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Wollust


Klaus Klammer

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Ich erinnere mich übrigens vage, dass Benedikt XVI. in Deus Caritas Est der Lust die Ehre gibt sie prinzipiell gutzuheißen. Nur eben nicht als etwas, das allein selig macht. Jetzt mal salopp hingeworfen.

Was für eine Binsenweisheit.

Es gibt rein gar nichts, das "allein selig macht".

 

Werner

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Ich bin nicht ganz up-to-date, was der Katechismus z.B. zur Selbstbefriedigung sagt, aber mit diesem Verständnis-Minimum kann sich sicher ziemlich jeder einverstanden erklären: Man bleibt damit weit hinter den Möglichkeiten. Auch beim Eis - besser ist doch allemal, mit jemand zusammen eins zu schlecken, oder einem andern eins zu kaufen und selbst womöglich ganz vergessen, auch eins zu nehmen, einfach weils so schön ist, wie der andere sich freut. Schonmal etwas in der Art erlebt? Das ist gelebte Spiritualität :)

 

Im Grunde ist Selbstbefriedigung ein Verstoß gegen die gebotene Keuschheit, da diese Form der Betätigung selbstbezogen ist. So sieht es der Katechismus. Es ist insofern ein Fünkchen Wahrheit drin, dass natürlich Sexualität auch etwas ist, was den Menschen als Teil der Liebesbeziehung zu einem anderen Menschen kommen lässt und Teil einer vollendeten Partnerschaft ist. Je mehr wir Menschen jedoch Dinge, die uns mit einem anderen Menschen

vereinen und näher bringen können, vom Gegenüber abwenden und sie nur für uns selbst tun, desto überflüssiger empfindet unser Ego die Zweisamkeit mit einem anderen Menschen. Dazu kommt, dass Selbstbefriedigung ein rein mechanischer Ablauf ist, ihm fehlt das vollumfängliche Gefühl, das sich bei einem gemeinsamen sexuellen/erotischen Erleben mit einem Partner einstellt. Der Mensch "veräußert" seine Funktion zu einer reinen Mechanik und reduziert sich dadurch.

Ich liebe solche Phrasen.

Ja, Selbstbefriedigung macht man allein.

Ja und? Wo ist das Problem? Es ist entspannend, es ist gesund, wo ist das Problem, außer in den Gehirnen moralisch verkorkster Leute?

 

Werner

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Wenn man Lust hat nur um Lust zu haben, nicht um Kinder zu zeugen, nicht um "eheliche Bande zu festigen", nein, nur einfach weil Sex Spass macht, dann ist das nicht im Geringsten irgendwie verwerflich, dann können Kirche und Katechismus behaupten was sie wollen.

 

Ist das jetzt 'ne "ex cathedra"-Aussage von Dir?

Ich treffe keine ex cathedra Aussagen, weil ich ersten weiss, dass meine Meinung nur Meinung ist, dass zweitens jeder eine eigene, von meiner Meinung abweichende Meinung haben kann und drittens ich mir nicht einbilde, ich könne "unfehlbare Wahrheiten" verkünden.

 

Werner

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Als Student habe ich noch über die Pollutio nocturna (Oft ins Deutsch übertragen mit: Nächtliche Schändung.

 

Pollutio nocturna heißt wörtlich übersetzt Nächtliche Befleckung - der Priester hatte dann am nächsten Tag das Formular "Messe des Priester" für sich selbst zu verwenden, bzw. dessen Vorgänger.

 

Hintergrund ist allerdings keine Sexualfeindschaft der Kirche, sondern ein sehr archaisches Denken, in dem Sperma als eine Form von Blut verstanden und der Verlust von Blut als eine Berührung mit der Sphäre des Todes begriffen wurde - kurz: Man wurde dadurch kultisch unrein und mußte diese Unreinheit erst wieder beseitigen, damit die Gnade wieder weitergegeben werden konnte.

 

Das Unglück geschah dann, als man Unreinheit moralisch zu fassen begann und daher dem nächtlichen Samenerguss eine ethische Qualität geben zu müssen meinte.

 

So zumindest Arnold Angenend in Kürzestfassung.

Hervorhebung durch mich.

Und genau da liegt der Hund begraben.

Dieses Unglück überschattet das Christentum seit Paulus bis heute.

 

Werner

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Angenendt knüpft stark an die nouvelle Histoire an und orientiert sich auch am von Karl Jaspers aufgebrachten Begriff der Achsenzeit, also der Wende hin zum Inneren und der Erkenntnis der Individualität. Diese Wende findet im AT statt (so dass sich auch vorachsenzeitliches Gedankengut findet), und sie geht in der Spätantike verloren. Das irische Bußwesen findet in diesen alten Schichten des AT dann auch die nötigen Anknüpfungspunkte. (Die Wikipediartikel zu diesen Themen sind recht gut)

 

Wann? Hier gibt es erhebliche Ungleichzeitigkeiten: Im AT mit den Propheten, sicherlich mit Amos. Jesus legt ein rein nachachsenzeitliches Gedankengut vor. Ende mit der Völkerwanderung. Kommt dann wieder auf im 12, Jahrhundert, einer der ersten Vertrete ist nach meinem Dafürhalten Abaelard.

Boah - Du hast aber gut aufgepasst in der Vorlesung!

Die Moralisierung ist also schon uralt, wurde aber unterschiedlich aufgegriffen bzw. nicht aufgegriffen.

Das lässt natürlich die Türe weit offen für moralistische Einflüsse, besonders auch gnostische.

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Dieses Unglück überschattet das Christentum seit Paulus bis heute.

 

Werner

 

Wo hat denn Paulus etwas zum Thema Samenerguß gesagt?

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Dieses Unglück überschattet das Christentum seit Paulus bis heute.

 

Da kann Paulus aber nun gar nichts dafür. Mit kultischer Reinheit hat er es überhaupt nicht, dewegen sind ihm ja die Speisegebote auch schnuppe. Seine Ablehnung der Ehe ist eschatologisch begründet: Wenn der Herr jetzt bald kommt, dann lohnt es eine Familiengründung doch gar nicht mehr. Dann lohnt es den Stress der Paarwerdung nicht. Außer für die, die Enthaltsam nicht können, die sollen sich halt dort abreagieren. Ich denke nicht, dass Paulus Ahnung davon hatte.

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Und genau da liegt der Hund begraben.

Dieses Unglück überschattet das Christentum seit Paulus bis heute.

Es klingt noch ein wenig grundsätzlicher. Paulus hatte offenbar Wurzeln, die noch tiefer in die Vergangenheit ragen, als nur bis in seine eigene Zeit.

 

Da stand - wahrscheinlich bereits seit unvordenklichen Zeiten - der Wert und die Vorstellung der (kultischen) Reinheit gegen den Wert der Lust. Das ist für jeden Moralisten der denkbar beste Nährboden. Er saugt sich einfach den einen Teil, verabsolutiert ihn, prinzipialisiert ihn, und verschmäht den anderen.

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Angenendt knüpft stark an die nouvelle Histoire an und orientiert sich auch am von Karl Jaspers aufgebrachten Begriff der Achsenzeit, also der Wende hin zum Inneren und der Erkenntnis der Individualität. Diese Wende findet im AT statt (so dass sich auch vorachsenzeitliches Gedankengut findet), und sie geht in der Spätantike verloren. Das irische Bußwesen findet in diesen alten Schichten des AT dann auch die nötigen Anknüpfungspunkte. (Die Wikipediartikel zu diesen Themen sind recht gut)

 

Wann? Hier gibt es erhebliche Ungleichzeitigkeiten: Im AT mit den Propheten, sicherlich mit Amos. Jesus legt ein rein nachachsenzeitliches Gedankengut vor. Ende mit der Völkerwanderung. Kommt dann wieder auf im 12, Jahrhundert, einer der ersten Vertrete ist nach meinem Dafürhalten Abaelard.

Boah - Du hast aber gut aufgepasst in der Vorlesung!

Die Moralisierung ist also schon uralt, wurde aber unterschiedlich aufgegriffen bzw. nicht aufgegriffen.

Das lässt natürlich die Türe weit offen für moralistische Einflüsse, besonders auch gnostische.

 

Naja, es war dann auch Thema meiner Diplomarbeit.

 

Ja, es läßt Türen weit auf für alles mögliche, es ist immer gefährlich, wenn man Texte aus ihrem historischen Kontext löst und als überzeitliche Weisheiten wahrzunehmen versucht. Kirche außerhalb des Zeitgeistes geht daher eigentlich nicht.

 

Die über längere Zeit nachweisbare kirchliche Sexualneurose hat hier eine Ursache: Man hat hochnormative Aussagen, was zu tun sei (Priester muß MEsse für sich lesen, wenn er Samenerguss hatte), aber diese Aussagen sind unbegründbar geworden (weil man um die Rolle des Vorsatzes weiß). Also sucht man neue Gründe und findet sie in der Gnosis.

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sie sollten eine sexualtherapeutische ausbildung haben. wenn ich mir hier einige priester und lehrbuben anschaue darf schon angst vor deren seelsorge entstehen.

Ein Priester ist doch keine eierlegende Wollmilchsau.
Dann sollen sie zu dem Thema halt schweigen und gar nichts sagen.

Zu allem und jedem etwas sagen wollen und wenn dabei nur Unfug rauskommt, sich mit "man kann ja nicht alles wissen" rausreden, hinterlässt einen denkbar schlechten Eindruck.

Da setzt Ihr (Du und Helmut) die Messlatte aber sehr hoch. Eine sexualtherapeutische Ausbildung ist doch ziemlich aufwändig und gewiss nicht das Zentralgeschäft der Priester.

Mit manchen völlig unstudierten Kneipenwirtinnen kann man aber über solche Sachen besser reden, als mit einem Professor für Sexualtherapie.

Ich glaube nicht, dass es um eine akkademische Ausbildung geht, sondern um ganz normale menschliche Einstellungen. So manche Wirtin kann ihren Gesprächspartner ernst nehmen, zuhören, eigene Gedanken dazu äußern und bei all dem rüberbringen, dass sie ihrem Gesprächspartner keine Ressentiments, sondern Wohlwollen und menschliche Einsicht entgegenbringt.

 

Und mehr, als akkademische Bewandtheit, ist es dies, was zählt. Das zählt sogar mehr, als die Erlaubnis zu Exkathedra-Entscheidungen.

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Ich erinnere mich übrigens vage, dass Benedikt XVI. in Deus Caritas Est der Lust die Ehre gibt sie prinzipiell gutzuheißen. Nur eben nicht als etwas, das allein selig macht. Jetzt mal salopp hingeworfen.

Was für eine Binsenweisheit.

Es gibt rein gar nichts, das "allein selig macht".

 

Werner

Jo mei, deshalb simmer ja auch katholisch - uns gehts halt ums Ganze.

bearbeitet von Kirisiyana
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...

Ja, Selbstbefriedigung macht man allein.

Ja und? Wo ist das Problem? Es ist entspannend, es ist gesund, wo ist das Problem, außer in den Gehirnen moralisch verkorkster Leute?

 

Werner

nein, selbstbefriedigung passiert im alleinsein. dieses alleinsein ist vorgelagert. extensive ausübung kann verhindern aus dem alleinsein herauszukommen.

aber selbst dann ist der ansatz nicht in der einschränkung sondern in der veränderung. selbstbefriedigung ist nicht ursache, sondern symptom.

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...Ich glaube nicht, dass es um eine akkademische Ausbildung geht, sondern um ganz normale menschliche Einstellungen. So manche Wirtin kann ihren Gesprächspartner ernst nehmen, zuhören, eigene Gedanken dazu äußern und bei all dem rüberbringen, dass sie ihrem Gesprächspartner keine Ressentiments, sondern Wohlwollen und menschliche Einsicht entgegenbringt.

 

Und mehr, als akkademische Bewandtheit, ist es dies, was zählt. Das zählt sogar mehr, als die Erlaubnis zu Exkathedra-Entscheidungen.

nun, denn lass uns diese menschliche einstellungen bei jedem priester, in jeder seelsorge wirksam werden.

leider kann diese kneipenwirtin nicht priesterin werden, aber diakonin wäre doch eine kirchliche integration dieses charismas.

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...

Da stand - wahrscheinlich bereits seit unvordenklichen Zeiten - der Wert und die Vorstellung der (kultischen) Reinheit gegen den Wert der Lust. Das ist für jeden Moralisten der denkbar beste Nährboden. Er saugt sich einfach den einen Teil, verabsolutiert ihn, prinzipialisiert ihn, und verschmäht den anderen.

auch eine oper läßt sich saugen. norma-maria callas singt so schön "casta diva". das heißt "keusche göttin" auf etwas unkatholische weise.

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Dieses Unglück überschattet das Christentum seit Paulus bis heute.

 

Werner

 

Wo hat denn Paulus etwas zum Thema Samenerguß gesagt?

Paulus begann mit der Moralisiererei.

Bei Jesus findet man noch Grundsätzliches.

Sei treu, sei verlässlich, sei ehrlich, liebe deinen Nächsten.

Paulus fängt an zu moralisieren.

Treibe keine Unzucht, ergehe dich nicht in Knabenschändung, bekämpfe deine Begierden.

Während es Jesus um das Verhältnis zum Nächsten geht, geht es Paulus um das Verhältnis zu sich selbst.

 

Und bis heute legt die Kirche mehr Wert auf die Kriterien des Paulus als auf die des Jesus .

 

Werner

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Vielleicht eine kleine Anekdote, in der ich das Gönnen von Wohllust kennen gelernt habe.

 

In einem Althenheim ging ich zu einem alten, dementen Mann und brachte ihm die Krankenkommunion. Plötzlich ging die Türe auf und eine Pflegerin kam herein - ich kannte sie ziemlich gut, weil sie früher in der Jugendarbeit der Pfarrei tätig war. Sie entschuldigte sich, dass sie so hereingeplatzt war, aber ich hatte noch nicht begonnen und meinte, sie solle erst mal machen, damit wir hinterher ungestört die Kommunion feiern können.

 

Also ging sie zum Krankenbett und musste am Nachttisch irgendwas machen (Medikamente richten.) Dazu drehte sie dem Dementen die Rückseite zu. Und - schwupp - fuhr seine Hand an ihr wohlproportioniertes Hinterteil, das genau in seiner Reichweite war. Erstaunlich, dass er überhaupt so beweglich war. Er grapschte aber nicht, sondern begann langsam und mehrmals einfach darüberzustreichen. Die Pflegerin ließ sich nicht aus der Ruhe bringen und blieb konzentriert bei ihrer Arbeit. Das ging gut eine Minute so. Dann war sie fertig, drehte sich um, ergriff seine Hand und legte sie behutsam zurück ins Bett. "So, jetzt sind aber die Medikamente dran!"

 

Dann war sie einige Zeit mit der Pflege beschäftigt. Und als sie ging, zwinkerte sie mir zu und meinte lapidar: "Das ist das Einzige, was ihm noch geblieben ist."

 

Mir wird bei solchen Gelegenheiten angesichts solcher Güte immer ganz warm ums Herz.

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Paulus begann mit der Moralisiererei.

Bei Jesus findet man noch Grundsätzliches.

Sei treu, sei verlässlich, sei ehrlich, liebe deinen Nächsten.

Paulus fängt an zu moralisieren.

Treibe keine Unzucht, ergehe dich nicht in Knabenschändung, bekämpfe deine Begierden.

Während es Jesus um das Verhältnis zum Nächsten geht, geht es Paulus um das Verhältnis zu sich selbst.

 

Und bis heute legt die Kirche mehr Wert auf die Kriterien des Paulus als auf die des Jesus .

 

Werner

Nochmal anders: Jesus sagt es positiv, Paulus sagt es negativ.

 

Und genau das nervt mich an der Kirche: Immer noch wird zu wenig Zeit und Zuwendung darauf verwendet zu sagen, was ist (nämlich Gott ist, und was das bis in den Alltag bedeutet), und zu viel darauf, was nicht sein darf. (Allerdings muss ich sagen, ich persönlich habe Glück, dass ich es in meiner Gemeinde anders erlebe.)

 

All die Gebote, Sünden und Pflichten haben eine positive Seite, um die es schließlich eigentlich und wirklich geht. Überzeugen kann die Kirche nur, wenn sie dieses Eigentliche vermittelt. Manch traditionelle Redeweise verbaut den Blick darauf, manchmal bis zur Unkenntlichkeit - und dann fragen Menschen ungläubig wie im Eingangspost, wie das denn bitteschön sein kann ... zu Recht.

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Paulus begann mit der Moralisiererei.

Bei Jesus findet man noch Grundsätzliches.

Sei treu, sei verlässlich, sei ehrlich, liebe deinen Nächsten.

Paulus fängt an zu moralisieren.

Treibe keine Unzucht, ergehe dich nicht in Knabenschändung, bekämpfe deine Begierden.

Während es Jesus um das Verhältnis zum Nächsten geht, geht es Paulus um das Verhältnis zu sich selbst.

 

Und bis heute legt die Kirche mehr Wert auf die Kriterien des Paulus als auf die des Jesus .

 

Werner

Nochmal anders: Jesus sagt es positiv, Paulus sagt es negativ.

 

Und genau das nervt mich an der Kirche: Immer noch wird zu wenig Zeit und Zuwendung darauf verwendet zu sagen, was ist (nämlich Gott ist, und was das bis in den Alltag bedeutet), und zu viel darauf, was nicht sein darf. (Allerdings muss ich sagen, ich persönlich habe Glück, dass ich es in meiner Gemeinde anders erlebe.)

 

All die Gebote, Sünden und Pflichten haben eine positive Seite, um die es schließlich eigentlich und wirklich geht. Überzeugen kann die Kirche nur, wenn sie dieses Eigentliche vermittelt. Manch traditionelle Redeweise verbaut den Blick darauf, manchmal bis zur Unkenntlichkeit - und dann fragen Menschen ungläubig wie im Eingangspost, wie das denn bitteschön sein kann ... zu Recht.

 

Aber genau diese positive Sicht der Dinge ist zumindest ansatzweise auch in der rkK bereits da. Ich mache gerade den theologischen Fernkurs in Österreich und im Teil Moraltheologie wurde uns ein Dokument von JPII vorgestellt, wo dargelegt wird, dass auch in den eigentlich "sündigen" Beziehungen (z. B. wiederverheiratete Geschiedene, homosexuelle Beziehungen) das "Gute" zumindest teilweise verwirklicht sein kann. Bitte steinigt mich jetzt nicht, ich hab das jetzt aus dem Gedächtnis hervorgeholt. Vielleicht kennt einer der hier Mitschreibenden dieses Dokument, ansonsten kann ich nochmal in meinen Unterlagen nachsehen.

 

Ich persönlich war auf jeden Fall positiv überrascht, solche Aussagen in einem öffentlichen Dokument der Kirche zu finden, zeigen sie doch zumindest den Ansatz eines Umdenkens.

 

lg

noty

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Hätte Paulus das Gleichnis von den Talenten geschrieben, sähe es etwa so aus:

 

Das Himmelreich ist wie mit einem Mann, der auf Reisen ging: Er rief seine Diener und vertraute ihnen sein Vermögen an. Dem einen gab er fünf Talente Silbergeld, einem anderen zwei, wieder einem anderen eines, jedem nach seinen Fähigkeiten.

Sofort begann der Diener, der fünf Talente erhalten hatte, mit ihnen zu wirtschaften, und er gewann noch fünf dazu. Ebenso gewann der, der zwei erhalten hatte, noch zwei dazu. Der aber, der das eine Talent erhalten hatte, ging und verschenkte das Geld seines Herrn.

 

Nach langer Zeit kehrte der Herr zurück, um von den Dienern Rechenschaft zu verlangen.

Da kam der, der die fünf Talente erhalten hatte, brachte fünf weitere und sagte: Herr, fünf Talente hast du mir gegeben; sieh her, ich habe noch fünf dazugewonnen. Sein Herr sagte zu ihm: Weh dir! Du hast meine Abwesenheit genutzt, um dich der Habgier und dem Begehr nach irdischem Besitz hinzugeben. Schlecht hast du die Zeit genutzt. Ich will dich verstoßen und du sollst heulen und mit den Zähnen knirschen.

 

Dann kam der Diener, der zwei Talente erhalten hatte, und sagte: Herr, du hast mir zwei Talente gegeben; sieh her, ich habe noch zwei dazugewonnen. Sein Herr sagte zu ihm: Du nichtsnutziger und schlechter Knecht. Nichts besseres wusstest du anzufangen, als andere Menschen um ihr Geld zu bringen um selbst Reichtümer anzuhäufen. Schlecht hast du die Zeit genutzt. Ich will dich verstoßen und du sollst heulen und mit den Zähnen knirschen.

 

Zuletzt kam auch der Diener, der das eine Talent erhalten hatte, und sagte: Herr, ich wusste, dass du ein strenger Mann bist; du erntest, wo du nicht gesät hast, und sammelst, wo du nicht ausgestreut hast; weil ich Angst hatte, habe ich dein Geld einfach verschenkt und mich in Kontemplation und Fasten ergangen die ganze Zeit.

 

Sein Herr antwortete ihm: Sehr gut, du bist ein tüchtiger und treuer Diener. Du achtest nicht auf irdische Dinge und dir ist alles irdische egal, ich will dir eine große Aufgabe übertragen. Komm, nimm teil an der Freude deines Herrn!

 

Werner

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Das Unglück geschah dann, als man Unreinheit moralisch zu fassen begann

Hervorhebung durch mich.

Und genau da liegt der Hund begraben.

Dieses Unglück überschattet das Christentum seit Paulus bis heute.

 

Werner

 

Eigentlich müßte Du das schon dem Judentum vorwerfen. Vielleicht ist das Christentum doch zu jüdisch in Deinen Augen?

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Zu allem und jedem etwas sagen wollen und wenn dabei nur Unfug rauskommt, sich mit "man kann ja nicht alles wissen" rausreden, hinterlässt einen denkbar schlechten Eindruck.

 

Werner

 

(Deswegen sind Lehrer auch so beliebt bei anderen Berufstätigen, die mit ihnen in Kontakt kommen ...)

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Aber genau diese positive Sicht der Dinge ist zumindest ansatzweise auch in der rkK bereits da. Ich mache gerade den theologischen Fernkurs in Österreich und im Teil Moraltheologie wurde uns ein Dokument von JPII vorgestellt, wo dargelegt wird, dass auch in den eigentlich "sündigen" Beziehungen (z. B. wiederverheiratete Geschiedene, homosexuelle Beziehungen) das "Gute" zumindest teilweise verwirklicht sein kann.

Genau diese beurteilende Herangehensweise ersetzt aber das Gönnen.

 

Ja, es ist tatsächlich ein Fortschritt. So mancher Vorgänger von JPII hätte statt dessen Gift und Galle gespuckt, den Teufel herabbeschworen, "Sodom" und "Gomorrha" geschrieen. Und ich kann auch den Stolz verstehen, der sich damit verbindet, dass man sich auf diesem Gebiet weiter entwickelt hat. Und so wird man immer besser im Entschuldigen und in der Nachsicht und im Gute-Elemente-Betonen.

Ich vermute, dass es JPII nicht klar war, wie herablassend diese Beurteilerei wirkt. Krass ausgedrückt: Man gesteht den Homos zu, dass es an ihrem Treiben auch was Gutes gibt, so, wie man ja auch Hitler zugesteht, dass seine Autobahnen gute Qualität waren. Aber ebenso, wie man damit immer noch keine Zuwendung zu Hitler empfindet, sondern lediglich ein Gerechtigkeitsempfinden und eine Wahrnehmungsfähigkeit demonstriert, so bedeutet auch das Zugestehen des "zumindest teilweisen Guten" noch lange kein Wohlwollen, kein Gönnen, keine Akzeptanz. Genau genommen bedeutet es nicht einmal Respekt, sondern Anmaßung: Ich gestehe Dir was zu!

 

Und was auch noch sehr problematisch ist: Es drückt auch keine wirkliche Sorge aus.

Wenn man aufzeigen könnte: "Dieser Weg, den Du da einschlägst, wird Dir haufenweise Schwierigkeiten bescheren! Ich habe mir mal über Alternativen Gedanken gemacht. Was meinst Du dazu?", dann wäre das ein komplett anderer Zugang.

 

Solange die KKK-Logik in den Köpfen herumschwirrt, besteht die Logik immer im anmaßenden Beurteilen. Dann ist manches eben eine "schwerwiegende Unordnung", was von den Leuten als Lust oder sogar als Verwirklichung ihrer eigenen Natur oder ihrer eigenen Lebenssituation erlebt wird. Das Zugestehen von guten Elementen verschärft die Herablassung so sehr, dass es das Zugeständnis bei Weitem überwiegt.

 

So froh ich bin, dass seit den 70-er Jahren ein wenig Bewegung in die katholischen Moralvorstellungen gekommen ist, so sehr halte ich dieses Zugestehen für einen Irrweg.

Oder soll ich sagen: Ich gestehe dem Papst zu, dass er zwar auch hie und da ein paar wahre Bröckelchen absondert? Nein, ich sage lieber, dass ich es für die falsche Richtung und für eine Ausrede halte. Und mit diesem Irrweg kann man dann im zweiten Schritt wieder Druck ausüben: "Also hört mal! Nun sind wir Euch aber nun wirklich weit genug entgegengekommen! Wir haben dies erlaubt. Wir haben Euch jenes zugestanden. Und ihr wollt immer noch mehr! Undankbar seid Ihr!"

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Chauvinist: "Für manche Gelegenheiten sind Frauen ja ganz gut. ... Aber in der Regel..."

Witzversteher: "Höhö!"

Frau: "Ganz schön eingebildet, der Herr! Für's Bett sollen wir gut sein!"

Chauvinist: "Aber Schätzchen! Ich gestehe Euch viel mehr, als nur das Bett zu. Für's Putzen und Kochen seid ihr auch ganz brauchbar. Das alles erkenne ich hochgradig an."

 

Der Chauvinist hat sich bei der Frau keinen Gefallen getan. Aus guten Gründen.

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Und genau da liegt der Hund begraben.

Dieses Unglück überschattet das Christentum seit Paulus bis heute.

Es klingt noch ein wenig grundsätzlicher. Paulus hatte offenbar Wurzeln, die noch tiefer in die Vergangenheit ragen, als nur bis in seine eigene Zeit.

 

Da stand - wahrscheinlich bereits seit unvordenklichen Zeiten - der Wert und die Vorstellung der (kultischen) Reinheit gegen den Wert der Lust. Das ist für jeden Moralisten der denkbar beste Nährboden. Er saugt sich einfach den einen Teil, verabsolutiert ihn, prinzipialisiert ihn, und verschmäht den anderen.

 

Ich glaube, die Wurzeln liegen nicht nur bei Paulus und nicht nur in Vorstellungen kultischer Reinheit. Auch nicht primär beim abstrakten Problem "Lust" oder dem damit verknüpften Egoismus. Sonst wäre das Missfallen weniger auf Sexualität, auf erotisches Begehren konzentriert, bzw. ausgerechnet dort so auffällig verschärft.

 

Es liegt irgend wie noch tiefer und hat mit dem Konzept von Liebe und dem Konzept von Gott und Welt zu tun. Liebe zu Gott ist allumfassend und bedingungslos und erwartet nichts. Sie dehnt sich über Gott in Form von Nächstenliebe auf die Welt aus, in einer ebenso allgemeinen, unterschiedslosen Weise. Ohne sich an bestimmtes in der Welt zu hängen. Sie ist an Ewiges gehängt, auf Ewiges bezogen und damit geistiger Natur, sinnlich bestenfalls indifferent. In ihrer Grenzenlosigkeit besitzt sie sogar gewisse totalitäre Züge.

 

Erotische Liebe ist anders. Zumindest in Teilen unbedingt. Sie bindet sich an ein irdisches Wesen, auch an einen vergänglichen Körper. Sie ist exklusiv. Sie ist sinnlich. Sie schenkt aber erwartet auch zurück, denn sie begehrt. Sie sieht sich als ein Selbstzweck ohne nötigen Gottesbezug.

 

M.E. wird erotische Liebe im Christentum wie in vielen anderen Religionen nicht als Ergänzung oder Entsprechung zur Gottesliebe gesehen sondern als erbitterter Konkurrent. Je mehr eine mystische Gottesbeziehung im Vordergrund steht, desto stärker. Sie ist kein Ort für spirituelles Wachstum sondern der Platz, wo dieses am schnellsten verkümmert. Nur durch starke Reglementierung, durch Einbindung in eine größere Liebe, lässt sie sich rechtfertigen.

 

Zuallererst muss ihr der Selbstzweck genommen werden. Ihr Zweck soll in der Erfüllung eines göttlichen Auftrages liegen, damit sich unbedingt Gottesliebe manifestiert. Und von Gott herab hat die Liebe zum Partner zu fliessen, in einer von Begehren und Sinnlichkeit weitgehend gereinigten Form. Nichts darf die Gottesliebe für einen Augenblick verzerren oder überdecken. Nichts darf an körperlich Weltlichem anhaften.

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Und was auch noch sehr problematisch ist: Es drückt auch keine wirkliche Sorge aus.

Wenn man aufzeigen könnte: "Dieser Weg, den Du da einschlägst, wird Dir haufenweise Schwierigkeiten bescheren! Ich habe mir mal über Alternativen Gedanken gemacht. Was meinst Du dazu?", dann wäre das ein komplett anderer Zugang.

 

Wenn ich nachfragen darf ... welche Sorge worüber sollte denn ausgedrückt werden?

 

Solange die KKK-Logik in den Köpfen herumschwirrt, besteht die Logik immer im anmaßenden Beurteilen. Dann ist manches eben eine "schwerwiegende Unordnung", was von den Leuten als Lust oder sogar als Verwirklichung ihrer eigenen Natur oder ihrer eigenen Lebenssituation erlebt wird. Das Zugestehen von guten Elementen verschärft die Herablassung so sehr, dass es das Zugeständnis bei Weitem überwiegt.

 

Da gebe ich Dir recht, allerdings wird diese KKK-Logik nicht von heute auf morgen aus den Köpfen verschwinden.

 

So froh ich bin, dass seit den 70-er Jahren ein wenig Bewegung in die katholischen Moralvorstellungen gekommen ist, so sehr halte ich dieses Zugestehen für einen Irrweg.

Oder soll ich sagen: Ich gestehe dem Papst zu, dass er zwar auch hie und da ein paar wahre Bröckelchen absondert? Nein, ich sage lieber, dass ich es für die falsche Richtung und für eine Ausrede halte. Und mit diesem Irrweg kann man dann im zweiten Schritt wieder Druck ausüben: "Also hört mal! Nun sind wir Euch aber nun wirklich weit genug entgegengekommen! Wir haben dies erlaubt. Wir haben Euch jenes zugestanden. Und ihr wollt immer noch mehr! Undankbar seid Ihr!"

 

Ich persönlich denke, es werden wophl die nächsten Generationen zeigen, ob es tatsächlich ein Irrweg ist. Wenn sie so handeln, wie du es im letzen Satz beschreibst, dann ja, dann war es wohl ein Irrweg. Wenn man es aber als Beginn eines Wandels sieht, vom Zugeständnis zu Akzeptanz und zum Wohlwollen über die Auslöschung der KKK-Logik aus den Gehirnen halte ich den Weg für so schlecht nicht.

 

lg

noty

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