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Von was sind wir erlöst?


Inge33

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vor 3 Minuten schrieb Werner001:

Die kann da auch nur abenteuerlich spekulieren 

 

Werner

 

Darf ich mal nachfragen, warum ihr (Du persönlich vielleicht nicht, das weiß ich nicht) die Kirche überhaupt braucht, wenn sich hier als Mantra verfestigt hat, dass es sowieso egal ist, was sie lehrt, weil es ohnehin nichts Besseres als Spekulationen sind? 

bearbeitet von Studiosus
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vor 37 Minuten schrieb Studiosus:

Eine große Gefahr, vor allem weil man dann enttäuscht zurück bleibt, besteht für mich darin, sich vom Christsein die Auflösung aller Probleme und Leiden, die diese Welt bietet, zu erhoffen. 

Nicht aller Probleme, aber zumindest einiger. Auf ein Christentum, das keine Probleme löst und möglicherweise noch zusätzliche schafft, könnte ich gut verzichten.

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vor 9 Minuten schrieb Studiosus:

 

Darf ich mal nachfragen, warum ihr (Du persönlich vielleicht nicht, das weiß ich nicht) die Kirche überhaupt braucht, wenn sich hier als Mantra verfestigt hat, dass es sowieso egal ist, was sie lehrt, weil es ohnehin nichts Besseres als Spekulationen sind? 

Ich finde die Frage viel interessanter, warum die Kirche meint, behaupten zu müssen, sie wisse so etwas wie das eben Angesprochene.

Das kann kein Mensch wissen, es ist angesichts der Ewigkeit auch völlig egal. Warum im alles in der Welt stellt sich die Kirche hin und verkündet „genau so und nicht anders ist es“? 
In meinen Augen untergräbt das jede Glaubwürdigkeit 

 

Werner

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vor 18 Minuten schrieb Studiosus:

 

Darf ich mal nachfragen, warum ihr (Du persönlich vielleicht nicht, das weiß ich nicht) die Kirche überhaupt braucht, wenn sich hier als Mantra verfestigt hat, dass es sowieso egal ist, was sie lehrt, weil es ohnehin nichts Besseres als Spekulationen sind? 

Die Kirche ist für mich - und das ist etwas, was konservativen Gatekeepern anscheinend immer mehr abhanden gekommen ist - Lebensgemeinschaft. Das ordnende Element des Zusammenlebens getreu dem Motto "du bist an wessen Ritualen du teil nimmst".

 

Der andere Punkt - und vielleicht schlägt da meine Abstammung als Lehrerkind zu - ist, daß ich Kirche als Lehrerin und Bewahrerin "des Glaubens" verstehe. Mein Verständnis von lernen beruht allerdings auf verstehen, weiterdenken, infragestellen. Ein Lehrer gibt Handwerkszeug und Methodik, aber er kaut einem keine Ergebnisse vor. Insofern gibt mir die Kirche die Matritze vor der ich meinen Glauben in Worte fassen kann, aber sie kann mir weder den Glauben abnehmen noch mein Leben.

 

Die Bemerkung, daß dieses andauernde beharren auf kirchlichem Lehramt nervt liegt übrigens - zumindest für mich -  nicht daran, daß die Lehre der Kirche irrelvant wäre, sondern schlicht daran, daß ich das alles bereits kenne, tausendmal gehört ider gelesen habe und in mehr als einem Posting hier auch schon verteidigt habe. Wenn aus diesen Verweisen mal ein neuer Blickwinkel auftauchen würde ok. Aber da kommt ja - man ist versucht zu sagen bewusst - kein neuer Impuls.

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vor 22 Stunden schrieb Studiosus:

 

Die Vorgabe, sozusagen als Mindestanforderung einmal jährlich zu beichten, wie es z. B. das Laterankonzil festlegt, ist wohl parallel mit derselben Vorgabe, einmal jährlich zu kommunizieren, zu betrachten.

 

Diese Mindestanforderung bedeutet ja im Umkehrschluss nicht, dass man nicht öfter beichten konnte oder sollte. Im Falle von Todsünden wird einem das jeder Priester auch geraten haben. 

 

Die Konzilsvorgaben von mindestens annualer Beichte und Kommunion stehen eher im Zusammenhang damit, ein lebendiges Glied der Kirche zu sein. Das hat auch mittelbar mit dem Anspruch auf ein kirchliches Begräbnis zu tun. Ich müsste den Text suchen, aber in etwa heißt es entweder im Corpus des Laterankonzils selbst oder in dessen Umfeld: "Wer im Leben die Kirche nicht betreten hat, dem soll es auch auf der Bahre (also im Tode) nicht gestattet sein". Sinngemäß. 

 

 

 

Natürlich kann man öfter beichten. Die Beichte ist eine gute Empfehlung. Die Kriterien für eine schwere Sünde hingegen ganz klar. Man hat immer einen Spielraum für Interpretation. Man kann sich natürlich selbst überzeugen, dass die alltäglichen Verfehlungen vermutlich die Grenze zur Todsünde überschritten haben könnten. Man kann aber auch, wenn die Kirche schon vorlegt, was unter schwerer Sünde zu verstehen ist, nach diesen Kriterien prüfen.

 

Erstaunlicherweise wird jedes Wort im Katechismus, wenn es zum Beispiel um Homosexualität geht, nahezu juristisch exakt ausgelegt. Wenn ich diesen Ansatz verfolge, muss ich das auch bezüglich der vom Lehramt vorgelegten Definition der Todsünde tun. Als Vorbereitung der Kommunion kann, wenn man annimmt, die eigenen tagtäglichen Verfehlungen wären bereits schwere Sünden, natürlich beichten - nein, sollte man auch. Das setzt aber die Prämisse voraus, dass eine Todsünde vorliegt. Liegt keine Todsünde vor, greift die Vergebung der Sünden durch die Heilige Messe.

 

Hinzu kommt die Problematik, dass die Kirche ihre Pflichten selbst relativiert. Wenn ich mir vorstelle, dass die (katholischen) Mitarbeiter meines katholischen Arbeitgebers die sonntägliche Arbeit verweigern würden, um der Sonntagsheiligung nachzukommen, oder zumindest von ihrem Arbeitgeber verlangten, wirtschaftlich entsprechenden Ersatz für die Sonntage in Form von Leiharbeitnehmern zu organisieren, mal nicht aus der Motivation heraus, die Wirtschaftspläne möglichst niedrig zu kalkulieren, sondern um den Katholiken zu ermöglichen, nicht gegen die Sonntagsheiligung zu verstoßen., wäre es bei uns ganz schön am Dampfen. 

 

Insofern bin ich offen für jede lehramtliche Vertiefung der Bußpflicht, erwarte aber zumindest vorher eine konsequente Umsetzungsmöglichkeit der Kirchengebote für die katholischen Arbeitnehmer. Bis das nicht erfolgt, ist jede Vertiefung substanzlos. Solange ein kirchliches Arbeitsrecht besteht, kann sich die Kirche nicht auf Trennung zwischen Wirtschaftsunternehmen und Kirche berufen, sondern muss hier Konsequent sein.

bearbeitet von corpusmysticum
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Vom Leid sind wir nicht erlöst, aber gerade diese Frage ist virulent. Ich habe neulich auf Radio Horeb einen Beitrag zu Glaubenszweifeln gehört, und die Wortmeldungen waren durchweg von der Art: 'Jesus tut heute keine Wunder mehr, warum nicht?' Früher  hätte er so viele geheilt. Warum nicht auch heute? So beginnen Glaubenszweifel, gerade wenn man selbst betroffen ist von Leid. Manch einer erklärt dann Gott daraufhin für nicht-existent oder bezichtigt den Glauben leerer Versprechungen. Was sage ich jemandem, der mir eine solche Frage stellt? Ich weiß darauf keine Antwort.

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vor 19 Minuten schrieb Inge33:

Immer diese Störfeuer von ungläubiger Seite..... 🫠

 

Es muss eine christliche Antwort auf diese Fragen geben, nur kenne ich sie nicht. Hat jemand eine Idee?

 

Ich kann das auch nur akademisch beantworten. Und die Antwort ist keine Antwort, sondern eine Problemanzeige: nämlich die Theodizee. 

 

Wenn wir Gott einerseits als allmächtig und andererseits als allgütig postulieren, dann stellt sich unweigerlich die Frage, warum er dann nicht sozusagen an jeder Straßenecke, denn an jeder Ecke ist Leid, seine Wunder wirkt. Warum lässt er den Blinden weiter blind sein, die Lahmen lahm, das Kind mit Blutkrebs weiter Blutkrebs haben usw.? 

 

Wenn man beobachtet, dass Gott scheinbar nicht eingreift, dann müsste man ihm entweder seine Allmacht oder seine Allgüte absprechen. 

 

Es gibt verschiedene Ansätze, dieses Problems zu lösen. Am bekanntesten ist wohl der von Leibniz. Aber löst das wirklich alle Fragen restlos auf? Ich denke Nein. 

 

Und deshalb hat das, was ich Verzweiflungs- oder Resignationsatheismus nennen würde, einen Punkt. Warum einen Gott glauben und verehren, der Nichts für mich tut? Der Not und Leid nicht erlebbar mindert? Das sind, das kann man auch als Christ zugeben, berechtigte Fragen. Jedes körperliche oder seelische Leid ist ein Fels des Atheismus, an dem der Glaube zerschellen kann. 

 

Man könnte dann zwar theoretisch immer noch an einen Gott glauben, aber höchstens noch an den Uhrmachergott, der die Welt auf ihre Schienen gesetzt und sich dann aus seiner Schöpfung zurückgezogen hat. Das ist nicht der personale Gott, den das Christentum verkündet, sondern eine apathische, mit und in sich selbst zufriedene Gottheit, die sich für das Leid ihrer Schöpfung nicht interessiert und zu der auch keine Gebete oder Flehrufe hinauf dringen. 

 

Und hier würde ich, zumindest im Versuch einer Antwort, die Inkarnation Christi und seine Passion ins Spiel bringen. Wir Christen glauben eben an nicht den apathischen Gott, sondern sozusagen an den empathischen, mitfühlenden Gott, eben weil in Christus Gott Mensch und uns in allem gleich wurde außer der Sünde. Das ist der Deus passibilis, der leidensfähige Gott. 

bearbeitet von Studiosus
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vor 1 Stunde schrieb Inge33:

Was sage ich jemandem, der mir eine solche Frage stellt? Ich weiß darauf keine Antwort.

Vielleicht sind die Wundergeschichten auch keine historischen Tatsachenberichte, sondern Gleichnisse? Es war ja kein Korrespondent dabei, der das direkt aufgeschrieben hat, die Geschichten wurden Jahre später niedergeschrieben. In diesem Sinne wären solche Wunder auch heute noch möglich. Besteht man auf Tatsachenberichten, steht man zwangsläufig den Fragen gegenüber, die du formuliert hast

 

Werner

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vor 2 Stunden schrieb Inge33:

Vom Leid sind wir nicht erlöst, aber gerade diese Frage ist virulent. Ich habe neulich auf Radio Horeb einen Beitrag zu Glaubenszweifeln gehört, und die Wortmeldungen waren durchweg von der Art: 'Jesus tut heute keine Wunder mehr, warum nicht?' Früher  hätte er so viele geheilt. Warum nicht auch heute? So beginnen Glaubenszweifel, gerade wenn man selbst betroffen ist von Leid. Manch einer erklärt dann Gott daraufhin für nicht-existent oder bezichtigt den Glauben leerer Versprechungen. Was sage ich jemandem, der mir eine solche Frage stellt? Ich weiß darauf keine Antwort.

Sagen wir so: ich habe von meinem Schöpfer mehr als ein Wunder erhalten, aber ein entscheidendes nicht bekommen. Darüber hinaus bin ich eh der Meinung, daß der Mensch von der Erdoberfläche getilgt werden soll, aber seit Noach hat Gott sich ja dazu comittet keine Radikallösungen mehr zu fahren, was allerdings wenig daran ändert, daß ich mit Gottes "Nichteingreifen" hadere.

 

Wie Studiosus schon angemerkt hat, landet man schnell bei dem Schöpfer, der selbst nicht mehr in seine Schöpfung eingreift. Ein Konzept, daß Tolkien im "Simarrilion" in bemerkenswerter Weise skizziert hat.

 

Der Gedanke ist - gerade, wenn man in einem Theozideeproblem steckt - erholsam. Er erlaubt einem die Existenz Gottes nicht infragestellen zu müssen aber ohne weiter auf das Wunder zu warten.

 

Ein anderer Ansatz, den ich erlebt habe war eine "Verkleinerung" Gottes mit der ich allerdings auch nur so semi zufrieden bin. Was mir fehlt - und da hat sich die Kirche soweit ich weiß nie zu geäußert ist eine Erklärung für die Selbstreduktion Gottes vom Schöpfer der Welt und des Universums zum Stammesgott Israels, der die gesamte übrige Welt nur im Kontext seines Eigentumsvolkes malträtiert. Als Stammesgott zeigt er sich punktuell noch mal in Ansätzen machtvoll, aber spätestens mit der römischen Besatzung wird es sehr still um Jahwe.

 

Christus als Einbruch der Göttlichkeit ins die Welt erscheint irgendwie als ein "letztes Aufbäumen" vor seinem Abschied in die Schweigsamkeit. Oder in die Kleinteiligkeit.

 

Seit dem Mittelalter hat die Kirche das Geschehen in der Welt nicht mehr so recht durch Gott hindurch interpretiert. Und dadurch wird Gott zu einem sehr persönlichen/individuellen Kontakt. Jemand, der für einen selbst da ist, der einen leitet, führt, aber eben niemand mehr, der Berge bewegt, Städte in Schutt und Asche legt und die Ungläubigen straft.

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Vielen Dank für die Beträge. Dann kann man antworten, man wisse zwar selbst nicht, weshalb Gott nicht eingreift, wisse aber wenigstens, dass Gott mitleidet.

 

Vielleicht gibt es hier ja auch noch weitere Ideen.

 

@studiosus: was hat Leibnitz denn gesagt zum Theodizeeproblem?

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vor 38 Minuten schrieb Inge33:

was hat Leibnitz denn gesagt zum Theodizeeproblem?

 

Grob zusammengefasst die Formel von der "besten aller möglichen Welten". Leibniz anerkennt, dass diese Welt, wie ist, nicht perfekt ist, aber unter einer Vielzahl denkbarer alternativer Welten noch immer als die beste anzusehen ist. 

bearbeitet von Studiosus
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Und als heißes Eisen würde ich meinen obigen Ansatz vom leidenden Gott noch ergänzen durch die Vorstellung, durch das Leiden könne sich der Gläubige noch inniger und tiefer mit Jesus Christus vereinen, indem er sein eigenes Leiden mit jenem Christi verbindet.

 

Dann gibt es freilich noch die Idee des stellvertretenden Leidens bzw. des Leidens für andere. 

 

Das alles sind Ansätze, dem Leid, das sonst sinnlos bleiben müsste, Sinn abzuringen. 

bearbeitet von Studiosus
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vor 5 Minuten schrieb Studiosus:
vor 43 Minuten schrieb Inge33:

was hat Leibnitz denn gesagt zum Theodizeeproblem?

 

Grob zusammengefasst die Formel von der "besten aller möglichen Welten". Leibniz anerkennt, dass diese Welt, wie ist, nicht perfekt ist, aber unter einer Vielzahl denkbarer alternativer Welten noch immer als die beste anzusehen ist. 

 

Wo Leibnitz erkennbar irrt, denn selbst so unvollkommenen Wesen wie den Menschen sind immer wieder Weg eingefallen, diese Welt zu verbessern. 

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Das ist das Problem: Menschen mögen an Götter glauben, von ihnen Lebenshilfe erwarten, aber eines bekommt man heute nicht mehr, und zwar egal von welchen Göttern: Erklärung dieser Welt. Wir wissen längst nicht alles, aber selbst das wenige, was wir wissen reicht, um zu erkennen, daß diese Welt aus den Handlungen, Absichten und Zielen übernatürlicher Wesen nicht erklärt werden kann. Jeder mögliche Ansatz in dieser Richtung ist ausprobiert worden und gescheitert. Noch einmal: Menschen mögen glauben, was immer sie wollen. Nur als Welterklärung ist es gescheitert. 

 

 

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vor 11 Minuten schrieb Marcellinus:

 

Wo Leibnitz erkennbar irrt, denn selbst so unvollkommenen Wesen wie den Menschen sind immer wieder Weg eingefallen, diese Welt zu verbessern. 

 

Wobei das nicht zwingend gegen Leibniz spricht: Gott hat die Welt gemacht und den Mensch hinein gesetzt, weil er natürlich wusste, dass er [der Mensch] ein schlaues Kerlchen ist und die Welt gestalten wird.

 

Übrigens könnte man das Argument auch umdrehen: Menschen haben auch schon viel Mist auf dieser Welt fabriziert und fabrizieren ihn bis heute. 

bearbeitet von Studiosus
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vor 2 Minuten schrieb Studiosus:

Menschen haben auch schon viel Mist auf dieser Welt fabriziert und fabrizieren ihn bis heute. 

 

Und sie haben es getan und tun es bis heute mit oder ohne den Glauben an Götter. ;)

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vor 7 Stunden schrieb Inge33:

Vom Leid sind wir nicht erlöst, aber gerade diese Frage ist virulent. Ich habe neulich auf Radio Horeb einen Beitrag zu Glaubenszweifeln gehört, und die Wortmeldungen waren durchweg von der Art: 'Jesus tut heute keine Wunder mehr, warum nicht?' Früher  hätte er so viele geheilt. Warum nicht auch heute? So beginnen Glaubenszweifel, gerade wenn man selbst betroffen ist von Leid. Manch einer erklärt dann Gott daraufhin für nicht-existent oder bezichtigt den Glauben leerer Versprechungen. Was sage ich jemandem, der mir eine solche Frage stellt? Ich weiß darauf keine Antwort.

 

Also erst einmal würde ich bestreiten, daß Gott heutzutage keine Wunder mehr tut. Woher will der Frager das wissen? Die eigene kleine Welt ist nicht das Maß aller Dinge.

 

Dann sind wir zwar nicht vom Leid selbst erlöst, indem wir ihm ausweichen können, doch wir sind von etwas anderem erlöst bzw. haben die Möglichkeit, diese Erlösung anzunehmen: nämlich die Erlösung von der Sinnlosigkeit des Leidesn. Es widerspricht zwar der individualistischen Kultur der Neuzeit, doch das Aufopfern des Leidens für andere, das stellvertretende Leiden mit Christus als Vorbild aller, gibt dem Leiden eine Dimension, die erst im gemeinsamen Leib der Kirche wirklich faßbar wird für den Einzelnen.

 

Und schließlich: das Warum des Leidens wird nicht erklärt oder gelöst, doch das würde uns auch nichts bringen, denn das macht das Leiden nicht weniger. Das Wie des Leidens wird uns gezeigt, der je eigene mögliche Sinn (s.o.) eröffnet und so ist es auch wichtiger: es geht nicht um die Theorie (Warum), sondern um das Leben damit (Wie).

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vor 5 Minuten schrieb rorro:

Die eigene kleine Welt ist nicht das Maß aller Dinge.

Und es ist das fehlende Eingreifen im Großen, das so bedrückend ist.

 

"I ask for nothing, I can go by, BUT..."

 

vor 7 Minuten schrieb rorro:

Es widerspricht zwar der individualistischen Kultur der Neuzeit, doch das Aufopfern des Leidens für andere, das stellvertretende Leiden mit Christus als Vorbild aller, gibt dem Leiden eine Dimension, die erst im gemeinsamen Leib der Kirche wirklich faßbar wird für den Einzelnen.

Die Formulierung finde ich weitgehen unverständlich.

 

Mal davon abgesehen, daß auf die Frage wie man denn sein Leiden aufopfert noch nie eine Erklärung gab, finde ich zwei Aspekte bedenklich. Der erste ist die theologische Implikation man könne als Mensch etwas zur Erlösungstat Christi beisteuern oder an ihr mitwirken. Es gibt auf der Welt kein Opfer, daß Gott würdig wäre, wie soll der Mensch da etwas zum ultimativen Opfer des Gottessohnes beitragen können?

 

Das andere ist ein mehr psychologischer Impetus, des um Gottes willen im Leiden verharren wollen. Das Leiden hat seine eigene Herausforderung sowohl was unsere Fähigkeiten zur Akzeptanz wie auch zur Adaption angeht, es löst aber auch immer das Bestreben aus sich dem Leiden zu entziehen oder es zumindest nicht länger dauern zu lassen, als notwendig. Es gibt Momente in denen man eine "unkomfortable" Situation eingeht um ein bestimmtes Ziel zu erreichen, aber dieses selbstgewählte Leid hat rine andere Qualität als das unverschuldete. Und letzteres ist ja das, bei dem man um das Wunder kreist.

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vor 16 Minuten schrieb Flo77:

Der erste ist die theologische Implikation man könne als Mensch etwas zur Erlösungstat Christi beisteuern oder an ihr mitwirken. Es gibt auf der Welt kein Opfer, daß Gott würdig wäre, wie soll der Mensch da etwas zum ultimativen Opfer des Gottessohnes beitragen können?

 

Das ist natürlich eine theologische Überlegung, die von dem etwas dunklen Satz des Paulus herkommt, der sich der Leiden erfreut und an seinem Leib ergänzt, was an den Leiden Christi noch fehlt (vgl. Kol 1,24). 

 

Das hat man klassischerweise nicht so interpretiert, dass das Erlösungsopfer Christ unvollständig wäre. Es ist komplett und perfekt. Man hat das dagegen zusammengebracht mit der Vorstellung des thesaurus Ecclesiae, des Gnadenschatzes der Kirche. Die Idee dahinter ist, dass es bestimmte Einzelpersonen gibt, hier konkret Paulus, die sozusagen einen Überschuss an Verdiensten anhäufen, der im Schatz der Kirche gesammelt und bei Bedarf ausgespendet werden kann. 

bearbeitet von Studiosus
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vor 4 Minuten schrieb Studiosus:

Das hat man klassischerweise nicht so interpretiert, dass das Erlösungsopfer Christ unvollständig wäre. Es ist komplett und perfekt. Man hat das dagegen zusammengebracht mit der Vorstellung des thesaurus Ecclesiae, des Gnadenschatzes der Kirche. Die Idee dahinter ist, dass es bestimmte Einzelpersonen gibt, hier konkret Paulus, die sozusagen einen Überschuss an Verdiensten anhäufen, der im Schatz der Kirche gesammelt und bei Bedarf ausgespendet werden kann. 

Das Konzept ist mir vertraut.

 

Jenseits der Frage wofür er denn verwendet werden muss, wenn von Gott doch ohnehin alles ausgeht, fast "bei Bedarf" die Problematik ganz schön zusammen.

 

(Und ich gehe wohl nicht völlig falsch mit der Annahme, daß das Konzept seine Wurzel auch in der keltisch-christlichen Stellvertreterbuße hat.)

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On 9/18/2023 at 8:13 PM, Flo77 said:

Traditionell werden die Erbsünde und die ewige Verdammnis damit verknüpft. Bei beiden habe ich Redebedarf. Auch der Getaufte kann sich den Folgen der Erbsünde nicht entziehen. Die Verhältnisse in denen ein Getaufter lebt, ändern sich durch die Taufe nicht. Ebenso bleibt der freie Wille erhalten und auch die Fähigkeit das falsche zu tun. Bleibt also nur die Folge der Erbsünde, sprich die ewige Verdammnis. Unsere todentwöhnte Kultur tut sich glaube ich sehr schwer mit der Einordnung der Frage, was überhaupt nach dem Leben kommt (wobei die Vorstellung, daß der Verstorbene in irgendeiner Art geistigen Existenz weiterexistiert sich ja als erstaunlich haltbarer Topos erweist).

 

Ob Christus diese "geistige Fortexistenz" gedacht hat, möchte ich mit einem Fragezeichen versehen. Im Evangelium ist von der Rede "im Himmel" oder "im Reich des Himmels". Beide Ausdrücke - im Deutschen, keine Ahnung was aramäisch oder hebräisch da stehen müsste - verweisen aufgrund der Prägung durch das Christentum in unserem heutigen Sprachgebrauch auf postmortales Geschehen, bei Christus habe ich eher das Gefühl, daß er sich auf die Zeit des jüngsten Tages bezieht, auf den Einbruch des Göttlichen in unsere Welt, in dem die Erde verwandelt wird und die Menschen auferstehen und vor das Gericht treten werden.

Die kommende(!) Welt ist kein transzendetes Abstraktum, sondern ein höchst irdischen Geschehen.


Tut mir leid, dass ich Eurer Disputation nur so langsam folge, bei einem Glaubensthema muss ich erstmal nachdenken.


In meinen Augen sind diesseitige und jenseitige Welt in dem Sinne getrennt, dass wir über das „Danach“ nur Glaubensaussagen treffen können, diese werden aber von unseren diesseitigen Erfahrungen geprägt und entwickeln sich hier.

Ich halte daher wenig davon, irgendwelche konkrete Spekulationen über die kommende Welt anzustellen, ich hoffe einfach auf die Zusage Christi als „Todesüberwinder“ und versuche seine Botschaft aus meiner religiösen Erlebniswelt zu deuten.

Konkret heißt das, einfach den unendlichen Weg von Hoffnung und Vertrauen in dieser Welt zu gehen. „Erlösung“ nützt mir gar nichts, wenn ich es nicht glauben kann, deswegen halte ich nichts davon sie an bestimmte Ereignisse oder Doktrinen zu knüpfen.

 

Und mache ich ja keinen Hehl daraus, ziemlich von buddhistischen Erfahrungen geprägt worden zu sein - und daher bedeutet mir wiederum „Geist“ fast alles, der Körper als materielles Geschehen eher wenig. „Himmel“ und „Reich Gottes“ stehen daher für v.a. für tatsächlich spirituell Erfahrbares, weniger für einen Ort.

Die „Erlösung“ ist daher die Erfahrung, dass diese „Materielle“, Körperliche immer weniger zählt, selbst unser so über alles geliebtest „Selbst“ ist nur eine starre Fiktion - am Ende bleibt - „Nichts“.

 

Mein Weg in die „Erlösung“ ist also kein ständiger Kampf um das Mauern von Doktrinen oder Feststampfen der Glaubenssätze.

Im Gegenteil - Christus will mir alles nehmen, selbst mein so gehätscheltes „Leben“. Ich weiß, dass das oft ein schmerzhafter Prozess ist, gegen den wir uns immer wieder wehren.

Ich spüre aber auch mit den Jahren mehr die Verlockung der Hingabe - mein Pater und Zen-Meister hat es als „Scheeflocken, die in die Sonne fallen“ beschrieben.

Mein Tod als Schmelzen an einem klaren hellen Tag - keine Sorge um etwas, das war, keine Sorge um etwas, das ist, keine Sorge um etwas das kommt. 
Nur die Auflösung in der Herrlichkeit Gottes.

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vor 11 Minuten schrieb Shubashi:

Und mache ich ja keinen Hehl daraus, ziemlich von buddhistischen Erfahrungen geprägt worden zu sein - und daher bedeutet mir wiederum „Geist“ fast alles, der Körper als materielles Geschehen eher wenig. „Himmel“ und „Reich Gottes“ stehen daher für v.a. für tatsächlich spirituell Erfahrbares, weniger für einen Ort.

Die „Erlösung“ ist daher die Erfahrung, dass diese „Materielle“, Körperliche immer weniger zählt, selbst unser so über alles geliebtest „Selbst“ ist nur eine starre Fiktion - am Ende bleibt - „Nichts“.

Was recht gut zu Studiosus' Ablehnung des Menschen als Tier passt.

 

Entschuldigung, aber diese Haltung erscheint mir in höchstem Maße ignorant bzw. elitär. Ob auch toxisch bin ich noch nicht sicher.

 

Der Mensch ist ein Tier. Ein Geschöpf in allem der Natur gänzlich unterworfen. Alles andere wäre - sorry to say - Illusion. Vom Tier unterscheidet sich der Mensch durch drei Dinge: abstraktes Denken, Bewusstsein der Zeit und die Sprache. Vier Dinge, wenn man die Fähigkeit zur Spiritualität dazunimmt. Inwiefern diese Fähigkeiten auch bei anderen Kreaturen vorhanden sind, bliebe zu forschen - wenn dem so wäre, würde der Abstand eher noch kleiner als er ohnehin schon ist.

 

Jedes Handeln jedes Menschen basiert grob auf zwei sich bedingenden Faktoren: Bedürfnis und Gefühl. Dazu kommen noch die individuell erlernten Normen und Werte, die sowohl die Maßnahmen zur Bedürfnisbefriedigung als auch den Umgang mit Gefühlen bestimmen, da beides abhängig ist von der Gesellschaft in ein Individuum sich bewegt und die ein Verhalten toleriert oder bestraft. (Ich überlege gerade, ob es irgendeine Norm gibt, die nicht erlernt werden muss 🤔.)

 

Eure Ablehnung des körperlichen hat ihre Wurzeln ebenso in einem bestimmten Bedürfnis und in bestimmten angeeigneten Normen, aber sie ist ganz sicher kein Ausdruck menschlicher Erhabenheit über die Natur (wenngleich dieser Wunsch natürlich der Hintergrund für das Verhalten sein kann).

 

vor 26 Minuten schrieb Shubashi:

Nur die Auflösung in der Herrlichkeit Gottes.

Grundgütiger...

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Am 20.9.2023 um 19:41 schrieb Flo77:

Die Kirche ist für mich - und das ist etwas, was konservativen Gatekeepern anscheinend immer mehr abhanden gekommen ist - Lebensgemeinschaft.

 

Das sehen viele Konservative ganz genau so. Allerdings meinen sie die Kirche in unterschiedlichsten Ausprägungen (u.a. auch die Kirche der Vergangenheit), nicht bloß die Pfarrei.

 

Am 20.9.2023 um 19:41 schrieb Flo77:

Der andere Punkt - und vielleicht schlägt da meine Abstammung als Lehrerkind zu - ist, daß ich Kirche als Lehrerin und Bewahrerin "des Glaubens" verstehe. Mein Verständnis von lernen beruht allerdings auf verstehen, weiterdenken, infragestellen. Ein Lehrer gibt Handwerkszeug und Methodik, aber er kaut einem keine Ergebnisse vor. Insofern gibt mir die Kirche die Matritze vor der ich meinen Glauben in Worte fassen kann, aber sie kann mir weder den Glauben abnehmen noch mein Leben.

 

Nein, aber sie kann - und soll - den katholischen Glauben vorlegen. Ob das dann Dein Glaube wird, hat sie nicht zu entscheiden.

 

 

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