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Popper und die Wissenssoziologie


Marcellinus

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vor einer Stunde schrieb iskander:

Ein Knackpunkt besteht vielleicht darin, dass Du meinst, dass die Philosophie sich auf irgendwelche vermeintlichen "Einsichten" berufen müsse, während die die Alltagserfahrung und die empirischen Wissenschaften das nicht müssten; sie seien in der komfortablen Lage, vermeintliche Einsichten an der "harten Realität" prüfen zu können.

 

Nö. Aber auch bisher warst du nicht besonders gut darin, das, was andere schreiben, zu verstehen. Prima bist du dagegen bei Selbstgesprächen, in denen du zwei Strohmänner miteinander ringen läßt. Mach ruhig weiter damit, aber erwarte keine Antworten von Dritten. 

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vor 3 Stunden schrieb iskander:

Für ein nicht ganz so grundlegendes Level gilt das Entsprechende: Wir sehen einen Stein. Aber woher wissen wir, dass es ein Stein ist? Nun ja, es sieht aus wie ein Stein. Wir können den Stein auch physikalisch und chemisch untersuchen. Aber woher wissen wir, dass unsere Untersuchung verlässlich ist? Und dass der Stein sich seit der letzten Untersuchung nicht in etwas verwandelt hat, was nur noch so aussieht?

 

Das hier ist eigentlich exemplarisch für den Unsinn, zu dem Philosophie führt, wenn man sie betreibt wie du. Du tust so, als wenn Menschen Einzelwesen wären, die voraussetzungs- und alterslos einer ihnen fremden Welt gegenübertreten. Die Wirklichkeit sieht dagegen vollkommen anders aus, und das solltest du eigentlich auch wissen können. Jeder Einzelne von uns ist Erbe derer, die vor ihm gekommen sind, genetisch, weil unsere Wahrnehmungsorgane sich über Jahrmillionen hin entwickelt haben, sozial, weil wir alle unsere Begriffe, zusammen mit dem, was damit begriffen werden soll, und welche emotionale Einstellung wir dazu haben, lernen müssen. Wer Kindern dabei zugeschaut hat, wie sie diese Welt begreifen lernen, und wie sie dabei von denen lernen, unter deren Obhut sie aufwachsen, weiß was ich meine.

 

Durch Versuch, Irrtum und neuen Versuch entsteht so langsam, über viele Jahre in jedem von uns der Habitus, der uns ermöglicht, sich in dieser Welt zurecht zu finden. Dieser Prozess hat keinen Anfang, denn er beruht auf den Erfahrungen von Generationen, und den genetischen "Erfahrungen" von hunderten von Generationen. Alle unsere Sinne sind in ständiger Auseinandersetzung mit ihrer Umgebung entstanden. Da gibt es keinen Gegensatz von "Außen" und "Innen", sondern alle unsere Sinne sind ausgerichtet auf einen, uns übrigens weitgehend unbewußtem Austausch mit unserer Umwelt, seien es andere Menschen, andere Lebewesen oder die unbelebte Natur. 

 

Das Problem ist, daß du so natürlich dein theoretisches Konzept nicht hinbekommst. Kein Mensch erlebt je den Augenblick der Voraussetzungslosigkeit, den du für deine absolute Geltung von Sätzen brauchst. Also "abstrahierst" du, und so wird aus dem Homo Sapiens, den es nur im Plural gibt, der "Homo Philosophicus", eine Kunstfigur, die in vollkommener Vereinzelung alters-, zeit- und voraussetzungslos einer ihr vollkommen fremden Außenwelt gegenübertritt, und versucht, ihn ihr "wahre" Einsichten zu gewinnen, allein mit den Kräften eines Verstandes, der offenbar auch vollkommen vom Himmel gefallen zu sein scheint. Er weiß nicht, was ein "Stein" ist, oder die Farbe "Rot", aber denken kann er, und verheddert sich in all den gedanklichen Fallen, die du nun hier schon so lange mit so vielen Worten vor uns ausbreitest. 

 

Dabei ist diese "idealtypische" Konstruktion des "homo philosophicus" eine Fiktion, eine, die all die für sich scheinbar unbeantwortbaren Fragen erst hervorbringt, für deren Beantwortung du dann die Philosophie brauchst. Dieses Menschenbild, daß in der Philosophie eine lange Tradition hat, von René Descartes über David Hume bis Immanuel Kant, und darüber hinaus, ist das eigentliche Problem. Menschen gibt es nur im Plural, sie bilden Gesellschaften, die aus nichts anderem als aus eben diesen Menschen bestehen und deren Beziehungen untereinander. Diese Menschen und ihre Gesellschaften haben sich entwickelt, bilden Prozesse, die sich ziel- und absichtslos, aber durchaus strukturiert entwickelt haben. Sie haben keine bestimmbaren Anfang, kein Ziel, und alle ihre Eigenschaften, von den physikalischen der Atom und Moleküle, aus denen sie bestehen, über die genetischen Eigenschaften, bis zu den Eigentümlichkeiten ihres psychischen und sozialen Habitus, haben sich entwickelt. 

 

Nichts davon entspricht der vereinzelten Monade, die einer ihr völlig fremden Außenwelt beziehungslos gegenübersteht, von der so viele Philosophen, und auch du, so lange ausgegangen sind. Und weil dein Menschenbild den realen Menschen, wie der Welt, die sie miteinander bilden, so grundsätzlich nicht entspricht, kommen sie, und mit ihnen du, zu so grotesken Fehlurteilen. 

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vor 3 Stunden schrieb iskander:

Dass die "Farbmuster", die wir "sehen", durch bestimmte "Gegenstände" verursacht werden, die außerhalb des Bewusstseins befindlich sind, und die diese und jene Eigenschaften haben, ist gewissermaßen eine "theoretische Annahme".

 

Auch das ist einfach falsch! Die Farben, die wir sehen, werden nicht durch etwas verursacht, das außerhalb unseres Bewusstseins wäre, sondern ist schlicht einer genetischen Mutation unserer nichtmenschlichen Vorfahren geschuldet, die dadurch die Fähigkeit entwickelten, eine weitere Farbe, in diesem Falle Rot, zu unterscheiden. Das Gen ist mittlerweile bekannt, und kann sogar per Genmanipulation Halbaffen verabreicht werden, die dadurch die Fähigkeit erwerben, Rot zu sehen, die ihre Artgenossen sonst nicht haben. Der evolutionäre Vorteil ist beträchtlich, weil Lebewesen, die zusätzlich Rot sehen können, leichter zwischen reifen und unreifen Früchten unterscheiden können. Mit irgendwelchen "theoretischen Annahmen" hat das nichts zu tun, sondern ist pure Biologie. Daß Kant, und die Philosophen vor ihm, das noch nicht wußten, ist klar. Du aber könntest es wissen. 

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@Marcellinus

 

Warum können Vögel eigentlich fliegen?

Nun, weil es ein potentieller evolutionärer Vorteil ist, fliegen zu können, und weil sich im Lauf der Zeit dank entsprechender evolutionärer Mechanismen eben Lebewesen herausgebildet haben, die diesen Vorteil für sich nutzen konnten!

 

Und warum können Flugzeuge eigentlich fliegen?

Nun, weil Menschen es sinnvoll fanden, Maschinen zu konstruieren und zu bauen, mit denen sie sich durch die Luft bewegen können; also haben sie sich entschlossen, solche Maschinen zu konstruieren und zu bauen! Und das sind dann eben die Flugzeuge (und ein paar andere Geräte).

 

Die Antworten sind nicht falsch und auch nicht völlig nichtssagend, aber sie gehen am eigentlichen Punkt vorbei.

 

Das nur als Analogie dazu, dass die Frage nach Genese (historische Entstehung) erst mal eine völlig andere ist als diejenige nach sachlichen Gründen und nach Geltung. Die Frage, welche rationale Rechtfertigung es für eine Überzeugung geben kann, ist erst mal eine ganz andere als die, wie diese Überzeugung sich historisch entwickelt haben mag oder was ihre biologischen oder sozialen Vorbedingungen sind.

Die eine Fragestellung kann zwar Implikationen für die andere haben, aber da muss man vorsichtig sein und die Grenzen erkennen - siehe unten. Entsprechend liegt das, was Du sagst, einfach auf einer ganz anderen Ebene als das, was ich sage.

 

Dass man beispielsweise aus "Farbmustern" nicht ohne "Theorie" etwas über die Welt ableiten kann, hat nun erst mal gar nichts mit der Frage zu tun, welche Gene für die Farbwahrnehmung zuständig sind, oder welche historischen sozialen Prozesse nun dazu geführt haben, dass wir bestimmte "Theorien" haben und Farbmuster auf eine bestimmte Weise interpretieren (etwa als Gegenstände). Es gibt hier auch keinerlei logischen Widerspruch, weil es hier um Fragen bzw. Aussagen ganz anderer Art geht. Das eine mit dem anderen zu verwechseln, könnte man als "Kategorienfehler" bezeichnen. Und dass man mehrere Gesichtspunkte unterscheidet, heißt übrigens auch nicht, dass man einen dieser Gesichtspunkte "leugnen" würde. [Nachtrag: Du meintest wohl noch etwas anderes, was ich aber erst später verstanden habe und im nächsten Beitrag beantworte.]

 

Aber kann man aus der Evolution nicht viel für unser Erkennen ableiten? Hier kommt wieder die Unterscheidung von Genese und Geltung - oder besser: Genese und Erkenntnis-Rechtfertigung - ins Spiel.

Die Evolution mag ja historisch am Anfang stehen. Aber wir werden nicht mit dem Wissen um sie geboren. Wir leiten die Evolution vielmehr aus einem ganzen Universum von Vorannahmen bzw. Überzeugungen ab. Was müssen wir nicht erst alles über die Welt wissen, um die Evolution überzeugend begründen zu können?

Und nur wenn wir davon ausgehen, dass alle diese unzähligen Überzeugungen, die sich logisch als Prämissen darstellen, auch (wahrscheinlich) wahr sind, ist der Schluss auf die Evolution gültig!

 

Während die Evolution selbst also historisch-genetisch ein Anfangspunkt sein mag, stellt das Wissen um sie eher einen Endpunkt in einer (sehr) langen Begründungskette dar. 

Das heißt nicht, dass man nun rein gar nichts aus der Evolution über unser Erkennen ableiten könnte; aber es ist umgekehrt sicher weit mehr, was wir bereits als "erkannt" voraussetzen müssen, damit wir die Evolution als gut begründet betrachten können. Wollte man grundlegende Erkenntnisse, die wir für unser alltägliches Wissen und erst recht für anspruchsvolle wissenschaftl. Theorien (etwa eben die Evolutions-Theorie) voraussetzen müssen, mit der Evolution begründen ("geltungsmäßig" begründen, im Sinne einer logischen Ableitung), so wäre das ein gigantischer Zirkelschluss. Und wollte man aus der Evolution ableiten, dass man eigentlich fast nichts wissen könne, dann wäre das ein Widerspruch zu den Annahmen, die wir machen müssen, um überhaupt erst die Evolutionstheorie begründen zu können.

 

Um also über die Evolution Bescheid zu wissen - und um speziell das zu wissen, was Du in Deinen letzten Beiträgen schreibst - braucht man bereits ein großes Vorwissen. Das "vor" in "Vorwissen" verstehe ich hier nicht nur zeitlich (das auch), sondern auch im Sinne einer Begründungs-Abhängigkeit. Man muss erst viele Überzeugungen rational rechtfertigen können, um dann in einer logisch gültigen Weise zu solchen Thesen voranzuschreiten, wie Du sie hier darlegst. Ohne dass man bereits vieles im Vorfeld weiß, gelangt man erst gar nicht an einen Punkt, an den man Dir begründet zustimmen könnte.

 

Und hier stellt sich eben die Frage, wie es um dieses "Vorwissen" steht und wie es gerechtfertigt werden kann. Wenn etwa ein Mensch aus den Sinnesdaten überhaupt keine Schlüsse ziehen würde, wenn er sie völlig neutral an sich "vorbeirauschen" ließe, hätte er weder eine Erkenntnis noch könnte er sich irren. Erst wenn er irgendwelche Meinungen oder Überzeugungen entwickelt (etwa die, dass seine Sinneserfahrung etwas über die "Welt da draußen" verrät), kann er etwas Wahres begriffen haben oder sich im Irrtum befinden. Aber wie steht es nun um ebendiese Meinungen und Überzeugungen?

Hier greift nun die Skepsis von Albert und co. an. Auch solche Meinungen und Überzeugungen seien letztlich nicht rechtfertigbar. Deswegen gilt diese Skepsis eben nicht allein philosophischen Überzeugungen, sondern allem. Und deshalb ist es auch etwas merkwürdig, wenn Du Dich affirmativ auf diese Kritik berufst. Denn aus ihr würde folgen, dass es auch kein Alltagswissen gibt, nicht mal vorläufiges.

 

Zitat

Kein Mensch erlebt je den Augenblick der Voraussetzungslosigkeit, den du für deine absolute Geltung von Sätzen brauchst.

 

Was ist denn "Voraussetzungslosigkeit"? Und welche Art von "Vorraussetzungslosigkeit" bräuchte man denn für philosophische Erkenntnis? "Voraussetzung" kann nämlich vieles bedeuten: Von der Vorbedingung bis hin zur (unbewiesenen) "Vorannahme". Und während manche Arten von "Vorraussetzung" tatsächlich ein Problem wären, sind andere harmlos.

 

Abgesehen davon zeigt sich hier schon wieder ein Muster, das sich bei Dir ständig zeigt. Denn ganz offensichtlich hältst Du den gerade zitierten Satz (der übrigens eindeutig ein philosophischer Satz ist) ja für wahr. Und wahrscheinlich sprichst Du ihm auch eine "absolute Geltung" zu. Und wahrscheinlich stört dabei die fehlende "Voraussetzungslosigkeit" auch nicht seine "absolute" Geltung? (Und wenn Du nur eine "relative" Geltung für Deinen Satz beanspruchst, was soll das dann konkret heißen? Dass er nur vorläufig gilt und dass sich morgen vielleicht schon herausstellt, dass es eben doch "absolut gültige" Sätze gibt?)

 

Deine Auffassung könnte man so zusammenfassen: 'Wir können nichts sicher wissen, und schon gar nichts Philosophisches; nur dass die Skepsis die Wahrheit ist, das wissen wir absolut!'

 

Dass das nicht konsistent ist, habe ich ja schon  X mal betont, und Du bist nie auf diese Kritik eingegangen. Warum eigentlich nicht? Verstehst Du das Problem nicht oder ahnst Du, dass das ein kritischer Punkt sein könnte?

bearbeitet von iskander
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@Marcellinus

 

Am 20.9.2021 um 21:47 schrieb Marcellinus:

 

Auch das ist einfach falsch! Die Farben, die wir sehen, werden nicht durch etwas verursacht, das außerhalb unseres Bewusstseins wäre, sondern ist schlicht einer genetischen Mutation unserer nichtmenschlichen Vorfahren geschuldet, die dadurch die Fähigkeit entwickelten, eine weitere Farbe, in diesem Falle Rot, zu unterscheiden. Das Gen ist mittlerweile bekannt, und kann sogar per Genmanipulation Halbaffen verabreicht werden, die dadurch die Fähigkeit erwerben, Rot zu sehen, die ihre Artgenossen sonst nicht haben. Der evolutionäre Vorteil ist beträchtlich, weil Lebewesen, die zusätzlich Rot sehen können, leichter zwischen reifen und unreifen Früchten unterscheiden können.

 

Ach so, ich verstehe den (zusätzlichen) Punkt erst jetzt. Mit "verursacht" meinte ich natürlich nicht, dass die äußeren Gegenstände die Farbwahrnehmung ganz unmittelbar "herbeiführen".

Gemeint ist natürlich, dass die äußeren Gegenstände eine Stimulation unserer Sinnesorgane bewirken (etwa mithilfe des Lichtes), was dann nach dem Durchlaufen einer entsprechenden Kaskade letztlich eben dazu führt, dass wir eine bewusste Farb-Wahrnehmung haben. Man könnte also sagen: Die äußeren Gegenstände verursachen unsere Farbwahrnehmungen vor dem Hintergrund physikalischer Bedingungen und unserer entsprechenden Disposition. Anders als im Fall einer Halluzination etwa.

Ich hatte gedacht, es wäre klar, dass das so gemeint ist.

 

Die "genetische" Erklärungsebene ist übrigens wieder eine andere, und sie ist eine mittelbare. Denn die Gene "verursachen" die Farbwahrnehmung nicht unmittelbar - sie helfen nur (wenn auch entscheidend) dabei, die biologischen Strukturen zu schaffen, welche eine Farbwahrnehmung erst möglich machen.

bearbeitet von iskander
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@Marcellinus

 

Für mehr Klarheit noch ein zweiter Nachtrag:

 

Natürlich behaupte ich nicht, dass das unmittelbare Erleben etwa der Farbe rot schon "theoretisch" wäre; noch bestreite ich, dass Gene notwendig sind, damit man eine bestimmte Farbwahrnehmung haben kann!

 

Es ging mir aber nicht um die Frage, welche Gene es ermöglichen, dass wir Blut als "rot" wahrnehmen. Es ging mir darum, dass in der reinen Sinneserfahrung so etwas wie "Blut" nicht auftaucht, sondern dass das ein theoretisches Konzept ist. Und dass in einem Satz wie "Dort ist Blut" (oder sogar: "Das hier ist rot") bereits einiges an "Theorie" steckt, was ebenfalls über die reine und unmittelbare Sinneserfahrung hinausgeht.

 

Es ging mir auch nicht darum, wie die entsprechenden theoretischen Konzepte und "Theorien" sich historisch und sozial herausgebildet haben. Es ging darum, dass solche Konzepte und Theorien als gültig bzw. wahr angenommen werden müssen, wenn wir davon ausgehen möchten, dass wir überhaupt etwas über die Welt um uns herum wissen. Eine basale theoretische Annahme würde zum Beispiel lauten, dass unsere Sinne uns überhaupt irgendetwas über die Welt verraten; und eine weitere, dass ähnliche von uns wahrgenommene dreidimensionale "Farb-Muster" auf ähnliche oder gleiche Gegenstände hindeuten.

 

Betrachte folgende Aussagen:

1) Ohne basale theoretische Annahmen kann man aus der reinen Sinneserfahrung keine Erkenntnisse ableiten.

2) Unsere basalen theoretischen Annahmen sind in einem evolutionären Prozess entstanden und biologisch und sozial bedingt.

 

Da ist erst einmal kein Widerspruch, wo auch? Und es sind auch einfach Aussagen zu ganz unterschiedlichen Fragestellungen; und man kann die eine Aussage nicht durch die andere "ersetzen".

 

Aber falls jemand aus der evolutionären, historischen und sozialen Bedingtheit unserer "basalen Annahmen" schließen wollte, dass diese vernünftigerweise nicht als "wahr" angesehen werden dürfen, auch nicht als "weitgehend wahr" oder als "wahrscheinlich wahr", dann wäre das für die These 2) fatal, nicht für die These 1). Denn wenn wir selbst unsere basalen Annahmen (wie die, dass unsere Sinne uns überhaupt etwas über die Welt verraten) vernünftigerweise nicht als wahr bzw. als "Wissen" betrachten dürften, dann könnten wir schon hundert mal nichts über evolutionäre Prozesse, Gene oder historische und soziale Bedingungs-Verhältnisse wissen. Und wenn wir über solche Prozesse bzw. Verhältnisse nichts wissen könnten, könnten wir aus ihnen auch nichts gültig schließen.

bearbeitet von iskander
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@Marcellinus

 

Was ich versucht habe, Dir zuletzt zu erläutern, ist einfach der Unterschied zwischen "Geltung" und Genese", weil Du mir beides stark durcheinanderzubringen scheinst.

Ich spreche davon, welche "Annahmen" wir machen müssen, damit wir beispielsweise einen Großteil unseres Alltagswissens gültig begründen zu können. Du hältst dem "entgegen", dass unsere Annahmen in einem historischen Prozess entstanden seien. Aber das ist kein Widerspruch - das sind einfach verschiedene Themen. Das eine sind geltungstheoretische Fragen ("Welche Überzeugen/Prämissen braucht man hier für ein valides Argument?"), das andere sind historisch-genetische Überlegungen ("Was sind die Prozesse, die biologisch, historisch und sozial zum Entstehen unserer Überzeugungen beigetragen haben?"),

 

Vielleicht ist die Wikipedia erfolgreicher als ich darin, diesen Unterschied zu erklären. Vielleicht solltest Du auch mal in Erwägung ziehen, dass ich nicht nur "Quark" schreibe, sondern dass Dir bestimmte Konzepte oder Unterscheidungen einfach unbekannt sind, obwohl sie ihre Berechtigung und Relevanz haben.

 

Wittgenstein war Philosoph - und ein etwas merkwürdiger und nicht unumstrittener - aber das heißt nicht im Umkehrschluss, dass die Philosophie Wittgenstein wäre.

 

Zitat

Aber auch bisher warst du nicht besonders gut darin, das, was andere schreiben, zu verstehen. Prima bist du dagegen bei Selbstgesprächen, in denen du zwei Strohmänner miteinander ringen läßt. Mach ruhig weiter damit, aber erwarte keine Antworten von Dritten. 

 

Es fällt mir in der Tat schwer, zu verstehen, was Du meinst; aber nicht, weil ich mir keine Mühe geben würde, sondern weil vieles von dem, was Du schreibst, für mich wenig Sinn ergibt. Was natürlich allein an mir liegen kann - an wem denn auch sonst?

 

Tatsächlich erläuterst Du Deine Positionen oft nicht genau, sondern begnügst Dich mit Andeutungen und Schlagworten, die dunkel bleiben.

Beispielsweise ist Dein ständiger Topos, dass die Philosophie beanspruche, "die Wahrheit" zu erkennen, dass sie "absolute Wahrheiten" proklamiere, und damit einen vermessenen Wahrheitsanspruch habe. Damit unterscheide sie sich von den empirisch arbeitenden Wissenschaften und unserem Alltag (oder verstehe ich Dich da schon wieder falsch?).

 

Was soll diese Kritik genau bedeuten? Was etwa ist "die Wahrheit" im Gegensatz zu "wahren Aussagen"?

Natürlich bemüht sich die Philosophie, Sachverhalte korrekt ("wahr") zu beschreiben - und also wahre Aussagen zu treffen. Das tun wir im Alltag allerdings auch. Dass die Philosophie dabei "grundlegendere" Fragen abhandelt, als wir sie normalerweise im Alltag thematisieren, liegt in der Natur der Sache. Ob das ein fatales Problem für die Philosophie sein muss, darüber müsste man diskutieren - aber selbst wenn es ein fatales Problem wäre, so hätte dies doch wohl nichts mit einem speziellen "Wahrheits-Begriff" der Philosophie zu tun, sondern einfach mit ihrer "Themenwahl"?

 

Was eine "absolute Wahrheit" im Gegensatz zu einer "nicht-absolute Wahrheit" sein sollte, wäre mir nicht ersichtlich, falls man diese Ausdrücke denn wörtlich verstehen wollte. Daher gehe ich mal davon aus, dass Du mit "absolute Wahrheiten" einfach "absolut sichere Wahrheiten" meinst. (Falls Du Dich nun beklagst, dass ich Dich fehlinterpretieren würde, so möchte ich Dir raten, Dein Gegenüber weniger zum interpretieren zu zwingen und stattdessen häufiger zu erläutern, wie Du es tatsächlich meinst.). 

 

Nun dürfte es aber kaum einen Philosophen geben, der glaubt, dass alle seine philosophischen Überzeugungen absolut sicher wahr sind. Im Gegenteil dürften die meisten Philosophen davon ausgehen, dass viele oder sehr viele ihrer Überzeugungen höchstens "vernünftig", "gut begründet" und "wahrscheinlich wahr" sind.

Umgekehrt dürften viele Leute im Alltag Überzeugungen haben, die sie für völlig sicher halten, selbst wenn sie nicht häufig explizit über sie nachdenken oder sprechen: Etwa dass 2 + 2 = 4, dass überhaupt etwas existiert, dass sie selbst existieren...

Darüber hinaus haben wir im Alltag doch viele Überzeugungen, die wir vielleicht nicht für absolut gewiss halten, aber doch für so sicher, dass sie nach unserer Auffassung weit oberhalb von jedem vernünftigen Zweifel stehen.

 

Was also den Grad der Gewissheit angeht, so dürfte der Unterschied zwischen Alltag und Philosophie jetzt nicht so ungeheuerlich ausfallen.

 

Ein weiterer Kritikpunkt, soweit ich Dich richtig verstehe, ist der Vorwurf, dass die Philosophen wollen die Welt grundlegend erklären wollten. Nun müsste man sich darüber unterhalten, was man mit dieser Ausdrucksweise genau sagen möchte; aber ich würde meinen, dass diese These im engeren Sinne wohl höchstens auf eine Minderheit von Philosophen zutrifft (und wie diese Ansprüche dann zu bewerten wären, müsste man im Einzelfall untersuchen).

 

Allerdings haben viele Philosophen natürlich eine Weltanschauung. Eine solche hast Du aber auch. Und wenn ich mir Deinen Ton und Duktus ansehe, kann ich nur schließen, dass Du von der Richtigkeit Deiner weltanschaulichen Kern-Auffassungen mindestens so überzeugt bist wie das Gros der Philosophen von ihren weltanschaulichen Ansichten.

 

Nach den allgemein üblichen Definitionen sind viele Deine weltanschaulichen Positionen in der Tat philosophischer Natur - sie sind eindeutig naturalistisch, höchstwahrscheinlich physikalistisch und darüber hinaus mit einer starken skeptischen Schlagseite behaftet.

 

(Was Deine Skepsis angeht drängt sich mir der Eindruck auf, dass Du Deine Aussage, wonach es keine "absoluten Wahrheiten" gibt, selbst als "absolute Wahrheit" verstehst. Ich habe da sicher mindestens zehn mal nachgefragt und noch nie eine Antwort bekommen.)

 

Allerdings würdest Du eine solche Charakterisierung Deiner Meinung als "philosophisch" wohl ablehnen - denn die entsprechenden Auffassungen sind in Deinem Fall ja "wissenssoziologisch zu verstehen".

Was mit Letzterem gemeint ist, weiß ich nicht, denn auf mehrere Nachfragen hast Du nicht spezifisch geantwortet. Du hast zwar etwas Grundsätzliches über die Wissenssoziologie und ihre Thematik erklärt, aber daraus folgt weder, dass die von Dir vertretenen "weltanschaulichen" Thesen sich auf den Gegenstandsbereich der Wissenssoziologie beziehen würden, noch dass sie mit den Methoden der Wissenssoziologie begründbar wären. 

 

Wieder ein Beispiel dafür, dass Du häufig nur Schlagworte gibst oder Andeutungen machst, die Dein Gegenüber dann interpretieren muss. Und so weiß ich z.B. auch jetzt nicht sicher, ob ich das, was Du der Philosophie beim Thema "Wahrheit" vorwirfst, überhaupt richtig verstanden habe.

Die einzige Möglichkeit für mich besteht oft darin, mir zu überlegen, wie Du es gemeint haben könntest, weil Du es nicht explizit ausführst - was dann wiederum zum Vorwurf führt, man würde Dich fehlinterpretieren.

bearbeitet von iskander
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@Marcellinus

 

Ein riesiges Problem für diese Diskussion besteht außerdem darin, dass Du viele Fragen, die ich nachdrücklich und mehrfach stellen, nicht beantwortest.

 

So behauptest Du ja etwa, dass nur mithilfe empirischer Prüfung Erkenntnisse zu gewinnen seien; alle Aussage, die nicht empirisch prüfbar seien, seien leeres Gerede. Ich gehe mal davon aus, dass diese Behauptung selbst kein leeres Gerede sein soll, sondern eine Erkenntnis, und dass das auch für andere Aussagen von Dir gilt (etwa solche über die Natur von Logik und Mathematik und ihr Verhältnis zur "Wahrheit"). Also müssen diese Deine Aussagen entsprechend Deiner eigenen Prämisse mithilfe einer empirischen Prüfung etabliert worden sein.

 

Ich habe jetzt sicher schon ein Dutzend mal nachgefragt - und das ist keine rhetorische Übertreibung -, wie Deine entsprechenden Behauptungen denn empirisch belegt worden sein sollen, aber noch nie eine Antwort bekommen. Höchstens den höchst unspezifischen Hinweis auf die Wissenssoziologie. Die Wissenssoziologie untersucht aber (wie schon der Name suggeriert) die sozialen Bedingungen, Beziehungen, Prozesse usw., die für die (Natur)wissenschaften relevant sind - was sie mit Deinen Behauptungen zu tun haben soll, bleibt dunkel.

Deshalb habe ich Dich sicher ein Dutzend mal - und das ist wieder keine rhetorische Übertreibung - gefragt, wo die Wissenssoziologie Deine Thesen denn als wahr ausgeben würde oder sie gar mit sozialwissenschaftlichen Methoden belegt hätte - wieder keine Antwort.

 

Das einzige, was sonst noch kommt, ist der Hinweis, dass Naturwissenschaften empirisch arbeiten, mit dem Appell an mich, dass ich dies doch bitte endlich, endlich, endlich mal zur Kenntnis nehmen solle (so als ob das auch nur eine Sekunde kontrovers gewesen wäre). Weil ich nicht erkennen kann, wie aus der Tatsache, dass die Naturwissenschaften empirisch arbeiten, Deine Thesen ohne höchst fragwürdige Zusatz-Annahmen logisch gültig folgen könnten, habe ich Dich auch mehrfach gebeten, die zentralen Prämissen Deiner entsprechenden Argumentation zu nennen. Obwohl ich Dir erklärt habe, wie das geht, es an Beispielen verdeutlicht habe, den Nutzen erläutert habe, und obwohl es mit sehr geringem Aufwand möglich ist, bist Du auch dieser Bitte nicht nachgekommen. Stattdessen hast Du Dein Unverständnis darüber geäußert, was ich da denn schreibe. Alles, was Dir nicht bekannt ist, ist für Dich offenbar Nonsens - und sei es die Darstellung von Argumenten in logischer Form (also als Prämissen und Konklusion).

 

So hast Du also bisher keine meiner zentralen Fragen beantwortet - dafür sagst Du mir aber in geschätzt 80% Deiner Beiträge, was für einen schrecklichen Blödsinn ich doch schreibe.

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On 9/16/2021 at 6:52 PM, iskander said:

Ich habe dazu nicht nur selbst detailliert argumentiert, sondern auch mehrere (kurze) Videos verlinkt

sorry ich guck mir prinzipiell keine verlinkten Videos an (ausser Witze oder Musik). Der Autor soll sich mmn bemühen die Aussagen in eigenen Worten kurz wiederzugeben.

On 9/16/2021 at 9:10 PM, iskander said:

Vielleicht ergänzend noch die Anmerkung, dass gerade bei der Evolutionstheorie umstritten ist, ob sie wirklich falsifizierbar ist. Manche Biologen (etwa Ernst Mayr) gehen/gingen davon aus, dass sie nicht im Popperschen Sinne falsifizierbar sei. Popper sah das offenbar ebenso, ungeachtet dessen, dass er die Evolutions-Theorie wertgeschätzt hat. Er hielt sie offenbar für ein sinnvolles und fruchtbares "metaphysisches Forschungsprogramm" (in seinen Worten), aber nicht für eine wissenschaftliche Theorie im eigentlichen Sinne. (Es wird zum Teil behauptet, dass Popper seine Haltung später geändert habe, aber das ist umstritten.)

Weiss auch nicht was Ernst Mayr zu dieser Aussage veranlasst hat, aber logo lässt sich die ET falsifizieren. Richard Dawkins meinte der Fund eines Kaninchen-Fossils aus dem Paläozoikum würde genügen. Womöglich liesse sich dann aber auch argumentieren dass man einfach auf der Zeitachse falsch lag, nicht jedoch am Prinzip. Eine mmn aber gültige Falsifikation wäre der Nachweis eines gezielten epigenetischen Vererbungsmechanismus, zb die Vererbung von erlerntem wissen. Dein Kind könnte kurz nach seiner Geburt so gut sprechen und rechnen wie du auch. Muss sich nicht unbedingt um Menschen handeln, irgendeine Tierart die wissen erwerben kann genügte. ET futsch! 

Im weiteren erklärt die ET ja längst nicht alles was in der Biologie so abläuft, sie ist eher als Grundsatz zu verstehen, wie etwa die Thermodynamik beim Wetter; sie erklärt manches aber nicht alles. So hat die Epigenetik zb herausgefunden dass - grob vereinfacht – Umwelteinflüsse gewisse Gene an- oder abschalten, woraus man dann schliesst die entsprechende Eigenschaft sei vererbt – was strikt gesehen nicht simmt. zb produzieren gestresste Rattenmütter ängstliche Nachkommen deren Genotyp sich aber nicht im geringsten von dem gesunder resp. “normaler” Nachkommen unterscheidet. Oder Fadenwürmer geben ihre Virenresistenz an ihre Nachkommen weiter – das ist so wie deine Kinder deine Covid-Impfung erben würden. Es ist folglich – insofern sei die ET meinetwegen teilweise falsifiziert und eben falsifizierbar – nicht ausschliesslich die Weitergabe der Keimzellen die den Phänotyp und das Verhalten des Nachwuchses bestimmen.

On 9/16/2021 at 6:52 PM, iskander said:

Die zweite Option bestünde darin, dass man annimmt, dass wir uns irgendwo im Hinblick auf unser Weltbild oder im Hinblick auf unsere Beobachtungen in relevanter Weise irren, so dass die Evolutions-Theorie nur widerlegt scheint, es aber nicht ist. Dazu, an welcher Stelle wir uns dann konkret irren, muss man sich nicht festlegen; aber man hätte beispielsweise postulieren können, dass unsere Vorstellungen über die Thermodynamik der Erde falsch seien - etwa weil es noch völlig unbekannte und unerklärliche Kräfte oder Naturphänomene gebe, die dafür sorgten, dass die Erde sich viel langsamer abkühlt, als Kelvin das berechnet hatte.

Und so war es dann ja auch: Das unbekannte "Naturphänomen" war die Radioaktivität, die das Innere der Erde gewissermaßen "aufheizt".

Es waren Geologen und Paläontologen die Kevins Berechnungen anzuzweifeln begannen, und schliesslich falsifizieren konnten durch die Entdeckung dass man mittels Radioaktivität das Alter von Steinen berechnen konnte. Und durch diese Fähigkeit liess sich die mathematische Berechnung des Erdalters durch Lord Kelvin eben falsifizieren – ist doch genau das was ich meine. Sowohl ET wie der Kevin-Algorithmus sind prinzipiell falsifizierbar – oder eben Geschwurbel.  Merkste was? 🙂

 

 

On 9/16/2021 at 6:52 PM, iskander said:

Aber damals war dieses Phänomen eben noch völlig unbekannt! Ein Natur-Phänomen zu postulieren, das die Erde in dieser Weise von innen erwärmt, wäre damals eine reine Ad-hoc-Hypothese ohne jeden Beweis gewesen (und wahrscheinlich eine, die auf viele eher "kurios" und "aus dem Ärmel geschüttelt" gewirkt hätte).

eben. Bestätigt doch meinen Standpunkt? Unser Wissen ist immer gegenwärig, damals war das nicht anders. "Kuriose" aka Verschwörungstheorien tragen nix zum Wissenserwerb bei, allenfalls dadurch dass sie selbst falsifiziert werden - wie dass die Covid-Impfung unfruchtbar mache ist durch die erste geimpfte Schwangere wohl widerlegt.

On 9/16/2021 at 6:52 PM, iskander said:

Die Vorstellung, dass das mittelalterliche Weltbild von einer Flacherde ausgeht, ist verbreitet, aber falsch. Sie entstand vielmehr erst aus dem Bedürfnis der Neuzeit, sich von der vorangegangenen Zeit abzugrenzen, das noch im 19. Jahrhundert im bekannten Holzstich von Flammarion (s. Abb.) Ausdruck fand. Entgegen dieser Legende war die Kugelgestalt der Erde nicht nur im mittelalterlichen arabisch-islamischen Kulturkreis[10] bekannt, sondern auch im europäischen Mittelalter Lehrmeinung.[11]"

Was war dann das Problem das Gallilei mit der Kirche hatte?

 

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@phyllis

 

Zitat

sorry ich guck mir prinzipiell keine verlinkten Videos an

 

Das ist in diesem Fall schade, denn aus den Videos, die wirklich nur kurz sind, hättest Du ersehen können, dass die Wissenschaft sich regelmäßig eben gerade nicht an Poppers Postulate gehalten hat - und wieso das auch keinen Sinn machen würde.

Es sollte aber auch völlig reichen, wenn Du Dir meine Argumente anguckst. Ein ganz einfaches Beispiel für einen Satz, der eindeutig nicht falsifizierbar und dennoch gehaltvoll ist, wäre die Aussage "Es gibt falsifizierbare Sätze". Soweit ich mich erinnere, bist Du nicht auf das Beispiel eingegangen, sondern hast stattdessen behauptet, dass der, Satz dass es Gott nicht gebe, falsifizierbar sei. Was das mit meinem Beispiel zu tun hat (oder inwieweit das eine Widerlegung meines Beispiels sein soll) ist mir unklar.

Ein anderes Beispiel wären viele (wenn auch nicht alle) historischen Sätze, die de facto unfalsifizierbar sind, aber trotzdem etwas Gehaltvolles besagen (z.B. "Ludwig XVI., König von Frankreich, wurde im Jahr 1793 hingerichtet."). Auch auf diesen Punkt gehst Du nicht ein, sondern wiederholst einfach jedes mal, dass alle nicht falsifizierbaren Sätze "Geschwurbel" seien.

Ein weiteres Beispiel für Sätze, die nicht im strikten Sinne falsifizierbar sind, wären probabilistische Sätze, wie man sie beispielsweise in der Mikrophysik ständig hat.

 

Oder noch ein ganz grundlegendes und einfaches Beispiel wären Existenz-Aussagen (im Ggs. zu Gesetzes-Aussagen), etwa diese: Es gibt in diesem Universum mindestens ein Säugetier, das Eier legt (kam ähnlich auch in einem der verlinkten Videos vor). Der Satz ist realistischerweise nicht widerlegbar, weil wir uns nicht im ganzen Universum umgucken können, um auszuschließen, dass da doch irgendwo  so ein Tier ist. Er ist aber durch das Aufzeigen von Beispielen (etwa durch das Präsentieren eines Schnabeltieres) positiv belegbar. Gehaltvoll ist der Satz mit Sicherheit.

 

Zur Evolution gilt, was ich bereits so formuliert hatte:

 

Zitat

Natürlich gibt es Teilthesen, die zur Evolutions-Theorie gehören oder sich aus ihr ableiten lassen, die sich im Prinzip einfacher falsifizieren lassen; aber wenn das nicht gelingt, ist es wohl schwierig das "Gesamt-Paket" der Theorie zu falsifizieren.

 

 

Nehmen wir einmal an, die grundlegenden Mechanismen der Evolution existieren, und es gibt auch eine zeitliche Entwicklung der Lebewesen. Nehmen wir aber weiter an, die Evolutions-Theorie (in ihrer heutigen Form) reicht nicht aus, um die gesamte Phylogenese des Lebens zu erklären. Sagen wir etwa eine Entwicklung von vor 100 Mio. Jahren, für die es kaum Fossilien gibt und die wir nur sehr schlecht verstehen. Dann könnte es sehr schwer sein, hier zu beweisen oder zu widerlegen, dass die Entwicklung vollständig durch die Evolutionstheorie erklärbar ist.

Das ist nicht irrelevant, weil es zum Beispiel Anhänger des Intelligent Designs zu geben scheint, die eine sukzessive Abfolge der Lebewesen akzeptieren, und die es vielleicht sogar für möglich halten, dass viele Lebensformen sich rein natürlich bedingt unmittelbar auseinanderentwickelt haben - die aber dann behaupten, dass das damit nicht alles erklärbar sei. Selbst wenn der Evolutions-Theoretiker aber nicht genau erklären kann, wie es vor 100 Mio. Jahren zu einer bestimmten Entwicklung kam; oder wenn er zwar eine Erklärung hat, aber nicht beweisen kann, dass sie zutrifft (schlechte empirische Datenlage): so würde er vermutlich argumentieren, dass es eine (noch unbekannte) gültige Erklärung im Rahmen der Evolution sehr wahrscheinlich doch gibt resp. dass seine eigene Erklärung oder eine ähnliche auch ohne Beweis akzeptiert werden sollte. Das würde dann aber die Evolutionstheorie aus Sicht des gemäßigten Anhänger des Intelligent Design (nahezu) unfalsifizierbar machen. Es kommt also sozusagen auch immer auf die Warte an.

 

Das ist keine Kritik von mir, sondern einfach der Hinweis darauf, dass sich manche komplexen Fragen, die zeitlich weit entfernte Entwicklungen betreffen, für welche kaum Daten da sind, schwer definitiv zu beantworten sind - was dann auch heißt, dass manche (legitimen) Thesen, die sich auf solche Entwicklungen beziehen, auch schwer definitiv zu falsifizieren sind. In manchen Fällen lassen sich entsprechende Thesen auch eher plausibel machen als widerlegen.

 

Zitat

Und durch diese Fähigkeit liess sich die mathematische Berechnung des Erdalters durch Lord Kelvin eben falsifizieren – ist doch genau das was ich meine. Sowohl ET wie der Kevin-Algorithmus sind prinzipiell falsifizierbar [...]

 

Es ging aber um die Evolutions-Theorie und deren Falsifizierung. Und darum, dass die Falsifizierung einer Theorie (in diesem Fall der Evolution) immer auf Annahmen beruht, die womöglich selbst falsch sind (in diesem Fall etwa das damalige Weltbild der Phyisk). Und dass wir im Einzelfall immer die Argumente, die für eine These sprechen, und die, die gegen sie sprechen, abwägen müssen, um zu beurteilen, ob es nun sinnvoller ist, die entsprechende These als falsifiziert zu betrachten oder nicht. Was in manchen Fällen relativ einfach und eindeutig ist, in anderen aber weniger.

 

Zitat

Was war dann das Problem das Gallilei mit der Kirche hatte?

 

Nicht, dass Galilei behauptet hätte, dass die Erde eine Kugel ist, sondern dass sie um die Sonne kreist.

bearbeitet von iskander
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Am 25.9.2021 um 19:53 schrieb iskander:

Ein riesiges Problem für diese Diskussion besteht außerdem darin, dass Du viele Fragen, die ich nachdrücklich und mehrfach stellen, nicht beantwortest.

 

DEIN riesiges Problem ist, daß die allermeisten Fragen, die du "nachdrücklich und mehrfach" stellst, außerhalb deiner Welt keine Bedeutung hat.

 

Am 25.9.2021 um 19:53 schrieb iskander:

So behauptest Du ja etwa, dass nur mithilfe empirischer Prüfung Erkenntnisse zu gewinnen seien; alle Aussage, die nicht empirisch prüfbar seien, seien leeres Gerede.

 

Nein, das ist nicht das, was ich behaupte, sondern das, was du daraus gemacht hast. Nur du redest ständig über die "Geltung" einzelner Aussagen. Ich dagegen habe versucht, dir zu erklären, daß Wissenschaften ein Wechselspiel von Theoriebildung und Tatsachenbeobachtungen ist, daß also theoretische wissenschaftliche Modelle durch Tatsachenbeobachtungen bestätigt oder widerlegt werden können, so wie diese Tatschenbeobachtungen ihrerseits zu neuen oder erweiterten theoretischen Modellen führen können.

 

Das ist ein Prozeß, den man nicht sinnvoll auf einzelne Aussagen reduzieren kann, was du aber ständig tust. Für dich besteht der Erkenntnisprozeß aus einzelnen isolierten Sätzen und deren "Geltung", die du meinst durch reines Denken bestimmen zu können. Das mag für Philosophen interessant sein. Wittgenstein hat das wohl so gesehen, nur eben auch erkannt, daß Unsinn dabei herauskommt. 

 

Wir reden über zwei vollkommen verschiedene Sachen, du über einzelne Sätze, losgelöst von allem, ich über den theoretisch-empirischen Prozeß des Wissenserwerbs. Deine Fragen beziehen sich auf Sätze, Sätze, die mich nicht interessieren. Wissenschaften bestehen nicht aus Sätzen, sondern aus theoretisch-empirischen Modellen. Das läßt sich nicht auf einzelne Sätze reduzieren, und einzelne Sätze haben für sich allein in den Wissenschaften keine Bedeutung. Selbst E = M * C2 ist eine Formel, die nur Sinn macht, wenn man die gesamte Physik dahinter versteht.

 

Deine Texte, und damit deine Fragen, gehen vollkommen am Problem vorbei, der Abgrenzung zwischen Philosophie und Wissenschaft, und damit der Feststellung, daß Philosophie für die theoretisch-empirischen Wissenschaften keine andere Bedeutung mehr hat als evtl. als Gegenstand der Geschichtswissenschaft oder der Soziologie. ich würde übrigens nicht sagen, daß Philosophie leeres Gerede ist, eher eine sehr aufwendige Art, sich die Zeit zu vertreiben, mehr aber eben auch nicht. Wissen gewinnt man damit höchstens über diesen Zeitvertreib selbst, nicht über den Rest der Welt. 

 

 

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@Marcellinus

 

Dass die Wissenschaft (oder auch die Philosophie) aus Aussagen bestehe, die man isoliert behandeln könne, habe ich nie behauptet. Wenn ich erkläre, dass eine Aussage empirisch geprüft werden kann, dann streite ich damit natürlich nicht ab, dass das Prüfverfahren, soweit es um Wissenschaften geht, i.d.R. ein komplexer Prozess ist, dem ein Wechselspiel von Theorie und Praxis zugrundeliegt. Ich streite auch nicht ab, dass die einzelne Aussage in den Wissenschaften in einem weiteren Kontext steht - so wenig, wie Du dies Deinerseits negierst, wenn Du erklärst, dass "Gedanken und Modelle in einer empirischen Prüfung an eben dieser Wirklichkeit scheitern" können (Hervorhebung durch mich). Man muss auch nicht aus allem ein Missverständnis machen. 🙂

 

Du sagst klar, dass nur dort "Erkenntnis" entstehen kann, wo Theorien an der Empirie geprüft werden bzw. an ihr scheitern können (ja, gerne in einem komplexen Wechselspiel!). Und das behauptest Du nicht nur bezogen auf die Naturwissenschaft - was unproblematisch wäre -, sondern ganz allgemein. Das ist eine sehr grundlegende und sehr relevante Behauptung über das menschliche Erkenntnisvermögen und sein Verhältnis zur Welt. Und wenn es wirklich eine "Erkenntnis" wäre, wäre es eine sehr bedeutsame Erkenntnis.

Aber wie man diese These nun selbst empirisch prüfen könnte (nein, nicht isoliert, sondern gerne eingebunden in einen entsprechenden Kontext bzw. in ein wissenschaftliches Vorgehen mit einem komplexen Wechselspiel von Modell und Empirie), das sagst Du eben nirgendwo

Dasselbe gilt für andere Thesen, die Du aufstellst, etwas zum Verhältnis von Wahrheit, Logik und Mathematik.

 

(Oder willst Du Thesen dieser Art auch ohne empirische Prüfung als "Erkenntnisse" gelten lassen? Dann öffnest Du der philosophischen Erkenntnis allerdings Tür und Tor.)

 

Zitat

ich würde übrigens nicht sagen, daß Philosophie leeres Gerede ist, eher eine sehr aufwendige Art, sich die Zeit zu vertreiben, mehr aber eben auch nicht. Wissen gewinnt man damit höchstens über diesen Zeitvertreib selbst, nicht über den Rest der Welt. 

 

Deine genaue Ausdrucksweise habe ich nicht mehr im Kopf. Ich meine, sie war noch schärfer. So was wie "Fantasie" und "Illusion" kam u.a. darin vor. Ein Reden, das nichts ist als selbstbezügliche Fantasterei, ist aber mit Sicherheit ein leeres Gerede.

Zum Rest: Das ist Deine Behauptung. Der "Beweis" besteht im Prinzip aus der These, dass die Wirklichkeit eben so beschaffen sei, dass man über sie nur durch solche Verfahren, die mit einer empirischen Prüfung arbeiten, Erkenntnisse gewinnen könne (meine Wortwahl). Nur ist das kein "Beweis" für Deine These, sondern Deine These selbst, nur in anderen Worten ausgedrückt.

 

Zitat

Deine Texte, und damit deine Fragen, gehen vollkommen am Problem vorbei, der Abgrenzung zwischen Philosophie und Wissenschaft, und damit der Feststellung, daß Philosophie für die theoretisch-empirischen Wissenschaften keine andere Bedeutung mehr hat als evtl. als Gegenstand der Geschichtswissenschaft oder der Soziologie.

 

Inwiefern ist das denn für unsere Diskussion relevant? Meine These lautet doch nicht, dass die Philosophie für die theoretisch-empirischen Wissenschaften "nötig" sei. Man könnte höchstens sagen, dass die Philosophie Begriffe klärt, die von den Naturwissenschaften vorausgesetzt und in Anspruch genommen werden. Oder dass sie sich vielleicht mit "Vor-Annahmen" der Wissenschaften beschäftigt. Notwendig ist das aber auch nicht, um naturwissenschaftlich arbeiten zu können.


Das habe ich jetzt aber auch schon mehrfach geschrieben!! Ein Beispiel - ich hatte geschrieben:

 

Zitat

Sind Physiker und Biologen auf diese philosophische Arbeit angewiesen?

Wohl nicht.

Ist das ein Problem für die Philosophie?

Ist es ein Problem für die Archäologie und für die vergleichende Linguistik, dass Physiker und Biologen nicht (oder höchstens marginal) von diesen Disziplinen profitieren? Ist es umgekehrt ein Problem für die Kernphysik, dass die vergleichende Linguistik nicht auf sie angewiesen ist?

 

 

Ich wäre sehr froh, wenn Du zur Kenntnis nehmen würdest, dass ich nicht behaupte, dass die Naturwissenschaften auf die Philosophie "angewiesen" sind, oder dass die Philosophie - abgesehen von dem oben Ausgeführten - eine besondere "Relevanz" für die Naturwissenschaften besäße.

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