Jump to content

Die Krise der Kirche ist eine Krise der Theologie ist ...


nannyogg57

Recommended Posts

vor 29 Minuten schrieb phyllis:

Die Umweltbedingungen und Faktoren die vor Millionen Jahren zb zur Evolution von Wirbeltiere führten, waren einmalig. Sie wiederholten sich nicht. Wir kennen sie nicht. Es wäre ja schön zu wissen wie das alles im Detail abgelaufen ist, aber es ist prinzipiell unmöglich.

 

Es geht mir nicht darum, dass "wir" alles rekonstruieren und ableiten können, sondern dass es prinzipiell möglich sein sollte, jedenfalls wenn wir einmal die Ebene des Psychischen ausklammern und den dominanten Vorstellungen folgen.

Hätte es also damals Beobachter gegeben (z.B. hochentwickelte Außerirdische), die alles genau messen, hätten sie voraussagen können sollen, wie sich die Dinge entwickeln. Und wenn dies aufgrund der Heisenbergschen Unschärferelation oder anderer Limitationen nicht exakt möglich sein sollte, dann zumindest in einem probabilistischen Sinne.

 

vor 29 Minuten schrieb phyllis:

Nicht alle Organismen reagieren auf denselben Stimulus genau gleich. Du müsstest für jedes Individuum seinen eigenen Reduktionismus formulieren, aber wozu soll das gut sein?

 

Ob es praktisch etwas nutzt, kann man bezweifeln. Aber mir geht es mehr um die prinzipielle Überlegung: Man muss (vermutlich) nicht annehmen, dass mit biologischen Systemen etwas "prinzipiell Neues" in die Welt kommt, so dass Physik und Chemie hier nicht nur aufgrund der menschlichen Begrenzungen, sondern "überhaupt" an ihr Ende gelangen. Die gegenteilige Annahme - und damit wird der Gedanke vielleicht klarer - wäre der Vitalismus:

 

"Vitalism is a belief that starts from the premise that "living organisms are fundamentally different from non-living entities because they contain some non-physical element or are governed by different principles than are inanimate things."[1][a] Where vitalism explicitly invokes a vital principle, that element is often referred to as the "vital spark," "energy," or "élan vital," which some equate with the soul. In the 18th and 19th centuries vitalism was discussed among biologists, between those who felt that the known mechanics of physics would eventually explain the difference between life and non-life and vitalists who argued that the processes of life could not be reduced to a mechanistic process. Vitalist biologists such as Johannes Reinke proposed testable hypotheses meant to show inadequacies with mechanistic explanations, but their experiments failed to provide support for vitalism. Biologists now consider vitalism in this sense to have been refuted by empirical evidence, and hence regard it either as a superseded scientific theory,[4] or, since the mid-20th century, as a pseudoscience.[5][6]"

https://en.wikipedia.org/wiki/Vitalism

 

Um nochmals den Bogen zurückzuschlagen: Ich sehe in der Tatsache, dass es Organismen gibt, nicht (notwendigerweise) ein Argument gegen die Annahme, dass die Naturwissenschaft die Welt "prinzipiell"  vollständig erklären kann. Wohl aber markiert das Psychische m.E. eine entsprechende Grenze.

bearbeitet von iskander
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

18 minutes ago, iskander said:

Um nochmals den Bogen zurückzuschlagen: Ich sehe in der Tatsache, dass es Organismen gibt, nicht (notwendigerweise) ein Argument gegen die Annahme, dass die Naturwissenschaft die Welt "prinzipiell"  vollständig erklären kann. Wohl aber markiert das Psychische m.E. eine entsprechende Grenze.

das ist nun aber total inkonsequent. Wenn deiner Meinung nach alles "prinzipiell" durch Reduktionismus erklärt werden kann, warum dann die Psyche nicht? Und Psyche gibts nicht nur bei Menschen, alle höher-entwickelten Wirbeltiere verfügen über eine solche, in Abstufungen natürlich.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 10 Stunden schrieb iskander:

 

Ich weiß nicht, ob Dich das inhaltlich weiterbringt oder Dir das eh bekannt ist, aber hier wären zwei Quellen dazu:

 

"Ratzinger antwortet seiner alten Studienfreundin [Uta Ranke-Heinemann] in einem Brief vom 30. Juli 1987. Sie sehe nicht "das Ganze meiner Position", Ratzinger verwies auf andere Stellen seines theologischen Schaffens. Sein Antwortschreiben endet: "Ich respektiere eines jeden Menschen Überzeugung und so auch Ihren Weg, aber ich denke, es sollte auch Ihnen nicht schwerfallen, anzuerkennen, dass Sie mit Ihrer Position nicht 'im Namen der Kirche' sprechen, es weder können noch wollen.""

https://www.spiegel.de/panorama/ii-ratzinger-geht-nach-rom-ranke-heinemann-fliegt-raus-a-477233.html

 

Und hier (Zitat Ranke-Heinemann):

 

"Nun, inzwischen ist der WDR-Film über die damalige Diskussionsrunde völlig verfälscht: Der Dominikaner ist zwar noch da, aber die Worte sind weggeschnitten. Und ich lese auch nicht aus Ratzingers Buch vor. Das ganze Filmdokument wurde verfälscht. Jetzt sind Leute daran, dies aufzuklären."

https://www.suedostschweiz.ch/zeitung/joseph-ratzinger-hat-sich-geklont-0

 

@Studiosusund @iskanderWas haben diese Auseinandersetzungen Ratzingers und Uta Ranke-Heinemann mit der Krise der Kirche und der Theologie zu tun? Im Werk "Eunuchen für das Himmelreich" (1988) hat Ranke-Heinemann über die vielen inneren Widersprüche der Kirche geschrieben. Quasi ein Geschichtsbuch über viele fragwürdigen Lehren in der Geschichte des Katholizismus.

Aber was diese fragwürdigen Lehren und fragwürdigen Praxen etwas mit der heutige Krise in Kirchen und Theologie zu tun haben sollte, ist mir schleierhaft.

 

Die Krise geht viel tiefer: Bis zur Reformation gab es für das "gemeine" Volk keine deutsch-sprachigen, englisch-sprachigen usw. Bibeln oder Bücher. Zudem konnte das "gemeine" Volk mehrheitlich nicht lesen. Erst recht nicht die lateinisch verfasste Septuaginta. Damit man das "gemeine" Volk beherrschen konnte, waren auch die Bücher in lateinischer Sprache verfasst. Die Messen wurden lateinisch gehalten usw. usf.

 

Erst mit dem Buchdruck und der deutschsprachigen Luther-Bibel bekam das "gemeine" Volk einen Zugriff zu deutsch-sprachigen, englisch-sprachigen usw. Bibeln und anderen Büchern. Es gab auch mit der Reformation die Möglichkeit der Schulbildung der Mädchen und Knaben (1524) ein. Bis zur heutigen allgemeinen Schulpflicht in Deutschland, der Schweiz usw. war noch ein langer Weg. In Marokko ist man davon leider nur auf dem Papier so weit.

Mit allgemeinem Lesen- und Schreiben-Können und einem breiten Wohlstand entwickelte sich langsam allgemeines kritisches Denken. Die Menschen fingen an, sich über die vielen Behauptungen der Religionen Gedanken zu machen. So formulierte Rudolf Bultmann 1941, in "Neues Testament und Mythologie":   „Man kann nicht elektrisches Licht und Radioapparat benutzen, in Krankheitsfällen moderne medizinische und klinische Mittel in Anspruch nehmen und gleichzeitig an die Geister- und Wunderwelt des Neuen Testaments glauben.“

Bultmann hatte Zeichen er Zeit erfasst.

Die Problematik der "Jungfrauengeburt" ist nur eines der vielen Stolpersteinen. Bultmanns "erledigt ist" ist legendär. "Erledigt ist die Jungfrauengeburt, erledigt ist die Auferstehung, erledigt ist die Himmelfahrt und erledigt ist die Wiederkunft Jesus" gehörte zu Bultmanns Aussagen.

Und in der katholischen Kirche ist man noch weit hinter Bultmann zurück. Die Gründe dazu sind auch klar. Wir haben allgemeine Schulpflicht der Reformation zu verdanken. Dagegen sträubten sich die Katholiken in den katholischen Gebieten Deutschlands lange.

 

Fakt ist bei Maria: Sie wurde mit ca. 12-14-Jahren zu gewissermaßen zu einer Entscheidung gezwungen. Auch wenn eine 12-14-jähriges Mädchen in einen Akt einwilligt, das zur Schwangerschaft führt, ist das aus heutige Sicht nicht korrekt. Heute ist es nicht korrekt, weil man Mädchen schützen will. Darum war diese Schwangerschaft Marias nie korrekt gewesen. Der Grund ist klar: Niemand sollte ein Mädchen oder Frau berühren, die einem anderen Mann versprochen war (5.Mose 22). Wer es trotzdem machte, sollte des Todes sterben.

Was das Christentum und der Islam machen, ist ein Schönreden eines Unrechts. Das nur, damit man die Inspirationsbehauptungen, Maria-legenden und das herabgesandte Wort Gottes nicht kritisch hinterfragen musste und muss.

 

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

@Gerhard Ingold

 

Was mir bei Bultmann und anderen oft auffällt ist die fehlende Konsequenz. 

 

Denn wenn man diese modernen Soli der Entmythologisierung, die bultmann'schen "Erledigts" mit aller Konsequenz zu Ende denkt, dann fehlte nur noch ein letzter Vers in diesem tragischen Gedicht: 

 

"Erledigt ist der Glaube, erledigt ist die Kirche, erledigt ist die Religion" 

 

Wie man auf Grundlage des Bibelverständnisses Bultmanns noch glauben können sollte, ohne dass die Schere im Kopf immer weiter auseinander geht, ist zumindest mir nicht nachvollziehbar. Hier bleibt eine Art "Rumpfreligion" zurück, die nur noch in und aus ihrem um das historisch und dogmatisch entkernten Zentrum gelegte soziologisch-karitative Exoskelett lebt. 

bearbeitet von Studiosus
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor einer Stunde schrieb Studiosus:

@Gerhard Ingold

 

Was mir bei Bultmann und anderen oft auffällt ist die fehlende Konsequenz. 

 

Denn wenn man diese modernen Soli der Entmythologisierung, die bultmann'schen "Erledigts" mit aller Konsequenz zu Ende denkt, dann fehlte nur noch ein letzter Vers in diesem tragischen Gedicht: 

 

"Erledigt ist der Glaube, erledigt ist die Kirche, erledigt ist die Religion" 

 

Wie man auf Grundlage des Bibelverständnisses Bultmanns noch glauben können sollte, ohne dass die Schere im Kopf immer weiter auseinander geht, ist zumindest mir nicht nachvollziehbar. Hier bleibt eine Art "Rumpfreligion" zurück, die nur noch in und aus ihrem um das historisch und dogmatisch entkernten Zentrum gelegte soziologisch-karitative Exoskelett lebt. 

 

Das ist so. Diese Diskrepanz habe ich auch immer empfunden. Er und seine Schule haben dann die Jungefrauengeburt usw. vergeistigt. Sie nahmen die Begriffe und fühlten sie mit neuem Inhalt. Das widerte mich an. Solche Inkonsequenz war und ist nicht mein Ding. Dass die meisten dieser Theologen ähnlich wie ich Agnostiker waren und sind, ist für mich zwar okay. Aber dann finde ich, sollten die Kirchenmitglieder wissen, was für Gedanken sie leitet.

 

Für mich sind die sieben Grundgedanken Jesus die Grundlagen meiner agnostischen Sicht. Also eine arianisch-ähnliche Sicht über Jesus ohne jegliche magische Denken im Hintergrund. Aus dieser meiner Sicht kann man einen unbekannten Gott (Athener) ehren. Einen Gott also, der gestern wie heute nie in unser Raum und Zeit hinein gewirkt hat und nie hineinwirkt.

 

Dass diese Sicht auf diese soziale Kompetenz der Vielen und nicht auf ein Unfehlbarkeits-Gehabe aufbaut, ist klar.

bearbeitet von Gerhard Ingold
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 17 Stunden schrieb phyllis:

das ist nun aber total inkonsequent. Wenn deiner Meinung nach alles "prinzipiell" durch Reduktionismus erklärt werden kann, warum dann die Psyche nicht? Und Psyche gibts nicht nur bei Menschen, alle höher-entwickelten Wirbeltiere verfügen über eine solche, in Abstufungen natürlich.

 

Danke für die Nachfrage bzw. Kritik. Ich bin nicht der Meinung, dass man "alles" prinzipiell reduktiv erklären kann, sondern dass man zumindest das Leben "ohne Psyche" reduktiv erklären kann. Oder sagen wir es vorsichtiger: Ich gehe hier davon aus, weil dies im erläuterten Sinne die allgemeine Überzeugung zu sein scheint.

(Allerdings besitze ich nicht genügend eigene Kompetenz für definitive Urteile in dieser Angelegenheit. Wenn es gelänge, eine "komplett" künstliche Zelle zu bauen (also nicht einfach eine bestehende "umzufunktionieren"), wäre dies sicherlich ein Durchbruch und ein gutes Argument.)

 

Der Unterschied zwischen einem Organismus ohne erkennbare Psyche (also etwa einem Baum) und der Psyche ist der: Jeder Organismus stellt ein komplexes "physisches" System dar, eine "so und so" strukturierte Materie. Wenn er nicht doch "mehr" ist (wie der Vitalismus glaubt), sollte dieser Organismus deswegen prinzipiell vollständig naturwissenschaftlich beschreibbar (und im dargelegten Sinne naturwissenschaftlich erklärbar) sein.

 

Die Psyche - bzw. psychische "Ereignisse" - können hingegen nicht als physische Systeme beschrieben werden. Sie haben nicht einmal eine feststellbare Ähnlichkeit mit einem physischen System, egal ob dieses nun "einfach" oder "komplex" ist. Eine Überlegung, eine Überzeugung oder ein Gefühl haben keine erkennbare Ähnlichkeit beispielsweise mit einem Gehirnprozess. Wenn jemand weiß, dass er einen bestimmten Gedanken denkt, muss derjenige nicht wissen, was in seinem Gehirn passiert - und in der Tat noch nicht einmal, dass er überhaupt ein Gehirn hat.

 

Natürlich kann man hier behaupten, dass die psychische Realität dennoch mit einer bestimmten physischen Realität identisch sei und wir dies nur nicht erkennen. Abgesehen davon, dass diese Auffassung auch ihre Probleme hat, haben wir dann aber im Ergebnis eine "Sache", die zwei unterschiedliche "Seiten" hat:

Zum einen eine physische Seite mit einer "Dritte-Person-Ontologie", welche sich naturwissenschaftlich beschreiben lässt; und dann zugleich eine "mentale" Seite mit einer "Erste-Person-Ontologie", welche sich nur mit psychologischem Vokabular charakterisieren lässt.

Beide "Seiten" wären reale Aspekte der Wirklichkeit, und keine Seite könnte auf die andere "reduziert" oder "zurückgeführt" werden, weil sie sich kategorial unterscheiden. Das heißt: Die "psychische Seite" könnte auch unter der genannten Identitäts-Annahme noch immer nicht naturwissenschaftlich beschrieben und erklärt werden. (Außer natürlich man erweitert die Begriffe "Natur" und "Naturwissenschaft" grundlegend, indem man das Psychische ins eigene Repertoire mit "aufnimmt" und es dabei als etwas Eigenständiges stehenlässt.)

 

Daneben gäbe es noch die "Lösung" des "Eliminativismus", der einfach behauptet, dass es psychische Ereignisse, Zustände, Eigenschaften usw. gar nicht gebe. Diese "Theorie" kann man m.E. allerdings kaum ernst genug nehmen, um sie überhaupt zu diskutieren.

 

Um nochmals auf den Ausgangspunkt zurückzukommen: Die Wirklichkeit ist m.E. "reicher" als eine ausschließlich naturwissenschaftliche Perspektive das hergibt (obwohl die Naturwissenschaften viele wichtige Erkenntnisse generieren). Rein "naturalistische" Erklärungen der Welt sind m.E. ungenügend. Deshalb bin ich prinzipiell auch für andere Erklärungen "offen" und glaube nicht, dass die Naturwissenschaften alle anderen Erklärungen quasi "erledigt" oder obsolet gemacht hätten. Das war mein Punkt.

bearbeitet von iskander
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 8 Stunden schrieb Gerhard Ingold:

Die Problematik der "Jungfrauengeburt" ist nur eines der vielen Stolpersteinen. Bultmanns "erledigt ist" ist legendär. "Erledigt ist die Jungfrauengeburt, erledigt ist die Auferstehung, erledigt ist die Himmelfahrt und erledigt ist die Wiederkunft Jesus" gehörte zu Bultmanns Aussagen.

 

Man muss hierzu m.E. allerdings sagen, dass Bultmann natürlich auch von gewissen Annahmen ausgeht. Diese mögen plausibel sein und für den nicht-religiösen Menschen - oder für jede weltanschaulich neutrale Wissenschaft - sogar absolut naheliegend. Im strengen Sinne "beweisen" wird Bultmann seine Annahmen aber kaum können. Auf die Gefahr hin, mich ein wenig zu blamieren, weil ich nicht wirklich viel über Bultmann weiß: Ich habe bei ihm den Eindruck, dass er a priori von der Gültigkeit einer säkularen Perspektive ausgeht und dann alles weitere aus ihr ableitet. Das ist wie gesagt an und für sich völlig legitim, und etwa für einen Historiker wäre das zweifellos der richtige Ansatz. Ob es aber für einen "gläubigen" Menschen oder einen Theologen der richtige Zugang ist, wäre eine andere Frage. Denn eigentlich zeichnet es den religiösen Glauben typischerweise ja aus, dass man Dinge als wahr akzeptiert, die nicht beweisbar sind und aus der Sicht des Nicht-Gläubigen auch nicht unbedingt plausibel.

 

vor 3 Stunden schrieb Studiosus:

Denn wenn man diese modernen Soli der Entmythologisierung, die bultmann'schen "Erledigts" mit aller Konsequenz zu Ende denkt, dann fehlte nur noch ein letzter Vers in diesem tragischen Gedicht: 

 

"Erledigt ist der Glaube, erledigt ist die Kirche, erledigt ist die Religion" 

 

Wie man auf Grundlage des Bibelverständnisses Bultmanns noch glauben können sollte, ohne dass die Schere im Kopf immer weiter auseinander geht, ist zumindest mir nicht nachvollziehbar. Hier bleibt eine Art "Rumpfreligion" zurück, die nur noch in und aus ihrem um das historisch und dogmatisch entkernten Zentrum gelegte soziologisch-karitative Exoskelett lebt. 

 

Da hast Du aus meiner Sicht einen guten Punkt. Innerhalb eines theologisch-akademischen Milieus mag das noch einigermaßen tragfähig sein, zumindest für manche Leute; aber die "normalen Gläubigen" werden dazu keinen Bezug aufbauen können. Ob ein Gläubiger die "Gottessohnschaft Jesu" nun biologisch versteht oder nicht, dürfte m.E. sekundär sein. Aber Bultmanns Ansatz ist ja wesentlich "gründlicher" (um den Begriff "radikaler" zu vermeiden).

bearbeitet von iskander
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 51 Minuten schrieb iskander:

Da hast Du aus meiner Sicht einen guten Punkt. Innerhalb eines theologisch-akademischen Milieus mag das noch einigermaßen tragfähig sein, zumindest für manche Leute; aber die "normalen Gläubigen" werden dazu keinen Bezug aufbauen können. Ob ein Gläubiger die "Gottessohnschaft Jesu" nun biologisch versteht oder nicht, dürfte m.E. sekundär sein. Aber Bultmanns Ansatz ist ja wesentlich "gründlicher" (um den Begriff "radikaler" zu vermeiden).

 

Ja, da findet das auch hauptsächlich statt bzw. von dort aus wird es - mäßig erfolgreich - in das gläubige Volk hinein zu multiplizieren versucht. Die Bultmann-Jünger und historisch-kritischen Bibelwissenschaftler verstehen sich und ihren Methodenapparat dabei als sehr avantgardistisch und intellektuell erhaben. Nach dem Motto: "Glaubst Du noch oder entmythologisierst Du schon?" Dabei liegt die wirkliche intellektuelle Leistung sicher nicht im Nachvollzug der Ideen Bultmanns und seiner Epigonen. Die sind bei Lichte besehen eigentlich erschreckend simpel. Bultmanns Einsichten waren nicht wirklich ein großer wissenschaftlicher Wurf, sein "Verdienst" besteht eher darin, zu einer Zeit den Mut gehabt zu haben, diese Dinge - die schon länger bekannt waren - in einem kirchlich-theologischen Umfeld auszusprechen, das daran noch Anstoß nahm. Die heutige Arbeit, die wirklich intellektuelle Winkelzüge erfordert, besteht darin, einerseits dem Paradigma der historischen Kritik zu folgen und andererseits den Menschen zu vermitteln zu versuchen, warum sie dennoch glauben können/sollen. 

 

Es liegt eine gewisse Ironie darin: Indem man die Heilige Schrift erst entmythologisiert hat, ist man jetzt damit beschäftigt, die Folgen dieser Entmythologisierung unter wirklich bisweilen schwer mit anzusehenen geistigen Verrenkungen wieder abzufedern. Man hat sich da quasi das Problem - die Rationalität des Glaubens darzulegen, aufzuzeigen, warum Glaube auf Grundlage der Bibel überhaupt sinnvoll ist - selbst ins Haus geholt. Gewissermaßen war das eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für eine Theologie, die eigentlich vor Bultmann schon alles gesagt hatte. Und da toben sich jetzt die Wissenschaftler aus. Auf Jahre hin ein sicheres, einträgliches Betätigungsfeld. 

 

Nur: Ob es dem Glauben und dem Volk Gottes Nutzen gebracht hat, stelle ich zur Debatte. Manchen einzelnen vielleicht. Dem Gros nicht. 

 

bearbeitet von Studiosus
  • Like 1
  • Thanks 1
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 2 Minuten schrieb Studiosus:

Es liegt eine gewisse Ironie darin: Indem man die Heilige Schrift erst entmythologisiert hat, ist man jetzt damit beschäftigt, die Folgen dieser Entmythologisierung unter wirklich bisweilen schwer mit anzusehenen geistigen Verrenkungen wieder abzufedern. Man hat sich da quasi das Problem - die Rationalität des Glaubens darzulegen, aufzuzeigen, warum Glaube sinnvoll ist - selbst ins Haus geholt.

 

Ich müsste mich da mehr einarbeiten, um dazu wirklich etwas Fundiertes sagen zu können, aber da scheint mir etwas dran zu sein, jedenfals bei manchen Autoren...

bearbeitet von iskander
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 21 Stunden schrieb Studiosus:

 

Ja, das ist alles unheimlich witzig. Nicht. 

Tja - wenn ich nicht die ganze Zeit das Gefühl hätte, Du wolltest mich auf den Arm nehmen...

 

vor 21 Stunden schrieb Studiosus:

Wenn man sich schon fragt, wie Studiosus das formulieren wollen würde, frage man ihn selbst: 

Nun, ich habe Studiosus schon unzählige Male nach einer konkreten Beschreibung der Natur des Menschen gefragt. Bisher hat Studiosus es nicht für notwendig erachtet hierzu erhellendes zu schreiben.

 

Stattdessen erinnere ich mich an die nette Floskel, der normale Gläubige müsse nicht alles verstehen. Siehe oben...

 

vor 21 Stunden schrieb Studiosus:

Dass Gott die Empfängnis Christi in Maria unter Bewahrung ihrer Jungfräulichkeit (ja, auch in biologischem Sinne) bewirkt hat, ist für mich die logische Denkvoraussetzung dieses Glaubensartikels. Wie das ganz konkret und "technisch" funktioniert hat, ist tatsächlich Mysterium. 

Aha.

 

vor 21 Stunden schrieb Studiosus:

Deshalb sind für mich biologische Detailfragen nach Chromosomen o. ä. nicht zielführend. Das war nicht im Horizont der Väter der alten Konzilien und in gewisser Weise kann so auch nur ein Mensch unserer sehr naturalistischen Zeit fragen, der meint einer Approximation von Wahrheit näher zu kommen, wenn er seziert und unter dem Mikroskop analysiert. 

Der Horizont der Väter der Konzilien war - nun ja - etwas beschränkt. Wie gesagt: unter Annahme der Homunkulustheorie bin ich da völlig bei Dir und die ganze Geschichte ergibt zumindest einen inneren Sinn. Nachdem sich diese Theorie allerdings als falsch erwiesen hat, passen die alten Denkmuster beim besten Willen nicht mehr.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Und nochmal bittend in die Runde gefragt: Hat hier vielleicht jemand mit einer vollständigeren Hausbibliothek das Bändchen von Ratzinger "Die Tochter Zion - Betrachtungen zum Marienglauben der Kirche", erstmals erschienen 1977, und könnte nachschauen, wie sich die Position des Verfassers zur Jungfrauengeburt seit der "Einführung in das Christentum" verändert hat? Das würde mich wirklich sehr interessieren, habe allerdings momentan keinen Zugriff auf eine Fachbibliothek. 

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 45 Minuten schrieb iskander:

 

Man muss hierzu m.E. allerdings sagen, dass Bultmann natürlich auch von gewissen Annahmen ausgeht.

Bultmann ging meines Wissen nicht "von gewissen Annahmen", sondern von handfesten Hinweisen bei der Textforschung aus. Ungereimtheiten, die ihn immer kritischer werden ließen. Beispiel Joh. 8 mit der Legende von der Ehebrecherin: "Obwohl die Geschichte mit vielen Begebenheiten der Evangelien übereinstimmt und relativ einfach ist (die Didaskalia Apostolorum bezieht sich auf sie, Papias wahrscheinlich ebenso), fehlt sie in vielen Handschriften, darunter den ältesten des Johannesevangeliums, weshalb die meisten Gelehrten übereinstimmen, dass sie im ursprünglichen Johannesevangelium nicht enthalten war" (Wiki). Solche Beobachtungen mussten ihn irritiert haben. Wo war da der Heilige Geist, der inspiriert haben soll?

 

Bei mir begann das kritische Denken mit den vielen psychisch Kranken aus religiösen Kreisen. Wenn Jesus angeblich der heilende Heiland ist, warum wurden so viele krank? Einige Erlebnisse zeigten mir, wie krankmachend der Glaube ist. Ein Pfarrer sagte in einem Vortrag, die Pfingstler und Charismatiker hätten einen "Geist von unten". So argumentierten einst auch jene, die die Hugenotten und Täufer blutig verfolgt hatten. 

Ich ging also wie Bultmann nicht "von gewissen Annahmen" sondern von konkreten Fakten aus der Geschichte und Gegenwart aus.

 

Diese Fakten warfen die Fragen nach dem Warum auf. Wieso verhielten sich die Christen gegenüber Andersglaubenden nicht im Sinne der Nächstenliebe, der Barmherzigkeit, der Versöhnlichkeit, des Gewaltverzichts, der Feindesliebe, des Schutzes der Schwächsten und der Armutsüberwindung?

 

vor 45 Minuten schrieb iskander:

Diese mögen plausibel sein und für den nicht-religiösen Menschen - oder für jede weltanschaulich neutrale Wissenschaft - sogar absolut naheliegend. Im strengen Sinne "beweisen" wird Bultmann seine Annahmen aber kaum können.

Die Beobachtungen konnte Bultmann belegen. So wie auch ich meine Beobachtungen belegen kann.

 

Wenn ich Kriminalromane schreibe, dann geht es nicht um theologische Überlegungen. Es geht um Indizien bis hin zu Beweisen. (Ich konnte von meine drei Romanen kaum etwas verkaufen. Ich bin leider zu wenig gut.) So kann ich heute beweisen, dass die Sklaverei, die heute falsch ist, gestern nicht richtig hat sein können. Die Menschen wie die Legendenfigur Moses glaubten, die Sklaverei sei richtig. Darum hat er seinem Gott unselige Worte in den Mund gelegt. Worte, mit denen die Südstaatler ihr Recht auf das Sklavenmachen, Sklavenhandel und Sklavenhalten verteidigten: "Also sprach der Herr auf dem Berg Sinai...Wenn ihr Sklaven wollt, kauft sich im Ausland" (3.Mose 25,1+44).

vor 45 Minuten schrieb iskander:

 

Auf die Gefahr hin, mich ein wenig zu blamieren, weil ich nicht wirklich viel über Bultmann weiß:

Ich blamiere mich ständig. Dessen muss man sich bei der Fülle von vorhandenem Wissen, bewusst sein. Unser Wissen ist beschränkt. 

vor 45 Minuten schrieb iskander:

 

Ich habe bei ihm den Eindruck, dass er a priori von der Gültigkeit einer säkularen Perspektive ausgeht und dann alles weitere aus ihr ableitet. Das ist wie gesagt an und für sich völlig legitim, und etwa für einen Historiker wäre das zweifellos der richtige Ansatz. Ob es aber für einen "gläubigen" Menschen oder einen Theologen der richtige Zugang ist, wäre eine andere Frage. Denn eigentlich zeichnet es den religiösen Glauben typischerweise ja aus, dass man Dinge als wahr akzeptiert, die nicht beweisbar sind und aus der Sicht des Nicht-Gläubigen auch nicht unbedingt plausibel.

 

 

Da hast Du aus meiner Sicht einen guten Punkt. Innerhalb eines theologisch-akademischen Milieus mag das noch einigermaßen tragfähig sein, zumindest für manche Leute; aber die "normalen Gläubigen" werden dazu keinen Bezug aufbauen können. Ob ein Gläubiger die "Gottessohnschaft Jesu" nun biologisch versteht oder nicht, dürfte m.E. sekundär sein. Aber Bultmanns Ansatz ist ja wesentlich "gründlicher" (um den Begriff "radikaler" zu vermeiden).

Ich denke, die Mehrheit der Juden, Christen und Muslime will glauben. Sie sind in diesen Glauben hinein dressiert worden. So war es zumindest bei mir. Dass ich mich vom freikirchlichen Fundamentalisten zum agnostischen Religionskritiker entwickelt habe, ist mein eigener Weg. Ich bin damit eher die Ausnahme. So wie mit Krimi-Schreiben. Nicht 1% der Menschen können und machen das. Und es gibt nur wenige, die wirklich Erfolg haben. Wenn kein deduktives und induktives Denken vorhanden ist, kann man kein Krimischreiber oder eben ein Bultmann werden.

 

Bultmann wie ich gingen nicht von Annahmen sondern von Hinweisen aus, die sich immer mehr zu Beweisen verdichtet haben.

 

Aber Bultmann war aus meiner Sicht inkonsequent.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Am 16.3.2023 um 22:09 schrieb Studiosus:

 

Die Zweifel sind berechtigt. Die Universitäten und Theologen waren seinerzeit - d. h. über die längste Zeit des Mittelalters hinweg und darüber hinaus - maßgeblich am theologischen Diskurs beteiligt und haben lehramtliche Entscheidungen vorbereitet und beeinflusst. Aber das sollte nicht darüber hinweg täuschen, dass auch hier die Hierarchie das letzte Wort hatte. Zumindest in Sachen der faktischen Lehrverkündigung. 

 

Und was man auch bedenken sollte: Die theologische Landschaft des Mittelalters kann man schwerlich mit den heutigen Zuständen vergleichen. Hier verliefen die Konfliktlinien etwa auf philosophischer Ebene zwischen Nominalisten und Scotisten, es gab innertheologische/schulabhängige Dispute über unentschiedene Sachfragen (Klassiker: die unbefleckte Empfängnis Mariens/ihre Reinigung). 

 

Heute muss man leider beobachten, dass die universitäre Theologie sich sehenden Auges und mit gewisser Absicht, wie man annehmen muss, in vielen Bereichen in eine Kontraposition zur lehramtlichen Verkündigung setzt und diese offen als unzureichend oder gar sachlich falsch deklariert. Hier sehe ich das Grundproblem. Wir sehen hier den Versuch - ich erinnere an die entsprechende Kontroverse auf dem Synodalen Weg - ein paralleles Lehramt der (universitären) Theologie zu installieren. 

 

Vorhin habe ich auf den Schriftwechsel Ratzinger-Curran verwiesen. Da wird das sehr plastisch dargestellt. Es geht hier um Grundsätzliches. Und mithin um die Frage: Wie weit darf ein zulässiger Dissens durch Theologen mit kirchlichem Lehrauftrag gehen bis er nicht mehr hinnehmbar ist?

 

Universitäre Forschung lebt wesentlich von der sogenannten Wissenschafts- und Forschungsfreiheit. Die Theologen wollen das ebenfalls für sich in Anspruch nehmen. Dabei vergessen sie meines Erachtens zu oft, dass sie nicht nur an die innerfachlichen Standards ihrer Disziplinen gebunden sind, sondern auch an die Kirche, in deren Auftrag sie lehren. Die theologische Forschung ist frei - aber nicht so frei wie andere Wissenschaftszweige, die in keiner Verbindung mit einer übergeordneten religiösen Institution stehen. 

 

Wenn du das so wirklich haben willst, dann solltest du auch die Konsequenz daraus vertreten, nämlich dass Theologie nichts an einer Universität zu suchen hat, die in irgendeiner Weise vom Staat gefördert wird.

Gleichfalls hat dann rk Religionsunterricht rein gar nichts mehr in staatlichen Schulen verloren. 

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 52 Minuten schrieb Studiosus:

 

Ja, da findet das auch hauptsächlich statt bzw. von dort aus wird es - mäßig erfolgreich - in das gläubige Volk hinein zu multiplizieren versucht. Die Bultmann-Jünger und historisch-kritischen Bibelwissenschaftler verstehen sich und ihren Methodenapparat dabei als sehr avantgardistisch und intellektuell erhaben. Nach dem Motto: "Glaubst Du noch oder entmythologisierst Du schon?" Dabei liegt die wirkliche intellektuelle Leistung sicher nicht im Nachvollzug der Ideen Bultmanns und seiner Epigonen. Die sind bei Lichte besehen eigentlich erschreckend simpel. Bultmanns Einsichten waren nicht wirklich ein großer wissenschaftlicher Wurf, sein "Verdienst" besteht eher darin, zu einer Zeit den Mut gehabt zu haben, diese Dinge - die schon länger bekannt waren - in einem kirchlich-theologischen Umfeld auszusprechen, das daran noch Anstoß nahm.

 

Die heutige Arbeit, die wirklich intellektuelle Winkelzüge erfordert, besteht darin, einerseits dem Paradigma der historischen Kritik zu folgen und andererseits den Menschen zu vermitteln zu versuchen, warum sie dennoch glauben können/sollen. 

Es benötigt aus meiner heutigen Sicht viele "Winkelzüge", um Hinweise, Fakten und Beweise einfach zu ignorieren.

 

vor 52 Minuten schrieb Studiosus:

Es liegt eine gewisse Ironie darin: Indem man die Heilige Schrift erst entmythologisiert hat, ist man jetzt damit beschäftigt, die Folgen dieser Entmythologisierung unter wirklich bisweilen schwer mit anzusehenen geistigen Verrenkungen wieder abzufedern. Man hat sich da quasi das Problem - die Rationalität des Glaubens darzulegen, aufzuzeigen, warum Glaube auf Grundlage der Bibel überhaupt sinnvoll ist - selbst ins Haus geholt. Gewissermaßen war das eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für eine Theologie, die eigentlich vor Bultmann schon alles gesagt hatte. Und da toben sich jetzt die Wissenschaftler aus. Auf Jahre hin ein sicheres, einträgliches Betätigungsfeld. 

Traurig aber wahr.

vor 52 Minuten schrieb Studiosus:

 

Nur: Ob es dem Glauben und dem Volk Gottes Nutzen gebracht hat, stelle ich zur Debatte. Manchen einzelnen vielleicht. Dem Gros nicht. 

 

Dem Gros bringen kritische Gedanken nichts. Dazu fehlt ihnen Wissen. So diskutiere ich mit meinen einfachen Freunden Marokkos nicht. Sie können teils weder lesen und glauben. Sie sind aber zutiefst von der Wahrheit des Korans überzeugt. Und wenn man nicht gerade Lebensmüde ist, muss man da besonders vorsichtig sein. Wie weniger Wissen Menschen haben, wie sicherer sind sie sich dessen sicher, was sie glauben. 

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Am 17.3.2023 um 08:24 schrieb rorro:

 

Ich erreiche nicht was ich will, also erkläre ich die anderen für blöde.

 

Auch gut.

 

Bezeichnend, wie ausgewogen deine Kommentare sind.

Der gleiche Kommentar würde ganz gut auch zu dem Kommentar passen, der von einer toll gewordenen unreglementierten Theologie spricht

Da sind die anderen nicht nur für blöde erklärt worden, sondern sogar für wahnsinnig

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 7 Minuten schrieb Die Angelika:

 

Wenn du das so wirklich haben willst, dann solltest du auch die Konsequenz daraus vertreten, nämlich dass Theologie nichts an einer Universität zu suchen hat, die in irgendeiner Weise vom Staat gefördert wird.

Gleichfalls hat dann rk Religionsunterricht rein gar nichts mehr in staatlichen Schulen verloren. 

Oh, das wäre tragisch. Sonst hätten wir es bald so wie mit islamischen und freikirchlichen Bildungsstätten: Sie werden von Spenden finanziert und dürfen daher nicht kritisch arbeiten.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Am 17.3.2023 um 21:51 schrieb Studiosus:

Als der erste halbmenschliche Affe seine eigene Reflexion in einer Pfütze erblickt hat, war das die Geburtsstunde der Religion. Seitdem sind wir weit gekommen. 

 

Die Geburtsstunde der Religion ist also die Stunde, in der ein lebendiges Wesen sich selbstverliebt in einer Pfütze erblickt hat?

Es hat sich in einer Pfütze erblickt und befand dieses eigene Spiegelbild für so großartig, dass es es sogleich für ein Abbild eines höheren Wesens hielt?

 

  • Like 1
  • Haha 1
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

@Gerhard Ingold

 

Man müsste hier vermutlich im Detail über die unterschiedlichen Auffassungen von Bultmann und seinen Begründungen sprechen. Die Frage wäre halt zum Beispiel, was mit einem nachträglichen Einschub in das Johannes-Evangelium gewonnen ist. Ein Nicht-Gläubiger mag darin einen Beleg für die willkürliche Zusammenstellung der Evangelien sehen. Der Gläubige wird hingegen vielleicht sagen, dass Gott manchmal auch verschlungene Wege geht, um zum Ziel zu gelangen. Allerdings gibt es natürlich einiges, was als Ansatz für eine Kritik dienen kann und wo es wol nicht so leicht für den Gläubigen ist, eine gute Antwort zu finden.

 

Bultmann scheint u.a. von folgender Prämisse auszugehen:

 

"Man kann nicht elektrisches Licht und Radioapparat benutzen, in Krankheitsfällen moderne medizinische und klinische Mittel in Anspruch nehmen und gleichzeitig an die Geister- und Wunderwelt des Neuen Testaments glauben. Und wer meint, es für seine Person tun zu können, muß sich klar machen, daß er, wenn er das für die Haltung des christlichen Glaubens erklärt, damit die christliche Verkündigung in der Gegenwart unverständlich und unmöglich macht.“

 

Das ist aber natürlich auch nur eine Annahme - und dazu eine fragwürdige. Eine Welt, die eine eigene Dynamik und Gesetzmäßigkeit hat und in die Gott dennoch sporadisch eingreift, ist genauso widerspruchsfrei denkbar wie eine nach eigenen Regeln laufende Maschinerie, in welche der Mensch zu bestimmten Zwecken eingreift. Wenn man an einen allmächtigen Gott glaubt, der das Universum geschaffen hat, ist es kein großer gedanklicher Sprung mehr, auch an Gottes sporadisches Eingreifen in der Welt zu glauben (außer man ist Deist).

Bultmann geht zumindest hier offenbar a priori von der Falschheit der "traditionellen" religiösen Perspektive aus. Aber das ist wie gesagt kein zwingender Schritt, erst recht nicht für den gläubigen Theologen. Ein gläubiger Theologe macht ohnehin Annahmen, die sich objektiv nicht beweisen lassen und dem Nicht-Gläubigen fragwürdig erscheinen.

bearbeitet von iskander
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 6 Minuten schrieb rorro:

Ist mittlerweile geklärt worden (habe nicht den ganzen Thread durchgelesen), was die Rolle des katholischen Theologen überhaupt ist (falls er denn eine hat)?

 

Als ex-freikirchlicher Fundamentalist sage ich: Glaubende hätten Recht und Gerechtigkeit als oberste Priorität des Glaubens zu verkünden. Und wer den Grundgedanken Jesus im Alltag nachzukommen versucht, der hilft den Schwächsten zu Recht und Gerechtigkeit, wie es Jesaja als Sprachrohr seines Gottes gefordert hat: "Wascht euch, reinigt euch, tut eure bösen Taten aus meinen Augen. Lasst ab vom Bösen, 17 lernt Gutes tun! Trachtet nach Recht, helft den Unterdrückten, schafft den Waisen Recht, führt der Witwen Sache!" (Jes. 1,16f). Das war Jesajas Thema. Das war aber das Thema aller Propheten. 

"Ich hasse und verachte eure Feste und mag eure Versammlungen nicht riechen – 22 es sei denn, ihr bringt mir rechte Brandopfer dar –, und an euren Speisopfern habe ich kein Gefallen, und euer fettes Schlachtopfer sehe ich nicht an. 23 Tu weg von mir das Geplärr deiner Lieder; denn ich mag dein Harfenspiel nicht hören! 24 Es ströme aber das Recht wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach" (Amos 5,21ff).

Was also wäre der Auftrag der katholischen und letztlich aller Geistlichen der drei Religionen? 

 

Bisher lehren sie dummes spekulatives Geschwafel. Wehe diesen Theologen. Sie haben nicht das Herz auf dem rechten Platz, weil ihnen die Schwächsten am A. vorbei gehen. Das kannst Du ja sehen, wie wir Theologen oft mit Fremdwörterei um uns schlagen. Recht und Gerechtigkeit ist fern von uns. Ich schließe mich da mit ein.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 23 Stunden schrieb Studiosus:

Als vorläufiges Ergebnis würde ich festhalten, dass die Berufung auf den Theologen Ratzinger allein noch nicht die Orthodoxie dieser Aussage und Deutungsweise statuiert. Zumal Ratzinger sie selbst später verändert hat und offenbar nicht mehr gelten lassen wollte. Daher bleibe ich bei meiner Position, die ich schon an anderer Stelle bekannt habe: Theologen stehen nicht über dem Dogma der Kirche und der amtlichen Lehrverkündigung. Selbst dann nicht, wenn sie Ratzinger heißen. 

Ich würde mal vermuten, dass Ratzinger in seiner "Einführung in das Christentum" hier keine theologische Einzelmeinung / Außenseiterposition vertritt, sondern sozusagen den theologischen "Common sense" mit klaren Worten darlegt. Ich könnte mir vorstellen, dass ein Karl Rahner ähnlich die Gottessohnschaft / Jungfrauengeburt dargelegt hat wie Ratzinger. 

 

Zu dem Satz "Theologen stehen nicht über dem Dogma der Kirche": 

Meines Wissens gibt es keine konkrete "Dogmatisierung" der Kirche, keine "amtliche Lehrverkündigung", die im direkten Widerspruch stünde zu den Ausführungen des "jungen" Ratzinger. Wir haben das Glaubensbekenntnis als verbindliche "Glaubensartikel" und mir ist nicht bekannt, dass das Lehramt die Gläubigen darauf verpflichtet, den Glaubensartikel von der Menschwerdung Gottes im Sinne einer biologischen Zeugung durch Gott selber ( = Hl. Geist ) anstelle eines Mannes zu sehen. Denn wie schon Ratzinger ausführte: die eine Ebene ist die Biologie und die andere Ebene die Ontologie. ( unvermischt und ungetrennt..... ).

 

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 36 Minuten schrieb Cosifantutti:

Ich würde mal vermuten, dass Ratzinger in seiner "Einführung in das Christentum" hier keine theologische Einzelmeinung / Außenseiterposition vertritt, sondern sozusagen den theologischen "Common sense" mit klaren Worten darlegt. Ich könnte mir vorstellen, dass ein Karl Rahner ähnlich die Gottessohnschaft / Jungfrauengeburt dargelegt hat wie Ratzinger. 

 

Natürlich war das schon zur Entstehungszeit der Einführung ins Christentum keine einsame Einzelmeinung. Rahner ist da u. a. die richtige Adresse. Der Sache nach wird man dort dieselben Gedanken finden.

 

Nur: Macht es das besser oder "richtiger" (falls man richtig steigern kann)? Karl Rahner hatte durchaus Probleme mit den Glaubenswächtern seiner Zeit. Und das wohl nicht von ungefähr (und aus dem Stand der Theologie der damaligen Zeit heraus wahrscheinlich sogar "nachvollziehbar"). 

 

Ich will das persönlich auch gar nicht bewerten. Wenn Du meinst, mein Ziel wäre es, Joseph Ratzinger hier "Häresie" oder ähnliches nachzuweisen, dann muss ich dich enttäuschen. Weder bin ich dazu berufen, noch liegt das in meinem Interesse. Wären alle Theologen so wie Joseph Ratzinger - da würde ich sogar explizit den jungen Ratzinger einschließen - hätte ich keinerlei Fundament für Kritik. Ratzinger war ein Theologe, der durch und durch mit der Kirche gefühlt hat. Deshalb hat er auch die Größe besessen, sich über die Jahrzehnte hinweg in verschiedenen Fragen zu korrigieren. 

 

Das schließt meiner bescheidenen Meinung nach jedoch nicht aus, dass er in Einzelfragen stellenweise geirrt hat. Was mich zu meinem Anliegen von gestern Abend zurückführt: Ich hätte gerne mal die redigierte Version der Aussage, die Du zitiert hast, aus dem Jahr 1977 gelesen. Je nachdem, was da verändert wurde, könnte man Rückschlüsse darauf ziehen, wo Ratzinger vielleicht selbst eine gewisse Unschärfe in seiner Darstellung entdeckt hat. Da ich das Buch nicht vorliegen habe, kann ich das leider nicht selbst überprüfen. 

 

Ich möchte allerdings nochmal explizit die Causa Ranke-Heinemann hier ins Spiel bringen. Diese hatte unter explizitem Verweis auf Ratzinger die Jungfrauengeburt öffentlich in einer Fernsehsendung geleugnet. Noch in dieser Sendung hat ihr offensichtlich ein ebenfalls anwesender Theologe gesagt, dass Ratzinger (und Rahner) in diesem Punkt irren und sie sich nicht auf sie berufen dürfe. Sie tat es dennoch und hatte prompt die Lehrerlaubnis entzogen bekommen. Kardinal Ratzinger, den sie um Schützenhilfe bat (und mit dem sie ihre Äußerung absichern wollte), hat ihr nicht nur nicht geholfen, sondern ihr indirekt vorgeworfen, seine Position nicht korrekt wiederzugeben, die er nach Erscheinen der "Einführung" erweitert bzw. korrigiert habe. Im Weiteren schien ihm einsichtig, dass Ranke-Heinemann unter diesen Umständen keinen Lehrerin der Theologie im Namen der katholischen Kirche bleiben könne. 

 

 

Ich erneuere meine Einschätzung: Mit der Ratzinger-Passage aus der Einführung in das Christentum lässt sich diese Position nicht als zulässig oder im Einklang mit der Lehre der katholischen Kirche beweisen. 

bearbeitet von Studiosus
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

@iskander

Sorry, ich kann dir da nicht folgen. Wenn du davon ausgehst dass alles „nicht-psychische“ durch Reduktionismus erklärt werden kann, also zb von einem Baum, über Wechselwirkungen wie zb Klimveränderungen die nur zustande kommen wenn ganze Wälder vorhanden sind (oder eben nicht mehr), über Symbiosen, Parasiten, Synthesen, Konkurrenten und Fressfeinden, usw usw. also dass man prinzipiell alles bis zum ersten Einzeller zurückverfolgen könne, warum um alles in der Welt soll das mit der Psyche nicht auch gehen? Auch sie entstand evolutionär, auch sie wird durch Botenstoffe bestimmt und beeinflusst. Es gibt Medikamente die Depressionen hervorrufen, und es gibt Drogen die das Gegenteil tun. Dopamin, Serotonin und Endorphine lösen Glücksgefühle und Gelassenheit aus. Alles belegt. Organische Chemie.

 

Um klar zu machen, ich bin der Meinung, Reduktionismus funktioniert in der Biologie nur sehr begrenzt, und Holismus wird krass unterschätzt. Gewisse Soziobiologen erzählen im Fernsehen soviel Mist dass es einem weh tut. Da wurde auch schon das gierige Verhalten von Bankern mit dem Nahrungsmangel der letzten Eiszeit erklärt, und das fahren von schnellen Autos mit dem männlichen Sexdrive (klar Frauen fahren niemals einen Porsche). Aber das nur zur Veranschaulichung. Dazu aber erscheint mir die Grenzziehung doch sehr vereinfacht. Wo genau beginnt Psyche und wie grenzt sie sich ab von der „Nicht-Psyche“.  

 

Um elegant zum Thema zurückzukommen:  😀 Gibt es auch einen theologischen Reduktionismus?  Um zb das Verbot der Frauenweihe konkret belegt auf die Aussagen der Glaubensstifter zurückführen zu können? Wie wir sehen hapert es hier schon ja ganz gewaltig, und das wäre doch sehr einfach im Vergleich zu einer reduktionistischen Erklärung wie Systemin (ein chemischer Alarmstoff) in die Tomatenpflanze reinkam. Man sieht doch schnell was passiert wenn Lehre, Tradition und Kultur zu einem [Tomaten]-Salat verschmelzen. In neu gebildeten Systemen oder Organismen entstehen Dinge die in den einzelnen Komponenten aus denen sie hervorgehen nicht zu finden sind. Das hat nix mit Göttern oder Geistern zu tun, das sind Verknüpfungen und Umstände die nur einmalig vorkommen, also eigentlich Zufall sind. Hier meine ich echten Zufall, nicht den Placeholder für „wir wissens nicht“. Passierte in der Evolution und ebenso historisch, was ja zu diesen „Was wäre gewesen wenn...“ Fragen führt die kein Mensch beantworten kann.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

@phyllis

 

Vielleicht reden wir teilweise aneinander vorbei und ich verstehe unter dem Begriff "Reduktionismus" etwas ähnliches oder dasselbe wie Du unter dem Begriff "Holismus" - eben weil ich alle natürlichen Ursachen mit einbeziehe, auch externe und unvorhersehbare. Mir geht es einfach um die "prinzipielle" naturwissenschaftliche Erklärbarkeit physischer Dinge und Ereignisse.


Zum Psychischen: Eine direkte "naturwissenschaftliche" Erforschung der Psyche und ihrer Entstehung ist nicht möglich, weil wir psychische Phänomene nicht naturwissenschaftlich beschreiben und also auch nicht naturwissenschaftlich operationalisieren können. Was wir letztlich im Hinblick auf das Verhältnis von Psyche und Physis haben, sind Korrelationen  - und mit ihnen notwendige und hinreichende Bedingungen: "Wenn Gehirnzustand A nicht vorliegt, liegt auch kein psychischer Zustand P1 vor; wenn Gehirnzustand  B vorliegt, dann liegt auch der psychische Zustand P2 vor." Daraus allein ergibt sich aber leider noch nicht sehr viel; die gerade genannten Zusammenhänge sind mit allen oder fast allen Theorien über das Verhältnis von Bewusstsein und Gehirn vereinbar.

 

Wie das Psychische und seine Entstehung "positiv" erklärt werden können, möchte ich hier offenlassen. Meine Behauptung ist hier nur eine "negative": Man kommt hier mit naturwissenschaftlichen Erklärungen, wenn es um das "Psychische" oder das Bewusstsein geht, an ein Ende. Vielleicht wird meine Argumentation bzw. das Rätselhafte, auf das ich abhebe, durch folgenden Artikel besser verständlich?

 

Vor allem ab dem Kapitel Erleben hier:

https://vhs.g21.de/text/Bieri-was_macht_das_Bewusstsein_zu_einem_Raetsel.pdf

 

(Ist natürlich keine "Verpflichtung", sondern nur ein Angebot.)

 

 

 

bearbeitet von iskander
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 9 Stunden schrieb rorro:

Ist mittlerweile geklärt worden (habe nicht den ganzen Thread durchgelesen), was die Rolle des katholischen Theologen überhaupt ist (falls er denn eine hat)?

Hierzu gibt es klare lehramtliche Stellungnahmen, das sollte für dich ausreichen.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Join the conversation

You can post now and register later. If you have an account, sign in now to post with your account.

Gast
Auf dieses Thema antworten...

×   Du hast formatierten Text eingefügt.   Formatierung jetzt entfernen

  Only 75 emoji are allowed.

×   Dein Link wurde automatisch eingebettet.   Einbetten rückgängig machen und als Link darstellen

×   Dein vorheriger Inhalt wurde wiederhergestellt.   Clear editor

×   You cannot paste images directly. Upload or insert images from URL.

×
×
  • Neu erstellen...