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Popper und die Wissenssoziologie


Marcellinus

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vor 10 Stunden schrieb iskander:

Das ist schon richtig, gilt aber natürlich nur für Theorien, die sich auf empirische Sachverhalte beziehen (etwa das Fallgesetz). Er gibt aber Überlegungen, die keine kontingenten empirischen Tatsachen zum Gegenstand haben, sondern "außerhalb" solcher liegen; oder auch solche, die ihnen "systematisch" vorausgehen, indem sie noch "grundlegender" sind. Hätten wir nicht ein (zumindest implizites) Verständnis für Konzepte wie Theorie, Empirie, Wahrheit, Begründung, Gesetzmäßigkeit usw., dann könnten wir auch keine Naturwissenschaft betreiben. Deshalb liegen solche grundlegenden Kategorien "logisch" gewissermaßen "vor" der Wissenschaft. Das "reine Denken" geht in diesem Sinne der empirischen Forschung voraus. Wäre unser "Denken" an dieser Stelle radikal falsch, wäre auch alle Wissenschaft nur Illusion.

Und das ist dann eine der Aufgaben der Philosophie: Das implizit immer Vorausgesetzte und Mitgedachte zu explizieren.

 

Das ist dann doch zu schön, als daß ich es liegen lassen könnte! :D Hast du dich mal mit der Geschichte der Wissenschaften beschäftigt? Offenbar nicht. Johannes Kepler war Astrologe, Isaac Newton Alchemist, Charles Darwin ursprünglich Theologe und Alfred Russel Wallace, der fast zeitgleich zu den gleichen Erkenntnissen kam wie Darwin, war Landvermesser und naturforschender Autodidakt. Johann Friedrich Böttger könnte man noch erwähnen, der auf der Suche nach dem Stein der Weisen war, um Gold herzustellen, und beim Porzellan landete.

 

Keiner von denen hatte auch nur ansatzweise etwas, was du "Konzepte wie Theorie, Empirie, Wahrheit, Begründung, Gesetzmäßigkeit usw" nennst, und schon gar nicht alle die gleichen, und trotzdem haben sie Meilensteine für die Entwicklung der Naturwissenschaften geliefert, während die Philosophen wie die beiden Alten in der Muppet-Show auf der Empore sitzen und alles besser wissen. Kaum irgendwo, und schon gar nicht bei der Grundlegung der naturwissenschaftlichen Bereiche ging "reines Denken" der Sache voraus. Das "Denken" war übrigens in den meisten Fällen falsch, was den wissenschaftlichen Wert aber nicht gemindert hat.

 

Die Philosophie und mit ihr die Philosophen haben damit nichts zu tun, reden sich aber hartnäckig ein, so eine Art Superwissenschaft zu sein. Aufgrund welcher Qualifikation, ist mir allerdings ein Rätsel. Es ist wie im richtigen Leben, erst kommt die "Endstehung des Neuen", die "wissenschaftliche Revolution", die alle bisherigen Theorien, Konzepte und Begründungen über den Haufen wirft, und dann die Akademiker, die nachträglich das alles immer schon gewußt haben wollen, die zwar selbst nie darauf gekommen wären, aber hinterher genau begründen können, warum das alles so kommen mußte. So wie auch du ganz genau weißt, was ich eigentlich meine, wenn genau das Gegenteil sage. ;)

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13 hours ago, Marcellinus said:

Die Philosophie und mit ihr die Philosophen haben damit nichts zu tun, reden sich aber hartnäckig ein, so eine Art Superwissenschaft zu sein. Aufgrund welcher Qualifikation, ist mir allerdings ein Rätsel. Es ist wie im richtigen Leben, erst kommt die "Endstehung des Neuen", die "wissenschaftliche Revolution", die alle bisherigen Theorien, Konzepte und Begründungen über den Haufen wirft, und dann die Akademiker, die nachträglich das alles immer schon gewußt haben wollen, die zwar selbst nie darauf gekommen wären, aber hinterher genau begründen können, warum das alles so kommen mußte. So wie auch du ganz genau weißt, was ich eigentlich meine, wenn genau das Gegenteil sage. ;)

Du bist kein Freund der Philosophie wie mir scheint. ;)`Aber waren es nicht viel mehr die Philosophen als die Naturwissenschaftler welche die Aufklärung vorantrieben? Und was hältst du von mmn sehr klugen Köpfen wie Dennett oder Russell?

bearbeitet von phyllis
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vor 14 Stunden schrieb Marcellinus:

 

Ich schreibe, daß dies alles meine Meinung und keine "Wahrheit" ist, du "interpretierst" das so, daß ich meine Ansicht für eine "wahre Sichtweise" halte. Mehr kann man sich nicht gegenseitig mißverstehen. Da ist nichts "okay", sondern die Diskussion damit praktisch zu Ende. Solange du mir diesen Widerspruch nicht auflöst, sehe ich keinen Sinn darin, auch nur eine Zeile weiter zu schreiben. 

 

Dieses Missverständnis müsste man in der Tat klären!

Wenn ich meine, dass Gold Strom besser leitet als Kupfer, dann halte ich es für wahr, dass Gold Strom besser leitet als Kupfer. Ich würde mich sehr wundern, wenn jemand sagt: "Es ist meine Meinung, dass das so ist - aber ich halte es nicht für wahr, dass es so ist!" Im mir bekannten Sprachgebrauch hält jemand, der etwas meint, das Gemeinte immer auch für wahr - wenn er es vielleicht manchmal auch nur vermutet und nicht restlos überzeugt ist.

 

Wenn Du allerdings tatsächlich mit Deinem "Meinen" nichts über die Wirklichkeit behaupten möchtest, sondern nur über "[D]eine Art, bestimmte Begriffe zu verstehen und verwenden", während ich eben durchaus etwas über die Wirklichkeit behaupte, dann gäbe es gar keine Kontroverse. Dann würden sich unsere Ausführungen dann einfach auf unterschiedliche Dinge beziehen. Es kann ja auch keinen Widerspruch im eigentlichen Sinne zwischen einem Mittelalter-Roman und einem historischen Sachbuch über das Mittelalter - ersterer behauptet nichts über die historische Wirklichkeit, letzteres durchaus.

So nahm ich eben an, dass Du nicht einfach etwas darüber sagen möchtest, wie Du Begriffe verwenden möchtest, sondern darüber, wie sich die Dinge tatsächlich in der Wirklichkeit verhält.

Falls ich mich da irre, können wir uns auf eine einfache Lösung einigen: Du hast in Bezug auf Dein (sprachliches) Modell recht, ich in Bezug auf die Wirklichkeit. (Wenn Du Letzteres bezweifelst, dann allerdings beziehst Du Dich doch auf die Wirklichkeit selbst und nicht nur auf Deine Sprache. 🙂 )

 

 

vor 13 Stunden schrieb Marcellinus:

Keiner von denen hatte auch nur ansatzweise etwas, was du "Konzepte wie Theorie, Empirie, Wahrheit, Begründung, Gesetzmäßigkeit usw" nennst, und schon gar nicht alle die gleichen, und trotzdem haben sie Meilensteine für die Entwicklung der Naturwissenschaften geliefert, während die Philosophen wie die beiden Alten in der Muppet-Show auf der Empore sitzen und alles besser wissen.

 

Ich könnte jetzt darauf verweisen, dass die Naturwissenschaften gewissermaßen aus der Philosophie entstanden sind, aber das geht am eigentlichen Punkt vorbei. Ich erinnere nochmals daran, was ich geschrieben hatte:

 

"Hätten wir nicht ein (zumindest implizites) Verständnis für Konzepte wie Theorie, Empirie, Wahrheit, Begründung, Gesetzmäßigkeit usw., dann könnten wir auch keine Naturwissenschaft betreiben."

 

Die Worte in der Klammer hatte ich nicht umsonst hinzugefügt. Und so ist es doch unzweifelhaft richtig:

Um zum Beispiel Gesetzmäßigkeiten in der Natur beschreiben zu können (und davon "lebt" ein Großteil der Wissenschaft), braucht man zumindest ein implizites Verständnis von Gesetzmäßigkeit, selbst wenn es noch nicht weiter reflektiert ist. Wem jegliches - und sei es intuitives - Konzept von "Gesetzmäßigkeit" völlig fehlt, könnte zum Beispiel weder Aussagen über gesetzmäßige Zusammenhänge formulieren noch solche auch nur verstehen.

Ähnliches gilt für alles andere auch: Wer etwa nicht zumindest ein gewisses intuitives Verständnis von "Theorie" und "Empirie" und ihrem Verhältnis besitzt, wäre nicht in der Lage, seine eigenen Überzeugungen an der Bobachtung oder am Experiment zu prüfen, und er könnte auch nicht verstehen, was überhaupt der Sinn einer solchen Prozedur sein sollte. Man muss, um sinnvoll experimentieren zu können, zumindest intuitiv verstehen, dass die eigene Überzeugung resp. Theorie nicht dasselbe ist wie die Wirklichkeit selbst, und man muss verstehen, dass man durch eine Beobachtung etwas über die Wirklichkeit lernen und auf diese Weise seine Theorie überprüfen kann. (Es ist natürlich in Wahrheit komplizierter, aber dies als ganz einfaches Grundmodell.)

In einem  vermutlich intuitiven und wohl kaum begrifflich-expliziten Sinne ist solches Wissen offenbar sogar manchen höheren Tieren gegeben - etwa wenn ein Vogel erst auf diese Art und Wiese versucht, eine Nuss zu knacken, und nach dem Scheitern dann auf eine andere Art, und sich den erfolgreichen Weg merkt.

 

Mir geht es hier aber nicht primär um die "psychologische", sondern um die "sachliche" Seite: Das Projekt Wissenschaft ist nur deshalb valide bzw. ergibt nur deshalb Sinn bzw. ist nur deshalb rational verständlich, weil eben bestimmte ideelle bzw. apriorische Wahrheiten oder Zusammenhänge gelten (welche wir dann intuitiv oder auch reflektiert erkennen können). Und diese Wahrheiten und Zusammenhänge liegen eben logisch "vor" der Empirie: Jeder Versuch, sie empirisch zu begründen, würde sie bereits voraussetzen.

(Das heißt allerdings nicht, dass es nicht auch interessante philosophische Erkenntnisse gäbe, welche mithilfe der Beobachtung von Einzelwissenschaften gewonnen werden können, aber selbst nicht mehr Gegenstand der Einzelwissenschaften sind.)

 

Damit erledigt sich dann auch folgendes Missverständnis:

 

 

Zitat

Kaum irgendwo, und schon gar nicht bei der Grundlegung der naturwissenschaftlichen Bereiche ging "reines Denken" der Sache voraus. Das "Denken" war übrigens in den meisten Fällen falsch, was den wissenschaftlichen Wert aber nicht gemindert hat.

 

Ich spreche nicht davon, dass man empirische Forschung durch reines Nachdenken über empirische Verhältnisse ersetzen sollte; das wäre wohl auch weniger eine Philosophie als  eine extrem theorielastige Einzelwissenschaft.

Eine vernünftige Haltung besteht darin, dass ein jeder diejenigen Fragen beantworten soll, die er sinnvollerweise beantworten kann: Die Chemie mag untersuchen, wie die Struktur eines Moleküls ausseht; es wäre absurd, ein solches Problem mit philosophischen Mitteln lösen zu wollen. Andererseits wird kein Chemiker behaupten, dass er mithilfe chemischer Messmethoden das Verhältnis von logischer und naturwissenschaftlicher Notwendigkeit erhellen könnte (obwohl seine Arbeit ohne die zumindest implizite Inanspruchnahme von Konzepten wie "Logik" und "Naturgesetzen" nicht vorstellbar wäre, weil diese eben fundamental sind).

 

 

Zitat

Es ist wie im richtigen Leben, erst kommt die "Endstehung des Neuen", die "wissenschaftliche Revolution", die alle bisherigen Theorien, Konzepte und Begründungen über den Haufen wirft, und dann die Akademiker, die nachträglich das alles immer schon gewußt haben wollen, die zwar selbst nie darauf gekommen wären, aber hinterher genau begründen können, warum das alles so kommen mußte.

 

Hierzu das schon Gesagte und nochmals der Hinweise, dass es der Philosophie nicht um einzelne wissenschaftliche Theorien, Konzepte, oder Begründungen geht, die dann morgen vielleicht über den Haufen geworfen werden, sondern darum, was Theorien, Konzepte und Begründungen überhaupt sind, in welchem Verhältnis sie zueinander stehen usw.

 

 

Zitat

Die Philosophie und mit ihr die Philosophen haben damit nichts zu tun, reden sich aber hartnäckig ein, so eine Art Superwissenschaft zu sein.

 

Wer denn? Wo denn? 🙂

Und: In welchem Sinne denn? Philosophie hat es (auch und insbesondere) mit "grundlegenden" Fragen zu tun; falls das "Superwissenschaft" sein soll, dann wäre Philosophie eine "Superwissenschaft".

Wenn es aber darum geht, dass die Philosophie alles weiß oder alles besser weiß, und dass sie Antworten auf Fragen geben möchte, die sinvollerweise nur mit den Methoden der Physik, Mathematik, Geologie, Geschichtswissenschaft, Psychologie usw. beantwortet werden können, dann lautet meine Rückfrage: Welcher halbwegs zeitgenössische, halbwegs prominente Philosoph tut dies?

bearbeitet von iskander
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vor 10 Stunden schrieb phyllis:

Du bist kein Freund der Philosophie wie mir scheint. ;)`

 

Wie kommst du denn darauf? :D

 

vor 10 Stunden schrieb phyllis:

Aber waren es nicht viel mehr die Philosophen als die Naturwissenschaftler welche die Aufklärung vorantrieben?

 

Ja, richtig! Das Verdienst der Philosophie war vor allem ihre Kritik der damals noch herrschenden Theologie. Aber ihre Methode war das Denken, und damit kann man zwar Widersprüche in (meistens fremden) gedanklichen Konzepten aufdecken, den eigenen gedanklichen Beschränkungen gegenüber hat man dagegen meist weniger Distanz. Ich nenne das gern den Descartes'schen Irrtum. Die Philosophen suchten nach dem Archimedischen Punkt für ihr Denken, und den fanden sie in eben diesem Denken selbst, was leider ein bißchen zirkulär ist.

 

Neue Erkenntnisse dagegen gewinnt man nur, wenn unsere Theorien erkennbar an der Wirklichkeit scheitern. Daher sagte Auguste Comte, den ich schon mal zitiert habe, und der selbst ein ziemlich schräger Kauz war, nicht ganz zu Unrecht, es sei die Aufgabe der Philosophie, von der Theologie zur Wissenschaft zu führen, oder, falls sie daran scheitern sollte, in die Theologie, will heißen: den Glauben zurückzufallen. Warum fällt mir hier Habermas ein? ;)

 

Die Philosophie leidet darunter, daß sie eigentlich keinen anderen Gegenstand hat, und auch kein anderes Werkzeug, als das Denken in Begriffen, und da sie in der Tradition der Theologie nach Gewissheit strebt, nach endgültigen Antworten auf Fragen von affektiver Bedeutung, aka "Wahrheit", sucht sie die in absoluten Begriffen, in personifizierten Abstraktionen wie "Vernunft" oder "Natur". 

 

vor 10 Stunden schrieb phyllis:

Und was hältst du von mmn sehr klugen Köpfen wie Dennett oder Russell?

 

Und da hast du eigentlich auch meine Antwort auf Dennett und Russell, beides kluge Köpfe, und überall da lesenswert, wo sie bisherige Dogmen kritisieren. Dort, wo sie dagegen versuchen, eigene "Wahrheiten" zu formulieren, müssen sie einfach scheitern. Besonders bei Dennett ist zu sehen, daß er wissenschaftliche und philosophische Arbeit nicht auseinanderhalten kann, und vermutlich auch nicht will. Ich beziehe mich da besonders auf sein Buch: "Den Bann brechen: Religion als natürliches Phänomen."

 

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vor 19 Stunden schrieb iskander:

Wenn ich meine, dass Gold Strom besser leitet als Kupfer, dann halte ich es für wahr, dass Gold Strom besser leitet als Kupfer. Ich würde mich sehr wundern, wenn jemand sagt: "Es ist meine Meinung, dass das so ist - aber ich halte es nicht für wahr, dass es so ist!" Im mir bekannten Sprachgebrauch hält jemand, der etwas meint, das Gemeinte immer auch für wahr - wenn er es vielleicht manchmal auch nur vermutet und nicht restlos überzeugt ist.

 

Es ist dein Problem, wenn dein Sprachgebrauch über Umgangssprache nicht hinauskommt. Wo es um theoretisch-empirische Wissenschaften geht, heißt die angemessene Formulieren in etwa so: Ich bin der Ansicht, daß Aussage A besser belegbar ist als die bisher angenommene Aussage B, und zwar aus folgenden Gründen. Wenn der Kollege besonders gründlich ist, gibt er auch noch auch, unter welchen Bedingungen seine Aussage als falsifiziert zu gelten hätte. Mit "Wahrheit" aber, im Sinne von "absolut" oder "endgültig" hat das alles nichts zu tun, denn keine wissenschaftliche Aussage, die über die Komplexität des Satzes "die Erde beschreibt eine elliptische Bahn um die Sonne" hinausgeht, ist absolut oder endgültig. Die Beispiele, die Philosophen für ihren Wahrheitsbegriff anführen, haben leider alle genau diese Komplexität.

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vor 20 Stunden schrieb iskander:

Mir geht es hier aber nicht primär um die "psychologische", sondern um die "sachliche" Seite: Das Projekt Wissenschaft ist nur deshalb valide bzw. ergibt nur deshalb Sinn bzw. ist nur deshalb rational verständlich, weil eben bestimmte ideelle bzw. apriorische Wahrheiten oder Zusammenhänge gelten (welche wir dann intuitiv oder auch reflektiert erkennen können). Und diese Wahrheiten und Zusammenhänge liegen eben logisch "vor" der Empirie: Jeder Versuch, sie empirisch zu begründen, würde sie bereits voraussetzen.

 

Das ist ein Fantasievorstellung von Philosophen. Theoretisch-empirische Wissenschaften sind nicht deshalb erfolgreich, oder "valide", wie du so schön sagst, weil sie irgend einem philosophischen Axiomensystem folgen, sondern weil sie funktionieren! Es ist genau anders herum: erst kommt die Wissenschaft, und dann die philosophische Begründung, die dann übrigens entbehrlich ist. Daß man philosophische Betrachtungen brauchte, um Menschen auf den Mond, und heil wieder zurück zu bringen, glauben nur Philosophen. 

 

Du bist leider auf meine Beispiele von Wissenschaftlern und ihren theoretischen Konzepten nicht eingegangen. Kepler hat zum Beispiel seine Idee der Kreisbahnen der Planeten entwickelt, weil das aus seiner religiösen Vorstellung die einzig denkbare, weil "ideale" Form sein mußte, die einem göttlichen Schöpfer angemessen war. Erst als er anfing, seinen Beobachtungen mehr zu trauen als seiner Religion, fand er ein nachprüfbares Modell. Theologisch oder philosophisch war eine "eiernde" Erde nicht denkbar. In der Praxis existiert sie. 

 

Philosophie ist ebenso wie Religion ein untaugliches und überholtes Mittel, um nachprüfbares Wissen über diese Welt zu gewinnen. Bei den Religionen war es der Irrtum, persönliche Verursacher als Ursache für die Entstehung dieser Welt anzunehmen. Der Irrtum der Philosophen ist, ihr eigenes Denken als Grundlage für die Erklärung dieser Welt zu behaupten. Wissenschaft beginnt da, wo man nicht mehr nach Handlungen, Absichten und Zielen von übermenschlichen Akteuren fragt, oder nach Abstraktionen wie "Vernunft" oder "Wahrheit", sondern einfach fragt, wie beobachtbare Tatsachen nachprüfbar miteinander in Zusammenhang stehen, unabhängig davon, ob das mit theologischen oder philosophischen Glaubensbekenntnissen vereinbar ist. 

 

bearbeitet von Marcellinus
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vor 3 Stunden schrieb Marcellinus:

 

Es ist dein Problem, wenn dein Sprachgebrauch über Umgangssprache nicht hinauskommt. Wo es um theoretisch-empirische Wissenschaften geht, heißt die angemessene Formulieren in etwa so: Ich bin der Ansicht, daß Aussage A besser belegbar ist als die bisher angenommene Aussage B, und zwar aus folgenden Gründen. Wenn der Kollege besonders gründlich ist, gibt er auch noch auch, unter welchen Bedingungen seine Aussage als falsifiziert zu gelten hätte. Mit "Wahrheit" aber, im Sinne von "absolut" oder "endgültig" hat das alles nichts zu tun, denn keine wissenschaftliche Aussage, die über die Komplexität des Satzes "die Erde beschreibt eine elliptische Bahn um die Sonne" hinausgeht, ist absolut oder endgültig. Die Beispiele, die Philosophen für ihren Wahrheitsbegriff anführen, haben leider alle genau diese Komplexität.

 

Na, dann ist das doch wohl wirklich nur ein Aneinander-Vrbeireden, und ich habe Dich schon richtig verstanden, als ich schrieb:

 

"Wobei ich das jetzt schon so interpretiere, dass Du davon ausgehst, dass Deine Auffassung eine vernünftige, vielleicht oder vermutlich auch wahre Sichtweise ist."

 

Außer Du sagst jetzt, dass Du zwar glaubst, dass Deine Aussagen besser "belegbar" (bzw. besser begründet) sind als meine, aber nicht, dass sie mit höherer Wahrscheinlichkeit wahr seien als meine. (Das wäre dann allerdings wohl ein Widerspruch, und im Übrigen wäre es dann auch nicht relevant, ob etwas "besser belegbar" bzw. "gut begründet" ist. Dass wir danach fragen, ob etwas gut belegt ist, ist ja kein Selbstzweck, sondern interessiert uns nur, weil wir hoffen, so der Wahrheit näherzukommen.)

 

Entweder Du erhebst irgendeinen Wahrheitsanspruch (Wahrheit im schlichten Sinne von "es trifft zu"), und sei er auch noch so vorsichtig, eingeschränkt, mit Unsicherheiten behaftet und relativierend - oder Du erhebst keinen Wahrheitsanspruch. In letzterem Fall gäbe es wie gesagt gar keinen "Konflikt". 🙂

 

Wobei wir hier ja gerade nicht theoretisch-empirische Wissenschaft betreiben ("Wo es um theoretisch-empirische Wissenschaften geht"). Sondern wir debattieren über den Status der Philosophie, den Status der empirischen Wissenschaften sowie über die Möglichkeiten und Grenzen des menschlichen Erkenntnisvermögens. Und wir tun das durch "reines Denken". 

Und damit wären wir bei einem zentralen Punkt, auf den ich immer wieder zurückkomme, den Du aber einfach zu übersehen scheinst: Deine ganzen Ausführungen zur Natur von Wahrheit, Wirklichkeit, Philosophie, Wissenschaft usw. sind selbst philosophischer Natur.

Sie sind nicht empirisch. Wir wissen nicht dank unserer Sinneserfahrung, dass es so ist, wie Du es behauptest. Deine Thesen gehen auch weit über alles hinaus, was sich experimentell (etwa im Sinne der Psychologie) belegen ließe. Deine Thesen sind auch keine Ableitungen aus einem axiomatischen System (und dann wären sie auch nur so gut wie die Axiome). Sie betreffen eminent philosophische Fragen und beruhen letztlich auf "reinem Denken" - was ist das anderes als Philosophie???

 

Hier kommen wir an einen Punkt, den Du und andere "Philosophie-" bzw. "Metaphysik-Kritiker" gerne übersehen - dass ihr selbst Philosophie betreibt. Wer ganz grundsätzliche Aussagen zum Verhältnis von Denken und Wirklichkeit tätigt - und die muss eben auch der "Philosophie-Kritiker" tätigen - argumentiert selbst philosophisch.

Ich hatte in diesem Thread schon einmal aus einem Text von Markus Willaschek ("Was ist schlechte Metaphysik?") zitiert:

 

"Wer nämlich die Berechtigung und prinzipielle Möglichkeit solchen Denkens mit Gründen bestreiten will, wird sich dazu äußern müssen, wie sich unser Denken, in seinen verschiedenen Formen und Ausprägungen, zu einzelnen Aspekten der Wirklichkeit, aber auch zur Wirklichkeit insgesamt verhält: Was ist Denken überhaupt? Was sind seine möglichen Inhalte? Wie weit reicht unser Denken, wie weit reicht unser mögliches Wissen? Was sind die Unterschiede, was die Gemeinsamkeiten zwischen erfahrungsnahen Formen des Denkens [...] und erfahrungsfernen Formen [...]? Und vor allem: Kann es uns gelingen, die Wirklichkeit insgesamt und ihre allgemeinen Strukturen begrifflich zu fassen und näher zu bestimmen? Wer auf die letzte dieser Fragen unter Angabe von Gründen mit Nein antwortet, hat das Feld der Metaphysik bereits betreten. [...]

Es liegt aber auf der Hand, daß sich über das Verhältnis von Denken und Sprache nichts ausmachen läßt, ohne das Verhältnis beider zur außersprachlich-außermentalen Wirklichkeit insgesamt näher zu bestimmen. Spätestens an dieser Stelle würde die Begründung einen metaphysischen Charakter annehmen. [...]

Epistemische Metaphysikkritik, so die Konsequenz, kann niemals die Metaphysik insgesamt treffen. Sofern sie sich nicht in einen Selbstwiderspruch verwickelt, ist sie bestenfalls Kritik an schlechter Metaphysik vom Standpunkt einer (wirklich oder vermeintlich) besseren Metaphysik.

Diese Einsicht ließe sich an philosophiegeschichtlichen Fallbeispielen belegen: [...] stets stützt sich die Kritik, die aller Metaphysik ein Ende bereiten will, explizit oder implizit selbst auf metaphysische Thesen. Der mit dieser Art von Metaphysikkritik häufig verbundene bilderstürmerische Gestus erweist sich als rein rhetorische Selbstauszeichnung [...]"


Wenn Du der Auffassung bist, dass Deine Überlegungen nicht philosophischer Natur sind, obwohl ihr Gegenstand und ihre Methode philosophischer Natur sind (klassische philosophische Fragen, die durch vernünftiges Denken erhellt werden sollen), dann wäre es an Dir, zu sagen, was sie denn dann sind.

 

Zitat

[...] denn keine wissenschaftliche Aussage, die über die Komplexität des Satzes "die Erde beschreibt eine elliptische Bahn um die Sonne" hinausgeht, ist absolut oder endgültig. Die Beispiele, die Philosophen für ihren Wahrheitsbegriff anführen, haben leider alle genau diese Komplexität.

 

 

Das liegt auch daran, dass einige Philosophen so bescheiden sind. 😃 Vielen "genügt" es fast schon, wenn sie überhaupt "Wahrheit" an irgendeiner Stelle zu fassen bekommen, egal wie trivial sie ist. Es geht ihnen ja auch "ums Prinzip": Und eine sehr schlichte Wahrheit ist erst einmal genauso eine Wahrheit wie eine "anspruchsvolle". Allerdings geht es dann meistens eher um ideale bzw. apriorische Zusammenhänge (aber nicht triviale "analytische").

 

(Im Übrigen ist ist die Erkenntnis, dass die Erde sich elliptisch um die Sonne bewegt, auch nicht so trivial. Sie kommt uns so vor, weil wir sie eben kennen. Um sie zu etablieren, hat es aber erheblicher wissenschaftlicher Anstrengungen bedurft. Man könnte aus ihr immerhin folgern: Der Mensch kann mithilfe komplexer Wissenschaft immerhin etwas über den Teil des Universums, in dem er lebt, erstaunliche Dinge erkennen.)

 

Du begehst nach meinem Dafürhalten ansonsten letztlich immer den gleichen Fehler: Du unterscheidest nicht zwischen Fragen, die sinnvollerweise nur oder vor allem empirisch beantwortet werden können und solchen, bei denen das nicht der Fall ist. Ich kann es nur nochmals am Beispiel illustrieren: Wie die Struktur eines Moleküls aussieht, ist letztlich eine empirische Frage - selbst wenn sie etwa mithilfe von Modellierungen beantwortet werden kann, dann haben diese doch eine Basis in der Empirie. Was hingegen  ein Naturgesetz ist oder wo die Grenzen des Falsifikationismus liegen, wird man beim besten Willen weder mithilfe eines Experimentes noch einer mathematischen Modellierung entscheiden können.

Trotzdem werden "Naturgesetz", "Falsifikation" und viele andere Konzepte zumindest implizit ständig von der Wissenschaft in Anspruch genommen - ließe sich über sie nichts wissen und hätten wir nicht ein (wenigstens implizites) Verständnis von ihnen, so ließe sich auch keine sinnvolle Wissenschaft betreiben.

bearbeitet von iskander
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vor 3 Stunden schrieb Marcellinus:

 

Das ist ein Fantasievorstellung von Philosophen. Theoretisch-empirische Wissenschaften sind nicht deshalb erfolgreich, oder "valide", wie du so schön sagst, weil sie irgend einem philosophischen Axiomensystem folgen, sondern weil sie funktionieren!

 

Es geht nicht darum, einem "philosophischen Axiomenystem" zu folgen, sondern darum, dass bestimmte Zusammenhänge bestehen und dass wir diese verstehen. Andernfalls wäre es uns nicht einmal möglich, festzustellen, dass eine Wissenschaft "funktioniert" - egal, in welchem Sinne man "funktionieren" definiert. In der Tat wäre es nicht einmal möglich, mit der Wissenschaft auch nur anzufangen. Hätten wir beispielsweise keinerlei (wenigstens implizites) Verständnis von Kategorien wie "Bestätigung" und "Widerlegung", so kämen wir nicht weit. Wir könnten keine empirische Wissenschaft betreiben und erst recht nicht evaluieren, ob sie "funktioniert".

 

Man muss solche Konzepte (wie etwa auch "Wahrheit", "Geltung", "Folgerichtigkeit", "Theorie", "Empirie") nicht explizit reflektieren, um Wissenschaft betreiben zu können - ein gewisses intuitives oder implizites Verständnis genügt. Aber man kann sie reflektieren, und das ist dann eben Aufgabe der Philosophie.

 

 

vor 3 Stunden schrieb Marcellinus:

Du bist leider auf meine Beispiele von Wissenschaftlern und ihren theoretischen Konzepten nicht eingegangen. Kepler hat zum Beispiel seine Idee der Kreisbahnen der Planeten entwickelt, weil das aus seiner religiösen Vorstellung die einzig denkbare, weil "ideale" Form sein mußte, die einem göttlichen Schöpfer angemessen war. Erst als er anfing, seinen Beobachtungen mehr zu trauen als seiner Religion, fand er ein nachprüfbares Modell. Theologisch oder philosophisch war eine "eiernde" Erde nicht denkbar. In der Praxis existiert sie.

 

Weil das für meine Argumentation irrelevant ist. Du glaubst, es ginge mir darum, dass Philosophen sich im Sinne einer Kopfgeburt irgendwelche naturwissenschaftlichen Thesen ausdenken, die dann die Naturwissenschaftler "gefälligst" übernehmen sollten. Egal, wie ich widerspreche und wie ich versuche, zu erläutern, was ich tatsächlich meine - es fruchtet nicht. 🙂

Ich kann nur noch einmal auf das Beispiel mit dem Molekül und dem Naturgesetz hinweisen.

 

Natürlich: Vor Jahrhunderten hatten die Menschen viel weniger empirische Untersuchungsmöglichkeiten als heute, und es gab auch keine formale Trennung von Philosophie und Naturwissenschaft - und mit beiden war die Theologie eng verbunden. Unter solchen Bedingungen mag es vorkommen, dass man dann an nicht-philosophische Fragen auch mit philosophischen Mitteln heranzugehen versucht. Das ist zu kritisieren (genauso wie es zu kritisieren ist, wie wenn z.B. ein Naturwissenschaftler eindeutig philosophische Thesen formuliert, dies aber nicht bemerkt und seine naturwissenschaftliche Autorität für sie in Anspruch nimmt). Daraus aber, dass es schlechte Philosophie gibt, folgt noch nicht, dass alle Philosophie schlecht wäre.

Und Du wendest Dich ja nicht nur gegen die Philosophie des Mittelalters, sondern kritisierst auch die Philosophie im Präsens für ihre angebliche Übergriffigkeit. Dazu erneut die Frage:

Welcher halbwegs zeitgenössische, halbwegs namhafte Philosoph praktiziert jene "Anmaßungen", die Du der Philosophie vorhältst?

 

 

Zitat

Philosophie ist ebenso wie Religion ein untaugliches und überholtes Mittel, um nachprüfbares Wissen über diese Welt zu gewinnen.  [...]

Der Irrtum der Philosophen ist, ihr eigenes Denken als Grundlage für die Erklärung dieser Welt zu behaupten.

 

 

Ich kann mich hier nur wiederholen: Du betreibst selbst Philosophie, was im Widerspruch zu Deiner Rundum-Kritik an der Philosophie steht:

 

- Die Fragen, auf die Du Antwort gibst, sind klassisch philosophisch: Was kann der Mensch überhaupt erkennen? Was ist ganz grundsätzlich sein Bezug zur Wirklichkeit und Wahrheit? Was vermag die Philosophie zu erkennen, was die empirische Wissenschaft? Was ist überhaupt das Verhältnis von Denken und Empirie usw? Wenn Du bezweifelst, dass das absolute Kernfragen der theoretischen Philosophie sind, insbesondere der Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie, dann bitte ich Dich, in einem beliebigen Lexikon Deiner Wahl nachzusehen.

 

- Deine Methode ist philosophisch: Deine Behauptungen über die Natur von Erkenntnis, Wahrheit, Wissenschaft, Philosophie usw. gehen über das (z.B. durch Experimente) empirisch Feststellbare hinaus. Sie sind keine empirische Wissenschaft - oder würdest Du behaupten, Deine Auffassungen seien dadurch begründet, dass "beobachtbare Tatsachen nachprüfbar miteinander in Zusammenhang stehen"? Wenn ja, welche "beobachtbaren Tatsachen"?

Aus einem Axiomensystem ableitbar sind Deine Thesen auch nicht - und wenn doch, wären sie auch nur so "gut" wie die Axiome.

Was also liegt Deinen Thesen zugrunde, wenn nicht Einsicht und vernünftiges Denken - also genau die Mittel der Philosophie?

 

Du erörterst und beantwortest also philosophische Fragen - egal mit wie viel Vorsicht und Relativierung; und Du tust das mit "philosophischen Mitteln".

Auch hier kann ich mich nur wiederholen:

Wenn Du dennoch der Meinung bist, dass Deine Aussagen NICHT philosophisch sind, was sind sie nach Deiner Überzeugung denn dann?

 

(Nach meinem bescheidenen Dafürhalten stellt Deine Überzeugung eine "klassische" philosophische Position dar, nämlich eine Spielart des Positivismus.)

bearbeitet von iskander
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Einst las ich wöchentlich drei Bücher. Bei allen philosophischen und theologischen Büchern fiel mir auf: Alle hatten Gegner, die ihnen widersprochen haben. Bei wissenschaftlichen Schriften gab es mehr Zustimmung.  Aber selbst die Relativitätstheorie wurde zu widerlegen versucht. 

 

Damit wurde mir klar: Nur in der Mathematik sah und sehe ich absolute Aussagen, aber auch nur in der einfachen Mathematik.

 

Das schlimme an der Theologie und Philosophie ist letztlich, dass sie uns nicht vor der Selbstzerstörung bewahrt haben. Sie haben das Unrecht der Maßlosen, wie Abraham, Salomo usw. nicht oder nur als Randbemerkung thematisiert. So sollte zB das brasilianische Land diese brasilianischen Menschen ernähren. Fakt aber ist, dass weniger als 1% der Brasilianer den Großteil des Landes zusammengerafft hat und dieses Großgrundbesitzer sich am Diebesgut in alle Ewigkeit bereichern dürfen, während das Volk teils verhungert oder sonst stirbt.

 

Mit anderen Worten: Theologen und Philosophen beschäftigten und beschäftigen sich mehrheitlich mit Nichts ohne wesentliche Bedeutung für die Praxis. Also mehrheitlich über wilde Spekulationen ohne Bezug für die Nöte der Mehrheit der Menschen.

 

Das ist doch die Tragik der Theologen und Philosophen. Sie erschufen spekulative Hoffnungen aber keine wirkliche Hoffnungen. Am Schlimmsten waren und sind die Theologen und Ideologen. Sie erschufen die Höllen Iran, Afghanistan, Nordkorea usw. 

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@Gerhard Ingold

 

Zumindest die Philosophie begreift sich traditionell als eine Disziplin, der es um Erkenntnis, nicht um die Veränderung der Welt geht. Anders der Marxismus - der betrachtete ich als eine Art Philosophie, die die Welt verändern will.

 

@Marcellinus

 

Nur zur begrifflichen Klärung noch etwas - vielleicht ist es nicht nötig, aber ich möchte unnötige Missverständnisse vermeiden.

 

Zuerst zum Begriff der "absoluten" oder "endgültigen" Wahrheit:

Jede Wahrheit ist an sich "absolut" und "endgültig"; wenn Caesar im Jahre 44 v. Chr. einem Anschlag zum Opfer fiel, dann ist diese Aussage nicht nur "für mich" wahr (was sollte das überhaupt bedeuten?), sondern schlechthin; und die Aussage ist nicht nur heute wahr, sondern wird es auch morgen und übermorgen und immer sein.

 

Das heißt natürlich nicht, dass wir alles, was wir für wahr halten, mit absoluter Gewissheit als wahr erkennen würden, oder dass wir alle unsere Überzeugungen endgültig für wahr halten würden oder sollten; beileibe nicht. Aber zwischen der Wahrheit und der Sicherheit des Wissens über die Wahrheit besteht ein Unterschied. genau genommen kann nicht die "Wahrheit" vorläufig oder unsicher sein, sondern nur unser Wissen über sie.

 

Dass jemand eine Aussage für wahr hält, ohne jedoch "Absolutheit" oder "Endgültigkeit" in Anspruch zu nehmen, kann sinnvollerweise also nur bedeuten: Derjenige "vermutet", "glaubt" oder "meint", dass seine Aussage wahr (und zwar schlichtweg wahr, absolut wahr, endgültig wahr ist); aber er ist sich nicht ganz sicher, dass er recht hat.

 

Vielleicht sind letztere Ausführungen pedantisch, weil das ohnehin klar ist - aber bevor wir aneinander vorbeireden, sei dies betont.

 

Wichtig scheint mir jedoch Folgendes zu sein: Man kann eine Position mit großer subjektiver Skepsis und Unsicherheit vertreten, und daher mit einem "schwachen" Wahrheitsanspruch; man kann aber auch eine "objektiv" skeptische Position mit einem hohen Maße an subjektiver Überzeugung und dementsprechend einem starken Wahrheitsanspruch vertreten.

 

Ein Beispiel für die erste Variante:

"Mir scheint es subjektiv ein wenig so zu sein, dass die Philosophie zu keinen Erkenntnissen führt - aber ich bin mir da keineswegs sicher und widerspreche allen, die etwas anderes behaupten, daher nur unter starkem Vorbehalt."

 

Ein Beispiel für die zweite Variante:

"Ich bin mir ziemlich sicher, dass es so ist, dass die Philosophie zu keinen Erkenntnissen führt. Daher widerspreche ich recht vehement, wenn jemand etwas anderes behauptet."

 

Bei Dir habe ich den Eindruck, dass Deine Haltung eher der zweiten Variante entspricht - aber da ich kann mich natürlich irren.

 

Ich möchte aber allgemein vor einem Fehler warnen, der immer wieder auftaucht: Manche Leute vertreten eine sehr skeptische Haltung und erklären, dass man (fast) nichts erkennen könne, und schon gar nichts mit Gewissheit; und sie scheinen dann zu meinen, dass sie selbst, indem sie eben behaupten (zum Teil mit einem hohen Maß an Gewissheit), eigentlich nichts behaupten. Aber eine solche Position stellt natürlich auch eine "starke" und weitreichende Behauptung dar, die viele Implikationen hat - und wenn diese Behauptung nicht dogmatisch sein soll, ist sie genauso begründungsbedürftig wie eine weniger skeptische Haltung. Und damit eine Begründung überzeugt, müssen wir uns natürlich auch einigermaßen sicher sein können, dass sie "wahr" oder "gültig" ist. Wir müssen also wissen können, dass sie (wahrscheinlich) wahr ist.

Nur wer über sich selbst sagt, dass er etwas nicht weiß oder erkennt, behauptet nichts sonderlich Relevantes und nichts, was einer weiteren Rechtfertigung bedürfte - er widerspricht dann aber auch niemandem.

bearbeitet von iskander
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Deine Posts erinnern mich an Religiöse, die behaupten, jeder habe eine Religion, eine gute oder eine schlechte, und wer nicht an „Gott“ glaube, glaube eben „implizit“ an den Teufel, so Franz 1. 2013:

 

"Wenn sich der Mensch nicht zu Jesus Christus bekennt, geschieht, was wir bei Leon Bloy lesen: Wer nicht zum Herrn betet, betet zum Teufel."
„Implizit“ ist übrigens in diesem Zusammenhang eine argumentative Unverschämtheit, im Sinne von: „Du sagst es zwar nicht, aber ich weiß, daß du es meinst - selbst wenn es dir selbst nicht bewußt ist“

 

Es ist nicht deshalb etwas schon Philosophie, weil Philosophen sich für alles zuständig fühlen. Worum geht es hier also? Es geht um den Erklärungsaspekt von Religion, Philosophie und Wissenschaft. Wobei letztere keinen anderen Aspekt hat, während etwas hat, was man einen Beziehungsaspekt zum Transzendenten nennen könnte, und Philosophie ja ursprünglich „Liebe zur Weisheit“ bedeutet. Aber darum geht es hier ausdrücklich nicht. 

 

Religionen versuch(t)en diese Welt zu erklären, indem sie endgültige und dogmatische Antworten auf Fragen von affektiver Bedeutung, wie die nach dem „Sinn“ oder dem „Wesen“ der Dinge, in den Handlungen und Absichten von als übermenschliche Personen gedachten Verursachern zu finden glaubten.

 

Philosophen versuchen solche Fragen von affektiver Bedeutung durch „reines Denken“ zu finden, indem sie Begriffe diskutieren und versuchen, Ihnen eine endgültige Bedeutung zu geben. Auch und gerade „Wahrheit“ ist solch ein Begriff von hauptsächlich affektiver Bedeutung. 

 

Wissenschaft beginnt da, wo man nicht mehr nach absoluten Anfängen und Zielen, nicht mehr nach endgültigen Fragen von affektiver Bedeutung sucht, nicht mehr nach „Sinn“ und „Wesen“, sondern herauszufinden versucht, wie beobachtbare Tatsachen nachprüfbar miteinander zusammenhängen. Der Weg der Wissenschaften ist dabei ein Wechsel von Tatsachenbeobachtung und Modellbildung, wobei jede Tatsachenbeobachtung auf Modellen beruht, wie wissenschaftliche Modelle auf beobachtbaren Tatsachen beruhen sollten. 

 

Dieser Prozeß hat weder einen Anfang noch ein Ende, und da jedes unserer Modelle aus menschengemachten Symbolen besteht, die Wirklichkeit, die sie beschreiben wollen, aber nicht, ist die Frage nach einer möglichen Übereinstimmung von Modell und Wirklichkeit unsinnig. Sie stimmen niemals überein, einmal aufgrund der notwendig unterschiedlichen Komplexität, vor allem aber wegen ihres unterschiedlichen Charakters. Ein Stadtplan ist nun mal keine Stadt, kann aber mehr oder weniger gute Orientierung liefern. Darin liegt sein Wert. 

 

Der Wert wissenschaftlicher Modelle bestimmt sich ebenfalls nicht dadurch, daß sie irgendeiner „Wahrheit“ entsprächen, sondern ob die Modelle die beobachtbaren Eigenschaften der Objekte mehr oder weniger gut beschreiben. Der Komparativ ist hier das einzige und entscheidende Kriterium, und was dieses „besser“ jeweils bedeutet, können nur die Kollegen eines Fachgebietes untereinander klären, was bedeutet, daß der Fortschritt in einem wissenschaftlichen Fach wesentlich vom den fachspezifischen Bewertungsstandards abhängt. Was übrigens zeigt, daß Wissenserwerb kein individueller Vorgang ist, sondern nur im Austausch mit anderen und der beobachtbaren Wirklichkeit passiert. Auch Einstein wäre nichts gewesen ohne die anderen Forscher, die seine Theorien überprüft und verbreitet haben. 

 

Zu diesem Wissensfortschritt tragen weder Religionen noch Philosophien noch etwas bei (einzelne Theologen oder Philosophen schon, soweit sie theoretisch-empirisch arbeiten), weil weder Glauben noch reines Denken uns in Kontakt mit der Wirklichkeit bringen, den man nur bekommt, wenn unsere Gedanken und Modelle in einer empirischen Prüfung an eben dieser Wirklichkeit scheitern. Unser Glauben liefert uns dagegen nur Wünsche, und unser Denken nur Illusionen. 

 

Das ist übrigens der wesentlichen Vorteil der Wissenschaften und der Grund für ihre Leistungsfähigkeit: daß sie nicht von irgendwelchen theoretischen Lehrgebäuden abhängen, daß man sogar mit einer falschen Hypothese zu einem brauchbaren Ergebnis kommen kann, und daß ihre größten Leistungen außerhalb der akademischen Elfenbeintürme erzielt wurden. Gerade wenn man die Erfolge der Wissenschaften der letzten Jahrhunderte untersucht, und ihrerseits mit theoretisch-empirischen Mitteln zu erklären trachtet, dann stellt sich eine tiefe Skepsis ein, nicht gegen über der Wirklichkeit, sondern gegenüber empiriefernen, philosophischen Spekulationen.

 

Mit der Ausbreitung und dem Erfolg der Naturwissenschaften hat sich die Philosophie von einem Mittel zur Welterklärung zu einem Gesprächszusammenhang entwickelt, der sich nur noch mit sich selbst beschäftigt. Ähnlich wie es keine außerreligösen Gründe mehr gibt, sich mit Religion zu beschäftigen, gibt es keine außerphilosophischen mehr für Philosophie. Während aber viele Religiöse mittlerweile akzeptiert haben, daß es Menschen gibt, die mit Religion nichts mehr anfangen wollen und können, sind Philosophen umso mehr überzeugt von ihrer Allzuständigkeit, je weniger sie zu unserer Orientierung in dieser Welt noch Brauchbares beizutragen haben. Hat vielleicht auch mit den inflationär vermehrten philosophischen Lehrstühlen zu tun. 

 

Eigentlich datiert das Ende der „bürgerlichen“ Philosophie übrigens auf das Ende des 19. Jh., als Karl Marx mit Hegel die gesamte Philosophie „vom Kopf auf die Füße“ stellte, indem er das erste Entwicklungsmodell der menschlichen Gesellschaften vorstellte, und die jeweilige Philosophie zum rechtfertigenden Überbau erklärte. 

 

Der Marxismus ist Ideologisch und politisch gescheitert, weil er seine eigene Synthesefähigkeit überschätzte, aber die Philosophie ist wieder da, wo sie vor Marx auch schon war: beim Idealismus, der sein eigenes Denken und seine eigenen Begriffe für das Maß aller Dinge hält, und Philosophie als Ausrede dafür, fern der beobachtbaren Wirklichkeit zu „argumentieren“. 

 

P.S.: Darüber zu schreiben ist allerdings bis zu einem gewissen Grad ein Widerspruch in sich, denn es sind natürlich auch nur Worte. Daß ihr Bezug zur beobachtbaren Wirklichkeit oft nur angedeutet ist, liegt in der Natur eines solchen Textes.

 

P.P.S.: 

vor 3 Stunden schrieb iskander:

Jede Wahrheit ist an sich "absolut" und "endgültig"; wenn Caesar im Jahre 44 v. Chr. einem Anschlag zum Opfer fiel, dann ist diese Aussage nicht nur "für mich" wahr (was sollte das überhaupt bedeuten?), sondern schlechthin; und die Aussage ist nicht nur heute wahr, sondern wird es auch morgen und übermorgen und immer sein.

 

Nein, das ist natürlich keine "Wahrheit", sondern nur die Schilderung der Ereignisse, die auf uns gekommen sind, und wesentlich von der Darstellung Suetons geprägt wurde, die ihrerseits keineswegs über jeden Zweifel erhaben sind. Wie wenig "historische Wahrheiten" ewig halten, kann man sehr schön an der sogenannten Varusschlacht sehen, vermeintlich das endgültige Ende römischer Unternehmungen rechts des Rheins durch mutige germanische Patrioten, stellt sich dieses Ende immer mehr als nationalistischer Wunschtraum heraus. Siehe: Harzhornereignis. Also auch und gerade in den Geschichtswissenschaften nix mit Wahrheit. Und falls der Einwand kommt: na, vielleicht wisse man ja nicht genau, was damals passiert ist, aber daß etwas passiert ist, das sei dann eben die Wahrheit, halte ich für reine Metaphysik. Irgendwas passiert halt immer. ;)


 

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Was ist Wahrheit?

 

Jede Wahrheit braucht einen, der sie ausspricht. (Aussagen wie: Wahrheit ist Wirklichkeit, oder Jesus ist die Wahrheit, gehören ins Reich der Metaphysik.) Damit besteht jede Wahrheit aus menschengemachten Symbolen. Und deshalb gibt es sowohl in der klassischen Mathematik als auch in der klassischen Logik so etwas Wahrheit. Beides sind nämlich von Menschen gemachte Symbolsysteme, die eben genau so konstruiert sind, daß das Ergebnis immer eine wahre oder eine falsche Aussage ist. Mathematik wie Logik sind also das, was man eine eingleisige Veranstaltung nennen könnte. Sowohl Aufgabe, Gegenstand als auch Ergebnis stammen aus der gleichen Symbolmenge.

 

Anders die theoretisch-empirischen Wissenschaften. Auch bei Ihnen sind die Aussagen und Modelle menschengemachte Symbole. Die Wirklichkeit, die man mit diesen Modellen beschreiben will, besteht dagegen nicht aus solchen Symbolen, sondern aus Atomen und Molekülen und wer weiß was sonst. Theoretisch empirische Wissenschaften könnte man also zweigleisig nennen, das eine Gleis unsere Symbole, mit denen wir unsere Aufgabenstellungen und Ergebnisse beschreiben, und auf der anderen Seite die Wirklichkeit.

 

Zwischen diesen beiden Gleisen gibt es bedauerlicherweise im allgemeinen Falle keine eineindeutige Zuordnung, nicht einmal feste Regeln, wie eine solche Zuordnung herzustellen wäre. Wissenschaftliche Aussagen in ein binäres wahr/falsch-Schema einzuordnen, würde zwangsläufig dazu führen, sie in fast allen Fällen als falsch zu deklarieren, womit niemandem geholfen wäre. Außer vielleicht der Sokratischen Gewissheit: ich weiß, dass ich (fast) nichts sicher weiß!

 

Wissenschaftliche Theorien werden daher nicht nach dem Kriterium des endgültig Wahren beurteilt, sondern danach, ob sie besser sind als die bisher auf einem Gebiet gültigen. Und selbst dieses „besser“ ist nur ein relatives Kriterium, relativ zu den Fragen und Kriterien des jeweiligen Faches.

 

Was ist also Wahrheit? Technisch gesehen, ein sprachliches Symbol, inhaltlich, außerhalb von Mathematik und Logik, ein Wunschtraum, eine Illusion.

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@Marcellinus

 

Ich gehe mal auf Deinen zweiten Beitrag zuerst ein, weil mir das "systematisch" als sinnvoller erscheint.

 

 

Am 20.8.2021 um 14:59 schrieb Marcellinus:

Damit besteht jede Wahrheit aus menschengemachten Symbolen.

 

Ich gehe hier vom "üblichen" Wahrheits-Begriff aus. Demnach ist Wahrheit (auch) in Aussagen zu finden. Und wahre Aussagen können natürlich auch symbolisch dargestellt werden. Wahrheit "besteht" aber nicht "aus" Symbolen. Sie ist eher eine Relation zwischen einem Aussage-Satz und der Wirklichkeit: Eine Aussage ist dann wahr, wenn sie "zutrifft"; wenn der von ihr als bestehend behauptete Sachverhalt tatsächlich besteht.

Und die Symbole? Ich kann etwa den Satz "es regnet" in verschiedenen Sprachen mit verschiedenen Symbolen (deutsche Buchstaben, Keilschrift, chinesische Zeichen) ausdrücken. "Wahr" nennen wir aber doch eigentlich in erster Linie den gedanklichen Gehalt selbst, die inhaltliche Überzeugung, welche durch ganz verschiedene Symbole ausgedrückt werden kann (aber nicht zwingend muss).

 

 

Zitat

Was ist also Wahrheit? Technisch gesehen, ein sprachliches Symbol, inhaltlich, außerhalb von Mathematik und Logik, ein Wunschtraum, eine Illusion.

 

Auch aus anderen Beiträgen von Dir geht ja hervor, dass Du allein allein in der Logik und Mathematik "Wahrheit" zu finden meinst - und das auch nur, weil Du diese für ein rein "konstruiertes" System mit willkürlich festgelegten Regeln hältst. Dabei gehe ich jetzt davon aus, dass Du unter "wahr" so etwas wie "unzweifelhaft korrekt" verstehst. (Denn wenn man "wahr" nämlich so definieren würde, dass einfach per definitionem folgenden würde, dass es nur in der Logik und Mathematik Wahrheit geben könne, wäre die entsprechende These ja nichtssagend.) 

 

Deine Position ließe sich wie folgt in zwei Sätzen darstellen:

a) In der Logik und Mathematik gibt es Wahrheit.

b) Nur dort gibt es Wahrheit, nicht außerhalb.

 

Wenn man diese Position ernst meint, "muss" man erklären, dass diese Sätze wahr sind - und zwar "wahr" im klassischen Sinne von "tatsächlich zutreffend" bzw. "in der Sache richtig". Andernfalls träfe es eben nicht zu, dass es in der Logik und Mathematik (und nur dort) "Wahrheit" gibt; und dann wäre diese Position aber "erledigt".

 

In welchem Sinne sind diese Sätze dann aber wahr? Nun, es handelt sich hier nicht um Sätze der Logik oder Mathematik! Das sollte im Fall von Satz b) ganz offensichtlich sein (es ist aber auch im Fall von Satz a) so). Es existiert keine rein logisch oder rein mathematisch ableitbare Aussage, nach welcher es außerhalb der Logik und Mathematik keine (sichere, eindeutig erkennbare) Wahrheit geben könne!

Es ergibt sich also: Wenn die Aussagen a) und b) gelten, dann gibt es wahre Aussagen außerhalb der Logik und Mathematik - im Widerspruch zu b)! Die Behauptung b) führt also zum Selbstwiderspruch und ist somit definitiv falsch.

Der Satz a) hingegen ist natürlich wahr.

 

Das sind nun weder empirische Feststellungen, noch wie gesagt solche, die sich aus einem reinen Formalismus ergeben würden; es sind vielmehr Feststellungen, die durch Einsicht in notwendige "materiale" apriorische Zusammenhänge zustandekommen. Und sie sind in gewisser Weise grundlegender als jede Empirie.

 

Des Weiteren ist die Reduktion der Logik auf ein rein willkürliches formales System nicht haltbar.

Es ist hier zu unterscheiden zwischen "Logik" als Inbegriff des "folgerichtigen Denkens" und formalen Systemen. Im ersten Sinne steht "Logik" für die Gesamtheit der "Prinzipien", die es zu beachten gilt, damit wir aus Wahrem nur Wahres schlussfolgern, und nicht auch Falsches. "Logik" in diesem Sinne hat mit menschlicher Festlegung im Kern nichts zu tun!

Wäre es anders und könnte der Mensch einfach festlegen, ob etwas Wahres aus einer Aussage folgt oder nicht, dann könnte er auch festlegen, was wahr ist. (Dazu müsse man übrigens nicht einmal eine einzige Aussage inhaltlich prüfen.)

Die Idee, dass der Mensch die Wahrheit per Konvention festlegt, mag zwar "modern" klingen, ist aber natürlich abwegig, sofern wir den Begriff "wahr" im üblichen Sinne verstehen. Wir könnten etwa leicht ein "logisches System" konstruieren, mit dessen Hilfe sich der Satz, dass es in Afrika keinen Hunger gibt, als wahr "beweisen" ließe - aber deswegen würde der Hunger natürlich nicht aus Afrika verschwinden.

Das Prinzip dieser "ideellen" Logik ist uns also "vorgegeben" und hat eine Geltung, die vor jeder menschlichen Konstruktion liegt.

Und in diesem Sinne der "ideellen" Logik können Menschen auch "logisch" denken, selbst wenn sie sich noch nie mit einem formal-logischen System befasst haben.

 

Daneben gibt es formale logische "Systeme". Die kann man, wenn man sie wirklich nur als "Formalismen" oder "Spielereien" betrachtet, ganz so formulieren, wie man möchte. Nur kommt dann eben ggf. Unsinn dabei heraus, sofern man ein solches System auf die Wirklichkeit anwendet. Damit ein logisches System sinnvoll ist, muss es mit den Prinzipien der "idealen" Logik im obigen Sinne im Einklang stehen.

Dass es unterschiedliche logische Systeme gibt, tut dem keinen Abbruch, denn die beschäftigen sich mit unterschiedlichen Problemen, ohne sich gewöhnlich zu widersprechen. (Z.B. werden in der klassischen Logik "wahre" und "falsche Aussagen" unterschieden, während in einer dreiwertigen Logik etwa zwischen (bekanntermaßen) "wahr", (bekanntermaßen) "falsch" und "unbekannt" unterschieden wird. Das ist einfach eine alternative Zugangsweise.)

 

Zudem geht die "ideellen" Logik im obigen Sinne jedem formal-logischen System auch in dem Sinne "voraus", dass die Regeln eines logischen System sich nur formulieren lassen, weil "ideelle" logische Prinzipien (wie etwa das Gesetz vom ausgeschlossenen Widerspruch) bereits im Akt des Regel-Setzens in Anspruch genommen werden.


Aus meiner Sicht ist das Problem, dass Du stark von einer empiristisch-positivistischen Philosophie (sic!) geprägt bist.

Für diese Art der Anschauung gibt es nur zwei Kategorien des Erkennens: Einerseits rein formale Systeme, andererseits empirische Wissenschaften. Daraus wird dann auch verständlich, dass "Philosophie" für Dich nur entweder haltlose Spekulation oder schlechte Pseudo-Wissenschaft zu empirischen Fragen sein kann.  

 

Das übersieht aber das Feld von apriorischen oder ideellen Zusammenhängen, die weder in die rein logisch-analytische noch in die empirische Kategorie fallen. Dass dieses "Übersehen" unhaltbar ist, zeigt sich schon darin, dass die empiristisch-positivistische These selbst weder "tautologisch" oder "logisch-analytisch" noch empirisch ist. Es handelt sich hier selbst um eine materiale apriorische These, aber eine, die selbstwidersprüchlich und falsch ist - ganz wie der in deutscher Sprache formulierte Satz "Es gibt nur italienische und französischen Sätze (und keine deutschen)".

bearbeitet von iskander
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Am 20.8.2021 um 13:24 schrieb Marcellinus:

Deine Posts erinnern mich an Religiöse, die behaupten, jeder habe eine Religion, eine gute oder eine schlechte, und wer nicht an „Gott“ glaube, glaube eben „implizit“ an den Teufel, so Franz 1. 2013:

 

Nur ist das halt eine sehr "gewagte" These von dem Franz, um es höflich zu sagen. Dass Du inhaltliche Positionen zu klassischen und zentralen Fragestellungen der theoretischen Philosophie beziehst, ist hingegen eher trivial. Du tätigst Aussagen dazu, was der Mensch ganz grundsätzlich erkennen kann, wo die Grenzen des Erkennens liegen, wie Denken und Empirie ganz grundsätzlich zusammenhängen, was der Status von Philosophie,  Wissenschaften und Logik ist, wie Wissenschaften zu interpretieren seien (nämlich instrumentalistisch) usw.

 

Nochmals die Frage: Wenn das keine klassischen Themen der Erkenntnis- und der Wissenschaftstheorie sind - was sind denn dann zentrale Themen der theoretischen Philosophie? Wenn Deine Positionen nicht Varianten eines Empirismus oder Positivismus darstellen (und also "klassische" philosophische Positionen sind): Was sind sie dann?

 

Zitat

Philosophen versuchen solche Fragen von affektiver Bedeutung durch „reines Denken“ zu finden, indem sie Begriffe diskutieren und versuchen, Ihnen eine endgültige Bedeutung zu geben.

 

Dass eine Frage auch "affektive Bedeutung" haben kann (für wen?) bedeutet nicht, dass man sie nicht sinnvoll diskutieren könnte. Außerdem würde ich behaupten, dass viele philosophische Detail-Fragen nicht sonderlich "affektiv aufgeladen" sind. Wie sehr eine Frage den "Affekt" einer Person anspricht, ist zudem doch sehr subjektiv.

 

Zitat

Auch und gerade „Wahrheit“ ist solch ein Begriff von hauptsächlich affektiver Bedeutung. 

 

Das weiß ich nicht. Ich interessiere mich eher für die inhaltliche Dimension: Wenn man den normalen Sprachgebrauch hier als Richtschnur nimmt, ergibt sich eine schlichte Festlegung: Wahr ist demnach, salopp ausgedrückt, eine Aussage genau dann, wenn der von ihr behauptete Sachverhalt besteht. 🙂 Das mag banal klingen, auf jeden Fall ziemlich "non-affektiv".

 

Zitat

Der Weg der Wissenschaften ist dabei ein Wechsel von Tatsachenbeobachtung und Modellbildung, wobei jede Tatsachenbeobachtung auf Modellen beruht, wie wissenschaftliche Modelle auf beobachtbaren Tatsachen beruhen sollten. 

 

Ja, und (empirische) Wissenschaft ist etwas anderes als Philosophie.

 

Zitat

Dieser Prozeß hat weder einen Anfang noch ein Ende, und da jedes unserer Modelle aus menschengemachten Symbolen besteht, die Wirklichkeit, die sie beschreiben wollen, aber nicht, ist die Frage nach einer möglichen Übereinstimmung von Modell und Wirklichkeit unsinnig.

 

Ob da nicht die meisten Astrophysiker erstaunt wären, wenn Du ihnen sagst, dass es sich in Wirklichkeit gar nicht so verhält, dass der Jupiter mehrere Monde hat; ja, dass sogar schon die Frage, ob es sich tatsächlich so verhält, schlichtweg unsinnig sei?

 

Zitat

Sie stimmen niemals überein, einmal aufgrund der notwendig unterschiedlichen Komplexität [...]

 

Das wäre vielleicht auch ein etwas übertriebener Anspruch an das "Übereinstimmen", wenn das eine Eins-zu-eins-Übereinstimmung sein sollte.

 

Zitat

Ein Stadtplan ist nun mal keine Stadt, kann aber mehr oder weniger gute Orientierung liefern. Darin liegt sein Wert. 

 

Wenn er gut und richtig ist, enthält er zwar bei Weitem nicht alles, was die Architektur einer Stand ausmacht - aber viel Wahres und Wichtiges. (Soweit er eben korrekt interpretiert wird; denn erst im Bezug auf ein verstehendes Subjekt erhält ein Zeichen seine Bedeutung.) Teilwahrheiten, die als solche ausgewiesen und erkannt werden, müssen keine Halbwahrheiten sein.

 

Aber vielleicht allgemein dies: Ich vertrete die doch sehr stark instrumentalistische Position von Wissenschaft nicht (obwohl ich zugeben würde, dass in manchen Bereichen - etwa bei der Quantenmechanik - eine instrumentalistische Auffassung sinnvoll sein mag).

Aber das ist für mich in diesem Kontext gar nicht relevant. Denn es tangiert meine Thesen, die ich geäußert habe, nicht. Denn auch der instrumentalistisch denkende Wissenschaftler behauptet beispielsweise, dass nach bisheriger Erfahrung bestimmte Beobachtungen in einer bestimmten Weise zusammenhängen - und er meint, dass seine entsprechende Aussage "zutrifft", also "wahr" ist. Und wenn neue "Experimente" dann zeigen, dass der Zusammenhang eben doch nicht generell besteht, dann wird er eben davon ausgehen, dass die entsprechende (instrumentalistisch interpretierte) "Gesetzmäßigkeit" gerade "falsifiziert" wurde. (Oder auch nicht - so einfach ist es ja nicht, wenn man bedenkt, dass eine These nie allein steht, sondern "Hilfshypothesen" immer dabei sind). Auch der Instrumentalist hat bestimmte Überzeugungen zum Verhältnis von "Theorie" und "Empirie" - auch wenn die von denen des Realisten abweichen mögen.

 

Zitat

„Implizit“ ist übrigens in diesem Zusammenhang eine argumentative Unverschämtheit, im Sinne von: „Du sagst es zwar nicht, aber ich weiß, daß du es meinst - selbst wenn es dir selbst nicht bewußt ist“

 

 

Nö. "Implizit" heißt hier einfach, dass etwas in Anspruch genommen oder vorausgesetzt wird, ohne explizit reflektiert oder erläutert zu werden. Wenn jemand (und das gilt wie gesagt auch für den instrumentalistischen Wissenschaftler!) etwa behauptet,  dass eine "These" sich bisher "bewährt" und durch die bisherigen "Beobachtungen" "bestätigt" habe usw., dann macht das nur Sinn, wenn er ein gewisses Verständnis von den hier und im letzten Abschnitt mit Anführungszeichen versehenen Konzepten hat, und wenn er diese Konzepte für verstehbar und mitteilbar hält. Dieses Verständnis muss nicht explizit sein (mancher Wissenschaftler hätte vielleicht Probleme, seine Begriffe zu definieren), aber es muss in einem gewissen Sinne da sein. Alles andere würde bedeuten, dass die Rede des entsprechenden Wissenschaftlers bedeutungslos wäre, weil er dann keinen Zugang zu den von ihm selbst verwendeten Schlüssel-Begriffen hätte. Und es muss auch postuliert werden, dass es zumindest ein gewisses gemeinsames Grundverständnis solcher und ähnlicher Begriffe gibt - denn sonst würde man völlig  aneinander vorbeireden. 

 

Und warum sollte man die hinter solchen Begriffen liegenden Ideen, Kategorien und Intuitionen nicht näher analysieren und auch kritisch evaluieren? Genau das ist eine der Tätigkeiten der Philosophie.

 

 

Zitat

Zu diesem Wissensfortschritt [dem der Naturwissenschaften! (Anmerkung von Iskander)] tragen weder Religionen noch Philosophien noch etwas bei [...]

 

Das mag sein - das braucht die Philosophie aber auch nicht! Es ist ja nicht ihr Anspruch, empirische Wissenschaft zu betreiben.
 

Zitat

...weil weder Glauben noch reines Denken uns in Kontakt mit der Wirklichkeit bringen, den man nur bekommt, wenn unsere Gedanken und Modelle in einer empirischen Prüfung an eben dieser Wirklichkeit scheitern.

 

 

Um empirisch-kontingente Aspekte der Wirklichkeit zu untersuchen, bedarf es der empirischen Forschung, ja.

 

Zitat

Unser Glauben liefert uns dagegen nur Wünsche, und unser Denken nur Illusionen. 

 

Dann hätte ich eine konkrete Frage an Dich: Wenn das so ist, sind Deine Auffassungen - die ja zum größten Teil nicht empirisch prüfbar sind - auch nur "Illusion"? Wenn ja, warum äußerst Du sie dann?

Du begehst den Fehler, den nicht wenige Philosophen begehen oder historisch begangen haben: Du vertrittst Überzeugungen, die, wenn sie wahr wären, entweder nicht wahr oder jedenfalls nicht erkennbar wahr sein könnten.

 

Zitat

Gerade wenn man die Erfolge der Wissenschaften der letzten Jahrhunderte untersucht, und ihrerseits mit theoretisch-empirischen Mitteln zu erklären trachtet, dann stellt sich eine tiefe Skepsis ein, nicht gegen über der Wirklichkeit, sondern gegenüber empiriefernen, philosophischen Spekulationen.

 

Wieso? Zumindest vernünftige philosophische "Spekulation" beschäftigt sich nicht mit Fragen, zu denen sie keinen Zugang hat (sondern nur etwa die empirische Wissenschaft).

 

Zitat

Mit der Ausbreitung und dem Erfolg der Naturwissenschaften hat sich die Philosophie von einem Mittel zur Welterklärung zu einem Gesprächszusammenhang entwickelt, der sich nur noch mit sich selbst beschäftigt.

 

 

🥱

 

Ich sehe eher das Gegenteil: Jeder prominente Wissenschaftler, insbesondere, wenn er gut Kasse machen möchte, äußert sich doch heute zu philosophischen Kernfragen, die oft weit außerhalb dessen liegen, was sich mit seiner eigenen Disziplin begründen ließe - manchmal ohne sich dessen oft überhaupt bewusst zu sein. (Ist vielleicht etwas übertrieben formuliert, aber es gibt die Tendenz.)

 

Ansonsten: Die Philosophie beantwortet doch im Allgemeinen wesentlich andere Fragen als die Einzel-Wissenschaft, weshalb eine "Substitution" gar nicht möglich ist. Natürlich kann etwa die Naturwissenschaft in manchen Bereichen auch wichtige Erkenntnisse liefern, die dann in die philosophische Reflexionen münden, bei denen es dann aber eben wieder um spezifisch philosophische Fragen geht. Zum Beispiel mögen die modernen Wissenschaften Ergebnisse liefern, die ein interessantes Licht auf die Realismus Instrumentalismus-Debatte werfen. Trotzdem ist die Frage "Realismus vs. Instrumentalismus" eindeutig philosophischer Natur; genau genommen wissenschaftstheoretischer Natur.

 

Übrigens wäre der "Instrumentalismus" auch ein Beispiel dafür, dass Du eine philosophische Auffassung vehement vertrittst, obwohl das nach Deiner eigenen Auffassung ja unvernünftig ist, philosophische Auffassungen zu haben.

Vielleicht wirst Du an dieser Stelle sagen: Nun ja, meine Meinung gründet sich ja auf eine Beobachtung der Geschichte der Wissenschaft. Nun ist es aber so, dass auch die Wissenschaftsphilosophie die Geschichte der Wissenschaften beachtet. "Philosophie" besteht nicht darin, dass Erkenntnisse der Einzelwissenschaften (etwa der Wissenschaftshistorie) ignoriert werden, obwohl diese relevant wären. Sondern dass man sich in solchen Fällen mit Fragen beschäftigt, die nicht allein einzelwissenschaftlich begründbar sind. Auch Philosophen nehmen in ihrer Argumentation auf "außerphilosophische" Erkenntnisse Bezug.

 

 

Zitat

[...] und die jeweilige Philosophie zum rechtfertigenden Überbau erklärte. 

 

Diese Marxsche These müsste man aber sorgfältig reformulieren und einschränken, damit sie nicht zu Selbstwidersprüchen steht.

 

Zitat

[...] aber die Philosophie ist wieder da, wo sie vor Marx auch schon war: beim Idealismus, der sein eigenes Denken und seine eigenen Begriffe für das Maß aller Dinge hält, und Philosophie als Ausrede dafür, fern der beobachtbaren Wirklichkeit zu „argumentieren“. 

 

Zum einen: Wo hast Du bloß Dein Bild von der (zeitgenössischen) Philosophie her? 

Zum anderen: Es gibt eben Fragen, die (mehr oder weniger) "fern" der beobachteten Wirklichkeit liegen oder über sie hinausgehen und trotzdem sinnvoll gestellt werden können - siehe etwa die Instrumentalismus-Debatte, in der Du Dich ja selbst positionierst (deshalb gehe ich mal davon aus, dass Du sie nicht für sinnlos erachtest).

 

 

Zitat

Nein, das ist natürlich keine "Wahrheit", sondern nur die Schilderung der Ereignisse, die auf uns gekommen sind,


Nun, entweder haben diese Ereignisse so stattgefunden wie geschildert, dann ist die Schilderung wahr - oder sie haben nicht stattgefunden, dann ist die Schilderung falsch. Oder die die Ereignisse haben zum Teil so stattgefunden wie geschildert, dann sind die Schilderungen zum Teil wahr. Ob nun zum Beispiel jede Kleinigkeit im Hinblick auf die Verschwörung gegen Caesar akkurat geschildert ist, wird man wohl bezweifeln können; kann man aber die These, dass Caesar durch Verschwörer getötet würde, ebenfalls plausibel bezweifeln?

 

Zitat

Also auch und gerade in den Geschichtswissenschaften nix mit Wahrheit.

 

 

Dann ist die Aussage, dass es einen Mann namens Napoleon Bonaparte gab, der erhebliche Teile Europas (die man genauer bezeichnen könnte) unterwarf, also nicht wahr? Also falsch? Oder unentscheidbar? 🙂


 

Zitat

 

Und falls der Einwand kommt: na, vielleicht wisse man ja nicht genau, was damals passiert ist, aber daß etwas passiert ist, das sei dann eben die Wahrheit, halte ich für reine Metaphysik. Irgendwas passiert halt immer. ;)

 

 

 

 

Das hat nichts mit "Metaphyisk" zu tun, sondern mit zwei Dingen:

 

- Über manche Sachen wissen wir mit höherer Sicherheit Bescheid als über andere, weil sie besser und zuverlässiger "dokumentiert" sind. Zahlreiche unabhängige Chronisten, umfassende archäologische Befunde usw. verraten uns beispielsweise mehr als ein paar Faustkeile.

- Über Grundsätzliches wissen wir oft besser Bescheid als über Details. Es gibt sicherlich zahlreiche Aussagen über das römische Reich, die jenseits aller vernünftigen Zweifel wahr sind; und darunter eben auch sehr wesentliche Aussagen. Dann gibt es Thesen, die immer noch sehr plausibel, aber vielleicht nicht ganz so sicher sind, solche, die noch "ziemlich" plausibel sind usw. - bis hin zu solchen, die letztlich nur in spekulativen Annahmen bestehen.

 

Die Tatsache, dass man nicht auf jede Frage eine sichere Antwort erhalten kann, impliziert nicht, dass man auf gar keine oder nur ganz wenige (wesentlichen) Fragen eine sichere Antwort bekommen könnte!

 

Und die Haltung "Wenn man nicht die ganze Wahrheit hat, sondern nur wichtige Teilwahrheiten, dann hat man gar keine Wahrheit", scheint mir doch etwas übertrieben.

 

 

Zitat

Wie wenig "historische Wahrheiten" ewig halten [...]

 

Es ging mir hier darum, zwischen "Wahrheit" und unserer Erkenntnis der Wahrheit bzw. unserer Meinung bzgl. der Wahrheit zu unterscheiden. Nicht die "Wahrheit" ändert sich mitunter, sondern unsere Meinung darüber, was wahr ist. Und je vorsichtiger wir sind, das, was wir mit einem sehr hohen Grad an Sicherheit wissen von dem zu unterscheiden, was wir mit geringerer Sicherheit wissen (bzw. zu wissen glauben), desto weniger irren wir. 🙂

bearbeitet von iskander
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vor 14 Stunden schrieb iskander:

Aus meiner Sicht ist das Problem, dass Du stark von einer empiristisch-positivistischen Philosophie (sic!) geprägt bist.

 

Deine Sicht ist nicht mein Problem. Ich habe bei deinen Beiträgen den Eindruck, daß du dich eher mit dir selbst beschäftigst, als mit dem, was ich schreibe. Du hast dir ein Bild von dem gemacht, was ich deiner Ansicht nach eigentlich meine, auch wenn ich ganz was anderes sage, und ich habe weder Lust noch Zeit, dagegen anzuschreiben. Was immer ich schreibe, kommt bei dir als das klare Gegenteil an. Du "übersetzt", was immer ich schreibe, in deinen philosophischen Jargon, in dem eine andere Weltsicht einfach nicht vorgesehen ist. Auf eine gewisse Art bestätigst du damit meine Vorstellungen von Philosophie, und die Gründe, warum ich nichts damit anfangen kann. 

bearbeitet von Marcellinus
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@Marcellinus

 

Ich kann dazu nur sagen, dass ich versuche, Deine Sichtweise zu verstehen und zu rekonstruieren, so gut ich es kann. Das ist nicht immer einfach. Denn Du benutzt eine Reihe von Begriffen in einer - sagen wir mal: besonderen Weise; und Du tätigst einige Aussagen, die wenig Sinn ergäben, würde man Deine Worte so interpretieren, wie das dem üblichen Sprachgebrauch entspräche. Ich sah mich daher genötigt, Deine Aussagen so zu interpretieren, wie es mir plausibel schien, dass sie wohl gemeint sein müssen.

 

Um zwei Beispiele zu geben. Du sagst:

 

Zitat

Eines vorweg: das alles ist keine „Wahrheit“, nur meine Meinung, nur meine Art, bestimmte Begriffe zu verstehen und verwenden.

 

Wenigstens gemäß dem üblichen Sprachgebrauch ergibt das wörtlich verstanden keinen Sinn: Wenn ich meine, dass es draußen 20 Grad C hat, dann meine ich auch, dass es wahr ist, dass es draußen 20 Grad C hat - das ist äquivalent. Zu sagen: "Es ist meine Meinung, dass das so ist - aber ich denke nicht, dass es wahr ist, dass es so ist!", wäre das gleiche wie zu sagen: "Ich meine, dass es so ist, aber ich meine nicht, dass es so ist."

 

Und Aussagen über die eigene "Art, bestimmte Begriffe zu verstehen und verwenden", sind einfach nur Aussagen über den eigenen Sprachgebrauch. Solche Erläuterungen können im Vorfeld einer Debatte nützlich sein, einfach, damit man nicht aufgrund rein terminologischer Gründe aneinander vorbeiredet. Solche Spracherläuterungen sind aber nur semantische Festlegungen, mit denen zu Sachfragen noch überhaupt nichts behauptet wird. Sie haben keinen "informativen" Wert im eigentlichen Sinne und können auch nicht wahr oder falsch sein.

 

Wenn ich Deine gerade zitierten Äußerungen also wörtlich nehmen würde, liefen sie darauf hinaus, dass Du zur Sache überhaupt nichts behaupten möchtest - was dann natürlich auch jede Diskussion unmöglich machen würde.

Da ich aber nicht recht glauben wollte, dass es so gemeint ist, habe ich versucht, Deine Äußerungen eben nicht-wörtlich zu interpretieren. Und die Deutung, die mit am naheliegendsten schien, war die, dass Du durchaus etwas in der Sache behaupten möchtest, aber eben unter dem Vorbehalt, dass Du nicht stark von der Wahrheit Deiner Behauptungen überzeugt bist.

 

Das allerdings hast Du nicht akzeptiert; wie man Deine Äußerung aber stattdessen sinnvoll interpretieren sollte, sagst Du nicht.


Ein weiteres Beispiel. Du schreibt:

 

Zitat

Damit besteht jede Wahrheit aus menschengemachten Symbolen. Und deshalb gibt es sowohl in der klassischen Mathematik als auch in der klassischen Logik so etwas Wahrheit.

 

 

Das soll nicht negativ klingen, aber es fällt mir offen gesagt nicht leicht, das inhaltlich zu verstehen. Ich verstehe die einzelnen Worte, aber die Botschaft, die sie gemeinsam ausdrücken sollen, bleibt mir dunkel.

Zuerst: Als Träger von Wahrheit gelten (auch und gerade in der Logik!) vor allem "Aussagen". Jede Aussage nun zielt auf "irgendetwas" ab, auf "irgendeinen" Sachverhalt (verstanden im weitesten Sinne): Sie behautet immer, dass irgendein "Sachverhalt" besteht respektive nicht besteht. Ganz egal, ob es um Dinosaurier, mathematische Zusammenhänge oder die Grenzen der Erkenntnis geht: Immer wird behauptet, dass "irgendetwas" sich so und so "verhält".

Und zumindest gemäß dem üblichen Sprachgebrauch entscheidet sich genau hier - genau an dieser Stelle -, ob die entsprechende Aussage wahr ist oder nicht. "Wahr" ist eine Aussage demnach dann, wenn sie "zutrifft"; wenn also der Sachverhalt, dessen Bestehen behauptet wird, auch tatsächlich besteht. Die Aussage "es regnet" ist demnach wahr, wenn es tatsächlich regnet, und unwahr, wenn es nicht regnet.

Eine Aussage wird nun zwar in konkreter Gestalt zwar vom Menschen gedacht - und sofern sie sprachlich artikuliert wird, wird sie auch durch "menschgemachte" Symbole ausgedrückt. Die "Wahrheit" selbst besteht aber nicht "aus" solchen Symbolen und ist auch sonst nicht "menschgemacht" - sondern sie ergibt sich aus dem tatsächlichen Verhältnis einer Aussage zu demjenigen Sachverhalt, auf den sie sich bezieht. Es ist also letztlich der Sachverhalt bzw. "die Wirklichkeit" (im allerweitesten Sinne verstanden), die "festlegt", ob eine Aussage wahr ist oder nicht.

 

Nun kann natürlich ein jeder bestimmte Begriffe auch anders verwenden als üblich. Und dass ich nicht verstehe, was Du meinst, heißt vielleicht nur, dass Du die Sprache (reichlich) unkonventionell benutzt - Du magst aber etwas Sinnvolles meinen, was ich einfach nicht erfasse. Das ist möglich. Du schreibst aber auch:

 

Zitat

Was ist also Wahrheit? Technisch gesehen, ein sprachliches Symbol, inhaltlich, außerhalb von Mathematik und Logik, ein Wunschtraum, eine Illusion.

 

Was hier die Termini "technisch" und "inhaltlich" bedeuten sollen, erhellt mir zwar nicht; aber zumindest - so schien es mir - verwendest Du den Begriff "Wahrheit" im zweiten Teil des Satzes durchaus im Sinne des üblichen Sprachgebrauchs. Denn ein "sprachliches Symbol" könnte ja kaum ein "Wunschtraum" oder eine "Illusion" sein. Ich habe Dich vielmehr so interpretiert, dass Du sagen möchtest: "Wenn der Mensch glaubt, es könne außerhalb von Logik und Mathematik mit Fug und Recht beanspruchen, dass seine Aussagen (bzw. Überzeugungen) zutreffend sind, so unterliegt er einer Illusion."

 

Da habe ich Dich womöglich falsch interpretiert. Vielleicht willst Du etwas anderes behaupten - etwa, dass "Wahrheit", wenn man sie so definiert, dass sie allein in der Logik und Mathematik vorkommt, allein in der Logik und Mathematik vorkommt. Das wäre allerdings trivial und nichtssagend. Vielleicht meinst Du auch etwas ganz anderes. Ich weiß es nicht.

Du  machst es einem wie gesagt nicht gerade leicht; wenn man Deine Aussagen sinnvoll verstehen will, muss man sie zum Teil gegen ihren Wortlaut interpretieren; tut man dies, ist es aber nicht recht. Wie es dann aber recht wäre, dazu schweigst Du.

 

 

Zitat

Deine Sicht ist nicht mein Problem.

 

Dein Problem - wenn man es denn als ein "Problem" bezeichnen möchte - besteht darin, dass Du etliche Auffassungen hast, die, wenn sie überhaupt Sinn ergeben sollen, ihre eigene Falschheit voraussetzen.

Es fängt schon damit an, dass Deine Überzeugungen nach jeder Definition der Welt und auch nach jedem sinnvollen Kriterium (Inhalt, Methode) "philosophisch" sind, Du aber genau dies nicht wahrhaben möchtest. Es geht damit weiter, dass Du die empirisch nicht überprüfbare "Erkenntnis" verkündest, dass es empirisch nicht überprüfbare Erkenntnis nicht geben könne - ohne dass Dir der unmittelbare Widerspruch auffallen würde.

 

Auch scheinst Du nicht zu sehen, dass man nicht eine Überzeugung zu "fundamentalen" Fragen bzgl. das grundlegende Verhältnis des Menschen zur Wahrheit, zur Erkenntnis, zur Wirklichkeit vertreten kann, ohne "Fundamentales" über das grundlegende Verhältnis des Menschen zur Wahrheit, zur Erkenntnis, zur Wirklichkeit zu behaupten. Du nimmst nicht das Paradoxon wahr, das darin besteht, dass derjenige, der behauptet, dass man nichts erkennen könne, nicht wenig, sondern viel behautet, und dass er so einiges erkannt haben müsste, wenn seine Aussage begründet und keine leere Behauptung sein soll. 🙂

 

Oder ich interpretiere Dich eben auch hier falsch, weil Du gar nichts dazu sagen möchtest, wie es sich "tatsächlich" mit der menschlichen Erkenntnis und ihrem Verhältnis zur Wirklichkeit, Wahrheit, Logik, Wissenschaft usw. verhält. Dann wäre die ganze Diskussion natürlich gegenstandslos.

 

Mein Eindruck ist jedoch fast, dass Du meinst, man könne sinnvollerweise etwas behaupten (bzw. "meinen") und den Behauptungen (bzw. "Meinungen") anderer widersprechen, zugleich aber keinerlei Wahrheitsanspruch erheben. Im Sinne von: "Es verhält sich so und so - die gegenteilige Meinung ist eine Illusion; aber ich sage nicht, dass es (auch nur wahrscheinlich) wahr ist, dass es sich so und so verhält und die gegenteilige Meinung eine Illusion ist." Und vielleicht wäre das dann der Grund, dass Du die Selbstwidersprüchlichkeit Deiner Auffassung - wenn sie wahr wäre, könnte sie nicht wahr sein - nicht wahrnimmst oder nicht für relevant erachtest.

 

Aber vielleicht täuscht mich mein Eindruck, und das Letztgesagte ist nur eine Idee. 

bearbeitet von iskander
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Irgendwie kommst du nicht weiter, nicht wahr? Du hast dich da in etwas verbissen, aus dem du offenbar nicht allein herauskommst. Nehmen wir nur diesen Satz:

 

vor 24 Minuten schrieb iskander:

Dein Problem - wenn man es denn als ein "Problem" bezeichnen möchte - besteht darin, dass Du etliche Auffassungen hast, die, wenn sie überhaupt Sinn ergeben sollen, ihre eigene Falschheit voraussetzen.

 

Bist du wirklich der Ansicht, daß es zwischen "Wahrheit" (im Sinne von "endgültig und absolut richtig") und "Falschheit" nichts gibt? Wenn du mit Beispielen kommst, kommst du mit kindlich simplen, umgangssprachlichen. Wir reden aber, so dachte ich, über wissenschaftliche Erkenntnisse. Was ist Darwins Evolutionstheorie deiner Ansicht nach, oder Einsteins Relativitätstheorie. Wenn du nur "wahr" oder "falsch" kennst, kannst du sie eigentlich nur falsch nennen. 

 

vor 21 Stunden schrieb iskander:

Dass Du inhaltliche Positionen zu klassischen und zentralen Fragestellungen der theoretischen Philosophie beziehst, ist hingegen eher trivial. Du tätigst Aussagen dazu, was der Mensch ganz grundsätzlich erkennen kann, wo die Grenzen des Erkennens liegen, wie Denken und Empirie ganz grundsätzlich zusammenhängen, was der Status von Philosophie,  Wissenschaften und Logik ist, wie Wissenschaften zu interpretieren seien (nämlich instrumentalistisch) usw.

 

Nochmals die Frage: Wenn das keine klassischen Themen der Erkenntnis- und der Wissenschaftstheorie sind - was sind denn dann zentrale Themen der theoretischen Philosophie? Wenn Deine Positionen nicht Varianten eines Empirismus oder Positivismus darstellen (und also "klassische" philosophische Positionen sind): Was sind sie dann?

 

Ach, und du meinst, die Philosophie habe ein ewiges Monopol auf diese Fragen? Ich denke eher, eine Disziplin charakterisiert sich nicht durch die Fragen, mit denen sie sich beschäftigt, sondern durch die Art der Antworten, und die Begründungen, die sie dafür findet. Darin unterscheiden sich diese drei Disziplinen.

 

Religionen sind vor allem die Suche nach absoluten und endgültigen Antworten auf Fragen von existenzieller Bedeutung für die Fragenden selbst, nach Ordnung jenseits menschlicher Willkür, absoluten Maßstäben für Gut und Böse, sowie die Frage: „Was bedeutet das alles für mich?“, also die Frage nach dem „Sinn“. Die Antworten darauf suchen die Fragenden in den Handlungen, Zielen und Absichten von übernatürlichen Akteuren, und da diese Antworten letztlich auf Spekulation beruhen, führt der Weg zu Gewissheit über den Glauben.

 

Philosophie sucht ebenso nach Gewissheit, oder „Wahrheit“, aber ihre Methode ist das reine Denken. Suche nach Gewissheit ist da die Suche nach Begründungen, und die Suche nach Begründungen ist die Kritik von Begründungen, auf der Suche nach der letzten, die aller Kritik standhält. Das Ergebnis dieser Suche war und ist, daß es ein solche Letztbegründung nicht gibt, nicht geben kann, so wie Begriffe keine absolute Bedeutung haben, die unabhängig wäre von den Menschen, die sie verwenden. 

 

Insgesamt ist Philosophie also vor allem Denken, Zweifel und Kritik von scheinbaren Gewissheiten. Dort wo sie dagegen behauptet, durch reines Denken positive Gewissheit hervorzubringen, landet sie notwenig selbst beim Glauben. 

 

Aufgabe der Wissenschaften ist nicht die Suche nach Antworten auf Fragen von affektiver Bedeutung für den Fragenden, sondern die Suche nach objektiven Zusammenhängen. Sie fragen nicht: was bedeutet das für mich?, sondern: wie funktioniert das? Wissenschaften suchen nicht nach dem „Wesen“ von etwas, einem „Sinn“, nach absoluten Anfängen oder Zielen, sondern schlicht nach Modellen, die möglichst gut beschreiben, wie beobachtbare Tatsachen nachprüfbar zusammenhängen. 

 

Ihre Methode ist das Wechselspiel zwischen Theoriebildung und empirischer Überprüfung, wobei Tatsachenbeobachtung und Modellbildung untrennbar zusammen gehören. Ohne Tatsachen keine realistischen Modelle, ohne Modelle keine realistischen Beobachtungen. Es ist ein wechselseitiger Prozeß, ohne bestimmbaren Anfang oder Ende, und auch selbst nur als Prozeßmodell, als vierdimensionales Modell zu verstehen.

 

Wenn wir also nach nachprüfbarem Wissen über diese Welt suchen, führt kein Weg an den theoretisch-empirischen Wissenschaften und ihrem Wechselspiel von Tatsachenbeobachtung und Modellbildung vorbei. Keiner dieser Schritte auf diese Weg ist "wahr" in einem philosophischen Sinne, sondern höchstens besser als der vorhergehende. Wir irren uns empor, wie es so schön heißt. 

 

Wo aber sind die nachprüfbaren Beweise der Philosophie? Die Philosophie trägt zu unserem Wissen nichts mehr bei, ist, wenn ich dich mal als Beispiel nehme, aber fest davon überzeugt. So ist sie, ähnlich wie die Theologie, mittlerweile eine selbstbezügliche, sinnlose Übung darin, das Thema zu verfehlen. Und das hat auch einen klaren Grund: die Philosophie hat keinen Maßstab außer dem eigenen Denken derer, die sie betreiben. Sie hantieren mit Begriffen, aber kommen kaum zu etwas, was klar und unbezweifelbar damit begriffen werden könnte, und jeder von ihnen verknüpft diese Begriffe auf eine andere Art und Weise. Ich zitiere noch einmal Thomas Nagel:

 

"Die Philosophie unterscheidet sich einerseits von den Naturwissenschaften und andererseits von der Mathematik. Im Unterschied zu den Naturwissenschaften stützt sie sich nicht auf Experimente und Beobachtungen, sondern allein auf das Denken. Im Unterschied zu Mathematik kennt sie keine formalen Beweisverfahren. Man philosophiert einzig, in dem man fragt, argumentiert, bestimmte Gedanken ausprobiert und mögliche Argumente gegen sie erwägt, und darüber nachdenkt, wie unsere Begriffe wirklich beschaffen sind. […] Je grundlegender die Ideen sind, die wir zu erforschen versuchen, umso weniger Werkzeug haben wir hierfür zur Verfügung. Nur weniges darf angenommen oder vorausgesetzt werden. Die Philosophie ist daher eine etwas schwindelerregende Tätigkeit, und nur wenige ihrer Ergebnisse bleiben langfristig unangefochten.“
(Thomas Nagel 1987: Was bedeutet das alles?, S. 8f)


Das kann man natürlich machen (besonders wenn man öffentlich dafür bezahlt wird), aber es ist kein Weg mehr zu nachprüfbarem Wissen, und taugt am Ende nur noch fürs Feuilleton. Was dir offenbar so schwer fällt, ist zu erkennen, daß der Erklärungsaspekt von Philosophie eine Art Metaphysik ist, der man anhängen kann, aber nicht muß, und der Anspruch mancher Philosophen, so eine Art "Überwissenschaft" zu betreiben, eine Mischung aus Ignoranz und Hochmut, die sich auf keinerlei Leistungen gründen. Meinetwegen kann du weiterhin Philosophie eine tolle Sache finden, aber versuche wenigstens zu erkennen, daß die Welt sich seit dem 18. Jh. weitergedreht hat. 

 

Die Ideologien, die es heute zu bekämpfen gilt, bedienen sich weitgehend des Geschwurbels von Sozialphilosophien, dem Zwielicht, das entsteht, wenn man Sein und Sollen nicht auseinanderhalten kann noch will, Tatsachenbeobachtungen für eine reaktionäre Sache hält, und sein eigenes Gefühlsleben für einen hinreichenden Beweis für jede noch so krude These. In der Kritik daran läge eine Aufgabe der Philosophie, wenn sie denn selbst einen anderen Maßstab kennen (und anerkennen) würde als den eigenen Kopf.

 

Entschuldige, aber so wie du es praktizierst, ist Philosophie auch nur eine andere Form von Glaube. Auch da hatte Comte recht: es ist die Aufgabe der Philosophie, von der Religion zur Wissenschaft zu führen, oder ihr Schicksal, in den Glauben zurückzufallen. 

 

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Hi,

 

weil so schönes Wetter ist meine 2 cent:

 

Die Philosophie und die Alchemie haben viel gemeinsam. Im einen Fall geht es um die Transformierung von irgendwas zu Gold und im anderen Fall von Worten zu Wahrheit. Chemie, Physik und andere Disziplinen sind so etwas wie das Porzellan. Hat nichts mehr mit dem Grundgedanken zu tun, ist aber wirklich nützlich und (damit) begehrt. Im Ggs. zu den Wissenschaften muss sich die Philosophie in "populäre" Gewässer bewegen um überhaupt "Kasse zu machen". Irgendwo habe ich die Anekdote gelesen, was das günstigste Studium sei. Einer meinte es ist die Mathematik, weil man nur ein Blatt Papier, einen Bleistift und einen Papierkorb bräuchte. Es stellte sich heraus, dass die Philosophie gewinnt, weil sie den Papierkorb nicht benötigt.

 

lieben Gruss, Martin

 

P.S.: Die Physik von heute kann schon sagen, wie man irgendwas zu Gold transformiert. Die Alchemisten setzen aber lieber auf irgendwas mit  Blockchain oder Bachblüten. 

 

P.P.S.: Warum Gold, warum Wahrheit? Mit beidem lässt sich prima Krieg führen.

bearbeitet von Soulman
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Am 23.8.2021 um 21:03 schrieb Marcellinus:

Bist du wirklich der Ansicht, daß es zwischen "Wahrheit" (im Sinne von "endgültig und absolut richtig") und "Falschheit" nichts gibt?

 

Da fängt das Problem schon an, und ich habe mehrfach darauf aufmerksam gemacht: Es ist zu unterscheiden zwischen "Wahrheit" und unserem "Erkennen der Wahrheit". "Wahrheit" ist natürlich immer "endgültig und absolut richtig". Aber wir erkennen die Wahrheit nicht immer, und so können unsere Überzeugungen darüber, was wahr ist, irrig und  mangelhaft und wandelbar sein. Das ist vielleicht nur ein Unterschied in der Redeweise, mag man sagen, aber ich fürchte, dass hier schon erste Missverständnisse aufkommen.

 

Zitat

Wenn du mit Beispielen kommst, kommst du mit kindlich simplen, umgangssprachlichen. Wir reden aber, so dachte ich, über wissenschaftliche Erkenntnisse.

 

Eigentlich ging es ja um philosophische Wahrheiten. 🙂

Dass auf Empirie basierende Kenntnisse nie "absolut" sicher sind, hatte ich, so meine ich, schon zum Ausdruck gebracht.

 

Zitat

Was ist Darwins Evolutionstheorie deiner Ansicht nach, oder Einsteins Relativitätstheorie. Wenn du nur "wahr" oder "falsch" kennst, kannst du sie eigentlich nur falsch nennen. 

 

Hier scheinst Du davon auszugehen, dass etwas nur wahr sein kann, wenn man sich der Wahrheit einer Sache absolut sicher sein kann, und dass etwas falsch sein muss, wenn man sich der Wahrheit nicht absolut sicher sein kann.

"Wahrheit" und "Kenntnis der Wahrheit" sind aber wie gesagt zwei Paar Stiefel.

Die von Dir genannten Theorien sind natürlich entweder wahr oder falsch. (Wenn sie falsch sind, könnten sie der Wahrheit aber immer noch nahekommen.)  Und wenn sie wahr sind, dann sind sie auch "absolut wahr" und "endgültig wahr". Ob sie nun aber wahr oder falsch sind, das weiß ich nicht jenseits aller Zweifel, und deshalb sage ich: Ich vermute es, dass die Theorien wahr sind (jedenfalls in ihren "Grundzügen"), weiß es aber nicht mit absoluter Sicherheit. Diese meine "Unsicherheit" befindet sich aber nicht in der Wirklichkeit, über die ich urteile, und sie liegt auch nicht in der "Wahrheit"; sie befindet sich vielmehr allein in meinem Geist, in meinem Urtei! Ungewissheit ist nicht eine Eigenschaft der Wahrheit, sondern eine Eigenschaft eines urteilenden Subjektes im Hinblick auf seine Überzeugungen!

 

Zitat

Ach, und du meinst, die Philosophie habe ein ewiges Monopol auf diese Fragen?

 

Das kommt ganz darauf an! Wenn eine Einzelwissenschaft eine Frage mit ihren Methoden beantworten kann, dann soll sie das tun, warum auch nicht? Wenn ein Physiker etwa die Antwort auf die Frage, ob Poppers Kritik am Induktionsprinzip in dieser Schärfe und Kompromisslosigkeit gerechtfertigt ist, im Elektronenmikroskop beobachten kann, so wird ihn niemand daran hindern, das zu tun. Nur war es halt bisher so, dass Physiker zwar mit dem Induktionsprinzip arbeiten, dass dieses Prinzip aber nicht zum Gegenstandsbereich der Physik gerechnet wurde. Dies wohl deswegen, weil man bislang der Auffassung war, beim Induktionsprinzip handele sich nicht um ein Phänomen der physischen Natur (wie dies etwa bei einem Stein oder einem elektromagnetischen Feld der Fall ist).

Und es hat bisher auch niemand eine physikalische Methode vorgeschlagen (etwa eine physikalische Messung oder eine mathematische Modellierung eines physikalischen Prozesses), mit der sich entschieden ließe, wie weit Poppers Kritik überzeugt und wie weit nicht. Es ist auch unklar, wie man die relevanten begriffliche Konzepte, welche in Poppers Kritik oder in einer Gegenkritik auftauchen, physikalisch operationalisieren (also messbar) machen könnte.

 

Zitat

Ich denke eher, eine Disziplin charakterisiert sich nicht durch die Fragen, mit denen sie sich beschäftigt, sondern durch die Art der Antworten, und die Begründungen, die sie dafür findet. Darin unterscheiden sich diese drei Disziplinen.

 

Die Methoden grenzen das Spektrum der Fragen und Antworten aber ein. Deshalb stellen unterschiedliche Disziplinen normalerweise auch unterschiedliche Fragen.

 

Zitat

Philosophie sucht ebenso nach Gewissheit, oder „Wahrheit“, aber ihre Methode ist das reine Denken. Suche nach Gewissheit ist da die Suche nach Begründungen, und die Suche nach Begründungen ist die Kritik von Begründungen, auf der Suche nach der letzten, die aller Kritik standhält. Das Ergebnis dieser Suche war und ist, daß es ein solche Letztbegründung nicht gibt, nicht geben kann [...]

 

Tatsächlich? Vielleicht müsste man hier erst mal den Begriff "Letztbegründung" definieren. Die "Gegner" der "Letztbegründung" scheinen oft zwei unterschiedliche Bedeutungen ("und gültiger Ausgangspunkt einer Erkenntnis" und "absolute Gewissheit der Erkenntnis") zu verwechseln. Was "Letztbegründung" im ersteren Sinne angeht, so habe ich mich bereits hier dazu geäußert.

 

Aber Du meinst wohl (wenn ich Dich richtig verstehe) definitive Antworten auf große "Sinnfragen". Nun, die These, dass die Philosophie die nicht liefern kann, ist natürlich auch begründungsbedürftig. Hier müsste man entweder einzeln jeden entsprechenden philosophischen Ansatz kritisieren. Oder man müsste aufzeigen, dass es "prinzipiell" unmöglich ist, dass solche Ansätze zum Erfolg führen. In beiden Fällen muss man dann aber einiges wissen, um seine Auffassung begründen zu können. (Und hier reicht es eben nicht, auf die Grenzen der Naturwissenschaft (!) hinzuweisen.) Und wenn man das zu begründen versucht, ist man schon tief drin in der Philosophie. Man beschäftigt sich mit philosophischen Fragen, und zwar anhand des "reinen Denkens". Denn keine Einzelwissenschaft untersucht, was die Möglichkeiten und Grenzen philosophischer Erkenntnis sind; und das ist eben kein Zufall und auch keine reine Höflichkeit.

Aber nehmen wir an, Du wärest erfolgreich und könntest schlüssig beweisen, dass die Philosophie keine "großen Sinn-Fragen" beantworten kann. (Und es müsste ein schlüssiger philosophischer Beweis sein - oder glaubst Du, Du könntest einen solchen Beweis in der Mathematik oder Chemie führen?)

Nun, dann wüssten wir eben doch immerhin etwas Fundamentales über das Verhältnis der menschlichen Vernunft zur Wirklichkeit. Auch die Erkenntnis, dass man bestimmte Fragen nicht beantworten kann, und das Wissen, warum man sie nicht beantworten kann, ist eine echte Erkenntnis. Es wäre zwar dann weniger als eine große "Welterklärung", aber doch eine grundlegende Erkenntnis für uns. Und viele Philosophen heutzutage bemühen sich ja ohnehin nicht mehr um große "Welterklärungen".

 

Zitat

[...] so wie Begriffe keine absolute Bedeutung haben, die unabhängig wäre von den Menschen, die sie verwenden. 

 

Da verstehe ich nicht ganz, worauf Du hinaus möchtest. Natürlich sind Begriffe im Sinne sprachlicher Zeichen, die eine Bedeutung tragen, immer kontingent, historisch und "menschgemacht". "Unabhängig" vom Menschen (bzw. einem intelligenten Wesen) kann ein Zeichen nicht Zeichen sein, kann es nie eine Bedeutung haben. Das ist unstrittig.

Allerdings heißt das natürlich nicht, dass der Mensch deshalb "begrifflich" nach Belieben tun und lassen könnte, was er möchte - mitnichten.

Es sind nämlich diejenigen "Gegenstände", auf welche wir mit unseren begrifflichen Zeichen "abzielen", die darüber "bestimmen", was sinnvoll vom Menschen begrifflich festgelegt und sinnvoll gesagt werden kann und was nicht!

Dass es z.B. durchaus einen eckigen Stein geben kann, nicht aber eine eckige Neugier, liegt nicht an willkürlichen und potentiell veränderbaren sprachlichen Festlegungen unsererseits, sondern ist in der Natur der Sache begründet - oder genauer: in der Natur der entsprechenden "Sachen". Ja, wir könnten natürlich auch ganz andere Wörter benutzen, um uns auf jene "Phänomene" zu beziehen, die wie im Deutschen eben als "eckig", "Stein" und "Neugier" bezeichnen - oder wir könnten es auch unterlassen, überhaupt über sie zu sprechen. Aber wenn wir über diese Phänomene sprechen, dann müssen wir ihnen in ihrer Eigenart gerecht werden - sonst reden wir groben Unsinn. (Und bei diesem Beispiel hier sprechen wir nicht über empirisch-kontingente, sondern über notwendige und "ewige" Wahrheiten - wenn in diesem Fall natürlich auch über sehr einfache.) Wir können über unser Reden bestimmen, aber nicht darüber, wie die Dinge sind.

 

(Ob man übrigens sagen kann, das Begriffe sich wandeln, hängt von der Definition ab. Meistens wird der "Begriff" aber so verstanden, dass zu ihm eine bestimmte feste Bedeutung wesentlich dazu gehört. So gesehen könnte sich zwar eine Wortbedeutung ändern, aber nicht ein Begriff; ändert sich die Bedeutung eines Wortes, würde dann ein neuer Begriff entstehen. Gegebenenfalls teilen sich dann eben zwei unterschiedliche Begriffe mit je unterschiedlicher Bedeutung das gleiche Wort bzw. das gleiche sprachliche Zeichen. Das wäre dann eine  Homonymie:(etwa "Steuer" als Lenkvorrichtung oder "Steuer" als Abgabe an den Staat).)

 

 

Zitat

Insgesamt ist Philosophie also vor allem Denken, Zweifel und Kritik von scheinbaren Gewissheiten. Dort wo sie dagegen behauptet, durch reines Denken positive Gewissheit hervorzubringen, landet sie notwenig selbst beim Glauben. 

 

Was zu beweisen wäre!

 

 

Zitat

Aufgabe der Wissenschaften ist nicht die Suche nach Antworten auf Fragen von affektiver Bedeutung für den Fragenden, sondern die Suche nach objektiven Zusammenhängen. Sie fragen nicht: was bedeutet das für mich?, sondern: wie funktioniert das? Wissenschaften suchen nicht nach dem „Wesen“ von etwas, einem „Sinn“, nach absoluten Anfängen oder Zielen, sondern schlicht nach Modellen, die möglichst gut beschreiben, wie beobachtbare Tatsachen nachprüfbar zusammenhängen. 

 

Jo, dem würde ich (weitgehend) zustimmen. .


 

Zitat

Wenn wir also nach nachprüfbarem Wissen über diese Welt suchen, führt kein Weg an den theoretisch-empirischen Wissenschaften und ihrem Wechselspiel von Tatsachenbeobachtung und Modellbildung vorbei.

 

Wenn man "nachprüfbar" als "empirisch nachprüfbar" liest, und wenn man unter "Wissen über die Welt" diejenige Art von Wissen versteht, die von den Naturwissenschaften generiert wird, dann hast Du natürlich recht. Und Deine Ausführungen über die Grenzen der Naturwissenschaften lasse ich mal so stehen. Diese Grenzen der Naturwissenschaft machst Du im Prinzip auch plausibel - bzw. sie sind auch plausibel.

Die Philosophie stellt aber nicht die Fragen der Naturwissenschaft, und sie bedient sich auch nicht ihrer Methoden! Und dass ihr Vorgehen nicht fruchtbar sein könne, das nun beweist Du nicht, sondern das behauptest Du nur. Der Beweis wäre natürlich erbracht, wenn Du zeigen könntest, dass allein das Wechselspiel von Denken und Empirie, wie es die Naturwissenschaften charakterisiert, zu Wissen führen kann. Genau das aber steht aus, Du machst nur plausibel, dass die Naturwissenschaften mit ihren Fragestellungen darauf angewiesen sind, Modelle zu kreieren, die dann empirisch geprüft werden usw. Das allerdings bezweifelt ja niemand. 

 

Um es etwas zu formalisieren - ich verstehe Deine Argumentation bzw. Position wie folgt:

 

1) Die Naturwissenschaften sind auf Empirie angewiesen.

2) Sie erkennen trotz ihrer Zuhilfenahme der Empirie keine (sicheren) Wahrheiten (oder wenn doch, dann nur wenige und banale).

3) Nur mithilfe der Prüfung von Thesen an der Empirie kann man Wissen gewinnen.

4) Die Philosophie geht aber nicht empirisch vor.

5) Also kann sie kein Wissen generieren.

 

(Wie gesagt ist das meine Interpretation.)

 

Entscheidend sind nicht die Prämissen 1) und 2) und 4) - die "schenke" ich Dir, auch wenn man da im Detail noch dies und jenes diskutieren könnte. Deshalb ist es eigentlich auch gar nicht nötig, dass Du sie immer wieder erläuterst oder immer wieder auf sie zurückkommst. Der kritische Punkt ist die dritte Prämisse. Die halte ich in dieser Allgemeinheit für falsch, in der Tat sogar für selbstwidersprüchlich (s.u.). 

 

Zitat

Wo aber sind die nachprüfbaren Beweise der Philosophie? 

 

"Nachprüfbar" im Sinne von "empirisch nachprüfbar" sind die Beweise der Philosophie nicht, weil Philosophie nicht versucht, einzelne empirische Sachverhalte, die auch ganz anders sein könnten, zu beweisen. Der Philosophie geht es gewöhnlich um andere Fragestellungen, die mit allgemeinen und notwendigen Zusammenhängen zu tun haben. Der Physiker fragt, was für manifeste und dispositionelle Eigenschaften ein Gegenstand XY hat (soweit die "beobachtbar" sind), während der Philosoph fragt, was "Eigenschaften" sind, wie sich manifeste zu dispositionellen Eigenschaften verhalten usw. 

 

Philosophische Beweise können aber einsichtig sein, und zwar in guten Fällen in höherem Maße als jeder empirische Beweis.

Nimm zum Beispiel folgenden Satz:

"Nur ein Beweis, der empirisch nachprüfbar ist, ist ein echter, gültiger, aussagekräftiger Beweis."

 

Dieser Satz ist selbst natürlich nicht empirisch nachprüfbar, woraus sich zuerst einmal ergibt, dass er unbegründbar wäre, wenn er wahr wäre; und in einem weiteren Schritt ergibt sich, dass er falsch ist. Hier hast Du einen philosophischen Beweis, der so sicher ist wie die Konjunktion aus a) dem Nicht-Widerspruchsprinzip und b) der Tatsache, dass man nicht empirisch prüfen kann, ob nicht-empirische Beweise valide sein können (was einer Tautologie nahekommt). Es dürfte kaum einen "empirisch nachprüfbaren Beweis" geben, der ein solches Maß an Sicherheit erreicht, eigentlich überhaupt keinen. Und es wird auch keine Kleinigkeit bewiesen, sondern dass es irrational ist, zu behaupten, dass nur empirisch nachprüfbare Verfahren etwas beweisen - eine Erkenntnis, die zumindest nach meinem Dafürhalten von erheblicher Relevanz ist,

 

Zitat

Die Philosophie trägt zu unserem Wissen nichts mehr bei, ist, wenn ich dich mal als Beispiel nehme, aber fest davon überzeugt. So ist sie, ähnlich wie die Theologie, mittlerweile eine selbstbezügliche, sinnlose Übung darin, das Thema zu verfehlen.

 

Das und ähnliches sind halt im Grunde einfach immer nur die gleichen Behauptungen.

Was mich nur wundert ist die Tatsache, dass Du Dich dann häufig selbst philosophisch äußerst, und zwar in einer Weise, die durchaus recht überzeugt klingt. Denn Deine Auffassungen sind doch im Wesentlichen eine Mischung aus Empirismus, Fallibilismus und Instrumentalismus. Du magst nun sagen, dass ich Dir etwas "überstulpe", aber Deine Überzeugungen scheinen mir mit den genannten Theorien sehr eng zusammenzuhängen, und falls Du das grundlegend anders sehen solltest, würde mich interessieren, worauf sich Dein Einspruch konkret stützt.

Und dass Empirismus, Fallibilismus und Instrumentalismus - denen Du nach meinem Eindruck eindeutig sehr nahestehst - philosophischer Natur sind, das hat meines Wissens noch kein Mensch unter der Sonne in Abrede gestellt. 

 

Selbst wenn Du aber behaupten würdest, dass die genannten Strömungen Deinem eigenen Denken keineswegs entsprechen, so wäre doch kein Zweifel daran, dass Du hier immer wieder über Kernfragen der Philosophie sprichst und sie in Deinem Sinne beantwortest, und zwar dem Augenschein nach mit fester Überzeugung. Und ebenso klar ist dies: Deine entsprechenden Ausführungen stützen sich doch auf das "reine Denken", ohne empirisch prüfbar zu sein. Empirisch prüfbar sind höchstens Deine Aussagen zur Wissenschaftsgeschichte und zum aktuellen Vorgehen der Wissenschaften. Daraus allein folgen Deine Thesen nicht, siehe oben. Du brauchst noch das, was ich als dritte Prämisse aufgeführt habe, und die ist ganz sicher nicht "empirisch nachprüfbar". 

 

Du beantwortest philosophische Kern-Fragen mit philosophischen Methoden, sagst aber, dass das nicht ginge. 🙂

 

Zitat

[...] und der Anspruch mancher Philosophen, so eine Art "Überwissenschaft" zu betreiben [...]

 

Wie definierst Du "Superwissenschaften"? Ich hatte mich zu der Frage ja nun geäußert. Philosophie kann nicht beanspruchen, alle Antworten zu geben oder andere Disziplinen etwas vorzuschreiben oder deren Arbeit verrichten zu wollen. Allerdings befasst sich Philosophie u.a. auch mit Grund-Begriffen von Einzelwissenschaften, welche von diesen zwar in Anspruch genommen, nicht aber untersucht werden. Die Naturwissenschaften etwa beobachten, stellen Theorien auf, prüfen diese empirisch, postulieren Gesetze, arbeiten mit Induktion usw. - sie untersuchen aber nicht, was Beobachtung, Theorie, Gesetze und empirische Prüfung usw. sind oder wie diese sich zueinander verhalten. Wenn man das "Superwissenschaft" nennen möchte, mag man das tun, ich wäre da zurückhaltender.

Wie Du siehst, kann man auch differenzieren, statt zu polemisieren - wenn man denn möchte. A propos Polemik:

 

Zitat

... eine Mischung aus Ignoranz und Hochmut, die sich auf keinerlei Leistungen gründen.

 

Nun ja, bei allem Respekt: Ob es nun eine "Leistung" darstellt oder sonderlich informiert oder bescheiden ist, andauernd Thesen zu äußern, welche nach jeder Definition der Welt eminent philosophisch sind (da würde ein Blick in die Wikipedia reichen), und gleichzeitig dauernd zu sagen, es sei sinnlos, philosophische Thesen zu äußern, ist nun auch eine Frage für sich.

 

Zitat

Entschuldige, aber so wie du es praktizierst, ist Philosophie auch nur eine andere Form von Glaube.

 

Was "praktiziere" ich denn? Wirklich Spektakuläres behaupte ich ja gar nicht. Ich sage zum Beispiel auch nichts zur Frage, ob Philosophie die "Welt erklären" kann. Du äußerst Dich mutig zu solchen Grundsatzfragen, die sehr weit in die Felder der Ontologie und Erkenntnistheorie hineinreichen und meilenweit über alles hinausgehen, was sich empirisch überprüfen lässt. 🙂

bearbeitet von iskander
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@Marcellinus

 

Ergänzend vielleicht noch etwas zu dem, was ich als den eigentlichen "Knackpunkt" empfinde, nämlich die Frage, wie weit wir mit "reinem" Denken kommen. Das Zitat von Nagel finde ich etwas unglücklich, weil es so interpretiert werden kann, als reiche dieses Denken nicht aus, um sinnvoll Fragen beantworten zu können. Dazu meine Antwort: Es kommt ganz auf die Fragestellung an!

 

Will ich wissen, ob das Vorhandensein von Sauerstoff eine notwendige Bedingung dafür ist, dass ein gewisser chemischer Prozess stattfindet, dann kriege ich das allerdings mit allem Nachdenken der Welt nicht raus. Da brauche ich die Empirie. (Oder Modellierungen, die aber wieder auf Empirie basieren,)

Wenn ich hingegen frage, ob man nur dann wissen kann, dass ein Sachverhalt besteht, wenn man zuvor weiß, dass auch alle seine notwendigen Bedingungen* gegeben sind, dann allerdings brauche ich keine Empirie. Das kann ich durch "reines Nachdenken" herausfinden - ja, ich kann es nur so herausfinden.

 

(* Notwendige Bedingungen sind Bedingungen, die erfüllt sein müssen, damit etwas überhaupt der Fall sein oder eintreten kann. Eine notwendige Bedingung dafür, dass das "Ding" da vor mir ein Hase ist, bestünde etwa darin, dass es auf dieser Welt überhaupt Tiere gibt bzw. geben kann.)

 

Und nur, wenn man auf diese Frage die richtige Antwort gibt (oder sie ignoriert und jedenfalls nicht die falsche gibt!), ist es sinnvoll, überhaupt mit einer empirischen Prüfung einer beliebigen Sache zu beginnen. Denn die falsche Antwort geben hieße bestreiten, dass man überhaupt etwas erkennen oder herausfinden kann - sei es im Sinne einer Bestätigung oder Widerlegung. (Und dies gilt wieder unabhängig von der Frage, wie "instrumentalistisch" man Wissenschaft auffasst,)

Philosophische Fragestellungen setzen eben oft (wenn auch nicht immer) "vor" den Fragen der Empirie an. "Vor" hier im Sinne von "logisch vor".

 

Zum Zweiten der Verweis auf die Uneinigkeit unter Philosophen. Ja, die ist ärgerlich, beweist aber letztlich nichts:

- Daraus, dass Menschen eine Meinung haben, lässt sich grundsätzlich überhaupt nur sehr eingeschränkt "für die Sache" schließen.

- Wollte man nur das gelten lassen, wo Einigkeit herrscht, denn es gab oder gibt wohl gar nichts, was im strengen Sinne "unumstritten" ist. (Spätestens, wenn man auch Menschen mit Geisteskrankheit in Betracht zieht.

- Die These, dass etwas, was umstritten ist, nicht als wahr erkannt werden könne, ist selbst umstritten. Wenn sie erkennbar wahr wäre, wäre sie also nach ihrem eigenen Urteil nicht erkennbar wahr.

 

Die Behauptung, dass man nicht nur in speziellen Fällen, sondern ganz grundsätzlich mit "reinem Denken" nichts beweisen könne, ist der Versuch, mithilfe des "reinen Denkens" zu begründen, dass man mithilfe des "reinen Denkens" nichts begründen könne.

bearbeitet von iskander
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„Zur Metaphysik kommt man […], indem man beim Nachdenken über eine Sache dem Denken selbst den Vorrang vor der Sache gibt.“

(Rolf Helmut Foerster)

 

Laut Auguste Comte gibt es in der Geschichte der Menschheit drei verschiedene Stadien, diese Welt zu erforschen und Wissen über sie zu erwerben: das religiöse Stadium, das metaphysische oder abstrakte Stadium und das wissenschaftliche oder positive. Im religiösen Stadium suchen die Menschen nach für sie befriedigenden Erklärungen in den Absichten und Handlungen von als übernatürlich gedachten Personen. Im metaphysischen oder philosophischen Stadium forscht man nach abstrakten Begriffen und Ideen. Erst im wissenschaftlichen Stadium suchen und finden die Menschen Belege für ihre Ideen in der beobachtbaren Wirklichkeit.

 

vor 9 Stunden schrieb iskander:

Da fängt das Problem schon an, und ich habe mehrfach darauf aufmerksam gemacht: Es ist zu unterscheiden zwischen "Wahrheit" und unserem "Erkennen der Wahrheit". "Wahrheit" ist natürlich immer "endgültig und absolut richtig". Aber wir erkennen die Wahrheit nicht immer, und so können unsere Überzeugungen darüber, was wahr ist, irrig und  mangelhaft und wandelbar sein.

 

„Wahrheit“ als Idee jenseits der Menschen? Das ist Platonismus, nicht wahr?

 

vor 9 Stunden schrieb iskander:

Eigentlich ging es ja um philosophische Wahrheiten.

 

Ich denke, da sind wir endlich bei dem entscheidenden Punkt. Was du betreibst und wortreich verteidigst, ist Metaphysik, eine Philosophie in der Tradition von Platons Ideenlehre, die den Vorrang von als objektiv gedachten Ideen vor der beobachtbaren Wirklichkeit behauptet.

 

Das ist eine Glaubenssache, denn einen Beweis für die Existenz solcher Ideen käme in seiner Unmöglichkeit einem „Gottesbeweis“ gleich. Man kann diesen Glauben teilen, oder auch nicht. Das ist es, was ich die ganze Zeit zu sagen versuche: Diese Art von Philosophie ist ein in sich geschlossenes Glaubenssystem, das wie jedes Glaubenssystem nichts außer dem hervorbringt, was der Philosoph schon persönlich mitbringt. 

 

Man kann innerhalb eines philosophischen Glaubenssystems diskutieren, und für die, die einem solchen Glaubenssystem anhängen, mag das auch befriedigend sein, so wie Diskussionen innerhalb ihrer Religion für Religiöse befriedigend oder erhellend sein mögen, aber wer weder an Religion noch an Philosophie hängt, dem entgeht nichts, was außerhalb dieser Glaubenssysteme Bedeutung hätte. Es gibt keine außerphilosophischen Gründe mehr, einer philosophischen Lehre anzuhängen.

 

Ich persönlich lehne jede Form von Metaphysik ab, und ich bin der festen Überzeugung, daß wir mittlerweile auch genügend Wissen über diese Welt haben, daß wir der Metaphysik nicht mehr bedürfen, daß wir es nicht mehr nötig haben, die Lücken unseres Nichtwissens mit Fantasie zu füllen. Vielmehr richte ich meine bescheidenen Möglichkeiten auf das, was Norbert Elias über die Aufgabe der Wissenschaften formuliert hat:

 

Wissenschaftler sind mit anderen Worten Mythenjäger; sie bemühen sich, durch Tatsachenbeobachtungen nicht zu belegende Bilder von Geschehenszusammenhängen, Mythen, Glaubensvorstellungen und Spekulationen durch Theorien zu ersetzen, also durch Modelle von Zusammenhängen, die durch Tatsachenbeobachtungen überprüfbar, belegbar und korrigierbar sind.“ (N. Elias: Was ist Soziologie, S. 53f)
 

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vor 13 Stunden schrieb Marcellinus:

„Zur Metaphysik kommt man […], indem man beim Nachdenken über eine Sache dem Denken selbst den Vorrang vor der Sache gibt.“

(Rolf Helmut Foerster)

[...]

Laut Auguste Comte gibt es in der Geschichte der Menschheit drei verschiedene Stadien, diese Welt zu erforschen und Wissen über sie zu erwerben: das religiöse Stadium, das metaphysische oder abstrakte Stadium und das wissenschaftliche oder positive.


Ohne despektierlich klingen zu wollen: Das sind doch einfach Schlagworte, die größtenteils auf Vorurteilen und Missverständnissen von Leuten beruhen, die oft selbst Metaphysik betrieben haben, und zwar nicht immer unbedingt die beste. ("Metaphysik" hier verstanden als Thesen, die in ganz grundsätzlicher Weise das Verhältnis der menschlichen Erkenntnis zur "Wirklichkeit" ("zum Sein") zum Gegenstand, und die weit über alles hinausgehen, was sich allein durch "positive Wissenschaft" oder Empirie ausmachen lässt.)

 

Zitat

Im metaphysischen oder philosophischen Stadium forscht man nach abstrakten Begriffen und Ideen. Erst im wissenschaftlichen Stadium suchen und finden die Menschen Belege für ihre Ideen in der beobachtbaren Wirklichkeit.

 

Ich habe darauf schon mehrfach geantwortet, auch anhand von Beispielen (aber Du ignorierst das und gehst auch auf die Beispiele nicht ein). Daher nochmals der Versuch einer Erklärung: Es gibt "kontingente" Zusammenhänge - Zusammenhänge, die auch ganz anders sein könnten. Um diese Zusammenhänge zu erkennen, sind wir auf Beobachtung angewiesen. Wir müssen feststellen, wie es sich tatsächlich verhält. Es gibt aber auch Zusammenhänge, die nicht "auch ganz anders sein könnten", sondern notwendig sind, wie sie sind; und da ist empirische Forschung dann nicht erforderlich.

 

Ein Nagel kann zum Beispiel rostig sein, 4 cm lang, krumm, aus Eisen bestehen usw.

Einer "Überzeugung" hingegen kommen auch Eigenschaften zu, aber die sind ganz anderer Art: Eine Überzugung kann vernünftig begründet, widerlegt oder wahr sein, vielleicht auch "gefestigt". Und sie "bezieht sich" in einem speziellen Sinne immer auf einen Sachverhalt (zum Beispiel auf die letzte Steuererhöhung oder das Auto vor der Tür).

 

Es wäre hingegen völlig absurd zu behaupten, ein Nagel könne "vernünftig begründet" oder "wahr" oder "widerlegt" oder "gefestigt" sein, oder er könne sich in der gleichen Weise wie eine Überzeugung auf eine Steuererhöhung "beziehen" . Umgekehrt wäre es grotesk zu behaupten, dass eine Überzeugung 4 cm lang oder eisern oder rostig oder krumm sein soll.

Ebendiese Zusammenhänge nun - dass eine Überzeugung sich stets auf etwas beziehen muss, aber nicht aus Eisen bestehen kann, und dass ein Nagel nicht "vernünftig begründet" sein kann usw. - sind notwendigerweise wahr.

Und um solche Zusammenhänge zu erkennen, brauche ich keine empirische Untersuchung. Ich muss nicht hingegen und alle Nägel erforschen, ob sie vielleicht "widerlegt" sind oder ob sie sich auf eine Steuererhöhung beziehen. Und ich muss auch nicht mithilfe empirischer Verfahren erst mühevoll eruieren, ob die Überzeugungen der Leute 4 cm oder länger oder kürzer sind, oder ob sie rostig oder rostfrei sind ("rostig" könnten Überzeugungen höchstens in einem hochgradig metaphorischen Sinne sein). Wie es sich da verhält, weiß ich ohne "empirische Prüfung". Und ich muss mir auch keine Sorgen machen, dass mein diesbezügliches Wissen morgen vielleicht schon überholt sein wird. 

Eine empirische Prüfung ist in solchen Fällen weder möglich noch notwendig.

 

Die obigen Beispiele sind zugegebenermaßen trivial und sind auch noch keine Philosophie, Aber ich verwende sie zur Illustration, um den Punkt zu verdeutlichen, dass es nicht sinnvoll ist, in allen Fällen nach einer empirischen Prüfung zu fragen. Man muss vielmehr unterscheiden können, wo eine solche Forderung angemessen ist und wo nicht.

Und während es noch keine wirkliche philosophische Einsicht ist, dass eine Überzeugung sich immer auf etwas beziehen muss, und dass ein Nagel nicht "wahr" sein kann, ist das Nachfolgende dann durchaus eine philosophische Einsicht im eigentlichen Sinne: 

 

"Es gibt Zusammenhänge die rein 'zufällig' so sind, wie sie sind, und die auch ganz anders sein könnten (oder wo uns das jedenfalls so zu sein scheint). Andererseits gibt es aber auch Zusammenhänge, die notwendigerweise bestehen und eben nicht anders sein könnten."

 

Ebendiese gerade formulierte philosophische Einsicht ist nicht im Sinne der empirischen Forschung "überprüfbar, belegbar und korrigierbar" - sie ist aber trotzdem wahr, erkennbar und - nach meiner Einschätzung jedenfalls - auch nicht uninteressant. (Und da sie auch nicht auf Nominaldefinitionen beruht, stellt sie auch keine Tautologie dar.)

 

Zitat

„Wahrheit“ als Idee jenseits der Menschen? Das ist Platonismus, nicht wahr?

 

Nein. Eine Aussage (bzw. der entsprechende Gedanke) stammt natürlich vom Menschen, aber die Wahrheit selbst ist nicht vom Menschen "gemacht". Sie besteht in der "tatsächlichen" Relation zwischen einer Aussage und dem Sachverhalt, auf den diese sich bezieht. Eine Aussage muss dem Sachverhalt, auf den sie sich bezieht, in gewisser Weise "entsprechen", um wahr sein zu können. Mein Gedanke "es regnet" stammt zwar von mir, aber ob dieser Gedanke zutrifft ("wahr ist"), entschiedet der Wettergott. Nehmen wir an, der Wettergott lässt es regnen: Dann ist meine Aussage wahr. Plakativ gesprochen: Nicht die menschliche Meinung bezüglich eines Sachverhaltes, sondern der Sachverhalt selbst "entscheidet", ob die Meinung wahr ist. Der Sachverhalt ist gewissermaßen die "Norm", an der das Denken sich orientieren muss, wenn es die Wahrheit erfassen will.

 

Nehmen wir an, es hat am Tag X am Ort Y geregnet. Dann ist es der Fall, dass es es am Tag X am Ort Y geregnet hat. Und es wird auch immer der Fall sein, dass es damals dort geregnet hat. Die Aussage "es hat am Tag X am Ort Y geregnet" ist in diesem Sinne daher auch "zeitlos" wahr. Das will ich ganz "unplatonisch" so verstanden wissen, dass ein jeder, der behauptet (oder behaupten würde), dass es am Tag X am Ort Y geregnet hat, dadurch Wahres sagt (oder sagen würde) - ganz egal, ob er die Aussage in zehn Tagen oder in 10.000 Jahren tätigen sollte.

 

Für all dies braucht man keinen Platonismus, sondern nur den "üblichen" Wahrheitsbegriff, gepaart mit jenem Minimum an Realismus, das nötig ist um anzuerkennen, dass die Wirklichkeit darüber "entscheidet", ob unser Denken über ebendiese Wirklichkeit korrekt ist - und nicht umgekehrt.

 

Mich würde aber mal Folgendes interessieren:

Wenn Du der Meinung bist, dass Deine Thesen zur Wahrheit, zu den Begriffen und ihrem Status, zur Empirie, zum reinen Denken, zum Verhältnis von beidem, zu den Möglichkeiten und Grenzen der Wissenschaft, zur Logik, zur Philosophie usw. nicht "philosophisch" sind - was sind sie Deiner Meinung nach denn dann?

Naturwissenschaftlich? Wenn ja, welche Naturwissenschaft behauptet und begründet solche Thesen? Oder sind sie rein soziologisch? Wie lassen sich diese Thesen dann allein mit sozialwissenschaftlichen Mitteln (etwa sozialwissenschaftlichen Experimenten und Studien) belegen?

 

Das würde mich wirklich interessieren - bisher kommt da aber keine Antwort.

bearbeitet von iskander
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Ich möchte die Gelegenheit noch einmal nutzen, um ganz allgemein darauf aufmerksam zu machen, dass jeder, der weitreichende Behauptungen über die prinzipiellen Möglichkeiten und Grenzen der menschlichen Erkenntnis aufstellt, gut beraten ist, sich immer folgende Fragen zu stellen:

 

"Wenn das alles, was ich über das menschliche Erkenntnisvermögen sage, tatsächlich stimmt - kann das, was ich dann behaupte, überhaupt noch wahr und erkennbar sein? Oder würde, wenn meine Behauptungen stimmen sollten, folgen, dass sie falsch sein müssen, oder wenigstens unerkennbar und unbegründbar?

 

Es geht hier also um die Forderung nach Konsistenz und Rationalität. Hätte man sich stets um solche Fragen gestellt, so wären uns viele philosophiegeschichtliche Irrungen und Wirrungen erspart geblieben. Leider kommt es jedoch nicht selten vor, dass derjenige, der über die Erkenntnis spricht, auf solche Selbstreflexion verzichtet. Ein frühes Beispiel wäre womöglich Gorgias von Leontinoi, der sinngemäß gelehrt haben soll:

 

- Es gibt keine Wahrheit.

- Gäbe es eine, so könnte der Mensch sie nicht erkennen.

- Könnte er sie erkennen, so könnte er sie doch nicht sprachlich mitteilen.

 

Sokrates soll darauf mit der Frage geantwortet haben: Ist dann wenigstens ebendies wahr [und erkennbar und mitteilbar]? Und wenn nicht, wieso redet Gorgias dann überhaupt noch? (Ob Gorgias seine Thesen wirklich so radikal verstand, ist wohl umstritten, aber es geht uns hier um das Beispiel.)

 

Ein klassisches Exempel wären auch alle empiristischen und positivistischen Thesen, jedenfalls, wenn sie radikal sind. Solche Thesen behaupten, dass Erkenntnis immer nur durch sinnliche Erfahrung vermittelt bzw. nur durch sie gerechtfertigt sein könne. Doch lässt sich die Behauptung, dass es keine gültige Erkenntnis geben könne, die nicht durch die Sinne vermittelt wird, ihrerseits unmöglich empirisch belegen oder prüfen: Wir sehen nicht mit unseren Augen und hören nicht mit unseren Ohren, dass es keine Erkenntnis geben kann, die nicht durch unsere Augen und Ohren vermittelt ist. (Abgesehen davon sind allein aus empirischen Beobachtungen keine Universal-Aussagen wie "es gibt kein X" oder "es kann kein X geben" ableitbar.)

Aus der Behauptung, es sei erkennbar wahr, dass etwas nur dann Erkenntnis sein kann, wenn es auf Sinneserfahrung beruht (bzw. empirisch prüfbar ist), würde also folgen, dass ebendiese Behauptung gerade nicht wahr sein kann; was die eigene Falschheit impliziert, ist aber widersprüchlich und falsch.

(Und nicht nur, dass ein radikaler Empirismus nicht erkennbar wahr sein kann, lässt sich leicht einsehen, sondern auch, dass er falsch sein muss. Denn ebendies, dass der Empirismus nicht durch die Empirie beweisbar ist, und dass er nicht erkennbar wahr sein kann, sind wahre, aber nicht-empirische Sätze. Wer sie einsieht, versteht auch, dass er nicht-empirische Wahrheiten begriffen hat.)

 

Die gerade formulierten Einsichten sind nicht im empirischen Sinne belegbar, überprüfbar oder korrigierbar, aber sie sind sicherer als jede empirische Erkenntnis. Denn die vorgestellte Argumentation beruht einerseits auf einer Erkenntnis, die nicht vernünftig bezweifelt werden kann (dass wir nicht empirisch prüfen können, ob es auch Erkenntnise geben kann, die nicht-empirischer Natur sind), und andererseits einem rein deduktiven Schlussverfahren (Reductio ad absurdum).

Empirische Erkenntnis hingegen beruht immer auf einer Mischung aus mindestens deduktiven und abduktiven (wenn nicht auch induktiven) Schlüssen. (Abduktive Schlüsse sind solche, die auf die beste Erklärung für ein Phänomen rekurrieren),

Empirische Erkenntnisse sind daher nie im strikten Sinne zwingend, auch nicht bei einer Falsifikation; denn wir können nie nur eine These isoliert zur Prüfung stellen, sondern im Paket sind immer auch Hintergrund-Annahmen und Hilfshypothesen über unser Beobachten mit drin. Bei einer Falsifikation wissen wir nie ganz sicher, welche unserer Thesen falsch ist: ob es die These ist, die wir prüfen wollten, oder vielleicht eine andere (siehe Duhem-Quine-These).

 

Ein weiteres Beispiel für selbstwidersprüchliche Erkenntnistheorien wären gewisse radikale konstruktivistische Auffassungen, nach denen wir keine Erkenntnis der Wirklichkeit haben können, sondern immer nur Modelle der Wirklichkeit. In vielerlei Hinsicht ist das ja auch richtig, aber wenn diese These absolut gesetzt wird, führt auch sie zur Selbstaufhebung. Denn wenn derjenige, der eine solche These vertritt, meint, dass es sich tatsächlich universal so verhält, wie er es behauptet, dann hätte er eben doch etwas objektiv Wahres und Wesentliches gesagt (nämlich über das Verhältnis von Wirklichkeit und menschlicher Erkenntnis).

Dasselbe gilt natürlich auch etwa für Nietzsches Ansicht, es gäbe keine Tatsachen, sondern nur Interpretationen; soll das uneingeschränkt gelten, und hält Nietzsche genau diese "Einsicht" für eine "Tatsache", so behauptet er, was er bestreitet; fasst er jedoch seine These nur als seine persönliche Interpretation auf, so ist seine "Einsicht" wertlos.

 

Und man kommt hier auch nicht weiter, indem man in solchen Fällen sagt: "Es gibt keine Erkenntnis der Wahrheit, außer ebendiesen Satz". Denn eine solche Behauptung impliziert viel, und wenn sie kein leeres Gerede sein soll, dann muss sie begründet werden; und Gründe, die nicht erkannt werden können, sind keine Gründe.

 

Im Zusammenhang mit extrem skeptischen Erkenntnistheorien (oder "anti-metaphyischen" Thesen) findet man daher oftmals folgende Paradoxie, auf die ich schon wiederholt hingewiesen habe: Da werden dann häufig durchaus weitreichende und gehaltvolle Thesen aufgestellt, die auch überzeugungsvoll vorgetragen werden. Man tut also das, was man an anderen kritisiert - nur dass man sich dabei selbst den Boden unter den eigenen Füßen wegschaufelt. (Wie gesagt gilt diese Kritik den extremen Formen der Skepsis, nicht den moderateren.)


Was für Erkenntnisse also hat die Philosophie zu bieten? Was lässt sich mit philosophischen Beweisen demonstrieren? Allein in dieser kurzen Diskussion, so hoffe ich, konnte ich schlüssig folgendes zeigen:

 

- Dass Behauptungen, laut denen der Mensch grundsätzlich nichts Wahres erkennen könne, unhaltbar sind.

- Dass nicht alles Erkennen von der Sinneserfahrung stammen, auf sie beschränkt oder "empirisch prüfbar" sein kann.

- Dass es neben Zusammenhängen, die kontingent  sind (die auch anders sein könnten), auch notwendigerweise bestehende Zusammenhänge gibt; Zusammenhänge, die eben nicht anders sein können.

- Dass solche Zusammenhänge (jedenfalls zum Teil) unmittelbar einsichtig und sicher erkennbar sind, und dass wir sie nicht empirisch prüfen müssen.

 

Muss man für diese Erkenntnisse komplizierte und womöglich mit gutem Grund bestreitbare Theorien in Anschlag bringen? Mitnichten! Alles,was man hier braucht, sind im Prinzip ganz einfache und unproblematische Prämissen:

 

- Dass Aussagen, die nur wahr dann sein könnten, wenn sie falsch sind, nicht wahr sein können.

- Dass es nicht möglich ist, empirisch zu prüfen, ob jede Erkenntnis empirisch prüfbar ist.

- Dass ein Nagel zwar 4 cm lang und aus Eisen gemacht sein kann, aber nicht "sachlich falsch" oder "vernünftig begründet" ist; und dass umgekehrt eine Überzeugung zwar "widerlegt" oder auf das Wetter bezogen sein kann, dafür aber nicht "krumm" oder oder "rostig".

- Und dass wir solche Zusammenhänge eben unmittelbar erkennen können, ohne zuerst empirisch prüfen zu müssen, ob wir nicht vielleicht doch noch Überzeugungen finden, die korrodiert und krumm sind, oder Nägel,die "widerlegt" sind oder sich auf das Wetter beziehen. (Und in diesem Fall wäre es natürlich auch nicht nur absurd, sondern auch unmöglich, solche Einsichten empirisch beweisen oder prüfen zu wollen.)

 

Allein schon auf Grundlage völlig trivialer Einsichten, die jedem vernünftigen Menschen zugänglich sind, lassen sich also mitunter einige - wie ich meine - durchaus interessante und substantielle philosophische Erkenntnisse gewinnen.

Und genau hier haben wir eben auch einen der Gründe vor uns, wieso es in der Philosophie vergleichsweise häufig Dissens gibt: Der Mensch, selbst wenn er intelligent ist, hat häufig die größten Schwierigkeiten, die eigentlich einfachsten, grundlegendsten und offensichtlichsten Dinge zu erkennen bzw. aus ihnen die logisch zwingenden Schlüsse zu ziehen.

Wie Aristoteles es formulierte: "Wie sich nämlich die Augen der Fledermäuse gegen das Tageslicht verhalten, so verhält sich die Vernunft unserer Seele zu dem, was seiner Natur nach unter allem am offenbarsten ist."

bearbeitet von iskander
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Je mehr du schreibst, umso unklarer wird, was du sagen willst. Klar wird dagegen, daß du Philosophie für eine Möglichkeit hältst, durch "reines Denken" zu Erkenntnissen zu gelangen. Wenn du dann zu beschreiben versuchst, warum das so sei, kommst du entweder zu Trivialitäten, oder irgendwelchen alten Griechen, die den Unterschied zwischen Philosophie und Wissenschaft in unserem Sinne noch gar nicht kannten, oder zu reiner Metaphysik. Der Rest ist in einer Sprache verfaßt, die nicht die meine ist, und die für mich keinen Sinn macht.

 

Das ist das, was ich die ganze Zeit zu erklären versuche. Es gibt (vereinfacht) drei Versuche der Menschen, sich ein Bild von dieser Welt zu manchen, Religion, Philosophie und theoretisch-empirische Wissenschaften. Jede dieser drei Disziplinen formuliert das, was ihnen jeweils wichtig ist, in einer eigenen Sprache. Manche lassen sich übersetzen, manche nicht. 

 

Ich versuche (zum hoffentlich letzten Mal) das an einem Beispiel zu zeigen: 

 

Am 25.8.2021 um 10:15 schrieb iskander:

Will ich wissen, ob das Vorhandensein von Sauerstoff eine notwendige Bedingung dafür ist, dass ein gewisser chemischer Prozess stattfindet, dann kriege ich das allerdings mit allem Nachdenken der Welt nicht raus. Da brauche ich die Empirie. (Oder Modellierungen, die aber wieder auf Empirie basieren,)

Wenn ich hingegen frage, ob man nur dann wissen kann, dass ein Sachverhalt besteht, wenn man zuvor weiß, dass auch alle seine notwendigen Bedingungen* gegeben sind, dann allerdings brauche ich keine Empirie. Das kann ich durch "reines Nachdenken" herausfinden - ja, ich kann es nur so herausfinden.

 

(* Notwendige Bedingungen sind Bedingungen, die erfüllt sein müssen, damit etwas überhaupt der Fall sein oder eintreten kann. Eine notwendige Bedingung dafür, dass das "Ding" da vor mir ein Hase ist, bestünde etwa darin, dass es auf dieser Welt überhaupt Tiere gibt bzw. geben kann.)

 

Der von mir hervorgehobene Teil ist schlicht Unsinn, denn dein Beispiel ist eben kein Beispiel von "reinem Denken", sondern eine etwas verschwurbelte Beschreibung von Kausalität, und die hat nun allerdings nichts mit reinem Denken zu tun, sondern ist ein sehr allgemeiner Begriff für zum Teil ganz unterschiedliche Ursache-Wirkungs-Ketten in der beobachtbaren Wirklichkeit. Je nachdem, um welchen Teil der Wirklichkeit es sich handelt, braucht man dafür theoretisch-empirische Modelle zB aus dem Bereich der Physik oder der Biologie. Bei nichts von dem ist Philosophie eine Hilfe, im Gegenteil, was auch niemanden wundern sollte, denn dafür bräuchte man ein Fachstudium, und das auch noch in allen möglichen Fächern. 

 

Daher meine These: Philosophie ist, ähnlich wie die Religion, keine brauchbare Methode mehr zum Erwerb von nachprüfbarem Wissen über diese Welt. Religionen haben einen Weg gefunden, ihren Anhängern trotzdem bedeutsam zu sein, und gelernt, damit zu leben, daß es Menschen gibt, denen das nichts sagt. Ich will nicht ausschließen, daß auch Philosophie einen Wert hat für die, die sie betreiben. Aber auch Philosophen sollten sich an den Gedanken gewöhnen, daß Philosophie für Nicht-Philosophen (wenn ich sie mal so nennen darf) keine Bedeutung hat. Vor allem aber ist Philosophie keine Voraussetzung für die theoretisch-empirischen Wissenschaften. Und das ist ja wohl deine These.

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