ging es mir nicht um eine "Abwertung" der Naturwissenschaft, was ja auch abstrus wäre. Es ging mir einfach um das Beispiel einer doch einigermaßen interessanten (philosophischen) Aussage, die weder empirisch prüfbar ist noch empirisch geprüft werden muss, und die dennoch mit Sicherheit erkennbar wahr ist, (Und es ging mir auch ein wenig darum, dass in den Naturwissenschaften letztlich eine Plausibilitätsprüfung das letzte Wort hat.)  Ich denke, dass dies aus meinen Formulierungen auch offensichtlich hervorgeht.

 

Nun hoffe ich, dass meine obigen Ausführungen zur Richtigkeit der Duhem-Quine-These soweit einsichtig sind; wenn Du meinst, irgendwo einen Fehler zu entdecken, können wir darüber gerne sprechen. Auf jeden Fall aber hoffe ich, Dich davon überzeugt zu haben, dass meine Unwissenheit vielleicht doch nicht ganz so extrem groß ist, dass ein Dialog mit mir von vornherein völlig sinnlos sein müsste, Und so hoffe ich des Weiteren, dass Du Dich in die Lage versetzt siehst, meine oft wiederholte Fragen doch noch zu beantworten - nämlich die, inwieweit Deine Thesen denn sozialwissenschftlich begründet und empirisch prüfbar und geprüft sind.

 

Ich könnte zwar vielleicht auch an einen Sozialwissenschaftler mit breiten Kenntnissen seines Fachs fragen, in welchen soziologischen Forschungsarbeiten der Erkenntnisanspruch aller philosophischen Aussagen mittels empirischer Prüfung falsifiziert wurde, und wo die Soziologie Dein Verständnis von Logik und Mathematik (ebenfalls nach empirischer Prüfung) belegt hat. Aber es sollte doch möglich sein, dass Du selbst mir diese Frage beantwortest, und sinnvoller wäre es doch sicher auch. Wenn mein Hinweis auf die Duhem-Quine-These Dir eine eine Antwort bisher unmöglich gemacht haben sollte, so hoffe ich, dieses Hindernis ausgeräumt zu haben und biete Dir ansonsten den weiteren Dialog zu dieser speziellen Thematik an. Und so bitte ich Dich erneut um eine Antwort und appelliere an Deine gute Absicht. Mehr kann ich nicht tun. 🙂

 

@Shubashi

 

Das freut mich natürlich.

bearbeitet von iskander
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On 9/3/2021 at 7:06 AM, Soulman said:

Macht euch doch mal ehrlich. Der philosophische Wahrheitsbegriff ist blanke Metaphysik. Nur wofür? Neue Fragen können es per Definition nicht sein. Mir kommt es vor wie die ewige Suche nach Atlantis.

Und infolge dessen kann man Philosophie als Meta-Wissenschaft akzeptieren, geschenkt. Aber mehr isses nicht. Denn schon das hier ist falsch:

 

On 9/2/2021 at 4:23 PM, iskander said:

Das ist jetzt wohl ein rein semantisches Problem: Mit "empirischer Erkenntnis" meine ich eine Erkenntnis, die wesentlich auch auf der Sinneserfahrung beruht und von ihr abhängig ist. Also zum Beispiel, dass Kupfer Strom leitet. Ich verwende den Ausdruck somit im üblichen Sinne.

Wenn das besagte Kupferkabel ins Aquarium bammelt und unter Strom steht, ists um die armen Goldfischli darin geschehen. Ergo leitet es den Strom. Das ist mehr als eine empirische Erkenntnis.

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@phyllis

 

Zitat

Und infolge dessen kann man Philosophie als Meta-Wissenschaft akzeptieren, geschenkt. Aber mehr isses nicht.

 

Und das begründest Du jetzt mit welchem wissenschaftlichen oder meta-wissenschaftlichen Argument?

 

Wo ist denn die große Differenz oder gar derWiderspruch, wenn einer sagt,

- dass eine Erkenntnis "wesentlich auch auf der Sinneserfahrung beruht" (kursiv im Original)

- "Das ist mehr als eine empirische Erkenntnis."

 

Jede "empirische Erkenntnis" ist streng genommen nicht rein "empirisch", schon weil sie von einem Denk-Prozess abhängt, bei dem auch der Schluss auf die beste Erklärung eine Rolle spielt. Trotzdem ist das die übliche Redeweise, und sie wird normalerweise auch nicht missverstanden.

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1 hour ago, iskander said:

Und das begründest Du jetzt mit welchem wissenschaftlichen oder meta-wissenschaftlichen Argument?

Wissenschaft ist nur dann Wissenschaft wenn sie etwas liefert. Also bitte welche Errungenschaften verdanken wir ausschliesslich der Philosophie? Wenn sie Vorgaben liefert etwa wie sie Popper beschrieben hat dann ist es typisch "meta".  Wissenschaftliche Ergebnisse wären kaum was wert wenn sie ausschliesslich nur mit den Sinnesorganen wahrnehmbar wären. Wissenschaftliche Erkenntnisse funktionieren weil sie die aussersubjektive Wirklichkeit verstehen und ggfs etwas daran verändern - Medikamente, Früh-Erkennung von Erbkrankheiten, funktionierendes Internet, usw. Auch Geisteswissenschaften sind mmn dazu imstande - Jura, Psychologie, Oekonomie, Konfliktforschung uvam können durchaus zu einer verbesserten Lebensqualität beitragen. Philosophie oder Theologie - naja. Aber ich lass mich immer gern belehren.

 

 

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