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Jeanne d'Arc


Mecky

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Die Schlacht der Legende

Der Kampf beginnt und tobt. Männer, im Vertrauen auf die Jungfrau, die den Sieg durch Gottes Hilfe verheißt, branden gegen die Festung der Engländer. Blut fließt, Leben versinkt im Morast. Der Glaube an die Jungfrau gibt den Soldaten Mut, immer neu gegen die Mauern anzurennen und ihr Leben zu wagen und zu verlieren. Die Engländer werden zurückgedrängt.

 

Da durchbohrt ein Pfeil Jeanne.

Sie stürzt vom Pferd.

 

Unbeschreibliches Chaos kehrt ein. Der Garant, der den Sieg verhieß, ist gestürzt, gefallen, und liegt, gleich hunderter nichtsbedeutender Soldaten nun im Schlamm. Was zählt das Leben der Hunderten gegenüber dem Sturz der Jungfrau? Hier fällt mehr als ein Mensch. Hier fällt die Zukunft. Hier fällt der Glaube. Alle Opfer waren sinnlos. Die Hunderte im Schlamm wurden vergebens auf die Schlachtbank der Geschichte geführt.

 

Der Pfeil ging nur durch die Schulter. Jeanne wimmert. Sie ist kein Soldat, sie ist nicht die Jungfrau, sie ist ein verletztes Mädchen, herunter vom hohen Ross auf den Boden der Tatsachen gefallen. Nicht nur der Glaube der Männer ist verflogen. Auch ihr Hochmut, ihre Sicherheit. Nur Schmerz und Elend liegen im Schlamm.

 

Da bahnt sich der Glaube, nachdem er von innen nicht mehr leben kann, von außen eine Schneise zum Herzen Jeannes. Inmitten der Schmerzen, inmitten des Getümmels, inmitten des hektischen Rückzugs verzweifelter französischer Ritter, hört Jeanne die Stimme der heiligen Katharina. Sie sagt nichts. Sie ist einfach da. Sie spricht völlig ohne Worte. Und Jeanne versteht.

 

Jeanne lässt den Pfeil brechen und herausziehn. Sie verlangt nach Pferd und Banner. Den Arm in einer Lederschleife, das Banner in der Hand setzt sie sich auf ein Pferd. Die Jungfrau lebt.

 

Und der Glaube, der in ihr wieder lebt, breitet sich aus. Die ersten rufen: „Die Jungfrau lebt!“. Ein Wunder, ein Wunder. Ja, sie ist die Jungfrau. Sie ist eine Legendengestalt. Sie war gefallen und lebt wieder. Die Franzosen formieren sich mit neuem Mut, die Engländer haben der Macht und Hysterie des Mythos nichts entgegenzusetzen. Die englische Bastion fällt.

 

Glasdale und La Hire kämpfen den erbitterten letzten Kampf. Glasdale hat bereits das Schwert an La Hires Kehle, da zieht Jeanne in die englische Bastion ein, sie lässt Sir Glasdale mit Armbrustbolzen durchbohren. Sterbend sinkt er vor Jeanne in die Knie, die hoch auf ihrem Schimmel mitleidlos herabblickt auf den Schlamm, in den Glasdale nun sinkt.

 

„Fahrt zur Hölle, William Glasdale!“

 

Und er tut dies – La Hires Augen weiten sich. Nicht vor Triumph, sondern vor maßlosem Schreck. Das wäre eigentlich SEIN Werk gewesen.

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La Hires Sinn des Lebens

Der Sieg bedeutet La Hire nichts. Er ist am Ende.

 

„Ihr habt mir mein Leben gerettet – aber meine Ehre genommen.“

 

„Die Ehre, einen Menschen zu töten?“

 

„DIESEN Mann zu töten. Dafür habe ich gelebt.“

 

„Ist es das wert, für eine solche Ehre zu sterben, Hauptmann?“

 

„JA!“

 

„Dann wäre das der Sinn Eures Lebens gewesen?“

 

„Das fragst du mich?“

 

„Nein, Hauptmann. Das frage ich Gott.“

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Hallo Christoph!

 

Außer dem Cover für die DVD hab ich im Internet keine Bilder bisher gesehen. Das wollte ich eigentlich noch nicht verraten, weil ich erst am Schluss für die DVD Werbung machen wollte, damit noch jemand mein Geschreibsel liest und nicht alle erst mal die DVD kaufen und gucken.

 

Ich glaube nämlich, dass sich der Film anders anguckt, wenn man erst mal gelesen hat.

Hallo Mecky,

 

bitte, bitte, weitererzählen, ich verspreche auch ganz fest, keine DVD zu kaufen und/oder den Film schon mal anzusehen.

Mich interessiert Deine Interpretation ehrlich gesagt mehr als der eigentliche Film, ein Geschreibsel ist es schon zweimal nicht.

Also: Weitermachen, bitte!

 

Liebe Grüße, Gabriele

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Die Wunder, die Stimmen und der Glaube

Nach dem Sieg in Orleans und weiteren Folgesiegen wird Charles in der Kathedrale zu Reims im Jahre 1429 zum König von Frankreich gekrönt. Das Ziel Jeannes ist erreicht. Mit Tränen des Glücks in den Augen sieht sie, wie das Volk seinem neuen Herrscher zujubelt.

 

Bischof Cauchon denkt bereits weiter. Was soll nun aus Jeanne werden? Auch Jeanne ist dies bewusst.

 

„In Orleans kannte ich meinen Platz. Im Auftrag Gottes sollte ich mein Heer zum Sieg führen, und ich tat’s.“

 

„Gottes Willen zu tun ist nicht immer so großartig, wie Dein Sieg in Orleans. Du wirst sehen, dass die schwersten Dinge, die er verlangt, im Stillen getan werden und keine Triumphe bringen. Solche wie am Hofe zu leben, zu seinem König zu stehen oder einfach ein Sinnbild zu sein. Aber diese Arbeit ist ebenso wichtig, wie jede andere. Du kannst dich in einem religiösen Orden unterweisen lassen, und so den wahren Willen Gottes kennen lernen.“

 

Da hat er voll ins Wespennest gestochen.

 

„Bischof, ich kenne den wahren Willen Gottes. Er unterweist mich direkt durch die Stimmen.“

 

Doch der weise Cauchon sieht mehr, als das unerfahrene Mädchen. Er kennt die Winkelzüge der menschlichen Seele, die Neigung zu Hochmut und Fanatismus:

 

„Deine Überzeugung, dass Du durch diese Stimmen tatsächlich in direkter Verbindung zu Gott, unserem Herrn stehst, ist nicht nur naiv, sondern gefährlich.

Du bist sehr jung. Es mangelt Dir an religiöser Übung und an der Unterweisung durch die Kirche. Du bist nicht befähigt, die Reinheit der Stimmen zu beurteilen. Das kannst Du nicht. Darfst Du nicht. Vertrau ihnen nicht.“

 

„Warum nicht?“

 

„Weil es in der menschlichen Natur liegt, mehr an die Göttlichkeit des Überbringers zu glauben als an die Botschaft. Das könnte dich zu den Sünden des Hochmutes und des Stolzes verleiten und so die Botschaft verfälschen.“

 

„Was ist dann mit Poitiers? Die Kirche hat mich geprüft. Sie sagten, meine Stimmen seien wirklich. EIN WUNDER! Ihr selbst sagtet das!“

 

Oh süße Naivität der Jugend. Es bleibt Cauchon nichts anderes übrig, als Jeanne aus den Wolkenkuckucksheimen bitter auf die Erde zu schmettern. Er schaut sie an, wie ein zärtlicher Vater, der seiner Tochter eine traurige Nachricht überbringen muss und sich verzweifelt bemüht, es nicht zu hart klingen zu lassen.

 

„Und das sind sie auch. Dein Glaube an die Stimmen hat den Menschen Glauben gegeben. In den Augen der Kirche ist das, was Glauben hervorbringt – ein Wunder.“

 

So weit der positive Teil, den er ganz ernst meint. Aber er fährt fort:

 

„Aber das heißt nicht, dass Deine Stimmen wirklich und wahrhaftig von Gott sind.“

 

Cauchon will ihr mehr, als nur billigen Trost geben. Er will ihr Zukunft weisen.

 

„Liebes Kind! Ich sehe, du hast einen wachen Verstand. Ich bitte dich dringend, die Einfalt des Bauernmädchens abzulegen. Wenn Du ein Werkzeug Gottes sein willst, musst du bestrebt sein, die Geister unterscheiden zu lernen.“

 

Doch Jeanne ist untröstlich. Sie fühlt sich von ihm und vom Dauphin benutzt als billige Gallionsfigur.

 

„Urteile nicht so hart,“ versucht er Cauchon noch einmal. „Komm, sei an deines Königs Seite am Portal der Kathedrale. Und von dort sieh in die Gesichter der Gläubigen, die von überall her gekommen sind, um zu ehren, was Du unglaubliches vollbracht hast. Und dann wirst du es sehen, das Wunder.“

 

Doch nichts kann Jeanne jetzt besänftigen. Sie fällt in schwere Depression.

 

In diesem Dialog gelangen wir genau zur zentralen Frage des Films. Es geht um den Widerstreit zwischen dem Vertrauen auf Inspiration und dem fragenden Suchen nach Wahrheit. Jeanne vertraut blind auf ihre Inspirationen. Cauchon setzt auf die durchgedachte Erfahrung der Kirche. Er ist fasziniert von der Glaubensdirektheit Jeannes, die ihm verloren ist; er sucht in dem jungen Mädchen nach der Lebendigkeit des Glaubens, die er sich durch tausend richtige und wahre Gedanken verbaut hat.

 

Cauchon steht in Gemeinschaft mit La Hire, der in Jeanne auch nach dem Glauben sucht, den er in einem vermeintlichen Realismus verloren hat - und mit ihm einen wesentlichen Teil Lebendigkeit.

 

Jeanne wirkt auf sie zugleich als Mysterium tremens wie auch als Mysterium fascinosum. Sie fürchten Jeanne, weil sie dazu neigt, die Wirklichkeit - wie sie die Kirche oder wie sie die vermeintlich rationale Weltbeobachtung lehren - aus den Augen verliert und sich überheblich über beides hinwegsetzt.

 

Und doch fasziniert sie genau dies. In ihrer Überheblichkeit erhebt sich Jeanne über die trockenen Lehren der Kirche und der Rationalität. In ihr lebt ein abgrundtiefer Glaube an die Führung durch Gott.

 

Cauchon versucht nicht nur, sie zu retten, indem er sie in die Wirklichkeit zurückholen will. Das auch. Aber sein tieferes Interesse ist viel persönlicher: Er wird in sie eindringen wollen, um an das Geheimnis ihres Glaubens zu kommen. Was jetzt noch ein väterlich-beratendes Gespräch ist, wird bald zu einer gewalttätig drängenden Suche.

 

In diesem Film geht es nicht um das fade Spiel: "Die liebe, misshandelte Jungfrau und die böse Kirche, die ihre Heilige am Schluss verbrennt und dann verlogen heilig spricht. Nein. Hier geht es in tiefen Fragen um den Glauben. Es ist Weltliteratur, die nicht ein einmaliges Ereignis der Geschichte platt oder schmalzig oder demagogisch nacherzählt, sondern es geht um das bleibende Wesen des Menschen, sein Ringen nach Lebendigkeit, nach Inspiration und Wahrheit.

bearbeitet von Mecky
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..., sondern es geht um das bleibende Wesen des Menschen, sein Ringen nach Lebendigkeit, nach Inspiration und Wahrheit.

Diese Aussage ist sehr beeindruckend!

 

Danke für die Geschichte, Mecky. :blink:

 

Ellen

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Charisma, Kirche, Realität und Führung durch Gott. Ein Streit.

Nach diesem Tiefschlag kann sich Jeanne zu nichts mehr aufraffen. Sie kann nur noch daran denken, dass man sie ausgenutzt und belogen hat. Der Vorschlag Cauchons, die Einfalt abzulegen, kommt zur falschen Zeit. Sie kann nicht verarbeiten, was sie gehört hat. Sie kann nicht erkennen, dass er es gut mit ihr gemeint hat, und zwar von Anfang an. Sie kann nicht differenzieren zwischen den wunderbaren Stimmen und der Stimme Gottes. Sie ist verwirrt. Führt Gott Jeanne?

 

Erst, als ihr Bruder nach Reims kommt und ihr erzählt, dass er an sie glaubt, dass alle an sie glauben, da erwacht sie aus ihren düsteren Grübeleien. Aber das ist nicht gut. Jetzt will sie nämlich beweisen, dass sie doch recht hat.

 

Sie erfährt, dass Charles mit den Burgundern paktiert und als Preis dafür Paris aufgibt. Energisch marschiert sie zum König, der sich gerade auf einem gezierten höfischen Bankett befindet und sich die schmeichelnden Artigkeiten seiner Untertanen wie Öl herunterlaufen lässt.

 

Jeanne setzt sich. Charles ist gerade dabei, sich köstlich zu amüsieren, kein Gag wird ausgelassen. Er versucht vor allen Leuten, nun auch Jeanne in diese Späße einzubinden.

 

„Werte Jeanne,“ fragt er provozierend-neugierig, „wenn Dir Deine Heiligen erscheinen: Haben sie dann Arme und Beine, oder schweben sie wie die Engel?“

 

Gekichere.

 

Jeanne reagiert trocken.

 

„Sie sind im Körper ebenso vollständig, wie im Geist.“

Und sie fährt fort und steuert zielstrebig auf ihr Thema zu, indem sie scheinbar im Rahmen von Scherzfragen bleibt.

 

„Liebster König, wie würdet Ihr einen Bäcker nennen, der den Kuchen anschneidet, bevor er durchgebacken ist?“

 

Ist doch eine lustige Scherzfrage. Oder?

 

„Nun … … ich würde ihn nicht als Bäcker bezeichnen?“

 

„Und wie würdet ihr einen König nennen, der von seinem Land abtritt, während andere dafür kämpfen, es zu einen?“

 

Atemloses Geraune. Jeanne spielt mit ihrem Ansehen beim König.

 

Charles windet sich in Erklärungen, die lockere Atmosphäre ist dahin. Cauchon, der direkt neben dem König sitzt, zuckt bereits in Vorahnung zusammen.

La Hire bewegt gemessen und nur leicht den Kopf, aber die Befürchtungen stehen ihm ins Gesicht geschrieben.

 

Aus dem albernen Bankett wird eine Diskussion zwischen Jeanne und dem König. Peinlich.

 

„Es ist Gottes Wille, das Frankreich eines ist! Nicht einmal ein König hat das Recht, sich gegen Gottes Willen zu stellen!“, ruft Jeanne. Sie kennt offensichtlich keine Angst.

 

Cauchon ist inzwischen die Wutader geschwollen. Wütend schreit er in den Raum hinein: „Ich muss dieses Mädchen und jeden nicht Erleuchteten strengstens warnen, wissen zu wollen, was Gottes Wille ist, und was nicht!“

 

Jeanne zögert nicht: „Und was, wenn Gott für sich selbst spricht?“

Aha. Das Gespräch nach der Krönung von Charles wird hier fortgesetzt.

 

„Aaaaah!“, höhnt Cauchon. „Deine Stimmen. Ja? Für wen hältst Du uns, dass wir denen trauen sollen?“

 

„Ihr könnt der Erfahrung trauen“ – und sie wendet sich zu Hauptmann La Hire. „War mein Rat jemals falsch?“

 

La Hire erhebt sich nicht. Er spricht ganz ruhig.

„Nein, meine Liebe.“

 

Jeanne strahlt. Aber erhebt er sich und fährt fort:

 

„Bis jetzt nicht. Aber vielleicht gibst Du zu viel auf Deine Stimmen. Tapfere Soldaten waren genau so entscheidend, wie irgend ein Gebet.

Und ich fürchte, eines Tages, wenn Du in Gottes Namen zum Angriff bläst, wird keiner da sein, der dir den Rücken stärkt. Mädchen!“

 

Doch Jeanne gibt nicht auf. Wieder wendet sie sich an den König und bittet ihn, ihr ein Heer zu geben, mit dem sie Paris einnehmen kann. Wieder mischt sich Cauchon ein; er steigert sich in seiner Wut bis hin zu der Aussage: „Du bist gefährlich nahe der Ketzerei!“

 

Und dann kommt es zum offenen Streit.

 

„Seit wann ist Wahrheit Ketzerei?“ erwidert Jeanne trotzig.

 

„Alle Ketzer glauben, sie sprechen die Wahrheit!“

 

„Gilt das auch für einen Bischof?“

 

„Du forderst ewige Verdammnis heraus!“

 

Die Stimmung ist am Brodeln. Cauchon ist blamiert. Charles, der schlaue Weltmann und Meister gedrechselter Phrasen rettet noch einmal die Situation. Ganz locker, Herr der Situation, fragt er im Scherzton den Bischof:

 

„Wenn sie eine Ketzerin ist, was macht mir das schon?“

 

Alle lachen, aber besinnlich fährt er fort:

 

„Ich werde natürlich nie einen Vertrag mit Burgund brechen. Aber wir sind tief berührt von der Treue, die im Herzen dieses tugendhaften Geschöpfes wohnt.“

 

Jeanne hat gewonnen.

Und sie organisiert ein Heer gegen Paris.

bearbeitet von Mecky
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Hochmut vor Paris

Jeannes Heer ist viel zu klein. Das hält sie nicht ab, NICHTS hält sie ab. Sie ist die Jungfrau, sie ist die Sendbotin Gottes, sie ist die Empfängerin göttlicher Weisungen. Was soll schon die Realität? Gott wird die Mauern von Paris erweichen.

Doch La Hire, der Realist, ist mehr als besorgt, er rät dringend zu Verhandlungen.

 

Vor dem Tor von Paris kommt es zum Treffen mit dem Bürgermeister und den Ratsherren der Hauptstadt.

 

Nein, die Einwohner von Paris wollen sich nicht Jeanne und Charles anschließen, sie fürchten nicht nur die Rache der Burgunder und Engländer, sondern auch die politische Durchtriebenheit des Königs Charles. Jeanne dringt mit beschwörenden Worten auf die Ratsherren ein, sie fordert den Treueeid zu Charles.

 

„Die Bürger von Paris schulden Treue nur der Stadt Paris. Wir, die Ratsherren dieser großen Stadt gebieten euch, uns in Frieden zu lassen.“

 

Und jetzt bricht die Hochmut mit all ihrer zerstörerischen Gewalt aus der Jungfrau heraus. Im Bewusstsein der Überlegenheit fährt sie die ehrwürdigen Ratsherren an:

 

„Gebieten? … Ihr wagt es, der Jungfrau zu gebieten? Wir werden in Paris einrücken!“

 

„Seid gewarnt, die Stadt ist wohl gerüstet. Alle Männer von Paris, jeder Soldat, Kaufmann, Schneider, werden sich gegen Euch erheben!“

 

La Hire, der die ganze Zeit schon mit äußerst bedenklichem Gesicht auf die hohen Mauern der Stadt blickt, versucht noch zu retten, was zu retten ist:

 

„Erwidere nichts, das will wohl bedacht sein!“

 

Aber der Damm zwischen Inspiration und Wahnsinn ist in Jeanne ist nun vollends gebrochen. Verächtlich ruft sie den Ratsherren entgegen:

 

„Sagt euren Schneidern“ – und Verachtung dringt aus ihren Worten – „Sie mögen ihre Nadeln weglegen und zum Schwert greifen. DAS HEER GOTTES NAHT!“

 

Alle im Heerlager versuchen nun, Jeanne von diesem vermessenen Vorhaben abzuhalten. Selbst Babette wirft ein, dass morgen doch Sonntag sei, da dürfe man nicht kämpfen. Aber Jeanne will sich nicht noch einmal von anderen Menschen benutzen lassen. Nur noch ihr Gefühl, ihr Wille Frankreich zu einen, zählt. Sie allein weiß, was Gott will und was nicht.

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Der Lotse geht von Bord – La Hires Glaubensbekenntnisse.

„Hauptmann, ihr seht besorgt aus.“

 

„Ja, ich bin besorgt. Paris anzugreifen ist Wahnsinn. Die Mauern sind zu hoch, unsere Leitern reichen nicht einmal bis an die Zinnen. Paris ist weder ein Feind, noch eine Gefahr.“

 

„Unser Herr sagt: „Wer nicht für mich ist, ist gegen mich!“

 

Aber La Hire ist viel zu intelligent, als dass man ihm mit solchen Sprüchen kommen kann. Und er trifft genau den Punkt, als er die Gegenfrage stellt.

 

„Für Jesus … - … oder für Jeanne?“

 

Doch der Wahn und die erlebte Demütigung machen Jeanne blind. Sie kann einen wahren Freund, wie es La Hire ist, schon nicht mehr als solchen erkennen. Sie nimmt nichts an.

 

„Wenn Du nicht mehr an mich glaubst, dann geh fort!“, herrscht sie ihn an.

 

La Hire bleibt ruhig. Er schreit nicht zurück. Aber er weiß, was Jeannes Worte bedeuten: Sie hat sich vollständig verrannt. Nicht Wut spricht aus seinen Worten, sondern die Trauer eines verschmähten Freundes, der an seinen Freund bis zuletzt geglaubt hatte, und enttäuscht wurde.

Er antwortet mit der Geschichte seines Glaubens – ein Soldatenglauben.

 

„In Azincourt, da habe ich den Glauben an mein Land verloren.

Es blieb mir nur, an mich selbst zu glauben.

In Orleans, da habe ich den Glauben an mich verloren.

Es blieb mir nur, an dich zu glauben.

Jetzt stehen wir beide – BEIDE – völlig allein.

Nur ich habe den Mut, es zuzugeben.“

 

Dann geht La Hire, der treue Feldherr Jeannes, fort.

 

Allein John de Metz steht voll und ganz hinter Jeanne.

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Die Katastrophe von Paris

Aus der Schlacht um Paris wird ein Gemetzel. Links und rechts von Jeanne fallen die Soldaten reihenweise in den Schlamm.

 

„Sie schlachten uns ab, wir sollten umkehren!“

 

„Nein!“ brüllt Jeanne. „Vorwärts!!!“

 

Sie nimmt den Tod, der sie umgibt, nicht wahr. Kein Opfer ist zu hoch. Sie tut Gottes Willen. Sie tut Gottes Willen. Sie tut Gottes Willen.

Um Gottes Willen!

 

Neben ihr durchbohrt ein Pfeil Bertrand, den besten Freund und Knappen ihres Freundes John de Metz. So viel Leben und Hoffnung war in ihm gewesen, jetzt ist er tot. Jeanne lässt sich nicht abhalten, selbst die Trauer ihres Freundes John hat nicht mehr die Kraft, durch die Mauern ihres Herzens zu dringen, die noch höher sind, als die Mauern von Paris.

 

Ein Gemetzel ohne Ende, bis zum letzten Blutstropfen. Bis es dann plötzlich doch ein Ende findet. Vor ihren Augen wird ihr Bruder abgeschlachtet. Und dies ist das einzige Sterben, der einzige Tod. Den nimmt sie wahr. Im Anblick des fallenden Bruders brechen die Mauern in Jeannes Seele zusammen wie ein Kartenhaus.

Das Schwert, das Schwert der heiligen Katharina, entgleitet ihren Händen, fällt in den Schlamm und versinkt darin; so, wie schon hunderte in diesem Schlamm versunken sind.

 

Gequält schreit sie auf: „Mein Gott, was habe ich getan! Was habe ich getan!“

 

Oh Jeanne, was hast Du getan? Du bist ganze 17 Jahre alt. Du hast die Gabe Gottes zum Eigenzweck gemacht, hast Dich an die Stelle Gottes gesetzt. Aus deiner begnadeten Inspiration wurde Fanatismus. Liebe konnte Dein Herz nicht mehr erreichen, so tut es nun der bittere Tod.

Um Dich herum liegen Tod und Verwüstung. Deine Sünde schreit zum Himmel. Und die Folgen werden auf Dein Haupt zurückkommen.

Kehre um, Jeanne, kehre um. Denke an Deine unsterbliche Seele, die einst vor Deinem Richter steht.

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Der Beginn der Umkehr

In einer Kapelle kniet Jeanne heulend vor der Statue der heiligen Katharina.

 

„Gib mir ein Zeichen!

Bitte … gibt mir ein Zeichen!

Ich hab alles getan, was Du verlangt hast!

Was hab ich falsch gemacht?

Ich versteh’ nicht, ich versteh’ nicht!

Bitte gibt mir ein Zeichen!“

 

Und ihr Gebet mündet in einen Schrei, der die Kapelle erbeben lässt:

 

„WARUM ANTWORTEST DU MIR NICHT?“

 

Es ist noch nicht die Zeit zur Antwort. Aber es ist schon die Zeit der Folgen. Das Desaster von Paris bringt Charles in die Klemme. Er ist gezwungen, mit den Burgundern und Engländern zu verhandeln. Um noch zu retten, was zu retten ist, um rauszuholen, was für Frankreich rauszuholen ist, verrät und verkauft er Jeanne an seine Gegner.

 

Unheil braut sich über Jeanne zusammen, auch wenn sie es noch nicht weiß – sie hat Heimaturlaub bekommen.

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Ohne Demut keine Umkehr

Doch auch zu Hause ist nicht mehr zu Hause. Sie ist ja jetzt die Jungfrau, was Besseres. Alle bewundern sie. Aber sie fühlt sich nicht zum Bewundern. Ihr geht es übel.

Und es wird noch übler, als sie mit ihrem Vater spricht.

 

Als sie schmeichelnd und verlogen zu ihrer Schwester sagt: „Nirgends ist es so schön, wie daheim.“, kommt ihr Vater auf das zu sprechen, was ihm auf der Seele liegt: Durch Jeannes Schuld ist sein Sohn Pierre gestorben.

 

„Würdest Du das auch zu Pierre gesagt haben?“

 

„Es war allen Pierres Entscheidung, Papa!“

 

„Er folgte einem Traum. DEINEM Traum.“

 

Doch Jeannes Überheblichkeit hat zwar den Gipfel überwunden, ist aber noch nicht überwunden. Noch ist sie die Jungfrau.

 

„Du nennst mich noch immer eine Träumerin? Nach allem, was ich getan habe?“

 

„Was hast Du denn getan .. . abgesehen davon, Dich selbst zum Idol zu erklären?“

 

„Ich hab mein Leben eingesetzt, um Frankreich zu einen …“

 

„… und hast das Leben Deines Bruders dafür geopfert!“

 

„Wie kannst Du das sagen!“

 

Die Stimme des Vaters bebt vor Trauer und Wut:

 

„Er war mein Sohn!“

 

Erst jetzt wird Jeanne bewusst, was sie getan hat. Wie viele Väter haben ihre Söhne, wie viele Söhne und Töchter ihre Väter verloren? Ungezählt, ungezählt. Das weiße Gewand der legendären Jungfrau hat große, schwarze Flecken, die nach Tod und Verwüstung stinken.

 

Unbarmherzig aus Trauer fährt der Vater fort:

 

„Was willst Du noch von mir?“

 

Und damit ist der Tiefpunkt überschritten. Jeanne ist da angekommen, wo ein Heiliger ankommen muss, um heilig zu werden:

Auf dem Boden,

auf dem Morast,

in der Demut des Sünders, der sich nicht mehr selbst zu helfen weiß.

 

„Ich will, dass Du mir verzeihst!“

 

Kurz zögert der Vater. Und dann bricht es klar und hart aus ihm heraus.

 

„Nein!“

 

Ein einziges Wort. Und doch das augenscheinliche Ende. Oder nicht?

Jeanne flieht in die Kapelle der heiligen Katharina, dorthin, wo alles begann, wo sie als Kind zum ersten mal die Stimme ihrer Schutzheiligen vernahm.

Zum ersten mal, so scheint es, kniet sie wirklich. Sie kniet als Sünderin vor der heiligen Katharina. Katharina ist griechisch und heißt: Die Reine.

 

„Heilige Katharina,

ich bitte um Vergebung

für die Sünde des Hochmuts,

erbitte mir Absolution von unserem Herrgott

und dass mein Vater mir verzeiht.

Bitte kehr zu mir zurück,

Du meine Schutzheilige!

Bitte führe mich auf dem Weg,

der mir vorgezeichnet ist.“

 

Und der Himmel öffnet sich: Sie vernimmt die Stimme der Heiligen.

Das ist das Wichtigste. Auch dann, wenn diese Stimme ihr nicht zusäuselt, sondern ernste Worte spricht. Sie spricht sie voller Besorgnis und Liebe. Das ist das Wichtigste. Und der Weg Jeannes, wenn auch ein dunkler, bekommt wieder die Richtung.

 

Am nächsten Morgen reist Jeanne ab. Als sie ihr Pferd sattelt kommt ihr Vater auf sie zu.

 

„Du gehst, weil ich Dir nicht verziehen habe.“

 

Das ist keine Frage. In seinen Augen ist es eine Feststellung. Aber er hat falsch geraten.

 

„Nein. Ich gehe, weil Gott mich gerufen hat. Weil er mich dazu bestimmt hat. Weil ich gezwungen bin, das zu tun, was ich tun muss.“

 

Der Vater lässt nicht locker.

 

„Wie Pierre getan hat, wozu er gezwungen war.“, meint er halb bitter und halb fragend. Denn auch er sucht nach einer Deutung für den Tod seines Sohnes.

 

In Scham und Trauer vergräbt Jeanne ihr Gesicht. Es gibt kein Argument gegen die Bitterkeit des Vaters. Und sie greift zum Einzigen, was hier noch helfen kann. Sie steht zu ihrer Hilfsbedürftigkeit.

Als ihr Vater sich schon verdrossen abwendet, ruft sie ihm flehend nach:

 

„Papa!“ – Und der harte Mann wendet sich um und erkennt seine Tochter.

„Ich habe Angst, fortzugehen. Sogar mehr, als ich das erste mal fortging.“

 

Da wird das Herz des Vaters weich und er schenkt ihr all das, was er an Festigkeit und Vertrauen zu verschenken hat – auf seine Weise natürlich:

 

„Du wirst mutig dem, was das Leben Dir auch bringen wird, entgegensehen. Wie sollte das auch anders sein. Du bist die Tochter von Jaques d’Arc.“

 

Nicht billiges Entschuldigen, sondern zu ihr als Tochter stehen und seinen eigenen Glauben bezeugen, dass man mit Gottes Hilfe mit allem fertig werden kann, was das Leben bringt. Selbst mit dem Tod des eigenen Sohnes. Selbst mit dem eigenen Tod.

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Das Unheil der Strafe braut sich zusammen

Jeannes Angst hat einen Grund. Die Stimmen haben ihr verkündet, was sie später Babette erzählt. Babette bemerkt, dass Jeanne sich verändert hat. Jeanne erklärt:

 

„Meine Stimmen haben mir verkündet, mein Werk sei noch nicht beendet. Sie sagten mir, dass Charles mich verraten würde. Sie sagten mir, dass er das tun muss, um wahrhaft König zu sein.

Eine dunkle Zeit liegt vor mir.

Alles gehört zu Gottes Plan.

Aber am Ende wird alles gut werden.“

 

Und die Finsternis der dunklen Zeit hat schon – wenn auch für sie unsichtbar – weite Kreise gezogen.

 

Bischof Cauchon ist bei seinem Erzbischof in Ungnade gefallen. Er wird nach Rouen versetzt, wo ihn alsbald der englische Regent aufsucht.

 

„Ein gewisses Mädchen soll ergriffen und beseitigt werden. Aber: Ihr Ruf muss ebenso zerstört werden, wie ihr Körper. Ich habe gehört, dass ihr das nämliche Mädchen der Ketzerei verdächtigt. Und darum habe ich mich gefragt, ob die Kirche nicht hilfreich sein könnte, was unser Problem betrifft.“

 

Der Einwand Cauchons: „Die Kirche tötet nicht!“

 

löst beim englischen Regenten nur ein kurzes Lachen aus.

„Die Inquisition verbrennt Ketzer ununterbrochen!“

 

Cauchon ist nicht der Mann, den man politisch überzeugen kann. Er ist ein treuer Diener seiner Kirche, die sein Leben ist. Ihr dient er. Dort sind seine Anliegen.

 

„Die Inquisition ermittelt morsche Zweige am Baum unserer Mutter Kirche und überstellt sie der weltlichen Gerichtsbarkeit, damit sie diese entferne.“

 

Der geistliche Berater des Regenten ist schlauer. Er erahnt den wunden Punkt Cauchons, an dem die englischen Interessen ansetzen und den Willen Cauchons außer Kraft setzen können:

 

„Das heißt: Ihr würdet einer Untersuchung durch die Inquisition zustimmen?“

 

„Ergreift man sie in meiner Diözese, so wäre es meine Pflicht und Schuldigkeit, um die Errettung ihrer unsterblichen Seele zu kämpfen.“

 

Oh Cauchon. Du willst das Gute. Aber schon jetzt nagt in Dir eine Form der Wahrheitssuche, die nicht Wahrheit, sondern Tod hervorbringt. Der englische Regent erkennt seinen Sieg. Ist der Prozess erst einmal im Laufen, dann ergibt sich eine Eigendynamik, die er gut steuern und ausnutzen kann. Zufrieden und scheinheilig sagt er:

 

„Ich würde nicht mehr und nicht weniger erwarten.“

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Die Annahme der Sendung ins Ungewisse

Jeanne reist nach Reims zu Charles, der sie – auf ihren eigenen Vorschlag – zur Stadt Compiegne schickt. Er selbst könne aus Vertragsgründen nicht helfen. Er gibt ihr ein lächerlich kleines Heer mit und dazu das halbherzige Versprechen, er würde ihr La Hire mit einem größeren Heer nachsenden.

 

Jeanne hat Charles schon durchschaut, als John de Metz ihr das Bittschreiben der Bürger von Compiegne vorgelesen hatte.

 

„So fängt es also an,“ meint sie mit düsterem Blick. So wird sie Charles verraten. So beginnt die dunkle Zeit.

 

Sie blickt Charles fest in die Augen. Er weiß sich durchschaut. Er versucht sich wachsweich herauszureden. Doch Jeanne durchbricht sein Gestammel mit fester Stimme.

 

„Ich befehlige – wie auch immer – Euer Heer.“

 

Charles hat sein Ziel erreicht. Aber nicht ganz. Kein Triumph regt sich in ihm, dass er seinen politischen Schachzug machen kann. Nein, er ist durchschaut. Er muss dem Mädchen in die Augen blicken, das genau weiß, dass die Sendung nach Compiegne ein Verrat an ihr und der Weg ins Ungewisse ist, auf dem sie Charles im Stich lassen wird.

Als Jeanne sich wendet und auf den Weg macht, wird das schlechte Gewissen in ihm übermächtig. Er, der leichenüberschreitende Realpolitiker bekommt erstmalig Zweifel an der Richtigkeit seiner Methode.

 

„Jeanne!“, ruft er ihr nach. Und sie wendet sich ihm wieder zu und blickt ihm klar in die Augen, als er fortfährt:

„Du musst das nicht tun!“

 

Aber Jeanne ist nicht der Spielball von Charles. Sie hat ganz eigene Vorstellungen. Sie steht unter einer ganz anderen Führung.

 

„An dem Tag, an dem ich zu Euch kam, sprachen wir von Gottes Plan.

Wir müssen unsere Rollen spielen.

Was immer Ihr tut, geschieht durch den Willen Gottes.“

 

Und dann verwischen die Grenzen zwischen König und Untertan. Sie duzt ihn von Mensch zu Mensch.

 

„Du weißt, dass ich das weiß“.

 

Charles wird sie verraten. Sie aber ist nicht dadurch verletzt, sie verübelt ihm auch nicht seinen Verrat. Sie sieht selbst diesen Verrat als einen Mosaikstein im Plan Gottes, der zum Heil führt.

Dann, ganz im Gegensatz zum Duzen, verneigt sie sich tief vor Charles. Er ist für sie – mit seinem Verrat – Überbringer des Planes Gottes.

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Lieber Mecky,

 

vielen Dank für schon mal für Deine Postings, ich finde sie einfach klasse.

Bitte verrate uns doch am Schluß noch, wie wir an den Film kommen, ich möchte ihn nach Deinen Schilderungen sehr gerne anschauen!

 

Liebe Grüße, GAbriele

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Der Satan und die Verführung

Schmählich und rasch wird Jeanne bei Compiegne von den Burgundern gefangen genommen. John de Metz zerreißt es schier das Herz. Sie, die gotterwählte Jungfrau, wird wie ein kleines Mädchen von einem Soldaten auf ein Pferd hochgezogen und nach Beaurevoir, einer burgundischen Festung verschleppt.

 

Der burgundische Regent Philipp greift im Kerker mit einer Fackel nach der Würde ihres Heiligenscheins.

 

„Das also ist die Jungfrau“, meint er spöttisch. Sie ist doch nichts, als ein dummes Mädchen. Doch auch, wenn sie hilflos und wehrlos der Fackel ausgeliefert ist, mit der er vor ihrem Gesicht herumfuchtelt, kann er ihren Worten nicht widerstehen. Unerschrocken vor aller möglichen Folter stellt sie sich auf Charles’ Seite und lässt sich nicht von dem Argument beeindrucken, dass Charles sie verraten habe.

 

Doch Philipps Show währt nicht lange. Die alte, tuberkulöse Mutter des jungen Regenten betritt den Kerker. Eine Dame. Eine wahre Herrscherin. Sie sieht ihren Sohn mit der Fackel vor Jeannes Augen herumspielen und schlägt den narzistisch verspielten Sohn vor allen anwesenden Wachsoldaten mitten ins Gesicht. Und sie, die schwer Tuberkulosekranke, zieht ihren Mantel aus und legt ihn Jeanne bergend um.

 

„Sie ist keine Gefahr.

Sie wird nicht an die Engländer verkauft.

Komm mit mir!“

 

Das sind keine Bitten, nicht einmal Anweisungen. Das sind klare Aussagen. So geschieht es.

Jeanne ist verblüfft. Was will diese Frau? Warum errettet sie Jeanne vor der Willkür ihres Sohnes? Die Antwort auf Jeannes Frage ist kurz und trocken:

 

„Was ich will? In den Himmel kommen?“

 

Hopsa. Was ist denn das. Aber sie erklärt.

 

„Ich war ein gottesfürchtiges Kind und wollte einmal Nonne werden. Aber meine Familie wollte davon nichts wissen. Und Gott hatte sich daran zu gewöhnen, mich mit anderen zu teilen. Ich fürchte, er kam nicht immer an erster Stelle.

Mir bleibt kaum noch Zeit. Bald werde ich vor Gottes Richterstuhl stehen. Ich muss etwas zu meiner Verteidigung tun.

Wenn ich Gottes erwählte Jungfrau bewahre vor der Hand der Engländer, finde ich möglicherweise Gnade vor ihm.“

 

Aber auch sie will noch mehr. Sie will Jeanne verstehen. Was geht im Inneren eines Kindes vor, das von Gott erwählt ist?

 

„Ich glaube, ich würde sterben, wenn ich nicht etwas Höherem dienen könnte.“

 

Ja, ja. Das Dienen. Das ist nicht so ganz nach dem Geschmack der alten Regentin. Sie ist die Frau der Pläne. Sie bemerkt schnell die außergewöhnliche Begabung von Jeanne. Was könnte man daraus nicht alles machen! Und es lässt sich ja so gut in die burgundischen Pläne einbinden!

 

In Jeannes Wohltäterin steckt der Satan, der Jesus in der Wüste verführt hat.

 

„Mein liebstes Mädchen. Du hast nur zwei Möglichkeiten: Erlaube Burgund, dich in die Arme zu schließen, oder England wird dich hinrichten.“

 

Und sie schwärmt ihr vor von dem prachtvollen Leben, das ihr in Burgund bevorstehen kann, sie bietet ihr Ausbildung und Macht an, wie der Satan Jesus alle Reiche der Welt angeboten hatte. Nur soll sie sich vor Burgund verneigen und statt für Charles nun für Philipp kämpfen.

 

Die alte Dame ist verwirrt und bestürzt, dass Jeanne – ohne jede Aufregung, ganz lieb und mehr als Tochter denn als jemand, der dies ablehnt – ihre prachtvollen Pläne in den Wind schlägt.

Sie, die alte Dame, sieht ihre Pläne scheitern, regt sich auf. Und die Tuberkulose wirft sie in einem furchtbaren Blutsturz zu Boden.

 

Minuten danach liegt sie bereits auf ihrem Totenbett und Jeanne kniet daneben. Der Satan ist gewichen, jetzt liegt da nur noch eine alte, lebenszermürbte Frau, die um das Heil ihrer Seele zittert.

Im letzten Augenblick ihres Lebens bekommt sie die Kurve zum Glauben.

 

„Du wirst niemals Burgund dienen. Du wirst an die Engländer verkauft und die Kirche wird Dich der Hexerei bezichtigen. Wenn Dir nichts mehr einfällt, dann sprich diese Worte: ZUERST KOMMT UNSER HERR!“

 

Das Ergebnis eines viele Jahrzehnte langen Irrweges mündet in diesen Glaubenssatz angesichts des nahen Todes, der ihr klar macht, dass nichts anderes zählt, als dieses.

 

„Stell sie über alles. Präg Dir diese Worte ein. Sie sind der Schlüssel zum Leben. Nur diese Worte werden Dich retten. Jetzt bete mit mir.“

 

Und sie faltet die Hände und Jeanne legt ihre Hände darauf und betet.

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Meine Nach-Der-Firmung-Weitermach-Gruppe will unbedingt mal gemeinsam einen Film nach der Gesprächsrunde ansehen. Grins. Sie können ihn jetzt meinetwegen vorher sehen - und dann reden wir.

 

Vielleicht könnte ich vorher einige Fragen stellen, die wir anschließend besprechen?

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Die Passion beginnt

Jeanne ist schon verkauft. Nach dem Tod der burgundischen Herrscherin wird sie nach Rouen verschleppt, in den Kerker gesperrt und von Cauchon der Hexerei angeklagt.

Die Engländer verwehren ihr, ihre Gefangenschaft im Gewahrsam der Kirche verbringen zu können; sie verweigern ihr die Sakramente. In einem Käfig wird sie über dem Boden schwebend wie ein Tier gefangen gehalten.

 

Der Prozess ist längst organisiert. Bischof Cauchon wird Bruder de Maitre von der heiligen Inquisition zur Seite gestellt. Dieser ist nicht nur Inquisitor, er ist vor allem auch ein willfähriger Gefolgsmann des brittischen Regenten, der Jeanne brennen und ihren Ruf zerstört sehen will.

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La Hire und sein neuer Glaube

John de Metz ringt mit brennendem Herzen um die Rettung Jeannes. Der König lässt ihn mit seinem Anliegen gar nicht erst vor. Also geht er auf eigene Faust zu La Hire.

 

Jeanne hat sich verändert. Aber auch La Hire. Verschwunden ist der nüchterne Realist, der nur um sein eigenes Wohl besorgt ist, der Schlächter, der die Schlachten überlebt.

 

La Hire lässt sich auf die einen militärischen Rettungsversuch, auf einen Feldzug gegen Rouen ein – für einen solchen Realisten, wie es La Hire war, ein völlig unsinnig hoffnungsloses Unternehmen. Und doch lässt er sich davon in Dienst nehmen. Er hat begriffen, und sein Begreifen überflügelt das von John bei Weitem. Seine Denkfähigkeit und sein nüchterner Blick für die Wirklichkeit haben nicht nachgelassen. Aber er hat ein neues Ziel, an das er glauben und für das er leben kann.

 

„Jeder Mann, der gefangen wird, kann des Todes gewiss sein. In diesem Kampf geht es nicht um Sold und Bezahlung. Wenn ihr kämpft, dann um Eures Glaubens willen. Nichts weiter!“.

 

Sagt er, der Gebete für nutzlos erachtet, der seine verschiedenen Glaubensziele in Azincourt, in Orleans und schließlich vor Paris verloren zu haben schien.

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weiter weiter weiter!!!!!

 

 

ich weis ja nich wie es euch geht...aber ich bin nur noch gespannt wie es zum schlussakt kommt....echt sehr spannend

 

wie kamst du eigentlich auf die idee???

 

 

romulus

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Inquisitionsgericht: Cauchons Suche nach der Wahrheit

Mit einer fulminanten Rede eröffnet Bischof Cauchon den Prozess.

 

„Die Artikel der Anklage sind schwerwiegend.

Die Angeklagte steht hier

wegen Hexerei, Wahrsagerei, Abgötterei, und Blasphemie.

 

Sie ist angeklagt, Männer zum Krieg aufgehetzt zu haben,

ohne Rücksicht auf alles,

was sich ziemt und schickt für ihr Geschlecht.

 

Sie ist angeklagt der Betörung sowohl von Fürsten

als auch des Volkes,

der Anmaßung göttlicher Ehren,

sie hat sich selbst verehren lassen.“

 

Ja, Betörung von Fürsten und Volk, die eigentliche Hexenanklage.

Was ist der Unterschied zwischen Hexen und Zauberern? Ein Zauberer weiß was er tut. Er spricht eine magische Formel, vollführt ein magisches Ritual. Die Hexe aber wirkt, ohne es zu wissen. Sie hat den bösen Blick. Sie verhext bevorzugt Männer. Und diese tun dann, was sie eigentlich nicht wollen, sie handeln nicht aus eigenem Antrieb, sondern weil sie verhext sind. Das Grauen der Hexen ist ein namenloses, schleichendes. Erst im Sturz in den Schlamm des Todes kann der verhexte Soldat erkennen, wenn es zu spät ist.

 

Ja. Jeanne hat nicht nur all die Niederlagen Englands bewirkt, sondern verschuldet selbst den Tod tausender Soldaten, die sich von ihr mitreißen ließen – in den Tod. Ihren eigenen Bruder hat sie mit hineingezogen.

Handelten sie alle aus eigenem Antrieb? Waren sie verhext? Besessen von dem Dämon der Jungfrau?

 

Cauchon fährt fort:

 

„Ihr werdet euch einem jungen Mädchen gegenüber sehen,

das behauptet, mit Heiligen zu sprechen,

von denen sie Anweisungen erhält – direkt von Gott.

 

Und hier gilt es, mit aller Sorgfalt zu untersuchen,

weil es ja immerhin möglich sein könnte,

dass das Mädchen göttliche Eingebungen hat.

 

Der heilige Inquisitor,

Bruder De Maitre,

deutete aufgrund seiner Erfahrung darauf hin,

dass sie sich eher verleiten ließ

durch die Sünden der Hochmut und des Stolzes.

 

Ich empfehle daher,

auf ihre übertriebene Frömmigkeit und Wohltätigkeit zu schauen.

Das Mädchen sollte weder als eine Lügnerin,

noch als eine Heuchlerin betrachtet werden.

Sie ist selbst des festen Glaubens,

sie habe im Auftrag Gottes

die Handlungen ausgeführt,

die der Anklageerhebung zugrunde liegen.

 

Um Gewissheit zu erlangen,

dass diese Handlungen nicht gottgewollt sind,

muss sie der Sünde der Hochmut und des Stolzes überführt werden.

 

Und das ist schwierig bei diesem Mädchen,

denn ihr Stolz wohnt Seite an Seite

mit der ihr eigenen Demut.

 

Ich bitte, auf der Hut zu sein

vor nur allzu natürlichem Mitgefühl,

das euer Urteil trüben würde.

 

Weder solltet ihr Euch hinreißen lassen

von Hass noch von Mitleid,

denn das ist das offene Tor zum Bösen.

Ihr wäret gut beraten,

wenn Ihr euch allein von Güte leiten lasst.

 

Sie, die Güte, wird euch helfen, die Wahrheit zu finden,

was recht und was unrecht ist.

Und sie wird euch helfen,

ihre unsterbliche Seele zu retten.“

bearbeitet von Mecky
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Das Anliegen des Apostel Thomas in Cauchon

Die Rede klingt besser, als sie ist. Sie ist die Eröffnung nicht nur für einen Hexenprozess, sondern für ein Anliegen, das Cauchon schon lange aus ganz anderen Gründen umtreibt.

Dieser Prozess ist die perfekte Möglichkeit, in Jeanne einzudringen und das Geheimnis ihres Lebens, das Geheimnis göttlicher Führung, das Geheimnis ihres lebendigen Glaubens, nach dem es Cauchon so begehrt, herauszupressen. Wie real sind die Erscheinungen? So real, dass sie solch eine Kraft erzeugen können, wie sie in Jeanne sichtbar ist? Eine Kraft, die ein 18-jähriges Mädchen zur Heerführerin macht? Eine Sicherheit, die sie selbst jetzt vor dem drohenden Scheiterhaufen nicht zaudern noch zagen, sondern mutig ihre Stimme erheben lässt?

 

Nein, er will nicht ihren Tod. Er will ihre Seele offen ausgebreitet vor sich liegen sehen. Er will ihr Leben. Aber in seiner Gier will er dieses Leben in einer Art Vergewaltigung an sich reißen. Oh wenn doch Jeanne die Heiligen hier im Gerichtssaal erscheinen lassen könnte, so dass er den Finger in ihre Wunden und die Hand in ihre Seite legen, dass er sie austesten könnte. Nur das allgemeine Wort Jeannes gibt ihm nicht genug.

 

Seine religiöse Suche ist hier schon über die Grenze der Sucht getreten, die in die falsche Richtung führt. Mit Gewalt will er nehmen, was nur durch Gnade erschenkt werden kann.

Er ist kein böser Mensch, kein Mörder. Sein Innerstes ist ein verzweifelt suchender Mensch. Sein Leben lang hat er gesucht. Hier spürt er die Gelegenheit, an sein Ziel zu kommen. Und schon ist er verführt.

bearbeitet von Mecky
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