Jump to content

Ist ein kirchenfernes Christentum denkbar?


Danny_S.

Recommended Posts

vor 10 Stunden schrieb Weihrauch:

Das hier geht in die gleiche Richtung:

 

Dass man Gott sehen könne, außer in Jesus Christus, steht doch gar nicht zur Debatte. Gott ist keine empirisch beweisbare Größe.

 

vor 11 Stunden schrieb Weihrauch:

Den mag ich besonders gern:

Zitat

Hebr 11,6 EU 2016
Ohne Glauben aber ist es unmöglich, Gott zu gefallen; denn wer hinzutreten will zu Gott, muss glauben, dass er ist und dass er die, die ihn suchen, belohnen wird.

 

Du glaubst also Gott gerecht zu werden, wenn Du sagst, Gott existiert wahrscheinlich nicht?

 

vor 11 Stunden schrieb Weihrauch:

Nebenbei bemerkt: Ich habe mich mittlerweile daran gewöhnt, in deinen Augen kein Christ zu sein.

 

na es ist offensichtlich, dass Du auf der Ebene der Philosophen bleibst, also den Gott der Philosophie addressierst und nicht davon ausgehst, dass er sich offenbart hat, denn die Offenbarung Gottes führt zum Wissen über seine Existenz. Wenn Du Dir unklar darüber bist, ob er existiert, kann für Dich keine Offenbarung existieren. Denn jemand, der sich offenbart, muss existieren. Die christliche Offenbarung führt zu Wissen, dass Gott existiert. Solange du behauptest, dass du nicht weißt, dass Gott existiert, schließt Du logisch die Offenbarung aus. Behauptest Du, dass eine Offenbarung besteht, dann setzt das voraus, dass es einen Offenbarer gibt. Wenn Du behauptest, eine Offenbarung zu haben, aber gleichzeitig behauptest, dass du nicht wüsstest, ob der Offenbarer existiert, ist das logisch ein Widerspruch. 

 

vor 11 Stunden schrieb Weihrauch:

Da ich mich offensichtlich noch zu unverständlich ausgedrückt habe: Es ist mir scheißegal ob Gott existiert. Zwinge mich doch nicht solch schrökliche Sachen zu sagen. Wir sind hier schließlich nicht unter uns. Was sollen denn die Leute denken.

 

Wenn Dich sorgt, was die Leute denken, könntest Du Dich um Kohärenz bemühen. Kohärenz ist notwendig, damit du zu widerspruchsfreien Schlüssen kommen kannst.

Wenn Du nicht weißt, ob Gott existiert, kennst du entweder seine Offenbarung nicht, oder du hälst den Ursprung der Offenbarung insofern für zweifelhaft, dass sie einen anderen Urheber als Gott haben müsse. Denn jemand, von dem du nicht weißt, ob er existiert, von dem kannst du auch nicht sagen, dass er sich offenbart hätte. Es ist als würde ich behaupten: "Ich weiß nicht, ob Weihrauch, mit dem ich hier schreibe, existiert." Wenig überzeugend.

Wenn du aber nicht weißt, ob eine Offenbarung existiert, weil Du nicht sicher bist, ob der Offenbarer existiert, dann kannst Du auch nicht wissen, ob der Inhalt dieser Offenbarung stimmt. Denn wenn die Offenbarung nicht von Gott stammt, was für den Fall gilt, dass er nicht existiert, dann hast du kein Kriterium, von ihrer inhaltlichen Wahrheit auszugehen, denn sie könnte dann von jemandem stammen, der lügt. Wennn aber die Offenbarung nicht stimmt, weil es möglicherweise keinen Offenbarer gibt, existiert auch keine Offenbarungsreligion, es existieren keine Werte, es existiert kein Reich Gottes und nichts von dem, was in der Schrift steht, kann über den historischen oder philosophischen Aspekt hinausgehen. Die Schrift wird damit, wenn Gott nicht existiert, zu dem Werk einer anderen Kraft oder des Menschen. Es sei denn Du bestreitest, dass es Menschen gibt, weil die Menschen in ihrer Selbstoffenbarung für Dich nicht ausreichend Grund liefern, als existent zu gelten.

 

 

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 15 Stunden schrieb corpusmysticum:
vor 15 Stunden schrieb Aleachim:

Ich spüre einfach und erlebe es immer wieder, da ist etwas (jemand), dem ich vertrauen kann und darf.

Das ist denke ich ein wichtiger Punkt. Dieses Spüren drängt Dich in die Richtung, nicht zu sagen, dass Du nicht weißt, ob Gott existiert. Für Dich ergibt sich aus diesem drängenden Spüren das Vertrauen und das würde ich als direkte Erfahrung und damit als Wissen verstehen.

Hm... Du scheinst hier einen Unterschied wahrzunehmen zwischen dem "unwissenden Gottvertrauen" von dem Weihrauch berichtet und dem, was ich über mein Gottvertrauen geschrieben habe. Ich denke, dass das so nicht zutrifft. Ich vermute, dass Weihrauch ähnlich wie ich, immer wieder spürt und erlebt, dass dieses sein Vertrauen gerechtfertigt ist. Diese Erfahrung, wie ich sie beschrieben habe, bezeichnest du nun als Wissen, weil ich es es ja direkt erfahren habe. Kann man machen. Man kann aber genausogut sagen, ich weiß nicht sicher, ob dieses Vertrauen gerechtfertigt ist, ich glaube es.

 

Ich wurde vor Jahren mal hier im Forum gefragt, was denn passieren müsste, damit ich sagen würde "Nein, diesen Gott gibt es wohl tatsächlich nicht!" (Mein Vertrauen erschien wohl manchen unerschütterlich, dumm und naiv 😉) Darauf habe ich im Grunde keine Antwort. (Vor allem keine, die Claudia damals befriedigt hätte 😄) Ich kann nicht sagen: "Wenn dieses oder jenes passieren würde, kann ich nicht mehr glauben, dass es einen Gott gibt." Aber andererseits kann ich mir überhaupt nicht sicher sein, dass nicht mit irgendeinem schweren Schicksalsschlag, mein Vertrauen total zerstört werden würde. Das kann sein, denn es ist kein (endgültiges) Wissen. Ich durfte halt, Gott sei Dank (!), bisher immer die Erfahrungen machen, dass das Vertrauen zu etwas Gutem führt und das Misstrauen nicht.

 

Aber dieses Vertrauen (@Marcellinus schreibt auch davon), haben auch Menschen, die nicht (explizit) an Gott glauben. Mein Eindruck ist, dass mein Gottvertrauen sich nicht grundsätzlich unterscheidet von dem Vertrauen, das viele Nichtgläubige Menschen ins Leben haben.

 

 

  • Like 2
  • Thanks 1
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 4 Minuten schrieb Aleachim:

Vor allem keine, die Claudia damals befriedigt hätte 😄

Pardon, aber Claudia zu befriedigen war für keinen hier zu irgendeinem Thema leicht. (Meine Herren, was für Zeiten...)

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 14 Stunden schrieb corpusmysticum:

Wenn der Christ nun sagt, Gott könne existieren oder nicht, agieren wir im Denken der Philosophie. Ein erlebtes Christsein, in das Gott als Person hineingetreten ist, muss nicht mehr überlegen, ob Gott nicht existiert, da er ihn persönlich erfahren hat.

Puh... Mit dem was du in diesem langen Posting beschreibst, kann ich jetzt kaum was anfangen. Das mag daran liegen, dass ich von Philosophie keine Ahnung habe... 😏 Aber auf den oben zitierten Satz, möchte ich doch näher eingehen.

 

Auch wenn du das in meinen Satz vom Spüren und Erleben wohl hineininterpretiert hast, würde ich das so von mir nicht sagen. Dass ich gar nicht mehr überlegen muss, ob Gott exisitiert, weil er ja als Person in mein Leben getreten ist, weil ich ihn also persönlich erfahren habe. Das stimmt nicht. Ich habe erlebt und erfahren, dass mein Vertrauen (ins Leben) gerechtfertigt ist. Deshalb glaube ich, dass da etwas ist (das jemand hab ich bewusst in Klammer geschrieben), das mein Vertrauen sozusagen verdient.

 

Ich glaube, dass Gott sich mir offenbart, in der Natur, in anderen Menschen, in der Stille, in Freude und Leid. Ich glaube, dass ich Christus begegne in meinen Mitmenschen und in meiner eigenen Seele. Aber das ist wirklich nichts, was ich weiß. Woher soll ich wissen, ob das was ich erlebe und spüre, von jemandem verursacht wurde? (Es ist mir aber auch nicht wichtig, das zu wissen...) Ich weiß nur, dass es dieses Erleben und Spüren bei mir gibt. Woher es kommt, davon weiß ich im Grunde nichts.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 16 Minuten schrieb Aleachim:

iese Erfahrung, wie ich sie beschrieben habe, bezeichnest du nun als Wissen, weil ich es es ja direkt erfahren habe. Kann man machen. Man kann aber genausogut sagen, ich weiß nicht sicher, ob dieses Vertrauen gerechtfertigt ist, ich glaube es.

 

Wir sprechen hier nicht über wissenschaftliche, empirische Beweisführung, die sich mit Methoden der Physik beweisen ließe. Wir sprechen hier von einer direkten Erfahrung, die jemand macht. Ich muss als Mensch zumindest so weit davon ausgehen, dass meine Position wahr ist, ich also um ihre Richtigkeit weiß, dass ich eine Grundlage für meine Betrachtung habe. Es ist auch etwas anderes zu sagen, "ich weiß nicht sicher, ob dieses Vertrauen gerechtfertigt ist", oder "ich weiß gar nicht, ob Gott existiert". Die Gründe dafür habe ich in meinem Schreiben an Weihrauch ausführlich dargelegt. Ich muss zumindest in einem Maß so viel Wissen beanspruchen, dass ich daraus logische die Konsequenzen ableiten kann, die ich für mich in Anspruch nehme. Ich kann nicht die Grundlage meiner Weltanschauung leugnen und dann Schlüsse daraus ziehen. Die Behauptung, dass ich nicht weiß, ob Gott existiert, aber ich seiner Offenbarung glaube, ist in etwa so schlüssig wie zu sagen: "Ich weiß gar nicht, ob die Wohnung über mir existiert, aber ich mag ihre Einrichtung" oder "ich weiß gar nicht, ob heute das Restaurant offen hat, aber ich war vorhin dort Essen".

 

 

vor 17 Minuten schrieb Aleachim:

Ich wurde vor Jahren mal hier im Forum gefragt, was denn passieren müsste, damit ich sagen würde "Nein, diesen Gott gibt es wohl tatsächlich nicht!" (Mein Vertrauen erschien wohl manchen unerschütterlich, dumm und naiv 😉) Darauf habe ich im Grunde keine Antwort. (Vor allem keine, die Claudia damals befriedigt hätte 😄) Ich kann nicht sagen: "Wenn dieses oder jenes passieren würde, kann ich nicht mehr glauben, dass es einen Gott gibt." Aber andererseits kann ich mir überhaupt nicht sicher sein, dass nicht mit irgendeinem schweren Schicksalsschlag, mein Vertrauen total zerstört werden würde. Das kann sein, denn es ist kein (endgültiges) Wissen. Ich durfte halt, Gott sei Dank (!), bisher immer die Erfahrungen machen, dass das Vertrauen zu etwas Gutem führt und das Misstrauen nicht.

 

Es geht nicht um die Frage, ob jede Vorstellung von Gott korrekt ist, sondern es geht um die Kohärenz und Schlüssigkeit des eigenen Weltbildes. Natürlich kann sich der Mensch irren. Aber dann ergeben sich aus dem Irrtum Konsequenzen. Das hatte ich im Schreiben an Weihrauch ebenfalls aufgezeigt.

Man kann den agnostischen Standpunkt einnehmen: Ich weiß nicht, ob Gott existiert.

Aber daraus kann man nichts ableiten, außer dass man Werte und Konzepte für die Welt nicht aus dieser Quelle ableiten kann.

Es würde außerdem bedeuten: wenn Gott nicht existiert, hat mich die Religion betrogen, womit die Religion und alles mit ihr verbunden als Wahrheitsquelle entfällt.

 

 

vor 17 Minuten schrieb Aleachim:

Aber dieses Vertrauen (@Marcellinus schreibt auch davon), haben auch Menschen, die nicht (explizit) an Gott glauben. Mein Eindruck ist, dass mein Gottvertrauen sich nicht grundsätzlich unterscheidet von dem Vertrauen, das viele Nichtgläubige Menschen ins Leben haben.

 

Dann hast Du eine Gottesoffenbarung, die nicht über das hinaus geht, was Nichtgläubige mit ihrem Verstand erfassen können. Welche Offenbarung ist das?

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 15 Stunden schrieb corpusmysticum:

Ein erlebtes Christsein, in das Gott als Person hineingetreten ist, muss nicht mehr überlegen, ob Gott nicht existiert, da er ihn persönlich erfahren hat.

 

vor 15 Stunden schrieb corpusmysticum:

Genau diese Erfahrung fehlt dem philosophischen Denken, das Gott für denkmöglich hält, aber nicht von seiner Existenz überzeugt ist. Hier dreht sich der Fokus um die Frage des Wissens, für den Christen dreht sich die Frage um die Beziehung.

 

Wow, das hast du wirklich ganz wunderbar auf den Punkt gebracht 🙂.

  • Like 1
  • Thanks 1
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 13 Stunden schrieb corpusmysticum:

Für mich stand allerdings immer die Frage im Raum, wieso ich mich auf die Beobachtungen oder auch die wissenschaftlichen Ergebnisse verlassen kann, wieso der Kosmos nach regulierenden Prinzipien abläuft, ja es überhaupt Sinn macht, Testverfahren einzuleiten (das setzt ja die Annahme voraus, dass dem Kosmos eine Systematik zugrunde liegt), am Ende auch, wieso ich meiner Erkenntnis über mich selbst trauen kann - und an dieser Stelle setzt für mich der Glaube an einen rationalen Schöpfer an, der den Kosmos so gestaltet hat, dass er für uns erforschbar und erkennbar ist, und der auch uns so geschaffen hat, dass wir uns in unserer Selbsterkenntnis sicher sein und zu wahren Ergebnissen kommen können.

Das ganze funktioniert aber doch auch ohne den Glauben an einen "rationalen Schöpfer". Auch völlig "ungläubige" Wissenschaftler vertrauen darauf, dass "der Kosmos so gestaltet ist, dass er für uns erforschbar und erkennbar ist und dass auch wir Menschen so beschafften sind, dass wir uns in unserer Selbsterkenntnis sicher sein und zu wahren Ergebnissen kommen können." (leicht verändertes Zitat)

 

Es macht in Grunde keinen Unterschied, ob jemand sagt "ich erlebe tagtäglich, dass die Welt und wir Menschen so beschaffen sind, deshalb vertraue ich darauf." oder ob jemand sagt: "Ich erlebe tagtäglich, dass die Welt und wir Menschen so beschaffen sind, deshalb vertraue ich darauf, dass es dahinter einen Schöpfer gibt.

 

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 7 Minuten schrieb Aleachim:

Das ganze funktioniert aber doch auch ohne den Glauben an einen "rationalen Schöpfer". Auch völlig "ungläubige" Wissenschaftler vertrauen darauf, dass "der Kosmos so gestaltet ist, dass er für uns erforschbar und erkennbar ist und dass auch wir Menschen so beschafften sind, dass wir uns in unserer Selbsterkenntnis sicher sein und zu wahren Ergebnissen kommen können." (leicht verändertes Zitat)


Wie begründen sie diese Annahme?

 

vor 7 Minuten schrieb Aleachim:

Es macht in Grunde keinen Unterschied, ob jemand sagt "ich erlebe tagtäglich, dass die Welt und wir Menschen so beschaffen sind, deshalb vertraue ich darauf."


Wenn also jemand regelmäßig Irrtümer reproduziert, rechtfertigt dass seine Annahme, dass er richtig liegt?

Außerdem muss dem Erleben eine Weltanschauung zugrunde liegen. Ok, dem Erleben selbst nicht, aber den grundsätzlichen Erwartungen, wieso Erleben zu gesicherten Erkenntnissen führen kann. Du resümierst das ja nicht erst am Ende Deines Lebens.

bearbeitet von corpusmysticum
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 11 Stunden schrieb corpusmysticum:

Also ich kann dir nur sagen: wenn ich denke oder irre dann bin ich das, nicht meine Ahnen und auch nicht meine Kollegen.

 

Bist du wirklich sicher? Hat dir noch nie jemand gesagt: „Da höre ich jetzt deinen Vater sprechen!“ Wir alle sind weit weniger Individuen, als wir uns einreden. 

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 9 Minuten schrieb corpusmysticum:
vor 16 Minuten schrieb Aleachim:

Das ganze funktioniert aber doch auch ohne den Glauben an einen "rationalen Schöpfer". Auch völlig "ungläubige" Wissenschaftler vertrauen darauf, dass "der Kosmos so gestaltet ist, dass er für uns erforschbar und erkennbar ist und dass auch wir Menschen so beschafften sind, dass wir uns in unserer Selbsterkenntnis sicher sein und zu wahren Ergebnissen kommen können." (leicht verändertes Zitat)


Wie begründen sie diese Annahme?

Na mit ihrer Erfahrung, genau wie ich!

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

1 hour ago, Aleachim said:

...Ich wurde vor Jahren mal hier im Forum gefragt, was denn passieren müsste, damit ich sagen würde "Nein, diesen Gott gibt es wohl tatsächlich nicht!" (Mein Vertrauen erschien wohl manchen unerschütterlich, dumm und naiv 😉) Darauf habe ich im Grunde keine Antwort. (Vor allem keine, die Claudia damals befriedigt hätte 😄) Ich kann nicht sagen: "Wenn dieses oder jenes passieren würde, kann ich nicht mehr glauben, dass es einen Gott gibt." Aber andererseits kann ich mir überhaupt nicht sicher sein, dass nicht mit irgendeinem schweren Schicksalsschlag, mein Vertrauen total zerstört werden würde. Das kann sein, denn es ist kein (endgültiges) Wissen. Ich durfte halt, Gott sei Dank (!), bisher immer die Erfahrungen machen, dass das Vertrauen zu etwas Gutem führt und das Misstrauen nicht.

 

 

Ich finde das eine gute Beschreibung, und ein Christ sollte sich ruhig vor Augen führen, dass selbst Jesus sich vor Golgatha gefürchtet hat.

Glaube ist tatsächlich nicht machbar, wir können aber versuchen, in der Beziehung zu leben - unsere eigene Unvollkommenheit in die Hoffnung auf die ganz andere, uns nicht verständliche Vollkommenheit hineinzuleben.

In der Trinität von Liebe, Glaube und Hoffnung kommt Gewissheit nicht vor - aber diese Mischung aus Sehnsucht und Bestätigung kann uns vielleicht durch das Leben tragen.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 21 Minuten schrieb Marcellinus:

Bist du wirklich sicher?

 

Ja, ich halte es da wie Descartes: Da ich weiß, dass die Welt von einem rationalen, guten Gott geschaffen wurde, der nicht will, dass wir uns täuschen, ist die Erkenntnis meiner Selbst gesichert. Davon abgesehen, dass ich nicht denken könne, wenn ich nicht existieren würde. Für ein Argument, dass etwas denken könne, was nicht da ist, bräuchte es schon gute Gründe.

 

vor 23 Minuten schrieb Marcellinus:

Hat dir noch nie jemand gesagt: „Da höre ich jetzt deinen Vater sprechen!“

 

Ich spreche vom konkreten Vorgang des Denkens eines Subjekts, nicht um Inhalte, die man durch Überlieferung, Familie etc. erlernt hat.

 

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 5 Minuten schrieb corpusmysticum:

 

 

Und Deine Erfahrung ist irrtumsfrei?

 

 

Natürlich nicht. Deshalb sage ich doch die ganze Zeit, dass es kein Wissen ist, sondern ein Vertauen. Ich würde gerne ausführlicher antworten. Hab aber grade nicht die Zeit. Ich hoffe es passt später noch...

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 38 Minuten schrieb corpusmysticum:

Außerdem muss dem Erleben eine Weltanschauung zugrunde liegen. Ok, dem Erleben selbst nicht, aber den grundsätzlichen Erwartungen, wieso Erleben zu gesicherten Erkenntnissen führen kann. Du resümierst das ja nicht erst am Ende Deines Lebens.

 

Es kommt mir vor, als wenn man in dir die gesamte abendländische Philosophie widerlegen muß, die Fantasievorstellung, es gäbe "den Menschen", der als Individuum, alters- und zeitlos und unabhängig von anderen, ohne Vorwissen und Erfahrungen auf diese Welt blickt, und sich auf all das, was er sieht zum ersten Mal einen Reim zu machen versucht.

 

Aber dieses beziehungs-und alterslose Individuum, diese "Monade, ist eine Illusion. Auch der Philosoph wurde ohne Sprache geboren, hatte eine Kindheit, in der er nicht nur laufen und sprechen lernte, sondern auch alle Kategorien, in denen er später denken wird, und die ihm, weil sie Teil von ihm selbst geworden sind, als Apriori erscheinen. Aber das sind sie nicht.

 

Alle Bilder, in denen wir denken, haben sich im Laufe der Generationen entwickelt. Wir bekommen von denen, die uns aufwachsen lassen, ein Bild von dieser Welt, bevor wir auch nur einen einzigen originellen Gedanken gehabt haben. Wir empfinden Vertrauen, das erste Vertrauen unseres Lebens, in unsere Eltern. Damit darauf ein "Gottvertrauen§" wird, braucht es Erziehung, die erst nachträglich kommt, und sich der schon existierenden Gefühle nur bedient. 

  • Like 1
  • Thanks 1
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 5 Minuten schrieb Marcellinus:

Es kommt mir vor, als wenn man in dir die gesamte abendländische Philosophie widerlegen muß, die Fantasievorstellung, es gäbe "den Menschen", der als Individuum, alters- und zeitlos und unabhängig von anderen, ohne Vorwissen und Erfahrungen auf diese Welt blickt, und sich auf all das, was er sieht zum ersten Mal einen Reim zu machen versucht.

 

Das, wovon Du sprichst, nämlich dass der Mensch in seiner Person von dem verursacht wird, was ihm vorausgeht, ist doch ein ganz anderes Thema. Trotzdem befreit diese Tatsache einen Menschen nicht davon, ein möglichst widerspruchsfreies Weltbild zu entwickeln, wenn er eine Grundlage für wahre Schlussfolgerungen haben will. Er kann natürlich darauf verzichten. Dann ist jeder Tag irgendwie wie ich ihn erlebe, und der nächste Tag ist anders, aber damit hat man keine logische Grundlage für Schlussfolgerungen. Wenn ich z.b: glaube, dass ich ein Tier bin und alle Prozesse meines Lebens instinktiv gesteuert werden, dann ist die Entscheidung für eine Frau oder einen Mann lediglich die Auswahl des besten Zuchtpartners für die Fortpflanzung zum Überleben der Spezies. Wenn ich glaube, dass die Welt sowieso nur zufällig oder durch Anpassungsprozesse entstanden ist, ergibt sich die Frage nach einem Lebenssinn nicht. Wenn ich zum Beispiel rein naturalistisch denke, dann klaue ich einfach meine Lebensmittel. Möglicherweise muss ich ins Gefängnis, aber das ist im Grunde egal, dann muss ich dort ums Überleben kämpfen oder ich sterbe, was auch egal wäre, weil ich ja nur ein Produkt der Evolution bin. Meine Frau oder mein Mann sucht sich dann eben einen neuen Partner für die Fortpflanzung. Wie wir die Welt sehen und wie wir handeln, ist ganz maßgeblich von unserer Betrachtung der Welt abhängig. Es gibt philosophisch beispielsweise keinen vernünftigen Grund, an die Zuverlässigkeit unserer Sinne zu glauben.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 16 Minuten schrieb Aleachim:

Natürlich nicht. Deshalb sage ich doch die ganze Zeit, dass es kein Wissen ist, sondern ein Vertauen. Ich würde gerne ausführlicher antworten. Hab aber grade nicht die Zeit. Ich hoffe es passt später noch...

 

Du berufst Dich also auf etwas, das Du selbst nicht als irrtumsfrei einstufst. Du merkst schon, dass das nicht funktionieren kann.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Am 13.11.2023 um 09:26 schrieb SteRo:
Am 12.11.2023 um 09:46 schrieb Weihrauch:

So formuliert vermute ich allerdings, dass alle Gläubigen im Grunde Agnostiker sind - mit dem einen Unterschied, dass sie das Wagnis eingehen, sich ihrem jeweiligen Gottesbild entsprechend zu verhalten, also z.B. beten und/oder ihre Ethik und Moral an ihrem Gottesbild ausrichten und sich dementsprechend verhalten oder es zumindest versuchen, so gut es geht.  

Da traust du dem Glauben aber recht wenig zu, wenn du vermutest dass "alle Gläubigen im Grunde Agnostiker sind". Nein, der Agnostizismus kann - im Gegensatz zum Atheismus oder (noch schlimmer) zum Anti-Theismus - deshalb eine Tür zum Glauben öffnen, weil eine Zurückhaltung bzgl. eines Urteiles über die Existenz oder Nicht-Existenz Gottes besteht. Die Lehre sagt ja, dass die Gnade eine Angebot Gottes ist, welches der freie Wille ablehnen kann. Dieser freie Wille ist ablehnend im Falles des Atheismus, aber unentschieden im Falles des Agnostizismus. Diese Unentschiedenheit des Agnostizismus beinhaltet eine Offenheit und damit ein noch nicht blockiertes Vermögen die Gnade Gottes anzunehmen.

 

Das ist trickreich, deine Behauptung wegzulassen, worauf sich mein "So formuliert ..." bezogen hat. Darum zitiere ich das noch einmal:

 

Am 11.11.2023 um 13:30 schrieb SteRo:

Mein Eindruck ist deshalb, dass es eher ein Agnostizismus ist, der ja i Vgl. zum Atheismus irgendwie "entspannter" ist ("was weiß ich, ob Gott existiert oder nicht?"), der die Tür zum Glauben öffnen kann (aber nicht muss).

 

Jetzt sagst du:

Am 13.11.2023 um 09:26 schrieb SteRo:

Da traust du dem Glauben aber recht wenig zu, wenn du vermutest dass "alle Gläubigen im Grunde Agnostiker sind".

 

Ich traue dem Glauben im Gegenteil sehr viel zu - aber nicht Wissen über die Existenz Gottes zu generieren. 

 

Am 13.11.2023 um 09:26 schrieb SteRo:

Nein, der Agnostizismus kann - im Gegensatz zum Atheismus oder (noch schlimmer) zum Anti-Theismus - deshalb eine Tür zum Glauben öffnen, weil eine Zurückhaltung bzgl. eines Urteiles über die Existenz oder Nicht-Existenz Gottes besteht. ... 

 

Natürlich öffnet das "eine Tür zum Glauben öffnen", dass heißt aber nicht, dass die Tür zum Glauben, automatisch auch eine Tür aus dem Agnostizismus heraus wäre. Für diese subtile Behauptung fehlt mir eine plausible Begründung, die du nicht mitlieferst. Du widersprichst dir selbst, denn eigentlich müssten alle redlichen Gläubigen sich eines Urteils über die Existenz Gottes zurückhalten, weil wie du selbst zu recht und redlich sagtest: "was weiß ich, ob Gott existiert oder nicht?" Niemand weiß, ob Gott existiert oder nicht. Eigentlich ist das so was von banal, dass ich mich fremdschäme, für diese Binsenwahrheit überhaupt noch argumentieren zu müssen.

 

Viele Gläubige vertreten natürlich zu recht ihren Standpunkt, dass Gott existiert, mit allerlei Argumenten, aber du siehst ja selbst, dass @corpusmysticum es nicht über die Lippen bringt, zu sagen: Ich weiß, dass es Gott gibt - und das hat einen guten Grund - nämlich, dass er es nicht weiß.

 

Er kann alles mögliche sagen, dass es eine Glaubenswahrheit ist, dass er die Gewissheit hat, dass Gott existiert, dass es ihm offenbart worden ist in der Heiligen Schrift, dass er überzeugt ist, dass es das Reich Gottes gibt, dass die Propheten keine Lügner waren, dass das Zeugnis der Väter und der Kirche wahrhaftig ist, dass er die Erkenntnis hat, dass Gott existiert, dass es erwiesen ist, dass Jesus Christus existiert hat, dass Jesus Gottes Sohn, wahrer Gott und wahrer Mensch ist, dass die unhintergehbare Autorität und Tradition, die Unfehlbarkeit des Papstes die Heilsgewissheit garantiert, dass Gott in Jesus Christus Mensch wurde um die Heilsgeschichte zu vollenden usw.

 

Aber das ist alles theologisches Geschwurbel, welches nur den Anschein von Wissen um Gottes Existenz generiert, um sich darum herum zu mogeln, sich selbst und anderen gegenüber nicht zugeben zu müssen, dass man nicht weiß, dass Gott existiert, dass keiner weiß, dass Gott existiert.

 

Wenn er sagen würde, dass er weiß, dass Gott existiert, meint er zu recht, dass er all seine schönen Definitionen, was Wissen ist, über den Haufen schmeißt. Das Wissen will er nicht verraten. Das wäre unredlich. Darum sagt er nicht, dass er nicht weiß, ob Gott existiert.

 

Er meint aber auch, dass er seinen Glauben verraten würde, wenn er sagt, dass er nicht weiß, dass Gott existiert, was natürlich Unsinn ist - weil der Glaube, dass Gott existiert natürlich eine redliche Veranstaltung ist, genau so redlich wie es ist, die Existenz Gottes nicht zu wissen. Außerdem wird er vermutlich das Gefühl nicht los, dass sein Glaube keinen Wert hätte, wenn er die Möglichkeit zu lassen würde, dass Gott nicht existiert. Sein Glaube muss mehr wert sein als die fragwürdige Pascalsche Wette, die auch kein Argument für die Existenz Gottes ist, sondern für den Glauben an die Existenz Gottes.

 

Aus dieser Zwickmühle kommt er, und mit ihm viele andere Gläubige [sic !] offensichtlich nicht heraus - obwohl da gar keine Zwickmühle ist, wenn man Glauben und Wissen redlich voneinander trennen würde.

 

Dass das nicht getan wird, ist meiner Meinung nach der tiefe Grund dafür, dass die katholische und andere Kirchen, eigentlich das Christentum in seiner Gesamtheit seine Glaubwürdigkeit leichtfertig verloren hat. An diesem Punkt wird der Christ zu einer lächerlichen Dramaqueen, und es bleibt ihm nur noch der Stolz, dass Jesus ihm prophezeit hat, dass er um seines Namens Willen verachtet und verfolgt werden wird, was wieder als Argument, nein, als schlagender Beweis für die Existenz Gottes herhalten muss.

Dieses Schauspiel mit ansehen zu müssen, bricht mir das Herz. Es ist zum Heulen.  

 

Am 13.11.2023 um 09:26 schrieb SteRo:

... Die Lehre sagt ja, dass die Gnade eine Angebot Gottes ist, welches der freie Wille ablehnen kann. ...

 

Ja und? Damit sind die Ungläubigen mit Zurückhaltung bzgl. eines Urteiles über die Existenz oder Nicht-Existenz Gottes im Agnostizismus - aber wieso sollten die Gläubigen, die dieses Angebot dankbar annehmen, aus dem Agnostizismus raus sein, mit ihrer Zurückhaltung bzgl. eines Urteiles über die Existenz oder Nicht-Existenz Gottes? 

 

Am 13.11.2023 um 09:26 schrieb SteRo:

Dieser freie Wille ist ablehnend im Falles des Atheismus, aber unentschieden im Falles des Agnostizismus. Diese Unentschiedenheit des Agnostizismus beinhaltet eine Offenheit und damit ein noch nicht blockiertes Vermögen die Gnade Gottes anzunehmen.

 

Ja und? Jetzt musst du nur noch begründen, wieso dieses nicht blockierte Vermögen die Gnade Gottes anzunehmen, jemanden aus dem Agnostizismus heraus katapultiert - und wohin eigentlich? In die Wissenschaft, weil der Gläubige dann, wenn er die Gnade Gottes annimmt weiß, dass Gott existiert? Oder in die Kirche, weil der Gläubige dann, wenn er die Gnade Gottes annimmt weiß, dass Gott existiert? Das eine ist so albern, wie das andere. 

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 6 Minuten schrieb Weihrauch:

Viele Gläubige vertreten natürlich zu recht ihren Standpunkt, dass Gott existiert, mit allerlei Argumenten, aber du siehst ja selbst, dass @corpusmysticum es nicht über die Lippen bringt, zu sagen: Ich weiß, dass es Gott gibt - und das hat einen guten Grund - nämlich, dass er es nicht weiß.

 

Ich bin Christ, daraus ergibt sich das. Jemand wie Du, der kein kohärentes Weltbild vorweisen kann und Schlussfolgerungen beansprucht, die im Widerspruch zu seinen eigenen Axiomen stehen, ist nicht in der Position, von irgendjemandem etwas einfordern zu können. Du hast ja selbst keinerlei Grundlage, auf der Du zu gültigen Schlüssen kommen kannst. Dein Weltbild bietet noch nicht einmal die Grundlage, um überhaupt ein Gespräch führen zu können, weil du gar nicht sicher weißt, ob Wahrheit existiert. Dass Du das selbst nicht merkst, liegt an genau dieser fehlenden Kohärenz Deines Weltbildes. Aus einem unstimmigen und widersprüchlichen Weltbild können keine wahren Schlussfolgerungen entstehen, deswegen glaubst du auch, dass wenn jemand nicht ausspricht, dass er etwas weiß, auch nichts wissen könne.  Du bist da ja anders. Du sprichst aus, dass Du nichts weißt und dass es nicht sicher Wahrheit gibt, beanspruchst aber Wissen und sichere Wahrheit in Deinen Aussagen. Deine ganze Argumentation ist selbstwiderlegender Quatsch.

bearbeitet von corpusmysticum
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 11 Minuten schrieb Weihrauch:

Dass das nicht getan wird, ist meiner Meinung nach der tiefe Grund dafür, dass die katholische und andere Kirchen, eigentlich das Christentum in seiner Gesamtheit seine Glaubwürdigkeit leichtfertig verloren hat

 

Jemand, der behauptet, dass er jeden Mittwoch in einem Restaurant essen geht, von dem er nicht weiß, ob es existiert, hat natürlich die Glaubwürdigkeit auf seiner Seite, liebster @Weihrauch.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 1 Minute schrieb corpusmysticum:

 

Jemand, der behauptet, dass er jeden Mittwoch in einem Restaurant essen geht, von dem er nicht weiß, ob es existiert, hat natürlich die Glaubwürdigkeit auf seiner Seite, liebster @Weihrauch.

Woher willst Du wissen, ob sich das Restaurant nicht jedesmal neu manifestiert, wenn Weihrauch die Straße betritt?

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 1 Minute schrieb Flo77:

Woher willst Du wissen, ob sich das Restaurant nicht jedesmal neu manifestiert, wenn Weihrauch die Straße betritt?

 

Ja, vielleicht rutscht es auch nach seinem Besuch in einen Terrortunnel.

Aber tatsächlich kann jemand, der von einem Nichtexistenten Gott Offenbarungen nimmt, wohl auch in einem Nichtexistenten Restaurant essen.

 

bearbeitet von corpusmysticum
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor einer Stunde schrieb corpusmysticum:
vor 1 Stunde schrieb Marcellinus:

Bist du wirklich sicher?

 

Ja, ich halte es da wie Descartes: Da ich weiß, dass die Welt von einem rationalen, guten Gott geschaffen wurde, der nicht will, dass wir uns täuschen, ist die Erkenntnis meiner Selbst gesichert. 

 

Aber das weißt du nicht, das glaubst du nur zu wissen. Das ist etwas anderes. Aber ich will das Thema Descartes und damit die gesamte abendländischen Erkenntnisphilosophie mal etwas grundsätzlicher angehen und versuchen, eine kleine Geschichte von Wissenschaft und Philosophie der letzten Jahrhunderte zu schreiben, festgemacht an jeweils vier ihrer hervorragendsten Vertreter.

 

Nikolaus Kopernikus (1473-1543): In seinem Hauptwerk De revolutionibus orbium coelestium (1543) beschrieb er das heliozentrische Weltbild unseres Sonnensystems.

 

Isaac Newton (1643-1727): Mit seinem Gravitationsgesetz und seinen Bewegungsgesetzen (1686) legte er den Grundstein für die klassische Mechanik.

 

Charles Darwin (1809-1882): Er gilt wegen seiner wesentlichen Beiträge zur Evolutionstheorie (1859) als einer der bedeutendsten Naturwissenschaftler.

 

Albert Einstein (1879-1955): Seine Forschungen zur Struktur von Materie, Raum und Zeit sowie dem Wesen der Gravitation veränderten maßgeblich das physikalische Weltbild. Einsteins Hauptwerk, die Relativitätstheorie (1905/1915), machte ihn weltberühmt.

 

René Descartes (1596-1650): Er gilt als der Begründer der analytischen Geometrie und des neuzeitliche Rationalismus. Er fand die einzige Gewißheit im Zweifel am eigenen Denken, denn auch wenn ich mich täusche, kann ich nicht daran zweifeln, daß ich es bin, der zweifelt. „cogito, ergo sum“ (1641).

 

David Hume (1711-1776):  Er war überzeugt, die Gewohnheit der Menschen, aus beobachteten Ursache-Folgen-Beziehungen auf eine allgemeine Kausalität zu schließen, sei nicht aus den Erfahrungen der Menschen zu rechtfertigen. Kausalität sei mithin keine Eigenschaft der beobachterunabhängigen Realität, sondern existiere nur im Geiste der menschlichen Betrachter (1740), das, was wir heute Nominalismus nennen.

 

Immanuel Kant (1724-1804): Kant erklärte diese Gewohnheit der Menschen, Begriffe und Kategorien zu bilden, zu einem a priori der menschlichen Vernunft. Kritik der reinen Vernunft (1781), „kopernikanische Wende der Philosophie“

 

Karl Popper (1902-1994): Popper schließlich, der jede Form induktiver Beweise ablehnte, und nur zwischen falsifizierten und noch nicht falsifizierten Theorien unterschied, womit jeder Beweis auf rational nicht begründbaren Voraussetzungen beruht. Logik der Forschung (1934).

 

Damit liegt das „ich denke, also bin ich“ Descartes 100 Jahre nach Kopernikus und seiner Grundlegung der modernen Astronomie, Humes Induktionsproblem und seine Beschäftigung mit der Kausalität über 50 Jahre nach Isaac Newtons klassischer Mechanik und Kant, der die Kategorien des Denkens zu einem a priori menschlicher Vernunft erklärte, sogar noch einmal 40 Jahre später. Popper schließlich veröffentlichte sein „Logik der Forschung“, in dem er schrieb wie Wissenschaften, die er „empirisch“ nannte, seiner Ansicht nach zu verfahren hätten, 75 Jahre nach Darwins Evolutionstheorie und sogar noch 20 Jahre nach Einsteins spezieller Relativitätstheorie.

 

Man kann also mit einigem Recht sagen, daß fast 300 Jahre philosophischer Erkenntnistheorie immer den jeweiligen, bahnbrechenden Erkenntnissen ihrer Zeit gefolgt sind, nicht etwa ihnen vorausgingen. Die vier hier zitierten Philosophen betrieben alle in der Tradition Descartes eine Philosophie des Zweifels. Sie waren in der einen oder anderen Weise alle Nominalisten, überzeugt, daß die Strukturen dieser Welt nicht in den Dingen liegen, sondern im Denken der Menschen.

 

Descartes vertraute noch darauf, daß seine Wahrnehmungen „wahr“ seien, weil Gott ihn schon nicht in die Irre führe würde. Hume, ehrlicher Kerl, der er war, sagte einfach nur, daß er nicht wisse, warum wir die Welt so wahrnähmen, wie wir es tun, Kant meinte Humes Problem zu lösen, indem er unsere Kategorien zu einem a priori der Vernunft erklärte, und nach Popper folgt das menschliche Denken den ewigen Gesetzen der Logik (oder sollte es zumindest tun). Sie alle hielten rationales Denken beim Erwerb und der Begründung von Wissen für vorrangig, verorteten Strukturen allein in ihrer eigenen Vernunft, während sie die Eigenschaften, Strukturen und manchmal sogar die Existenz der Außenwelt für nicht erkennbar hielten.

 

Dabei begann schon spätestens hundert Jahre vor Descartes mit Kopernikus der Aufstieg der theoretisch-empirischen Wissenschaften, die wir Naturwissenschaften zu nennen uns angewöhnt haben. Während David Hume darüber nachdachte, ob ein Tisch noch da ist, wenn wir ihn aus den Augen verlieren, und wieso Menschen in ihrer Welt Ursache-Wirkung-Zusammenhänge sehen, waren Isaac Newtons Gravitations- und Bewegungsgesetze sowie seine zahlreichen Arbeiten zu Optik, Mechanik und Astronomie seit über 50 Jahren bekannt, alles Arbeiten über nachprüfbare Zusammenhänge in dieser Welt, allem philosophischen Skeptizismus zum Trotz. Selbst 90 Jahre nach Newton plagt sich Kant immer noch mit der Frage, woher eigentlich die Strukturen stammen, die die Naturwissenschaftler so erfolgreich unserer Welt abringen, und konnte offenbar zu keiner anderen Erkenntnis kommen, als daß sie im Inneren der menschlichen Vernunft a priori vorhanden seien.

 

Popper schließlich hat mit der Evolutionstheorie von Darwin und der Relativitätstheorie von Einstein die bisher letzten Meilensteine theoretisch-empirischer Wissenschaften vor sich (bzw. hinter sich). Aber am Primat philosophischen Denkens wollte auch er nicht rütteln, an der Illusion des Gelehrten im Elfenbeinturm, der sich nicht vorstellen kann, daß es da draußen, außerhalb seines Denkens, seiner „Logik“, eine erkennbare Welt existiert. Viel schlimmer, eigentlich wußte Popper, daß die Wissenschaften nicht so vorgehen, wie er sich das wünschte, und es kann ihm nicht entgangen sein, daß sie dabei erfolgreich sind, und doch bestand er mit der ganzen Autorität, die er mit 300 Jahren abendländischer Philosophie beanspruchte, darauf, daß Wissenschaften wider besseres Wissen sich so verhalten sollten, wie er es für rational hielt.

 

Ich denke, man kann spätestens jetzt sehen, daß die europäische, philosophische Erkenntnistheorie seit 300 Jahren viel Zeit und Mühe darauf verwendet, den theoretisch-empirischen Wissenschaften hinterherzulaufen. Die ganze vorgebliche „Voraussetzungsmetaphysik“ der Philosophen entpuppt sich so als nachträgliches Räsonieren von der Empore, während andere die Arbeit machen. Die leuchtendsten Vertreter der philosophischen Erkenntnistheorie haben sich, jeder auf seine Weise, nach Kräften bemüht, Zweifel zu schüren an der menschlichen Fähigkeit, sich realistische Modelle von dieser Welt zu machen, um in dieser vermeintlichen Lücke ihre eigene Unentbehrlichkeit zu behaupten, eine Unentbehrlichkeit, die nur in ihrer eigenen Einbildung besteht und verbunden war mit Anstrengungen, die einer besseren Sache wert gewesen wären.

 

Seitdem hat der Begriff Realismus unter ihren Vertretern einen schlechten Klang, und was eigentlich eine fast 500jährige Erfolgsgeschichte der Wissenschaften ist, erscheint heute vielen ungewisser denn je. Zwar verlassen sie sich in ihrem täglichen Leben an allen Ecken und Enden auf die praktischen Auswirkungen dieser wissenschaftlichen Erkenntnisse, aber in ihrem Kopf und ihren Reden sind sie sicher, daß das doch alles nur Schein, nur Lug und Trug ist, und Realismus ein naiver, metaphysischer Glaube. Daß in einer solchen Umgebung „Kontrafaktisches“, allerlei Aberglauben, Verschwörungstheorien und Esoterik immer wieder fröhliche Urstände feiert, wundert mich gar nicht.

 

Was meiner Ansicht nach dringend nötig wäre, wäre der Übergang von einer philosophischen zu einer wissenschaftlichen Erkenntnis- und Wissenstheorie, einer, die nicht sagt, wie Erkenntnis zu sein habe, damit sie den Wunschträumen von Philosophen gerecht wird, sondern theoretisch zu verarbeiten sucht, wie Erkenntnis- und Wissenserwerb wirklich stattgefunden haben, noch stattfinden, warum sie so erfolgreich waren und sind und wo ihre Schwächen und Fehlentwicklungen liegen. Dann denke ich, würde es auch leichter fallen, zwischen Illusionen, Glauben und nachprüfbarem Wissen zu unterscheiden.

 

 

 

bearbeitet von Marcellinus
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 1 Stunde schrieb Marcellinus:

Bist du wirklich sicher? Hat dir noch nie jemand gesagt: „Da höre ich jetzt deinen Vater sprechen!“ Wir alle sind weit weniger Individuen, als wir uns einreden. 

 

Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Individualität ist nicht Originalität.

 

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Join the conversation

You can post now and register later. If you have an account, sign in now to post with your account.

Gast
Auf dieses Thema antworten...

×   Du hast formatierten Text eingefügt.   Formatierung jetzt entfernen

  Only 75 emoji are allowed.

×   Dein Link wurde automatisch eingebettet.   Einbetten rückgängig machen und als Link darstellen

×   Dein vorheriger Inhalt wurde wiederhergestellt.   Clear editor

×   You cannot paste images directly. Upload or insert images from URL.

×
×
  • Neu erstellen...