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Wie viel Einfühlungsvermögen tut politischem Handeln gut?(UMT)


Die Angelika

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38 minutes ago, Marcellinus said:

Es ist noch schlimmer: diese "Fähigkeit" kann auch einfach in die Irre gehen.

 

Ja, aber was ist daran schlimm? Irren ist menschlich, das gilt für Fakten gleichermaßen wie für Gefühle. Manche können es besser einschätzen, mancher schlechter, manche wissen und lernen mehr, andere weniger.

Einfach die ganz normale, unperfekte Welt.

Deshalb ist es wichtig zu kommunizieren und dadurch andere Interessen, Erfahrungen und Motivationen kennenzulernen.


Ich denke, in der aktuellen Zeit ist es nur ein wenig wichtiger geworden, zu bedenken, dass auch die eigenen Gefühle irrig sein können und dann genauso unzuverlässige Orientierung über die Welt vermitteln wie falsche Daten.

Nur weil ich fühle oder meine, dass Politiker XY mich versteht, heißt das weder, dass er oder sie 

a. recht hat

b. mich wirklich versteht

c. meine Interessen vertreten will

 

Was ein Politiker wirklich will, kann ich nur durch immerwährendes überprüfen verläßlicher Fakten erkennen, mit Gefühlen und Empathie kann ich allenfalls feststellen, wie er auf Publikum und Wähler wirkt.

 

bearbeitet von Shubashi
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vor 57 Minuten schrieb Shubashi:

Ja, aber was ist daran schlimm? Irren ist menschlich, das gilt für Fakten gleichermaßen wie für Gefühle. Manche können es besser einschätzen, mancher schlechter, manche wissen und lernen mehr, andere weniger.

Einfach die ganz normale, unperfekte Welt.

 

Keine Frage. Mir ging es um etwas anderes, nämlich darum, sich klar zu machen, daß Empathie etwas anderes ist als Hören oder Sehen. Schon dabei nehmen wir die Welt nicht so wahr, wie sie ist, sondern wir "sehen" oder "hören" eine Modellvorstellung unseres Gehirns. Empathie ist noch mal eine Stufe indirekter. Wir nehmen nicht die Gefühle anderer wahr, sondern unser Gehirn versucht, die vermuteten Gefühle anderer zu simulieren. Was uns diese Erkenntnis so schwer macht, ist die Tatsache, daß dieser Vorgang unseres Gehirn für uns selbst nicht wahrnehmbar ist. Wir "fühlen" ganz direkt, was unser Gehirn an Gefühlen anderer interpretiert. Die meiste Zeit unserer Evolution war das vollkommen ausreichend. Unsere Vorfahren lebten in Gruppen, deren mit deren Mitgliedern sie aufgewachsen waren. Man kannte sich intuitiv. Heute ist das anders. Wir leben in Gesellschaften mit Millionen von Menschen, die zum Teil vollkommen anders aufwachsen als wir. Unser Gehirn tut aber immer noch so. als würden wir ihre Gefühle teilen. Das erzeugt Mißverständnisse, wenn man keine kritische Distanz zu den eigenen Gefühlen hat.

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8 hours ago, Marcellinus said:

 

Es ist noch schlimmer: diese "Fähigkeit" kann auch einfach in die Irre gehen. Liegt einfach daran, daß manche zwar so tun, als wenn Empathie eine Wahrnehmung sei, nämlich die von Gefühlen anderer. Wir können aber keine Gefühle anderer wahrnehmen, sondern nur unsere eigenen (alles andere wäre Telepathie, und die gehört in den Bereich der Esoterik oder Science Fiction).

 Kann es sein, dass hier (wieder?) einiges durcheinandergeworfen wird? Empathie soll nun das Mitfühlen heißen, aber die Gefühle wahrnehmen ist doch nicht dasselbe, wie sie selbst zu erleben (d.h. mitfühlen). Wenn ich als Kind meinen Vater als verärgert wahrnahm (ok, ich nahm die äußeren Anzeichen der Wut wahr, aus denen mein Gehirn isntinktiv die Schlusdsfolgerung zog, dass er verärgert war), empfand ich die Wut nicht sleber (und gewiss keine Empathie oder Mitgefühl), sondern Angst. Ich wusste, was er fühlte, und reagierte selber emotional in dazu passender Weise. 

 

Enpahtie ist eher das Sichhineinversetzen, was ein gedanklicher Prozess ist, was wie mir scheint jedem klar ist. 

bearbeitet von Domingo
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6 hours ago, Marcellinus said:

Die meiste Zeit unserer Evolution war das vollkommen ausreichend. Unsere Vorfahren lebten in Gruppen, deren mit deren Mitgliedern sie aufgewachsen waren. Man kannte sich intuitiv. Heute ist das anders. Wir leben in Gesellschaften mit Millionen von Menschen, die zum Teil vollkommen anders aufwachsen als wir. Unser Gehirn tut aber immer noch so. als würden wir ihre Gefühle teilen. Das erzeugt Mißverständnisse, wenn man keine kritische Distanz zu den eigenen Gefühlen hat.

 

Mich dünkt, wenn wir uns in jemandes Gegenwart befinden, können wir dessen Gefühle recht zuverlässig wahrnehmen erraten. Der körperliche Ausdruck der meisten Gefühle ist mW angeboren (weswegen auch Blindgeborene zB lächeln. Wie sollten sie das von anderen gelernt haben?).

 

Das Problem entsteht wohl eher, wenn man elektronisch miteinander in Verbindung steht (wie wir hier). Man sieht den anderen ja nicht, es sei denn auf einem Bildschirm, was wohl nicht ganz dasselbe ist.

 

Schließlich kommt hinzu, dass man heutzutage, um "gut" zu sein, sich in ganze Gruppen (Frauen, Schwarze, die üblichen Verdächtigen) hineinversetzen können muss. Wie das gehen soll, erschließt sich mir nicht: Was "fühlt" die schwarze Rasse denn? Was ist die Gefühlslage der Afroamerikaner als Gruppe? Gibt es sowas überhaupt? Oder vielleicht ist das nur eine Konstruktion der Medien...?

bearbeitet von Domingo
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Erstmal ein allgemeines Lob für diesen Thread. Obwohl ich die Fragestellung zuerst merkwürdig fand, hat sich eine sehr interessante Diskussion daraus entwickelt.

Noch einmal zu den Begrifflichkeiten:

Empathie beschreibt erstmal nur das Nachvollziehen bestimmter Emotionen und weitergehend damit verbundener Haltungen bei anderen. Wir können ziemlich (empirisch und theoretisch fundiert) sicher sein, dass es über die pure Spekulation bezgl. der Gefühlszustande anderer hinaus geht (Neurowissenschaft, soziale/biologische Notwendigkeit). Das bedeutet nicht, dass wir alle Emotionen und damit verbundene Motivlagen immer richtig deuten, wie bei allen menschlichen Fähigkeiten sind auch hierbei die Begabungen unterschiedlich verteilt und unterschiedlich gut trainiert.

 

Für die Politik ist es

a.) ein Vorteil, diese Fähigkeit zu besitzen. Wer führen will, muss gerade in der modernen Demokratie die Stimmungen und Motivationen seiner Wähler einschätzen können.

 

b.) Zu erfolgreicher Politik gehört ebenfalls die Fähigkeit, beim Wähler den Eindruck zu erwecken, ihre Emotionen und Erfahrungen zu verstehen, oder sogar zu teilen. Ob das wirklich so ist, spielt letztlich keine Rolle, es sollte nur glaubwürdig behauptet werden können. Einem modernen politischen Führer stehen, über die persönlichen empathischen Fähigkeiten hinaus, zahlreiche weitere Mittel und Berater zur Verfügung, Stimmungen einzuschätzen. „Spin-doctoring“ wird im Englischen die politische Arbeit genannt, auf diese zahlreichen subtilen sozialen Signale hin ebenso subtil zu antworten. Je besser das gelingt, so authentischer und glaubwürdiger kommt ein/e Kandidat/in beim Publikum an.

 

c.) Davon zu trennen sind die ganz konkreten realen Probleme, auf die moderne Gesellschaften in einer hochtechnisierten Welt eben so stoßen.

Diese bestehen aus den Ereignissen und der Reaktion der Gesellschaft darauf. Ob z.B. eine bestimmte Person (z.B. ein Politiker) eine gewisse Erfahrung teilt, bedeutet in keiner Weise, dass er oder sie dann auch die gesamte gesellschaftliche Reaktion oder den sozialen Problemkomplex teilt.

 

Diese ganze Widersprüchlichkeit äußerte sich sehr stark in der Wechselwirkung zwischen Mr Trump und seiner Anhängerschaft.

Obwohl ein religiös desinteressierter, nicht gedienter Milliardär ohne politische Referenzen eigentlich kaum irgendwelche sozialen Erfahrungen mit seiner Wählerschaft teilte (außer häufig der Hautfarbe), konnte er eine enorme Masse an Unterstützern und finanzieller Unterstützung mobilisieren und weite Teile der Parteistrukturen in den USA demolieren.

Einfach, weil er quasi empiriefrei den Glauben verbreitete, er und seine Wähler teilten ein bestimmtes emotionales Verständnis vom politischen Zustand der USA.

 

Vielleicht wird an diesem Beitrag deutlich, warum meiner Meinung nach „Empathie“ mindestens ein sehr ambivalentes politisches Instrument ist, das dringend zugunsten von Ratio und Professionalität zurückgedrängt hört. Mir graust vor populistischen Führern, ich will, dass meine Interessen gemäß ihrer sozialen Gewichtung wahrgenommen werden, und Politiker vor diesem Hintergrund reale Probleme und deren Lösungen identifizieren.

Auf Seelenmassage und Theater kann ich verzichten, wenn wir wirklich politisches Pathos brauchen, heißt das nämlich meistens, dass wir ziemlich tief in der Krise, im Krieg oder der Katastrophe stecken.

bearbeitet von Shubashi
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vor 4 Stunden schrieb Domingo:

 

Mich dünkt, wenn wir uns in jemandes Gegenwart befinden, können wir dessen Gefühle recht zuverlässig wahrnehmen erraten. Der körperliche Ausdruck der meisten Gefühle ist mW angeboren (weswegen auch Blindgeborene zB lächeln. Wie sollten sie das von anderen gelernt haben?).

 

Das Problem entsteht wohl eher, wenn man elektronisch miteinander in Verbindung steht (wie wir hier). Man sieht den anderen ja nicht, es sei denn auf einem Bildschirm, was wohl nicht ganz dasselbe ist.

 

Schließlich kommt hinzu, dass man heutzutage, um "gut" zu sein, sich in ganze Gruppen (Frauen, Schwarze, die üblichen Verdächtigen) hineinversetzen können muss. Wie das gehen soll, erschließt sich mir nicht: Was "fühlt" die schwarze Rasse denn? Was ist die Gefühlslage der Afroamerikaner als Gruppe? Gibt es sowas überhaupt? Oder vielleicht ist das nur eine Konstruktion der Medien...?


Hallo Domingo, ich sehe das auch so.

Und denke, dass das Letzte auch einer der Gründe ist, die politisches Handeln momentan so schwierig machen. Jede Gruppe besteht aus lauter einzelnen Individuen mit teilweise völlig unterschiedlichen Motivationen, Bedürfnissen, Vorstellungen, Gefühlen (auch Selbstwertgefühl z.B.) - immer eine ganz individuelle Mischung.
Ich denke trotzdem, dass es auch Haltungen und Wertvorstellungen gibt, für die auch in einer so großen Gruppe auf einmal die Sensibilität wächst. Auch bei denen, die selbst vielleicht gar nicht unmittellbar betroffen sind, entsteht so etwas wie ein Gefühl von Gemeinschaft mit denen, die wirklich leiden und sie beginnen sich zu solidarisieren. Das ist dann das, was die Medien aufgreifen. Und es ist schon sehr ernst zu nehmen.
Um mal eine andere Gruppe zu nehmen, wo das geschieht: Das sind z.B. diejenigen, denen das Gendern in der Sprache oder die so heftig eingeforderte oder sogar vorgeschriebene politische Korrektheit in der Sprache und die möglichen Konsequenzen z.B. für die Meinungsfreiheit Sorgen macht und die sich bei diesem Thema zum Teil sehr emotional engagieren. Auch das ist wahrlich keine homogene Gruppe, aber sie erleben, dass andere ähnlich betroffen sind und finden und solidarisieren sich in dieser Gemeinsamkeit. (Auch diese Befindlichkeit und solche Gefühle kann und sollte die Politik nicht ignorieren.)

Zum zweiten Absatz noch: Ich bin mir dessen durchaus bewusst, wie sehr wir für das Erkennen der Emotionen anderer darauf angewiesen sind, dass sich dieser Andere im Einzugsbereich unserer Sinne befindet. Aber zu dem, wie sich ein Mensch den anderen mitteilt, gehört auch die Sprache. Und über diese Sprache wird auch sehr viel an Emotionen und Befindlichkeiten mitgeteilt. Bewusst und unbewusst, vom einen mehr, vom anderen weniger. Und wenn man über längere Zeit die sprachlichen Mitteilungen eines Menschen mitbekommt und achtsam auf Spuren von Selbstmitteilung hin"hört" und hin"spürt" kann man auch via Internet sehr viel von dem ahnen, was sich in einem anderen abspielt. (Natürlich sind das nur Bruchstücke von dem, was man sonst wahrnehmen kann. Und natürlich muss man Vermutungen und Hypothesen, die man aufgrund solcher Wahrnehmungen erstellt - sollte es in irgendeiner Form relevant sein- , auch verifizieren, indem man nachfragt oder weiter beobachtet - aber trotzdem: Es ist viel mehr möglich, als man zunächst annehmen würde.)
 

bearbeitet von Ennasus
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vor 50 Minuten schrieb Shubashi:

Vielleicht wird an diesem Beitrag deutlich, warum meiner Meinung nach „Empathie“ mindestens ein sehr ambivalentes politisches Instrument ist, dass dringend zugunsten von Ratio und Professionalität zurückgedrängt hört. Mir graust vor populistischen Führern, ich will, dass meine Interessen gemäß ihrer sozialen Gewichtung wahrgenommen werden, und Politiker vor diesem Hintergrund reale Probleme und deren Lösungen identifizieren.

Auf Seelenmassage und Theater kann ich verzichten, wenn wir wirklich politisches Pathos brauchen, heißt das nämlich meistens, dass wir ziemlich tief in der Krise, im Krieg oder der Katastrophe stecken.


Das lässt mich deine vorigen Beiträge besser verstehen. Und diese Haltung teile ich auch.

Ich hatte beim Schreiben allerdings nicht ein solches Funktionalisieren der Empathiefähigkeit im Kopf. Sondern hatte Angelika so verstanden, dass es ihr darum geht, wie weit man sich überhaupt von Leid, Not, Kränkungen usw. treffen oder berühren lassen darf, wenn man gute Politik machen will.
Und da bin ich klar so unterwegs, dass ich denke, dass es sogar notwendig ist, berührbar zu bleiben, auch als Politiker.
Das hat ganz viel mit meinem Verständnis des jüdisch-christlichen Glaubens zu tun. ich glaube, dass diese Berührbarkeit und die Bereitschaft, sich treffen zu lassen, zu Liebe gehört. Es ist das, was uns (und die anderen!) schützt vor Resignation und vor Stagnation. (Eine Schlüsselstelle dazu ist Ezechiel 9: Alle in der Stadt gehen zugrunde, nur die, "die über die in der Stadt begangenen Gräueltaten seufzen und stöhnen" bekommen ein Zeichen auf die Stirn geschrieben, das sie schützt.)

Und um es noch einmal zu sagen: Sich betreffen lassen heißt nicht, den rationalen Verstand auszuschalten! Liebe braucht den ganzen Menschen, natürlich auch seine Fähigkeit, Probleme zu gewichten, Lösungen zu suchen, notwendige Schnitte zu machen usw.)

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vor 1 Stunde schrieb Ennasus:


Das lässt mich deine vorigen Beiträge besser verstehen. Und diese Haltung teile ich auch.

Ich hatte beim Schreiben allerdings nicht ein solches Funktionalisieren der Empathiefähigkeit im Kopf. Sondern hatte Angelika so verstanden, dass es ihr darum geht, wie weit man sich überhaupt von Leid, Not, Kränkungen usw. treffen oder berühren lassen darf, wenn man gute Politik machen will.
Und da bin ich klar so unterwegs, dass ich denke, dass es sogar notwendig ist, berührbar zu bleiben, auch als Politiker.
Das hat ganz viel mit meinem Verständnis des jüdisch-christlichen Glaubens zu tun. ich glaube, dass diese Berührbarkeit und die Bereitschaft, sich treffen zu lassen, zu Liebe gehört. Es ist das, was uns (und die anderen!) schützt vor Resignation und vor Stagnation. (Eine Schlüsselstelle dazu ist Ezechiel 9: Alle in der Stadt gehen zugrunde, nur die, "die über die in der Stadt begangenen Gräueltaten seufzen und stöhnen" bekommen ein Zeichen auf die Stirn geschrieben, das sie schützt.)

Und um es noch einmal zu sagen: Sich betreffen lassen heißt nicht, den rationalen Verstand auszuschalten! Liebe braucht den ganzen Menschen, natürlich auch seine Fähigkeit, Probleme zu gewichten, Lösungen zu suchen, notwendige Schnitte zu machen usw.)

 

Wenn es denn so einfach wäre....

Selbstverständlich sollten Politiker keine Maschinen werden, sondern menschlich berührbar bleiben. Darum geht es gar nicht. Es geht um das Maß. Daher frage ich im Titel auch "Wie viel Einfühlungsvermögen...." und  nicht "Tut Einfühlungsvermögen politischem Handeln gut?"

 

Wir können hier natürlich Spiegelgefechte führen und damit auf der Stelle treten, indem wir auf Hinweise, wo es nach Meinung des Hinweisenden zu viel ist, fast reflexartig (nein da meine ich dich nicht) wiederholen, dass Politiker sehr wohl Einfühlungsvermögen benötigen, damit wird man aber meiner Themenstellung nicht gerecht. (wo ich mich dann wieder - egoistisch? -  frage, wo das Einfühlungsvermögen in mich bleibt.

 

 

Wir können auch hier jedes Mal trotz konkreter Beispiele in Allgemeinplätzen verweilen ("Das eine tun ohne das andere zu lassen"), aber auch damit treten wir schlichtweg auf der Stelle.

ICh meine mittlerweile zu erkennen, dass es ganz gut sein dürfte, die Themenfrage auch an konkreten Beispielen abzuarbeiten.

 

Im Politik-Thread ist eine Diskussion über den Veggie-Day entstanden. Dabei bin ich bei der Recherche auf die politische Analyse "Der Veggie-Day der Grünen" von Manfred Linz gestoßen, die ich sehr interessant finde. Er schreibt:

 

Zitat

Zunächst entsteht ja Verwunderung über die harschen Reaktionen auf einen so wohlmeinenden Vorschlag, der zudem inmitten der zentralen politischen Konflikte jenes Wahljahres 2013 kaum mehr als eine Randbemerkung erscheint. Aber bei näherem Zusehen zeigt sich: Die Ankündigung eines als verpflichtend empfundenen fleischfreien Tages trifft einen Nerv. Dabei geraten die am Gemeinwohl orientierten Begründungen in den Hintergrund. Den ganzen Vordergrund beherrscht bei vielen die Reaktion auf die Gesundheitsfürsorge des Staates.Der entscheidende Stein des Anstoßes ist also die gesundheitliche Begründung des VD. Die Rebellierenden werden sie von Anfang an weit stärker auf sich bezogen haben als die von ihnen erwartete Mitverantwortung für den Klimaschutz und den Kampf gegen den Welthunger, weil der Speisezettel ihren Alltag unmittelbar betrifft. Und hier entsteht das Gefühl, es sei nicht die Aufgabe des Staates, die Gesundheit seiner Bürgerinnen und Bürger mit Vorschriften zu optimieren. In einem ohnehin stark reglementierten Alltag ruft der Eingriff des Staates in das persönliche Leben Widerstand hervor, gerade wenn er mit besserer Einsicht in das Wohlergehen der Bürgerinnen und Bürger begründet wird. Er wird als Bevormundung erlebt. Die Wahlbürger wollen als Erwachsene angesprochen werden, die ihre Lebensweise selbst bestimmen, sie wollen auch, so lässt sich sagen, das Recht behalten, ihre Gesundheit zu schädigen.

 

Kurz gesagt:

Die Grünen hat es hier aus lauter globalem Einfühlungsvermögen und aufgrund ihrer Weltanschauung an Einfühlungsvermögen in die von ihnen direkt angesprochenen Mitbürger*innen gefehlt. 

Und da sind wir mitten in dem Dilemma:

Politiker sind von den Bürgern eines konkreten Landes gewählt, weil sie deren Interessen vertreten sollen. Daher erwarten die Bürger auch zurecht, dass die Politiker das dann auch tun. Nun haben Wähler allerdings auch unterschiedliche Interessen, die einen mehr global orientiert, die anderen mehr national orientiert(, wieder andere vielleicht auch ganz egoistische.)

Wie bringt man das nun in politischem Handeln zusammen?

So ehrenwert politisches Handeln für die Ärmsten der Armen (Krieg, Hunger, Flucht) ist, so sehr können globale Zielsetzungen aber auch nur dann nachhaltig verwirklicht werden, wenn Politik die Interessen der eigenen Bürger nicht zunehmend aus dem Blick verliert und die eigenen Bürger überlastet.

An der deutschen Flüchtlingspolitik kann man das nach meiner Wahrnehmung sehr gut sehen.

 

 

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sorry, wenn ich dazwischenquassel - aber in Süddeutschland kommen sogar manchmal 2 Fleisch-Gerichte mittags auf den Tisch, so habe ich das zumindest erlebt, z.B. Braten und Bratwurst, in Mengen ...., also, es sagen aber auch Statistiken aus, dass im Süden mehr Fleisch verputzt wird, daher kann ich mir vorstellen, dass da bei dem einen oder der anderen ein fleischloser Tag echt schocken kann. 

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vor einer Stunde schrieb Die Angelika:

globale Zielsetzungen

Der Punkt ist doch, dass es nicht mal im allerkleinsten Übereinstimmung über Ziele und Werte gibt. In welcher Familie haben alle die gleichen Vorstellungen? Und das gilt für größere Entitäten wie Staaten umso mehr, von „globalen Zielsetzungen“ ganz zu schweigen. Herrschte darüber allgemeines Einverständnis, wäre der Weltfrieden längst Realität.

Und damit sind wir beim anderen Aspekt, den du und auch ich schon herausgestellt haben: Einfühlungsvermögen ist gut und wichtig, aber das heißt nicht, dass es als Maxime der Politik taugt. Das bekannte Beispiel vom weinenden Palästinensermädchen in der Talkshow mit Frau Merkel. Natürlich hat sie das Mädchen verstanden, soviel Einfühlungsvermögen wird beinahe jeder aufbringen, aber sie hat auch vollkommen richtig reagiert, und gesagt, dass sie eben nicht nach Gefühl handeln kann, sondern nach Gesetz handeln muss.

Nochmal, das war völlig richtig!

Der darauffolgende Shitstorm hat sie von dieser Linie abgebracht, und in der Folge zu einer massiven Spaltung der Gesellschaft geführt und die Rechtsextremen stark gemacht. 
Es gibt eben nicht nur ein einziges Gefühl, in das man sich einfühlen kann, sondern viele, die sich auch teilweise widersprechen.

Darum sollte ein Politiker Einfühlungsvermögen besitzen, um Stimmungen seiner Wähler wahrzunehmen, aber sein Handeln muss rational-legal bestimmt sein, nicht einfühlsam-emotional.

 

Werner

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vor 45 Minuten schrieb Goldi:

sorry, wenn ich dazwischenquassel - aber in Süddeutschland kommen sogar manchmal 2 Fleisch-Gerichte mittags auf den Tisch, so habe ich das zumindest erlebt, z.B. Braten und Bratwurst, in Mengen ...., also, es sagen aber auch Statistiken aus, dass im Süden mehr Fleisch verputzt wird, daher kann ich mir vorstellen, dass da bei dem einen oder der anderen ein fleischloser Tag echt schocken kann. 

 

Ich wäre dir dankbar, wenn du beim Threadthema bliebest.

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Hat das nicht jeder für sich definiert?

 

Ist vielleicht auch nicht so eindeutig.

 

Bevor jemand fragt, ich weiß, das sich hier was einstellen wollte. Die Präsentation muss ich aber wohl versehentlich gelöscht haben-ich habe um erneute Zusendung bei der Quelle gebeten.

 

Für mich stellt sich aber immer noch die Frage, ob dieser Faden nur der Aufarbeitung von Erfahrungen in anderen Fäden darstellen soll.

 

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vor 25 Minuten schrieb Goldi:

jup, ich bezog mich auf den Veggie–Day der Grünen.

 

Der wurde hier herangezogen, um die Problematik des Einfühlens in der Poltiik an einem Beispiel darzustellen.

Wer über Sinn und Unsinn eines Veggie-Days überhaupt oder auch den von den Grünen ins Spiel gebrachten diskutieren mag, kann dazu gerne einen eigenen Thread aufmachen. Hier wird das nicht diskutiert.

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vor 17 Minuten schrieb mn1217:

 

Für mich stellt sich aber immer noch die Frage, ob dieser Faden nur der Aufarbeitung von Erfahrungen in anderen Fäden darstellen soll.

 

 

Natürlich nicht. Du kannst dir die Frage gerne weiter stellen, aber hier bitte nicht.

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vor 17 Minuten schrieb Die Angelika:

 

Der wurde hier herangezogen, um die Problematik des Einfühlens in der Poltiik an einem Beispiel darzustellen.

Wer über Sinn und Unsinn eines Veggie-Days überhaupt oder auch den von den Grünen ins Spiel gebrachten diskutieren mag, kann dazu gerne einen eigenen Thread aufmachen. Hier wird das nicht diskutiert.

ich wollte damit sagen, dass die Bürger eines Landes, die man zu regieren hat, sehr unterschiedlich ticken können.

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vor 48 Minuten schrieb Werner001:

Einfühlungsvermögen ist gut und wichtig, aber das heißt nicht, dass es als Maxime der Politik taugt. Das bekannte Beispiel vom weinenden Palästinensermädchen in der Talkshow mit Frau Merkel. Natürlich hat sie das Mädchen verstanden, soviel Einfühlungsvermögen wird beinahe jeder aufbringen, aber sie hat auch vollkommen richtig reagiert, und gesagt, dass sie eben nicht nach Gefühl handeln kann, sondern nach Gesetz handeln muss.

Nochmal, das war völlig richtig!

Der darauffolgende Shitstorm hat sie von dieser Linie abgebracht, und in der Folge zu einer massiven Spaltung der Gesellschaft geführt und die Rechtsextremen stark gemacht. 
Es gibt eben nicht nur ein einziges Gefühl, in das man sich einfühlen kann, sondern viele, die sich auch teilweise widersprechen.

Darum sollte ein Politiker Einfühlungsvermögen besitzen, um Stimmungen seiner Wähler wahrzunehmen, aber sein Handeln muss rational-legal bestimmt sein, nicht einfühlsam-emotional.

 

Dieses Beispiel beschäftigt mich ja schon ne Weile, aber ich glaube, dass jetzt bei  mir ein Groschen gefallen ist, welcher Aspekt bei meiner Fragestellung auch wichtig ist, nämlich der der Rolle.

Als Poltiiker habe ich eine bestimmte Rolle zu spielen. Das wird mMn in dieser Szene deutlich. Frau Merkel steht da in ihrer Rolle als Bundeskanzlerin, ist aber natürlich zugleich auch noch anderes, nämlich evangelische Christin etc.pp. Was da passiert, ist vermutlich schichtweg ein Rollenkonflikt gewesen. Sie wusste, dass ihre Reaktion hart rüberkäme, dennoch versprach sie dem Mädchen nicht (was öffentlichkeitswirksam gewesen wäre), sich für sie einzusetzen.

 

Ob der darauffolgende Shitstorm, der ja im Grunde nichts anderes als ein unflätiges Plädoyer für ein Handeln nach Gefühlslage anstatt nach Sachlage war, sie von ihrer Linie abgebracht hat, kann so vermutet werden, halte ich persönlich aber für unwahrscheinlich.

 

 

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vor 4 Minuten schrieb Goldi:

ich wollte damit sagen, dass die Bürger eines Landes, die man zu regieren hat, sehr unterschiedlich ticken können.

 

Tja eben. Und in wen genau sollen sich jetzt Poltiiker einfühlen, wenn sie für ein ganzes Land verantwortlich handeln sollen?

Sie haben sich ja nicht nur den Bürgern gegenüber zu verantworten, die am lautesten schreien, dass man nach ihren Gefühlen handeln solle.

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ich denke, es hängt von so vielen einzelnen Faktoren ab, und ist in jedem Fall wieder anders zu gewichten, ... das ist nicht meins, sorry, ich wollte das oben nur als Gedanke einwerfen. 

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6 hours ago, Ennasus said:

Ich denke trotzdem, dass es auch Haltungen und Wertvorstellungen gibt, für die auch in einer so großen Gruppe auf einmal die Sensibilität wächst. Auch bei denen, die selbst vielleicht gar nicht unmittellbar betroffen sind, entsteht so etwas wie ein Gefühl von Gemeinschaft mit denen, die wirklich leiden und sie beginnen sich zu solidarisieren. Das ist dann das, was die Medien aufgreifen. Und es ist schon sehr ernst zu nehmen.
Um mal eine andere Gruppe zu nehmen, wo das geschieht: Das sind z.B. diejenigen, denen das Gendern in der Sprache oder die so heftig eingeforderte oder sogar vorgeschriebene politische Korrektheit in der Sprache und die möglichen Konsequenzen z.B. für die Meinungsfreiheit Sorgen macht und die sich bei diesem Thema zum Teil sehr emotional engagieren. 

 

Was Du da ansprichst, ist eine Gruppe, die eben durch ein bestimmtes Gefühl definiert ist. Dann ist es klar, dass man sich in diese so definierte Gruppe hineinfühlen kann.

 

Wenn die Meiden hingegen etwa von "Empathie mit Afroamerikanern" sprechen (ich nehme hier Bezug auf die nordamerikanische Lage, weil mir die deutsche nicht geläufig ist, ich lese weder den Spiegel, noch schaue ich deutsches Fernsehen), täuschen sie eine Einigkeit unter ihnen vor, die in Wahrheit nicht vorliegt. Die angeblich afroamerikanischen Gefühle und Erfahrungen sind nicht allen gemeinsam, die in Amerika leben und dunkle Haut haben, und sind auch nciht unbedingt auf solche Leute beschränkt.

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Aber natürlich hast Du im Prinzip recht, dass es nicht ganz unmöglich ist, sich in eine ganze Gruppe hineinzufühlen. Was das Einfühlungsvermögen übers Internet u.ä. angeht, so befürchte ich, das muss eben gelernt werden und kann nicht durch unsere angeborenen Instinkte zuverlässig geleistet werden. Mir scheint, solche Kommunikation ist dafür zu editiert, wenn man so sagen will, zu sehr durch das Meidum vermittelt. Das ist aber nur meine Meinung, keine wissenscaftliche Position.

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9 hours ago, Ennasus said:

.....Sondern hatte Angelika so verstanden, dass es ihr darum geht, wie weit man sich überhaupt von Leid, Not, Kränkungen usw. treffen oder berühren lassen darf, wenn man gute Politik machen will.
Und da bin ich klar so unterwegs, dass ich denke, dass es sogar notwendig ist, berührbar zu bleiben, auch als Politiker.

.....

 

Ich denke erstmal, dass Politiker normale Menschen sind, die aus einer Vielzahl von Gründen zur Politik gekommen sind, und daher auf die Notlagen, die sie bei Mitmenschen oder Bürgern wahrnehmen, emotional nicht sehr viel anders reagieren als Du und ich.

Der Unterschied ist halt nur, welche Aufgabe sich daraus für sie ergibt, und da möchte ich eben, dass sie möglichst kompetent, soweit möglich, auch die Ursachen von Notlagen bekämpfen, statt nur auf damit einhergehenden Gefühlslagen einzugehen.

(Wobei Notlagen ja nur ein Aspekt des politischen Alltagsgeschäfts sind. Gute Politik sorgt dafür vor - und die letzten Jahre haben gezeigt, dass die „stabile“ Neue Weltordnung nach dem Kalten Krieg doch mehr Krisenvorsorge braucht als gedacht.)

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vor einer Stunde schrieb Shubashi:

 

...

und da möchte ich eben, dass sie möglichst kompetent, soweit möglich, auch die Ursachen von Notlagen bekämpfen, statt nur auf damit einhergehenden Gefühlslagen einzugehen.

...

Ursachen von Notlagen zu bekämpfen und auf Gefühlslagen einzugehen widerspricht sich ja nicht generell.

 

 

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vor 1 Stunde schrieb Shubashi:

 

 

Der Unterschied ist halt nur, welche Aufgabe sich daraus für sie ergibt, und da möchte ich eben, dass sie möglichst kompetent, soweit möglich, auch die Ursachen von Notlagen bekämpfen, statt nur auf damit einhergehenden Gefühlslagen einzugehen.

 

 

Andererseits gibt es auch ein menschliches Bedürfnis, gesehen, wahrgenommen zu werden, gerade in Notlagen.

 

Dass er mit Gummistiefeln im Hochwasser stand, hat Schröder zum Wahlsieg verholfen.

 

 

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ich hab gerade eine Steinmeier-Rede gelesen...hab gestern schon gedacht, dass es Unterschiede geben wird, ob Politiker vor Ort oder an höherer Stelle....frag doch mal den Steinmeier, was er dazu meint...

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