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Fegefeuer - woher kommt der Irrglaube wie die Hölle die nicht existiert


Stfan

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Gerade eben schrieb Mecky:

Doch, das kann ich.

 

Übrigens: Jesus hat das auch gekonnt. Wahrscheinlich sogar besser als ich.

Bei dem reuigen Schächer macht er weder dessen gute noch schlechte Vergangenheit zum Kriterium.

Er verheißt ihm schlicht die ewige Seligkeit, das Paradies, weil ihn der Schächer braucht. Also handelt er entsprechend.

 

Wenn Gott nun so wäre, wie Jesus, dann wäre er mir dann doch überlegen.

Allerdings ist das nichts für Moralisten. Die hängen zu sehr an ihrer Waage.

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vor 5 Stunden schrieb Mecky:

Die Storys über Hölle und Fegefeuer sind die eine Erfindung.

Die biblische Grundlage eine andere.

 Bart Ehrman behauptet, nirgendwo im Neuen Testament komme eine Hölle vor (außer in Übersetzungen, die tendenziös seien und von späteren Vorstellungen geprägt). Jesus habe als Jude nicht an eine vom Körper getrennte und trennbare Seele geglaubt (*), sondern an ein ewiges Leben im Leibe; beim Weltgericht würden nun die bereits Verstorbenen leiblich auferweckt, weil es ja unfair wäre, wenn sie nicht dem Gericht unterlägen wie die, die zufällig am jüngsten Tag noch am Leben seien. Die Guten würden dann ewig weiterleben, während die Bösen (leiblich) in den feurigen Pfuhl geworfen, so dass sie den zweiten Tod erlitten, der ja wörtlich gemeint sei: Sie stürben ein zweites Mal, diesmal, ohne je wieder auferweckt zu werden. Erst als gebildete Griechen, die mit dem Platonismus vertraut seien, zum Christentum konvertierten, breitete sich die Vorstellung einer unsterblichen Seele aus; dann hätte man logischerweise das Problem, dass die Bösen nicht wirklich sterben könnten, so habe man den feurigen Pfuhl und den zweiten Tod als ewige Verdammnis uminterpretiert.

 

Ich muss sagen, diese Idee erscheint mir ein bisschen komisch, aber vielleicht liegt es an der platonistischen Brille, die dem Christentum seit ungefähr dem Ende des 2. Jahrhunderts angehaftet hat. Das "ewige Feuer" kann lediglich ein Feuer sein, das ewig brennt, und es muss keineswegs heißen, dass der Bestrafte darin ewig lebt. Gewiss ergibt es viel mehr Sinn, dass er darin stirbt? Ich habe nun aber keine Zeit, mir alle einschlägigen nt-lichen Passagen im Original zu Gemüte zu führen, so möchte ich einfach die Experten fragen, was sie von Ehrmans Theorie/Behauptung halten.

 

(*) ebensowenig Paulus, Johannes von Patmos und alle anderen NT-Autoren.

bearbeitet von Domingo
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@Domingo

Der Gedanke mit der Ewigkeit des Feuers anstelle der Ewigkeit des Menschenbrennens ist mir schon früher gekommen.

Die Sache mit dem zweiten Tod kenne ich von den Zeugen Jehovas.

 

Mit der Frage, wie das alles zum NT passt, solltest Du Dich eher an Nannyogg wenden. Die kennt sich bei sowas besser aus.

 

Ich halte eine genaue neutestamentliche Analyse für inspirierend, aber nicht für maßgeblich, 

weil ich davon ausgehe, dass das NT sowieso nicht das zeigt, was Jesus dazu meinte, sondern allenfalls was Matthäus, Markus, Lukas und Johannes und andere neutestamentliche Schriftsteller zu diesem Thema meinten. Schick, dies zu wissen. Aber das enthebt mich nicht der Frage, an was ich selbst glaube und wie ich mir Gott vorstelle. 

 

Ein Gott, der seine Geschöpfe ausweglos auf ewig quält, ist in meinen Augen ein Horror, ein Monster, eine Schreckgestalt. Schlimmer als Hitler, der seine Opfer (die er zumeist nicht kannte) nur bis zum Tode, also für befristete Zeit, quälte.

 

Wer hat nur solche Phantasien? Ich gehe davon aus, dass Menschen viel Eigenes in ihr Gottesbild projizieren. Wer einen ewig quälenden Monstergott beschreibt, hat auf jeden Fall selbst monströse Gelüste in sich - glücklicherweise nur monströse Gelüste, und nicht monströse Fähigkeiten. Was für eine horrende Phantasie über Macht (zur ALLmacht hochphantasiert), über Verhältnis zu Sündern, Bestrafung, Schmerz. Was für eine horrende Vorstellung vom Verhältnis eines Schöpfers zu seinen Geschöpfen. Da stecken gewaltige Mengen von übelstem Sadismus dahinter. 

 

Viele regen sich über Päderasten auf, die kleine Kinder vergewaltigen. Ein Gott, der nicht von Trieben abhängig und gesteuert wird, sondern aus freien Stücken ewige Qual verhängt, ist doch viel, viel schlimmer. Angesichts einer solchen Vorstellung muss man sich kaum noch Gedanken über irdische Perverse machen. Das ist der ultimative Gipfel von Perversität.

 

Ich vermute, dass Höllenvorstellungen zwei Quellen haben:

  1. Die gerade beschriebene Perversität und
     
  2. Moralisches Machtstreben.
    Man kann Menschen mit Höllendrohungen prima in eine bestimmte moralische Richtung drängen und auf diese Weise Machtpolitik betreiben. Die Leute benehmen sich dann zwar besser, aber die "Nebenkosten" sind immens. Auf diese Weise kann man Menschen verkrüppeln. Das passt wieder zu Punkt 1.
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Interessiert das Fegefeuer heute überhaupt noch jemanden? Ich kann mich an keine Predigt oder sonstige kirchliche Veranstaltung erinnern, in der es eine Rolle gespielt hätte. Als Teil der kirchlichen Verkündigung kann man es wohl bis auf weiteres zu den Akten legen.

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Für das Fegefeuer in seiner traditionellen Ausformung interessiert sich kaum noch jemand.

Zum einen: Weil das hochspekulative Visionen betrachtet wird. Stimmt ja auch irgendwie.

Zum anderen: Wegen der sadistischen, moralistischen und geldgierigen Vorgeschichte. "Fegefeuer" ist einer der vielen "verbrannten" katholischen Begriffe.

Zum dritten: Weil die Evangelischen das Fegfeuer explizit ablehnen.

 

Ich predige regelmäßig an Allerseelen über das Fegfeuer.

Warum? Ich halte die Idee des Fegfeuers für eines der vielen Kleinodien der Glaubenslehre, die die Kirche hat verkommen lassen und niemals wirklich weiterbearbeitet hat.

Es ist ein Schande. Aus falsch verstandenen Traditionsgründen halten sich heute noch viele Fegefeuerfans an die Vorstellungen von Augustinus - und diese Version ist eine der Abstoßendsten. Kein Wunder, dass sich kaum noch jemand um solch einen Murks schert.

 

Ich halte die Vorstellung des Purgatoriums für sehr logisch, sehr zur Umkehrbotschaft passend und sehr zur Vorstellung eines menschenliebenden Gottes passend.

 

Meine Predigt richtet sich auch genau danach aus. Die wesentlichen Elemente der Predigt sind:

 

  1. Es fällt schwer, an sich zu arbeiten. Man muss immer dasselbe beichten. Man kommt bis ans Lebensende von seinen Schwächen, Fehlern und Lieblingssünden nicht weg. Unsere Kraft ist da sehr begrenzt.
  2. Ich glaube an einen Gott, der selbst Hand an unsere Schwachpunkte und Sünden legt. Er wird sich uns zuwenden. Sein Part ist im Purgatorium nicht das Richten und Verdammen, sondern das Retten und ZurGeltungBringen des guten Bestandes, den es ja hoffentlich in jedem Menschen trotz seiner Sünde gibt. Das Schlechte nimmt er hinweg, damit das Gute befreit ist und zur Geltung kommt.
  3. Ob das schmerzhaft ist? Ich stelle es mir vor, wie wenn uns jemand einen Stachel aus dem Fleisch zieht. Kann schon sein, dass das erst mal weh tut. Aber man weiß ja: Ohne Stachel ist besser.
  4. Moralischer Appell: Sorgt dafür, dass bei euch noch was übrig bleibt, wenn alles Schlechte entfernt wird.
  5. Hingabe-aspekt: Lasst Gott schon heute an eure wunden Punkte, Fehler, Schwächen und Sünden, an euren Egoismus etc. heran. Er wird schon auf Erden nichts anderes tun, als das, was er später im Purgatorium tut: Uns von unseren Sünden erlösen. Verbergt also diese Schwächen nicht vor Gott, sondern haltet sie ihm hin und bittet ihn um Hilfe - ob die Hilfe jetzt gleich kommt, oder erst postum ist dabei egal.

 

Manchmal gehe ich auch auf das Bild des Feuers ein. Es handelt sich nicht um das schmerzhafte Höllenfeuer. Das Bild des Feuers entstammt der Goldschmiedekunst. Das Gold wird im Feuer erhitzt und verflüssigt. Dann wird es geläutert - also die Schlacke und anderer Dreck wird abgezogen. Es bleibt das pure Gold zurück.

 

Nochmals: Es ist eine Schande, dass man diese geniale und gläubige Vision hat verkommen lassen. 

Was eigentlich unserer Erlösung dient, wurde als angsterweckendes und moralistisches Schreckgespenst verkündigt.

An die dahinterstehende Gottesvorstellung will ich lieber gar nicht denken. Aber der Hang zu Brutalität, besonders Strafbrutalität, war in der Kirche schon immer sehr ausgeprägt. Mannoman! Was hat man sich da entgehen lassen.

 

Und warum? Wegen sadistischer Anliegen. Wegen moralistischer Anliegen. Wegen eines verfehlten Verständnisses von Tradition, Traditionstreue, Dogmatismus. Wegen der Verwechslung von Augustinustreue mit Glaubenstreue. Wegen brutaler Gottesbilder. Es ist wahrhaft eine Schande.

 

 

bearbeitet von Mecky
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vor 8 Stunden schrieb Mecky:

Ich halte eine genaue neutestamentliche Analyse für inspirierend, aber nicht für maßgeblich

 

Ich halte nichts, was im NT steht, für in irgend einer Weise maßgeblich (große Überraschung, ich weiß). Der (Amateur-)Historiker in mir ist aber sehr daran interessiert, wie das Christentum, wie wir es heute kennen, zustande kam. Insbesondere scheint es eher eine Religion von gebildeten Griechen (und Römern) zu sein als von Juden; ich kann da aber falsch liegen. Wie Du aber sagst, mag @nannyogg57 da weiterhelfen.

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Ich weiß, es ist in diesem sich "katholisch" nennenden Forum nicht üblich - vielleicht liegt es an der Sprachgruppe - doch man könnte ja einfach mal von der Lehre der Kirche ausgehen.

 

Wieso lehrt sie etwas vom Purgatorium? Wieso kommt sie darauf?

 

Sie selbst schreibt im KKK Art. 1032 folgenden interessanten Satz:

 

"Diese Lehre stützt sich auch auf die Praxis, für die Verstorbenen zu beten"

 

und geht dann u.a. auf das alttestamentarische Vorbild ein (Makkabäer natürlich).

 

Vor einigen Jahren schrieb ich hier dazu einen kleinen Text, ohne damals zu wissen - hielt mich eben auch für schlauer - daß dieser Zugangsweg vom Fürbittgebet schon immer der der Kirche war:


 

Zitat

 

ich erlaube mir mal einen ganz anderen Zugangsweg zur Lehre des Reingungsortes, der auf Deutsch leider Fegefeuer heißt.

 

Ich habe das Ganze erst verstanden, als ich mich einem liturgischen Vollzug fragend näherte: warum beten wir für die Toten? Was soll das?

 

Im Moment des Todes kommt es zum individuellen Gericht ("Himmel oder Hölle"), das lehren alle katholischen, orthodoxen und altorientalischen, also alle apostolischen Kirchen genauso wie protestantische Kirchen. Wieso wird dann noch für sie gebetet? Ist das dann nicht sinnlos?

 

Ich habe Protestanten kennengelernt, die das Gebet für Verstorbene aus voller Überzeugung für Unsinn hielten (eben wegen des erfolgten Gerichtes). Das ist ja auch konsequent zuende gedacht, wenn das einzige Gericht direkt im Tod erfolgt.

Auch die Orthdoxie kennt mehrheitlich nur dieses Gericht (in der russischen Tradition sind allerdings die Zollstationen fest verankert, die etwas ähnliches wie das Fegefeuer lehren) - doch hier ist das Gebet für Verstorbene wichtig. Warum wieso weshalb sagt da keiner, es sei nützlich. Fertig. Gut, für manche mag das reichen.

 

Die Lehre vom Fegefeuer ist nicht deshalb entstanden, weil man einen Vers fand, der noch nicht dogmatisch verarbeitet worden war, oder weil man die Leute besser im Griff haben wollte, sie entstand auch nicht im Mittelater "aus dem Nichts" - sie ist in meinen Augen Frucht der Überlegung, warum wir für Tote beten.

 

In meinen Augen gibt es zwei Begründungen, warum das Gebet für Tote Sinn macht. Die erste wäre auch für Protestanten gangbar, bietet aber m.E. nach Probleme, wenn man sie allein akzeptiert. Die zweite ist die Lehre vom Fegefeuer, die die erste nicht aufhebt, sondern sinnvoll ergänzt.

 

Die erste ist ganz einfach: bei Gott gibt es keine Zeit, Er weiß im Voraus, welche Gebete für wen gesprochen werden sein und kann sie daher schon zum "Zeitpunkt" des persönlichen Gerichts wohlwollend auf der "Habenseite" des Verstorbenen verbuchen. Das bedeutet aber zuende gedacht auch, daß Verstorbene, für die weniger bis gar nicht gebetet wird, eher des Heils verlustig gehen als solche, für die viel gebetet wurde oder wird.

 

Die Lehre vom Fegefeuer dagegen bedeutet, daß unser Gebet, das sinnvoll ist, nicht so sehr Wohl oder Wehe des Verstorbenen beeinflußt wie vielmehr seinen Weg hin zum Vater beschleunigt. Unser Gebet setzt ihn nicht auf diesen Weg, sondern hilft ihm schneller bei Ihm "anzukommen". Dass Petrus im Moment der Erkenntnis des Herrn sagt "Geh weg von mir, ich bin ein Sünder" (Lk 5,8) ist lange biblische Tradition und Anthropologie. Es bedarf einer Reinigung des Selbst, um Gottes Gegenwart zu schauen. Genau hier, als Unterstützung dahin, ist auch die Lehre vom Ablass anzusiedeln, nur so macht sie Sinn.

 

So konnte zumindest ich das Ganze verstehen ohne mich am Begriff der "Sündenstrafen" festzubeißen, der schließlich nur deskriptiv ist. Von Beginn an der Christenheit haben die Jünger Jesu für Verstorbene gebetet. Wenn das nicht sinnlos sein soll, darf man darüber nachdenken was das bringen soll.

 

 

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vor 1 Stunde schrieb rorro:

Vor einigen Jahren schrieb ich hier dazu einen kleinen Text,

Wobei ich da ein noch viel schwierigeres Problem sehe, das die Evangelien nicht eindeutig auflösen.

 

Unser Herr und Erlöser war in seiner Predigt - nun ja - nicht immer so ganz strukturiert, sondern sehr situativ. Alle Gerichtsreden sprechen soweit ich weiß nur vom Endgericht unter der Prämisse, daß das in absehbarer Zeit eintreten würde. Von einem persönlichen Gericht nach dem Tod in Vorbereitung auf das Endgericht ist bei Jesus selbst soweit ich mich erinnere nicht die Rede.

Hier ist - wie es wohl auch traditonelle jüdische Idee war - eher die Vorstellung vom Schlaf der Toten bis zum Endgericht und der darin geschehenden Auferstehung der Toten im Fleische zu erkennen. Die Idee, daß ein Teil des Toten - die Seele - schon mal vorgeht, ist an und für sich eine griechische Idee, keine jüdische.

Zu der Vorstellung der schlafenden Toten passt auch die Erzählung von Lazarus, der Tochter des Jairus und auch die von den vielen Auferstandenen nach der Auferstehung des Herrn(!) und rund um Himmelfahrt und Pentekoste.

 

Was damit nicht zusammenzugehen scheint ist die leibliche Aufnahme Christi in den Himmel (die Auferstehung des Fleisches nach jüdischer Vorstellung findet hier auf der Erde statt und findet auch ihre folgende Existenz auf der verwandelten Welt - eine "Parallelexistenz" ist nicht gedacht) und eines der Worte Jesu am Kreuz: Heute noch wirst Du mit mir im Paradise sein.

 

Nun ist dieser Satz nur bei Lukas überliefert bei dem die griechische Vorprägung wohl unbestritten ist was wieder die Frage nach der Historizität aufwirft.

 

Die geglaubte Trennbarkeit von Seele und Körper ist glaube ich einer der frühesten hellenistischen Einflüsse und einer der verlockende Erklärungen bietet (wie der Abstieg Jesu in den Limbus Patri), aber auch neue Fragen aufwirft (z.B. wo sind die Seelen bis zur Auferstehung des Fleisches?).

 

Das Gebet für die Toten ergibt für mich allerdings auch Sinn, wenn man nicht an das "persönliche Gericht" glaubt. Getreu dem Wort des Erlösers sich einen Schatz im Himmel zu erwerben, sehe ich es als "Sparbuch", auf das noch "einbezahlt" wird und am Ende der Zeiten eingelöst werden kann.

 

Aber wie gesagt: die viel interessantere Kernfrage ist die Trennbarkeit von Körper und Seele.

 

Edit: an Letzterem hängt dann auch die Frage, warum die Übersetzungen "und die Auferstehung des Fleisches" bzw. "und die Auferstehung der Toten" völlig verschiedene Konzepte suggerieren.

bearbeitet von Flo77
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vor 2 Stunden schrieb rorro:

Sie selbst schreibt im KKK Art. 1032 folgenden interessanten Satz:

 

"Diese Lehre stützt sich auch auf die Praxis, für die Verstorbenen zu beten"

Umgekehrt wird ein Schuh draus

 

Werner

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vor 14 Minuten schrieb Werner001:

Umgekehrt wird ein Schuh draus


Zumindest sind die Zeugnisse für ein Gebet für Verstorbene älter, als die Spekulationen über ein Fegefeuer.

 

Der Gedankengang wird wohl sein: 

Wenn man für die Verstorbenen bittet, muss es einen Ausweg aus Deinem Witz geben. Es muss ein Stadium geben, wo das Gebet noch was bewirken kann.

 

Erstaunlich ist allerdings, dass es dann so lange brauchte, bis jemand vom Totengebet auf's Fegfeuer kam. Man sollte erwarten, dass spätestens ab der Himmelfahrt Jesu und den ersten Verstorbenen aus den christlichen Gemeinden ... 

 

Aber nein. 

 

Ich denke: Es hat halt irgendeine Quälerei gebraucht. Medizin muss ja bekanntlich bitter sein, sonst nützt sie nichts. 

Diese Verquickung von Erlösung und dem Zufügen von Schmerzen war anscheinend in der Antike bis in die Neuzeit so aktuell, wie auch in der heutigen Sado-Maso-Szene.
"Quäle mich, damit ich erlöst werden kann!" hieß dann im Hexenwahn: "Wir zerstören deinen irdischen Leib (durch Verbrennen auf dem Scheiterhaufen, qualvoll, qualvoll), auf dass Deine ewige Seele gerettet werde!"

 

Neben sadistischen Tendenzen nimmt auch eine Bezahlungsmentalität einen gewissen Raum ein. Die Schmerzen werden als Bezahlung angesehen, die Gott fordert. 

Ich vermute: Ein antiker (aber absurder) Versuch, das Theodizeeproblem zu lösen. Schmerzen gab es in Hülle und Fülle. Jetzt interpretierte man sie eben als "Sühne" und "Kaufpreis", um den Schmerzen wenigstens einen Sinn zu geben.

Dazu passt ja auch, dass man in Luthers Zeiten aus dieser Bezahlung ein einträgliches Geschäft machen konnte.

Selbst den Kreuzestod Jesu hat man als "Sühnegeld" betrachtet. Gott scheint das Leiden der Menschen als Fresschen zu brauchen. Sonst scheint er nicht glücklich zu sein.

Wer sich so was ausgedacht hat? Ich vermute: Leute, die nur vergeben können, wenn der andere schmerzhaft dafür leidet. Oder kürzer gesagt: Rache-Freaks.

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vor 59 Minuten schrieb Mecky:


Zumindest sind die Zeugnisse für ein Gebet für Verstorbene älter, als die Spekulationen über ein Fegefeuer.

 

Der Gedankengang wird wohl sein: 

Wenn man für die Verstorbenen bittet, muss es einen Ausweg aus Deinem Witz geben. Es muss ein Stadium geben, wo das Gebet noch was bewirken kann.

 

Erstaunlich ist allerdings, dass es dann so lange brauchte, bis jemand vom Totengebet auf's Fegfeuer kam. Man sollte erwarten, dass spätestens ab der Himmelfahrt Jesu und den ersten Verstorbenen aus den christlichen Gemeinden ... 

 

Aber nein. 

 

Ich denke: Es hat halt irgendeine Quälerei gebraucht. Medizin muss ja bekanntlich bitter sein, sonst nützt sie nichts. 

Diese Verquickung von Erlösung und dem Zufügen von Schmerzen war anscheinend in der Antike bis in die Neuzeit so aktuell, wie auch in der heutigen Sado-Maso-Szene.
"Quäle mich, damit ich erlöst werden kann!" hieß dann im Hexenwahn: "Wir zerstören deinen irdischen Leib (durch Verbrennen auf dem Scheiterhaufen, qualvoll, qualvoll), auf dass Deine ewige Seele gerettet werde!"

 

Neben sadistischen Tendenzen nimmt auch eine Bezahlungsmentalität einen gewissen Raum ein. Die Schmerzen werden als Bezahlung angesehen, die Gott fordert. 

Ich vermute: Ein antiker (aber absurder) Versuch, das Theodizeeproblem zu lösen. Schmerzen gab es in Hülle und Fülle. Jetzt interpretierte man sie eben als "Sühne" und "Kaufpreis", um den Schmerzen wenigstens einen Sinn zu geben.

Dazu passt ja auch, dass man in Luthers Zeiten aus dieser Bezahlung ein einträgliches Geschäft machen konnte.

Selbst den Kreuzestod Jesu hat man als "Sühnegeld" betrachtet. Gott scheint das Leiden der Menschen als Fresschen zu brauchen. Sonst scheint er nicht glücklich zu sein.

Wer sich so was ausgedacht hat? Ich vermute: Leute, die nur vergeben können, wenn der andere schmerzhaft dafür leidet. Oder kürzer gesagt: Rache-Freaks.

 

Naja, daß das Fegefeuer ein eher quälendes denn reinigendes Feuer ist, ist auch eher im dt. Sprachraum präsent, da es nur bei uns diese Assoziation liefert. Im Holländischen heißt es zwar auch vagevuur (vuur ist Feuer), doch schon im Englischen wurde purgatory bevorzugt.

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Vorsichtshalber habe ich mal Fegefeuer und purgatory in die Bildersuche von Google eingegeben.

Hier die Ergebnisse für purgatory. Auch nicht viel besser.

Quälen scheint Pflicht zu sein.

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Ich habe mich vor dem Fegefeuer nie gefürchtet. Denn wer drin ist, so lautet das Dogma, kommt danach in den Himmel.

Ein Fegefeuer in Richtung Hölle jedoch gibt es ja ganz einfach nicht.

Das prägende Bild dazu ist ein Bild von einem katholischen Religionsbuch: Da ist ein Flammenmeer, darin stehen fromm betend die Seelen in weißen Gewändern, und leiden tun sie auch nicht in diesem Bild.

 

Jetzt muss ich an heute denken, denn was ist heute: Es wird gedacht an die Begebenheit, wo wiederum Flammen kommen, quasi ein Flammenmeer auf die Köpfe der Menge...

Tut auch nicht weh, dieses Pfingstfeuer...

Und doch ist es 🔥🔥🔥🔥 Feuer.

Ob man nun im Feuer steht (Fegefeuer), oder ob das Feuer 🔥🔥🔥🔥 auf den Häuptern lodert, es ist dasselbe göttliche Feuer, das nur positive Assoziationen hervorruft...

bearbeitet von Einsteinchen
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vor 10 Stunden schrieb Mecky:

Vorsichtshalber habe ich mal Fegefeuer und purgatory in die Bildersuche von Google eingegeben.

Hier die Ergebnisse für purgatory. Auch nicht viel besser.

Quälen scheint Pflicht zu sein.

 

Hast Du auch geschaut, aus wechem Kultur- und Sprachkreis diese Bilder stammen?

 

Die verschiedenen Darstellungen des Purgatoriums in germanischen versus romanischen Ländern wäre schon mal was Interessantes (falls jemand ein kunsthistorisches Dissertationsthema sucht)...

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@rorro

Nach den Grundlegungen durch Augustinus halte ich weitere Analysen für unnötig. Das war prägend genug. 

Noch stärker wirkt, dass sich die Kirche Augustinus anschloss und sich bis zum heutigen Tage weigert, das Thema neu aufzugreifen und weiterzuentwickeln.

"Fegefeuer" passt hervorragend in dieses Ambiente.

 

Auf theologischer Ebene gibt es schon lange viele Neuansätze. Aber auf lehramtlicher Seite wird sich nichts ändern. Das macht alle Beschönigungen zunichte. Ein verbaler Wechsel von "Fegefeuer" zu "Purgatorium" bringt auch nicht mehr viel.

 

In diesem Prozess spiegelt sich das Drama der Kirche. Sie ist reformunfähig. Alles, was veraltet ist und unbrauchbar wird, bleibt aus Traditionsgründen erhalten, bleibt wirkungslos, wird irgendwann sogar abschreckend. Etwas Neues kann nicht wachsen, weil es dem Alten nicht gerecht wird. Alles Neue wird als "Abfall" erachtet, häretisiert und damit im Keime erstickt. Und dies ist wohl mehr und mehr das Schicksal der gesamten Kirche. 

bearbeitet von Mecky
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vor 6 Minuten schrieb Mecky:

@rorro

Nach den Grundlegungen durch Augustinus halte ich weitere Analysen für unnötig. Das war prägend genug. 

 

Weil Du befürchtest, dass Deine Vorurteile nicht bestätigt werden?

 

vor 6 Minuten schrieb Mecky:

Noch stärker wirkt, dass sich die Kirche Augustinus anschloss und sich bis zum heutigen Tage weigert, das Thema neu aufzugreifen und weiterzuentwickeln.

"Fegefeuer" passt hervorragend in dieses Ambiente.

 

Ach was. Die böse Kirche, jaja, und die guten „Weiterentwickler“…

 

vor 6 Minuten schrieb Mecky:

Auf theologischer Ebene gibt es schon lange viele Neuansätze. Aber auf lehramtlicher Seite wird sich nichts ändern. Das macht alle Beschönigungen zunichte. Ein verbaler Wechsel von "Fegefeuer" zu "Purgatorium" bringt auch nicht mehr viel.

 

… denen die böse Kirche nicht folgen will.

 

vor 6 Minuten schrieb Mecky:

In diesem Prozess spiegelt sich das Drama der Kirche. Sie ist reformunfähig. Alles, was veraltet ist und unbrauchbar wird, bleibt aus Traditionsgründen erhalten, bleibt wirkungslos, wird irgendwann sogar abschreckend.

 

Nur weil Deine kleine Welt es für „veraltet“ und „unbrauchbar“ hält, muss das lange nicht für alle oder die meisten gelten.

 

vor 6 Minuten schrieb Mecky:

Etwas Neues kann nicht wachsen, weil es dem Alten nicht gerecht wird. Alles Neue wird als "Abfall" erachtet, häretisiert und damit im Keime erstickt. Und dies ist wohl mehr und mehr das Schicksal der gesamten Kirche. 

 

Mir kommen die Tränen.

 

Aber weiter den Lebensunterhalt von ihr beziehen ist in Ordnung, ne?

 

Mega-glaubwürdig. Respekt.

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Was Einsteinchen andeutete, ist durchaus relevant: Das Purgatorium ist ein Hoffnungsort und ein Ausfluss der großen Barmherzigkeit Gottes. So würde ich das auch gerne in der Verkündigung vermittelt sehen, wenn es denn überhaupt dort auftaucht. Natürlich kann man sich auch nur auf den kunsthistorischen Befund beschränken, das ist dann allerdings wenig originell. 

 

Immer wieder wird hier ja insbesondere von der kirchenpolitischen Linken moniert, die Lehre der Kirche sei, vor allem in moralibus, so restriktiv, dass gewissermaßen jeder Standard-Gläubige, der nicht das Glück hat ein heiligmäßiger Eremit zu sein, sein Ticket zur Hölle schon ohne Umtauschrecht gelöst habe. Dass Gott in seiner Größe und Liebe auch die menschlichen Unvollkommenheiten, die zu Lebzeiten nicht abgegolten worden slnd, verwandeln und die Seele wie Gold im Feuerofen läutern kann, ist eine bei genauer Betrachtung viel positivere Botschaft. Und sie nimmt den Menschen in seinen Komplexitäten und Schattierungen deutlich ernster als wohlfeile Geschichtchen, die man heute so gerne hört und die der Sache nach einen Heilsautomatismus beschreiben oder die im Ruch der Häresie stehende origenistische Allerlösungslehre reanimieren. 

 

Mir ist schon klar, dass die Idee vom Schnellzug in den Himmel pastoral und katechetisch weniger Probleme macht und wohl auch besser ankommt. Aber eine Reise mit Zwischenaufenthalt, die letztendlich zum ersehnten Ziel führt, ist ebensowenig zu verachten und kommt - jeder Bahnfahrer mag mir das bestätigen - der Realität vielleicht sogar näher. 

bearbeitet von Studiosus
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vor 2 Minuten schrieb Studiosus:

Mir ist schon klar, dass die Idee vom Schnellzug in den Himmel katechetisch weniger Probleme macht und wohl auch besser ankommt. Aber eine Reise mit Zwischenaufenthalt, die letztendlich zum ersehnten Ziel führt, ist ebensowenig zu verachten und kommt - jeder Bahnfahrer mag mir das bestätigen - der Realität vielleicht sogar näher kommen. 

Das hast Du wirklich schön gesagt. Und treffend.

 

Der Schnellzug kann allerdings zu einem späteren Zeitpunkt zum Problem werden.

Das mit dem Schnellzug klingt zumindest in den Ohren eines kritisch denkenden Erwachsenen doch allzu einfach und billig.

Solche Schnellzüge gibt es vielleicht in illusionären Ammenmärchen ... aber die Erfahrung mit dem Leben zeigt ein anderes Bild.

 

Das gibt mir Hoffnung darauf, dass sich der Gedanke von einem Reinigungsort durchsetzt, an dem Gott heilbringend Hand an uns legt und uns von dem befreit, was wir aus eigener Kraft nicht schaffen. Ich finde diese Botschaft bewegend. Weitaus bewegender, als die Schnellzugmentalität. Die ist doch nur noch naiv, zweckoptimistisch und unrealistisch.

 

Zitat

die menschlichen Unvollkommenheiten, die zu Lebzeiten nicht abgegolten worden slnd,

 

Ich glaube nicht, dass es darum geht, etwas abzugelten,

sondern um zu helfen.

 

Ginge es darum, etwas abzugelten, würde ich von Gott erst mal fordern,

seine eigenen gigantischen Untaten abzugelten, bevor er mit mir kleinem Würstchen anfängt.

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Am 27.5.2023 um 15:01 schrieb Mecky:
  1. Ich glaube an einen Gott, der selbst Hand an unsere Schwachpunkte und Sünden legt. Er wird sich uns zuwenden. Sein Part ist im Purgatorium nicht das Richten und Verdammen, sondern das Retten und ZurGeltungBringen des guten Bestandes, den es ja hoffentlich in jedem Menschen trotz seiner Sünde gibt. Das Schlechte nimmt er hinweg, damit das Gute befreit ist und zur Geltung kommt.

 

MIr ist nicht ganz klar, warum das nach dem Tod noch erforderlich sein soll. Da ist das irdische Leben ja bereits zu Ende.

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vor 19 Stunden schrieb Werner001:

Umgekehrt wird ein Schuh draus

 

Werner

Nein, die Ausgangssituation ist so, dass es Menschen gibt, die für Verstorbene beten und darin einen Sinn sehen wollen. Dem muss die Lehre gerecht werden.

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vor 2 Minuten schrieb Merkur:

Nein, die Ausgangssituation ist so, dass es Menschen gibt, die für Verstorbene beten und darin einen Sinn sehen wollen. Dem muss die Lehre gerecht werden.

Achso, also so, wie wenn Frauen geweiht werden wollen, oder Schwule heiraten wollen. Verstehe!

 

Werner

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vor 16 Minuten schrieb Werner001:

Achso, also so, wie wenn Frauen geweiht werden wollen, oder Schwule heiraten wollen. Verstehe!

 

Das war schon zu Zeiten der Apostel so? Na denn…

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vor 9 Minuten schrieb rorro:

 

Das war schon zu Zeiten der Apostel so? Na denn…

Wann genau haben der Heilige Geist und du beschlossen: „so, ab jetzt ist Feierabend, es darf nichts mehr geändert werden“? Kann man das Datum irgendwie greifen?

 

Werner

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vor einer Stunde schrieb Werner001:

Achso, also so, wie wenn Frauen geweiht werden wollen, oder Schwule heiraten wollen. Verstehe!

 

Werner

Nein, nicht so. Der Unterscheid ist eigentlich leicht zu erkennen.

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Man kann die Entwicklung der Lehraussagen der Kirche so oder so betrachten:

 

Eine vor allem in der protestantischen Forschung seit von Harnack starke Tendenz sieht am Beginn ein relativ begrenztes, mehr oder weniger mit den Inhalten der Heiligen Schrift identisches Set an Glaubensaussagen um das sich in einem historischen Prozess immer mehr und immer differenziertere Lehraussagen gelegt haben. Man könnte das als organische Entwicklung betrachten, aber das wird dem, wie gesagt ursprünglich aus der protestantischen Kirchen- und Dogmengeschichte stammenden Modell nicht gerecht. Viel eher müsste man von einer schrittweisen Überlagerung des ursprünglichen Glaubens sprechen. Die Triebfeder wird hier weniger im Moment eines tieferen Eindringens in die Glaubensgeheimnisse verstanden, sondern Politik und letztlich auch der aufkommende römisch-papale Anspruch der Kirche, die Glaubensinhalte zu bestimmen, sind hier maßgeblich. Das kann man so stehen lassen, wenn man sich der "antikatholischen" Spitze dieses Paradigmas bewusst bleibt. 

 

Dann gibt es in neuerer Zeit auch auf katholischem Feld die Vorstellung, die man vielleicht mit Seewald assoziieren könnte, dass die Glaubenslehre der Kirche in ihren dogmatischen Aussagen gar nicht so fest gefügt gewesen sei, wie man gemeinhin annimmt. Im Gegenteil. Sie wäre sehr volatil und veränderlich. Hier soll vor allem gezeigt werden, dass die Kirche bei aller Beharrungskraft eine hohe Adaptionsfähigkeit an neue Umstände besäße. Wenn sich der Wind dreht, muss die Lehre verändert werden, um im Sturm nicht umzukommen. Da die Kirche allerdings ihr eigenes Lehrgebäude als sturmfest und unveränderlich ausgewiesen hat und bisweilen noch ausweist, müssten Änderung sozusagen klandestin erfolgen. Man wird also nie direkt sagen, dieses oder jenes gehöre nicht mehr zum Glaubensgut, sondern man lässt neue Aussagen alte wortlos überlagern in der Hoffnung, dass das keinem auffällt. Oder man konstituiert ziemlich bemüht die Fiktion, man habe das eigentlich neue ja schon immer vertreten. Diesen Ansatz, ohne seine Richtigkeit zu bewerten, halte ich für den maximal opportunistischen. Und letztendlich eine von oben verordnete Selbsttäuschung. Wenn es denn tatsächlich so wäre. 

 

Ich selbst sehe das durchaus etwas anders. Ich will hier ein Bild wieder aufrufen, das ich vor Jahren hier einmal gebracht habe: Ich gehe davon aus, dass das gesamte Glaubensgut der Kirche von Christus übergeben wurde. Es kommt nichts Neues mehr hinzu. Die Verfügbarkeit oder epistemologische Zugänglichkeit dieses Glaubensgutes ist allerdings ein Problem. Es gibt keine Liste, kein Testament Christi, in dem nach Artikel und Unterpunkt geordnet alles vom Papst nachzulesen wäre. Vielmehr liegt das Glaubensgut wie unter einer lockeren Schneedecke verborgen. Je weiter die Kirche daher - unter Leitung des Heiligen Geistes - in ihrer Erkenntnis voranschreitet, desto mehr schmilzt diese Schneedecke ab und es bietet sich ein vollständigeres Bild. Nicht neu, aber tiefer und umfänglicher erkannt. Diese Vorstellung passt sich meines Erachtens gut in den Canon Vicentianus, den das Erste Vatikanische Konzil als Schlüssel zur Lehrentwicklung anlegt, ein: Eine Fortschreibung oder Weiteren der Lehre ist demnach nur im selben Sinn und im selben Urteil möglich - nie gegen den einmal gefassten oder erkannten Sinn. Organische Entfaltung, kein Abbruch. Kontinuität und nicht Bruch. 

bearbeitet von Studiosus
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