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Die Krise der Kirche ist eine Krise der Theologie ist ...


nannyogg57

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vor einer Stunde schrieb Chrysologus:

Hierzu gibt es klare lehramtliche Stellungnahmen, das sollte für dich ausreichen.

 

Die kenne ich und reichen mir auch. Nur ist es sinnvoll, diese Rolle in einem Thread zu klären, wenn sie Grund einer Krise ist (lt. Threaderstellerin), oder?

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vor 42 Minuten schrieb rorro:

 

Die kenne ich und reichen mir auch. Nur ist es sinnvoll, diese Rolle in einem Thread zu klären, wenn sie Grund einer Krise ist (lt. Threaderstellerin), oder?

Wenn ich mal wie gestern zwei Coffein-haltige Kaffees trinke und dann mit meinem Blutdruck etwas nicht mehr stimmt, ist das zwar nicht nur Gefühl, aber noch nicht verifiziert. Wenn ich dann meinen Blutdruck messe und er 190/114 anzeigt, wird klar, dass meine Wahrnehmung richtig gewesen ist.

So nimmt @nannyogg57etwas wahr, was sie noch nicht klar definieren kann. Frauen sind mehrheitlich eher intuitiver veranlagt als Männer. Wenn etwas nicht stimmt, nehmen sie es wahr. 

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Am 19.3.2023 um 23:07 schrieb iskander:
Am 19.3.2023 um 19:28 schrieb Marcellinus:

Alles, was man beobachten kann, kann man auch zu theoretisch-empirischen Modellen von Zusammenhängen solcher Beobachtungen zusammenfassen.

 

Wir müssen hier vielleicht zwischen naturwissenschaftlicher Beobachtung bzw. Empirie und anderen Formen der Erkenntis unterscheiden. Das Psychische (etwa ein Gefühl) kann man eben nicht "naturwissenschaftlich" oder "sinnlich" beobachten. Man kann natürlich Korrelata des Psychischen beobachten bzw. messen (etwa neurophysiologische Prozesse). Aber das ist eben nicht das gleiche, sondern hier handelt es sich um eine Beziehung zwischen zwei sich unterschiedlich darstellenden Phänomenen, welche nur "ex post" erkannt werden kann - etwa indem den Probanden Fragen nach ihrem Erleben gestellt werden, während man zeitgleich ihr Gehirn untersucht.

 

Natürlich mag man dennoch theoretisch-empirische Modelle etwa der Kognition formulieren, aber diese gehören dann in den Bereich der Psychologie. Aber diese ist eben keine Naturwissenschaft im engeren Sinne, wenn damit das gemeint ist, was letztlich auf der "Physik" aufbaut. (Man kann natürlich auch erweiterte Modelle haben, die Neurophysiologie und kognitive Psychologie umfassen; aber da bleibt die Psychologie dann eben eine eigene, nicht reduzible Komponente.)

 

Ich habe aber nicht von Naturwissenschaften gesprochen (womit die meisten dann auch noch Physik verstehen), sondern von theoretisch-empirischen Wissenschaften. Das ist etwas anderes. Es meint einfach nur, daß man theoretische Modelle erstellt, wie beobachtbare Tatsachen nachprüfbar zusammenhängen. 

 

Jedesmal handelt es sich um ein Wechselspiel aus Tatsachenbeobachtung und Theoriebildung, aus Empirie und Theorie. Andere Formen der Erkenntnis kenne ich leider nicht. Zwar gibt es reichlich Behauptungen über andere Erkenntnisformen, von der Heuristik angefangen über Empathie bis hin zum Empfangen von Nachrichten vom Sirius. Aber immer handelt es sich dabei um Produkte unserer Fantasie, die wir für Erkenntnis halten. 

 

Am 19.3.2023 um 23:07 schrieb iskander:

 

Am 19.3.2023 um 19:28 schrieb Marcellinus:

Das ist Reduktionismus, der so langsam aus der Mode kommt. Wobei es gar nicht mal darum geht, ob man die Evolution der Stichlinge aus den Eigenschaften ihrer Atome und Moleküle zu erklären, aus denen jeder einzelne von ihnen besteht, sondern ob es sinnvoll ist. Allerdings vermute ich, daß es solcher Reduktionismus schnell an seine kapazitativen Grenzen käme, weshalb er wesentlich nur noch aus der Richtung einer bestimmten Philosophie vertreten wird, denen es nicht um die Beschreibung der Wirklichkeit geht, sondern um die Verteidigung einer bestimmten Ontologie. 

 

Ich will die Frage mal offen lassen, aber wenn man annimmt, dass der Stichling allein aus Atomen, Molekülen und "anderen" physikalischen "Komponenten" besteht, die von gewissen gesetzen regiert werden, müsste eine Reduktion prinzipiell möglich sein, auch wenn sie in der Praxis übermäßig kompliziert (und, wie Du sagst, vermutlich auch wenig sinnvoll wäre). Aber man wüsste zumindest im Prinzip, wie solch eine Reduktion funktionieren könnte, weil man ein komplexes materielles Gebilde vor sich hat, das man näher untersuchen könnte. Man hätte einen Anfangspunkt. Zudem spricht man über Stichlinge (oder deren evolutionäre Entwicklung) ja immer wenigstens in einer "protophysikalischen" Sprache: Man beschreibt "materielle Prozesse", die sich "in Raum und Zeit" vollziehen.

 

Das ist der Unterschied zu psychischen Phänomenen, die man nicht unmittelbar "physikalisch" untersuchen, sondern denen man nur materielle Korrelate zuordnen kann, und über die man auch nicht in einer physikalischen oder "protophysikalischen" Sprache redet.

 

Atome und Moleküle werden genauso wenig von "Gesetzen" gesteuert wie Stichlinge, Planeten oder Galaxien. Sie alle haben einfach Eigenschaften, und die wechselwirken miteinander. Diese einzelnen Objekte bilden gelegentlich miteinander Strukturen, die Eigenschaften haben, die deren Bestandteile nicht haben. Nimm ein Rad aus welchem Material du willst. Sie alle haben gemeinsam, daß sie rollen können, eine Eigenschaft, die ihre Bestandteile nicht haben. So entsteht Neues, und das Stichwort dazu heißt Emergenz. Das ist der Grund, weshalb Reduktion nicht funktioniert. Das ist übrigens auch der eigentliche Grund, warum es sinnvoll ist, unterschiedliche Wissenschaften zu haben: weil es auf den unterschiedlichen Integrationsebene des Universums Eigenschaften gibt, die es auf der Ebene von deren Bestandteilen noch nicht gibt. 

 

Am 19.3.2023 um 23:07 schrieb iskander:
Am 19.3.2023 um 19:28 schrieb Marcellinus:

Dazu noch ein kleines Zitat des Soziologen Norbert Elias:  „Übrigens lehrte mich das Studium von medizinischen Grundwissenschaften wie Physiologie und Anatomie zugleich auch der Vorstellung zu mißtrauen, daß der Mensch ein Stück Materie sei. Was sich zeigte, war, daß der Mensch eine enorm komplizierte Organisation von Materie ist. Die gesamte Materie, aus der ein Mensch besteht, mag noch beieinander sein - wenn die Organisation der Materie nicht mehr richtig funktioniert oder ganz zusammenbricht, verliert der Organismus die Fähigkeit, sich selbst zu rekonstruieren, und wir sagen dann: der Mensch ist tot.“
(N.E. Bd 17, S. 19)

 

Nun, dass der Mensch quasi ein "unstrukturiertes" Stück Materie sei, würde ja auch niemand behaupten. Aber auch "eine enorm komplizierte Organisation von Materie" wäre eben letztlich doch immer noch ein (auf bestimmte Weise strukturiertes) Stück Materie, das bestimmten Naturgesetzen gehorcht, und nicht mehr. Eine solche Materie wäre mit rein "materialistischen" Vokabeln vollständig beschreibbar, ohne dass man dabei einen wichtigen Aspekt weglassen würde. Die "Kompliziertheit" ändert daran nichts. Jedes Auftreten von ewas, was nicht naturwissenschaftlich beschreibbar ist, wäre erstaunlich.

 

Schon wieder die "Gesetze"! "Naturgesetze" sind eine Erfindung von Menschen. Sie versuchen damit, die Verhaltensweisen von Objekten zu beschreiben. Mit der Wirklichkeit hat diese Gesetzesvorstellung wenig zu tun. mit einer "komplizierten Organisation von Materie" ist gemeint, daß diese Materie, Atome und Moleküle, über viele Ebenen mit einander Strukturen bilden, die Eigenschaften besitzen, die die einzelnen Bestandteile nicht haben. Obwohl diese Strukturen aus nichts anderem als diesen Bestandteilen und ihren Beziehungen zueinander bestehen, bilden sie Eigenschaften, die sich nicht auf die Bestandteile reduzieren lassen. Prinzipiell beschreiben lassen sie sich natürlich, nur setzt das eben Modelle voraus, die diesen Strukturen angemessen sind, und genau daran fehlt es noch an vielen Stellen, zum Beispiel bei psychischen Strukturen.

 

Am 19.3.2023 um 23:07 schrieb iskander:

 

Zitat

Entschuldige, aber das halte ich für Metaphysik.

 

Jede "grundsätzliche" Erörterung der Frage, in welchem Verhältnis beispielsweise Psychisches und Physisches zueinander stehen und ob reduktive Erklärungen möglich oder sinnvoll sind, können mit gutem Recht als "metaphysisch" bezeichnet werden, würde ich meinen. 🙂

 

Hat man hingegen ein Stück Materie wie das Gehirn und fragt man sich, ob es und seine messbare Gestalt und seine messbaren Funktionen auf Atome und Moleküle und elektrische Entladungen usw. zurückgeführt werden können, so wäre dies Naturwissenschaft (ohne Metaphysik). Allerdings nur, solange man wirklich beim "naturwissenschaftlich Untersuchbaren" (beim "Materiellen") stehenbleibt und beispielsweise nicht nach der Rolle des Psychischen fragt...

 

Genau das halte ich für einen Irrtum. Das "Psychische", wie du es so schön nennst, ist ohne das "Materielle" nicht denkbar. Es ist eine Funktion, die letztlich auf Atomen und Moleküle zurückgeht, aber in vielen Ebenen Funktionen hervorgebracht hat, die zwar auf den Eigenschaften von Atome und Moleküle zurückgehen, aber nicht auf sie reduziert werden können, obwohl sie ohne sie nicht möglich wären. 

 

Und um der Sache noch ein Zipfelchen aufzusetzen: Die psychischen Leistung der Menschen sind nicht erklärlich nur aus einem einzelnen Menschen heraus. "Den Menschen" gibt es nicht. Menschen kommen immer nur im Plural vor, und ihre geistigen Fähigkeiten können sich nur in der Gesellschaft von anderen Menschen entfalten. Und auch diese Gesellschaften, obwohl ausschließlich von Menschen gebildet, haben Eigenschaften, die sich nicht auf die Eigenschaften einzelner Menschen reduzieren lassen.

 

Nichts davon ist metaphysisch. Alles ist auch nicht einfach "Materialismus", sondern eine über viele Ebenen hochkomplizierte Organisation von Materie. Diese Organisationen haben Eigenschaften, die auf jeder Ebene neu entstehen, und, wenn man sie theoretisch-empirisch verarbeiten will, entsprechende theoretische Modelle braucht. Für Physik und Biologie haben wir sie über weite Strecken, bei den Menschenwissenschaften, wie Norbert Elias das so treffend nannte, als Psychologie und Soziologie, fehlen sie im Konsens der Fachwissenschaftler noch weitgehend. Was einer der Gründe dafür ist, daß sich auf diesen Gebieten bis heute Mythen und Fantasien der unterschiedlichsten Art die Hand geben.

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19 hours ago, iskander said:

Vielleicht reden wir teilweise aneinander vorbei und ich verstehe unter dem Begriff "Reduktionismus" etwas ähnliches oder dasselbe wie Du unter dem Begriff "Holismus"

die Begriffe sind hinreichend definiert.

 

19 hours ago, iskander said:

Mir geht es einfach um die "prinzipielle" naturwissenschaftliche Erklärbarkeit physischer Dinge und Ereignisse.

Du hast aber von Reduktionismus geschrieben. Und wenn du meinst, alles "nicht-psychische" sei prinzipiell durch Reduktionismus erklärbar, dann bin ich anderer Meinung. Begründet wurde es von @Marcellinus und mir. Wenn ich aber diese Meinung übernehmen würde, dann müsste dies auch alles "psychische" miteinschliessen. Denn das eine wie das andere basiert auf organischer Chemie, um es mal plump genug auszdrücken. Also entweder oder, ein dazwischen ist für mich völlig unnachvollziehbar, insbesondere weil auch die Grenzen alles andere als klar definiert werden können.

 

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vor 10 Stunden schrieb Mecky:

 

Wir treffen uns in der Analyse: Die Krise der Kirche ist eine Krise der Theologie. Das sehe ich auch so, besonders das "nicht Neues unter der Sonne".

 

Ich befürchte, dass die Krise der Theologie noch weitaus tiefer geht, als es in den von Dir benannten Themenfeldern schon aufscheint.

 

Die Theologie ist größtenteils gar nicht mehr Theologie. Vieles nennt sich zwar "Theologie", ist aber weit davon entfernt, über Gott, sein Wirken, oder auch nur über den Glauben zu sprechen. Mit viel gutem Willen kann man dann all die nicht wirklich theologischen Themen dann noch "irgendwie" auf Gott und auf Glauben beziehen. 

 

Über die Gründe der Kirchenkrise habe ich einen hervorragenden Beitrag in Youtube gefunden: https://www.youtube.com/watch?v=2bqWvgHvyEs
Professor Kunstmann (Religionspädagoge) spricht über "Zur Lage der Religion und der Kirchen"

Die Theologie leidet unter zwei entgegengesetzten Fehl-Einstellungen:
1. Eine weltlose Theologie, die nur noch Augen für Bibel und Tradition hat. Das ist die wider den Zeitgeist (also die jetzige Realität) gerichtet, schaut nur noch in Bibel und Tradition nach. Sie hat mit dem Leben nicht viel zu tun - höchstens mit einem Leben weitaus früherer und längst verflossener Epochen. Ohne Berüchsichtigung neuerer Erkenntnisse. Ausgehend von bronzezeitlichen oder eisenzeitlichen Vorstellungen. Da gibt es keine Erderwärmung, kein Handy, keine Atomwaffen, kein Universum mit -zig Milliarden Lichtjahren, keine Evolution, keine Quantenphysik, keine neuzeitlich-psychologischen Erkenntnisse, keine Aufklärung, keinen Humanismus und keine Demokratie.

 

2. Eine reichlich gottlose Theologie, die zwar all dies vor Augen hat, aber es nicht in Beziehung zu Gott setzt. Frieden, Freiheit, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung werden lediglich an "irgendwas" bemessen, was ja "irgendwie" auch in der Bibel vorkommt. Und dadurch allein soll es schon aus dem Glauben sprechen und den Glauben fördern. Um sich für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung zu engagieren braucht man auch keinen religiösen Glauben. Wissenschaftlichkeit, Aufgeklärtheit, Humanismus und Demokratieliebe genügen vollauf. Diese gottlose Theologie besticht allerdings durch ihre praktische Anwendbarkeit, Verwaltbarkeit und Niederschwelligkeit. Hindu, Daoisten, Atheisten und Kapitalisten/Sozialisten können das auch. Manchmal sogar besser, als die Kirche es kann.

 

Eine Theologie, die auch in der heutigen Zeit Menschen tragen kann, ist schlichtweg nicht vorhanden. 

Da gibt es keine zündenden Gedankengänge, die aufgrund ihrer einleuchtenden Klarheit und Praktikabilität wirklich hin zu Gott, Religion und Glaube führen würden.

 

Wir leben vielmehr im Zeitalter der Ersatzreligionen.

Eine Liebesreligion (denn Gott ist ja bekanntlich Liebe. Also ist die Liebe Gott. Fertig!).

"Fußball ist mein Leben!" - "Nein! Im Kapitalismus liegt alles Heil der Menschen" - "Nein, in der humanistischen Bildung!"

 

Hier in diesem Forum habe ich echte religiöse Anfragen erlebt. Sie wurden abgeschmettert. So was scheint "theologisch" weder en vogue zu sein, noch zu inspirieren.

Obwohl gerade diese Anfragen weit verbreitet sind.

"Wieso versteckt der sich so?", frug Stefan vor Jahren. Ja: Warum eigentlich? Die gegebenen Erklärungen kamen mir mehr als Ausreden vor. Oft auch per Behauptung. 

"Wer sagt euch Christen, dass euch Gott nach dem Tod besser behandelt, als er es vor dem Tod getan hat?", frug Volker. Gute Frage.

Die allgemeine Theodizeefrage ("Wo war Gott in Butscha? Wo war er bei der Kreuzigung des eigenen Sohnes?") wird zwar immer wieder gestellt. Aber bei allen theologischen Antworten habe ich nicht das Gefühl, dass da was Zündendes ist. Nicht mal was Zufriedenstellendes. 

 

Man behauptet so schnell, dass auch Exegese Theologie sei. Das mag bei einigen Exegeten zutreffen, aber man kann die historisch-kritische Methode auch völlig gottlos betreiben. Sogar auf höchstem Niveau. Und natürlich auch auf niedrigster Nivea. Das muss nicht unbedingt religiös sein. Und eine korrekte Exegese führt keineswegs automatisch zu mehr Glaube. Selbst Kirchenrechtler behaupten, dass Kirchenrecht Theologie sei, obwohl mir tausend Paragraphen nicht viel über Gott zusprechen.

 

Die Kirche hat schon längst in fast allen Bereichen das theologische (also auf Gott bezogene) Denken aufgegeben.

In Gremiensitzungen wird organisiert, geplant, werden Normen erlassen. Was das mit Gott oder meinem Glauben zu tun haben soll, konnte mir noch niemand erklären.

Das ist die moderne Variante der Gottlosigkeit.

 

Die konservative Variante der Gottlosigkeit dagegen

plappert von unhintergehbaren Dogmen, die zwar sehr stark einen Gottesbezug haben, die aber lediglich im Gewande von Behauptungen daherkommen -

Behauptungen, die man mit Bibel und Tradition stützt und deren Unhintergehbarkeit nur mit der Autorität und Autoritätsargumenten belegt werden sollen.

Dennoch sind sie uneinsichtig. Sie gewinnen ihre Autorität aber nicht durch Erfahrungen in der heute vorliegenden Welt und nicht durch Erkenntnisse.

 

Ich empfehle nochmals den Beitrag von Kunstmann. Da kommt eine Menge davon vor, was Dir offensichtlich am Herzen liegt. Ich kann mir vorstellen, dass Dir dieser Vortrag was gibt.

Ich denke und das will keine Religion hören: Die Krise ist eine Krise der Schuld der Vergangenheit, die bis heute nicht aufgearbeitet und geordnet worden ist.

Man kann nicht den Massenmord an Midianitern mit ca. 90 000 kollektiv ermordeten Menschen (4.Mose 31) als göttliche Willensabsicht hinstellen und dann den Holocaust als teuflisch erklären.

Oder dann die Schuld, die von der Imperialismus-Anweisung 5.Mose 20,10ff ausgegangen ist und vom Christentum und Islam als angebliche Erben des Judentums übernommen wurde, ist in der Theologie bis heute nicht thematisiert worden. Und wenn ich die Problematik thematisiere, verschiebt man meine Texte. Man will von der Schuld schlicht nichts hören.

"Ich hasse und verachte eure Feste und mag eure Versammlungen nicht riechen – 22 es sei denn, ihr bringt mir rechte Brandopfer dar –, und an euren Speisopfern habe ich kein Gefallen, und euer fettes Schlachtopfer sehe ich nicht an. 23 Tu weg von mir das Geplärr deiner Lieder; denn ich mag dein Harfenspiel nicht hören! 24 Es ströme aber das Recht wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach" (Amos 5,21ff).

 

Recht und Gerechtigkeit können erst wie ein nie versiegender Bach fließen, wenn die Vergangenheit geordnet worden ist. Was ordnen heißen müsste, zeigt die Zachäus-Legende: "Zachäus aber trat herzu und sprach zu dem Herrn: Siehe, Herr, die Hälfte von meinem Besitz gebe ich den Armen, und wenn ich jemanden betrogen habe, so gebe ich es vierfach zurück" (Lukas 19,8). Darauf antwortete Jesus ohne dass Zachäus die Göttlichkeit Jesus (Trinität) bekannt hat: "Jesus aber sprach zu ihm: Heute ist diesem Hause Heil widerfahren, denn auch er ist ein Sohn Abrahams. 10 Denn der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist."

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vor 10 Stunden schrieb phyllis:

Reduktionismus

 

Im Rahmen der Newtonschen Mechanik kann man das Verhalten bewegter Materie gut erklären. (Im Kleinen unter vereinfachenden Annahmen wie z.B. Ignorieren von Reibung und Luftwiderstand, im astronomischen Maßstab unter Beachtung der Relativitätstheorie).

 

Theoretisch lässt sich damit auch das Verhalten eines (idealen) Gases betrachten; praktisch scheitert das sehr schnell daran, daß man dazu die Bewegungsgleichungen von viel zu vielen Teilchen betrachten müsste. Da kommt dann die Statistik ins Spiel: Man kann sehr gute Aussagen über Mittelwerte treffen. Die Stöße der Gasteilchen mit der Behälterwand lassen sich als Druck beschreiben, ihre mittlere kinetische Energie wird zur Temperatur zusammengefasst. Und schon hat man eine sehr handliche Gleichung, die das Verhalten eines (idealen) Gases makroskopisch beschreibt.

 

Und es gibt sowas wie 'Zwischenstufen' der Komplexität: Je größer die mögliche Rechenleistung ist, desto besser wird die Wettervorhersage.

 

Von der Newtonschen Mechanik zur Elektrodynamik (oder eher Elektrostatik):

Man kann einen Transistor bauen, der bestimmte elektrische Eigenschaften hat. Aus Transistoren lassen sich logische Gatter zusammensetzen. Diese zu Speicherstellen oder Rechenwerken. Daraus Prozessoren und Computer. Das sind inzwischen hochkomplexe (aber immer noch menschengemachte) Gebilde, bei denen sich 'rückwärts' die Aufgabe eines einzelnen Transistors nicht mehr so ohne weiteres erschließen lässt.

 

Ein Computer für sich ist nutzlose Hardware. Man braucht auch noch Software dazu. Damit kann man dann Informationen verarbeiten - eine ganz neue Entität! Und auch, wenn die Hardware im Prinzip (über die verschiedenen Abstaktionsebenen) vollständig verstanden werden kann, sieht das bei der Software wieder anders aus. Sicherzustellen, daß sicherheitsrelevante Software keine problematischen Fehler macht ist eine Kunst für sich.

 

Hier würde ich dann irgendwo die Biologie einordnen wollen. Viele Einzelsysteme sind recht gut bekannt, ihr Zusammenspiel kann immer wieder überraschend sein, auf allen Ebenen, von Stoffwechselwegen bis zu Ökosystemen.

 

Genauso ist es mit der Neurologie. Die 'Hardware' Nervenzelle ist etwa so gut erforscht wie die 'Hardware' Transistor. Das 'reverse engineering' dürfte beim Gehirn etwa so komplex sein wie beim Prozessor (also im Detail unmöglich, Funktionseinheiten sollten aber durchaus erkennbar sein).

 

Die Psychologie behandelt dann die 'Software', also das Verhalten der gehirngesteuerten Organismen. Diese ist im Einzelfall nicht extrahierbar, in der Gesamtbetrachtung vieler Individuen lassen sich aber dann doch (statistische) Gesetzmäßigkeiten erkennen. Übrigens lernen Psychologiestudenten weitaus mehr Statistik als z.B. Mathematikstudenten.

 

Von daher: Theoretisch müsste sich das Verhalten eines Menschen auf physikalische Gesetzmäßigkeiten zurückführen lassen, in der Praxis wäre diese Aufgabe viel zu komplex, selbst wenn man 'Hardware' und 'Software' genau kennen würde (die beim Gehirn mit der Verschaltung der Nervenzellen ineinander übergehen).

 

Es bleiben dann nur noch statistische Aussagen übrig.

 

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vor 25 Minuten schrieb Gerhard Ingold:

Man kann nicht den Massenmord an Midianitern mit ca. 90 000 kollektiv ermordeten Menschen (4.Mose 31)

Der Name solcher Bibelstellen ist Legion.

Eine weitere Legion besteht in der Rechtfertigung / Beschönigung / Verharmlosung von kirchlichen Untaten.

 

Der große Nachteil dieser Beschönigungsstrategie ist nicht nur die Unredlichkeit solcher Beschönigungen,

sondern vor allem die theologische Leere.

Da rechtfertigt man etwas, indem man moralische oder religiöse Beschwichtigungen vorbringt. Was hat das mit Gott und mit Glaube zu tun? Null!

Das Rechtfertigungsverhalten ist religiös entwürdigend.

 

Kardinal Ladaria - Chef der Glaubenskongregation - hat ein schönes Beispiel gegeben, indem dem Synodalen Weg vorwarf, "katholische Positionen" nicht zu verteidigen.

Wenn es irgendwas bewirken würde, dann würde ich Ladaria gerne mal sagen, wohin er sich die "katholischen Positionen" stecken kann.

Mir geht es nicht um katholische Positionen, sondern um einen Zugang zu meinem Glauben und zu Gott. Und den Zugang zum Urgrund des Lebens und der Existenz ist weitaus größer, als das katholische Binnengebiet. 

 

In der Bibel wird man beim Lesen mit einer Fülle solcher Zugänge konfrontiert und dadurch inspiriert. Da schrieben Menschen von ihrem Zugang - aus ganz verschiedener Lebenserfahrung, Geisteshaltung, Zeit- und Lebenskulturen. Dem kann ich viel abgewinnen - und zwar auch dann, wenn diese Zugänge von heute aus gesehen abstrus sind. Ich fange gar nicht erst damit an, Positionen zu übernehmen (nur weil sie in der Bibel stehen!), sondern ich bemühe mich, das zu tun, was die Schreiberlinge schon zu ihrer Zeit versuchten: Einen Zugang zum eigenen Glauben gewinnen und zum Urgrund des Glaubens, also Gott. Jeder auf seine Weise. Andere Weisen - so abschreckend sie auch sein können, helfen mir bei dieser Suche. Sie wird weniger "unbeleckt" und "naiv" und "engstirnig auf die heutigen Ansichten begrenzt".

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vor 1 Stunde schrieb Mecky:

In einem etwas älteren Video von Harald Lesch habe ich Ähnliches erlebt. Er spricht zwar nicht von Gott (obwohl er "Protestant vom Scheitel bis zur Sohle" ist), aber er spricht unabgewogen (z.B. gegen Steven Weinbergs Argumente oder gegen die Argumente von seriellen oder parallelen Universen) von dem überwältigenden Wunder, dass es überhaupt einen habitablen Planeten gibt.

 

An einer anderen Stelle zitiert Lesch Friedrich Schleiermacher. In dessen Werk "Über die Religion. Reden an die Gebildeten unter ihren Verächtern" schreibt er, die Frage, ob es einen Gott gäbe, sei leere Mythologie. Religion sei nicht Metaphysik, und nicht Moral, weder Denken noch Handeln, sondern Anschauung und Gefühl. "Religion ist Sinn und Geschmack fürs Unendliche". „Anschauen des Universums, ich bitte befreundet Euch mit diesem Begriff, er ist der Angel meiner ganzen Rede, er ist die allgemeinste und höchste Formel der Religion (sic!)“

 

Ob es das trifft, was du sagen wolltest, weiß ich nicht. Aber wenn das der Kern von Religion ist (worüber es sicherlich mehr als eine Meinung gibt), dann weiß ich, warum ich mit Religion nichts anfangen kann. Mein "Sinn und Geschmack" gehört eindeutig dem Endlichen. Mit der romantischen Verehrung des Universums kann ich so wenig anfangen wie mit Göttern und Geistern. 

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vor einer Stunde schrieb Mecky:

Der Name solcher Bibelstellen ist Legion.

Eine weitere Legion besteht in der Rechtfertigung / Beschönigung / Verharmlosung von kirchlichen Untaten.

 

Der große Nachteil dieser Beschönigungsstrategie ist nicht nur die Unredlichkeit solcher Beschönigungen,

sondern vor allem die theologische Leere.

Da rechtfertigt man etwas, indem man moralische oder religiöse Beschwichtigungen vorbringt. Was hat das mit Gott und mit Glaube zu tun? Null!

Das Rechtfertigungsverhalten ist religiös entwürdigend.

 

Kardinal Ladaria - Chef der Glaubenskongregation - hat ein schönes Beispiel gegeben, indem dem Synodalen Weg vorwarf, "katholische Positionen" nicht zu verteidigen.

Wenn es irgendwas bewirken würde, dann würde ich Ladaria gerne mal sagen, wohin er sich die "katholischen Positionen" stecken kann.

Mir geht es nicht um katholische Positionen, sondern um einen Zugang zu meinem Glauben und zu Gott. Und den Zugang zum Urgrund des Lebens und der Existenz ist weitaus größer, als das katholische Binnengebiet. 

 

In der Bibel wird man beim Lesen mit einer Fülle solcher Zugänge konfrontiert und dadurch inspiriert. Da schrieben Menschen von ihrem Zugang - aus ganz verschiedener Lebenserfahrung, Geisteshaltung, Zeit- und Lebenskulturen. Dem kann ich viel abgewinnen - und zwar auch dann, wenn diese Zugänge von heute aus gesehen abstrus sind. Ich fange gar nicht erst damit an, Positionen zu übernehmen (nur weil sie in der Bibel stehen!), sondern ich bemühe mich, das zu tun, was die Schreiberlinge schon zu ihrer Zeit versuchten: Einen Zugang zum eigenen Glauben gewinnen und zum Urgrund des Glaubens, also Gott. Jeder auf seine Weise. Andere Weisen - so abschreckend sie auch sein können, helfen mir bei dieser Suche. Sie wird weniger "unbeleckt" und "naiv" und "engstirnig auf die heutigen Ansichten begrenzt".

Du scheinst einer der wenigen zu sein, die mein inneres Anliege erfassen. Das tut gut, sich nicht ständig allein und missverstanden zu fühlen.

 

Im AT sehe ich zwei Richtungen: Die diabolisch mosianische und die göttlich prophetische Richtung.

 

Die mosianischen Denkmuster ziehen sich bis zu den prophetischen Schriften hin.  So ist der erste Terrorist in den den biblischen Geschichten die Legendenfigur Samson. Immer wenn der angebliche Heilige Geist oder aus meiner Sicht eher diabolische Geist über ihn kam, zog er im "Namen Gottes" aus, um Unrecht zu tun.

 

In den prophetischen Schriften dann wird Moses sehr direkt widersprochen: "Opfer und Brandopfer habe ich nicht gewollt sondern Erkenntnis Gottes und der Liebe" (Hosea 6,6). So schreibt auch einer der Jesaja-Schreiber mit Jes. 5,8 klar gegen den Imperialismus von 5.Mose 20,10ff.

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vor 46 Minuten schrieb Marcellinus:

 

An einer anderen Stelle zitiert Lesch Friedrich Schleiermacher. In dessen Werk "Über die Religion. Reden an die Gebildeten unter ihren Verächtern" schreibt er, die Frage, ob es einen Gott gäbe, sei leere Mythologie. Religion sei nicht Metaphysik, und nicht Moral, weder Denken noch Handeln, sondern Anschauung und Gefühl. "Religion ist Sinn und Geschmack fürs Unendliche". „Anschauen des Universums, ich bitte befreundet Euch mit diesem Begriff, er ist der Angel meiner ganzen Rede, er ist die allgemeinste und höchste Formel der Religion (sic!)“

 

Ob es das trifft, was du sagen wolltest, weiß ich nicht. Aber wenn das der Kern von Religion ist (worüber es sicherlich mehr als eine Meinung gibt), dann weiß ich, warum ich mit Religion nichts anfangen kann. Mein "Sinn und Geschmack" gehört eindeutig dem Endlichen. Mit der romantischen Verehrung des Universums kann ich so wenig anfangen wie mit Göttern und Geistern. 

 

Genau das, versuche ich mit dem ent-göttlichten Jesus zu sagen. Die Grundgedanken Jesus beschäftigen sich mit dem Endlichen. Nächstenliebe usw. wendet sich dem sichtbaren Du zu. Doch die Vergöttlichung Jesus hat zur Beseitigung Jesus geführt. Das ist die Tragik des Christentums.

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vor 21 Minuten schrieb Gerhard Ingold:

Im AT sehe ich zwei Richtungen: Die diabolisch mosianische und die göttlich prophetische Richtung.

Ich sehe nicht zwei Richtungen, sondern ein paar hundert. 

Nannyogg kann sicher noch ein paar dazulegen.

 

Entscheidend für das Wachsen und Lernen sind nicht die verschiedenen Richtungen,

sondern das, wozu sie inspirieren.

Und was man dann aus dieser Inspiration für sich gewinnen kann.

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vor 4 Stunden schrieb Mecky:

Ich sehe nicht zwei Richtungen, sondern ein paar hundert. 

Nannyogg kann sicher noch ein paar dazulegen.

 

Entscheidend für das Wachsen und Lernen sind nicht die verschiedenen Richtungen,

sondern das, wozu sie inspirieren.

Und was man dann aus dieser Inspiration für sich gewinnen kann.

Das kann man so sehen. Aus meiner Sicht ist wichtig, dass die drei Religionen sich den diabolischen Auswüchsen der mosaischen Sicht zu stellen beginnen. Was für verheerende Auswirkungen heute noch von 3.Mose 20,13 ausgehen, sollte genügend Anlass zum Handeln geben. Gleichgeschlechtlich liebende Menschen werden noch heute mit "widernatürlicher Unzucht" gebrandmarkt.

 

Und wenn ich im Forum lese, wie man immer noch eine Erbsünde-Lehre aus Legenden ableitet und diese unsinnige Lehre mit Legendenschriften verteidigt, ist noch viel Handlungsbedarf bei der Aufklärung.

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vor 51 Minuten schrieb Gerhard Ingold:

dass die drei Religionen sich den diabolischen Auswüchsen der mosaischen Sicht

Ich glaube nicht, dass es sich hier um eine einheitliche mosaische Sichtweise handelt,
sondern um ein globales Phänomen der damaligen Zeit.

 

Die "diabolischen" Auswüchse waren bereits gesellschaftlicher Usus, als noch nicht einmal vom Kupfer oder von Bronze die Rede war: Steinzeit.

Es handelt sich um sehr archaische Sichtweisen.

Durch die Erfindung der Schrift haben sich diese alten Vorstellungen dann verewigt und man hat dann systematisiert.

 

In sehr vielen Fällen waren die biblischen Fassungen sogar ein echter Fortschritt.

Zum Beispiel: Man sollte "störrische" Söhne vor die Gemeinde zerren, verurteilen lassen und dann töten.

Mit "störrisch" war wohl eher "rebellisch" gemeint. Söhne, die ihren Vater bedrohten. Wie später dann Abschalom bei David.

Laut Bibeltext sollten nun die Söhne zumindest ein Gerichtsverfahren bekommen. Also nicht einfach nach Vaterslaune getötet werden.

Ein unbestreitbarer Fortschritt.

 

Aber Achtung: Das schreibe ich aus heutiger Kenntnis heraus. Im Bibeltext steht nicht dieser Fortschritt, sondern lediglich das Verurteilen und Töten.

Und man darf auch nicht verschweigen: In sehr vielen Fällen war das so. Sehr viele sind aber keineswegs alle.

 

Die Bibeltexte (leider nicht der Fortschritt) erhielt sich. Und noch schlimmer: Er wurde sakrosankt. Und er wird bis heute verteidigt - bis hin zum Perversesten und Diabolischsten. Was für ein verfehlter Zugang! Und (worauf ich in diesem Thread abziele: ) Es zählt das geschriebene Dokument. Es zählt nicht der Blick auf die Welt, auf Gerechtigkeit und auf Gott. Deshalb nenne ich gerne einen solchen Zugang "gottlos". Brutale und sogar perverse Sichtweisen wurden durch eine solche Verengung auf "es zählt einzig das, was im Dokument zählt", für die Zukunft erhalten. Verteidigt. Und noch schlimmer: Praktiziert. Dadurch kam es zu fortgesetzter Brutalität und Perversität. 

 

Das ist der Hintergrund, wenn Nannyogg Vorwürfe an die vorgeblich wörtlichen Ausleger richtet.

 

Diese brutal-pervers-archaische Sichtweise wird gerne deshalb mit der mosaischen Sichtweise verwechselt, weil das Material der Mosebücher sehr, sehr alt ist: Da hat sich die Steinzeit tradiert. Oder genauer gesagt: Lediglich ein Aspekt von Steinzeitlichkeit hat sich erhalten - sowohl im Bibeltext, wie auch in dessen Leseweise.

 

Momentan ist viel die Rede von Reformen. Tja, da hätte man mal mit Reformen ansetzen können, und zwar schon lange in der vorchristlichen Zeit.

Und dann in der christlichen Zeit hätte man Anlass gehabt, diese Reformen weiter zu treiben. Jesus hat dies punktuell schon getan. 

Das hat die Kirche aber nur sehr, sehr schwach übernommen.

 

 

bearbeitet von Mecky
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Hier und auch andernorts kam die Diskussion über die Erbsünde auf. Diese Glaubenswahrheit wird wie fast keine zweite angefochten: sei es, dass sie rundheraus abgelehnt oder durch ein Verstreichen auf eine allgemeine, nicht personale, aber strukturelle Sünde verunklart wird. 

 

Ich stelle als Überlegung einmal die Frage in den Raum, ob Christentum ohne Erbsünde in klassischer Vorstellung überhaupt sinnvoll gedacht werden kann. Diese Frage hängt eng mit der Sichtweise auf Jesus Christus und sein Wirken zusammen. Wenn es keine Erbsünde im klassischen Sinne gibt, warum musste die Welt dann mit Gott versöhnt werden? Durch das Ganzopfer seines eingeborenen Sohnes, den er in die Welt gesandt hat, um Sühne zu leisten? Oder, wie es bei Paulus anklingt, um zu korrigieren, was durch die Übertretung des ersten Menschen verloren gegangen ist (vgl. 1 Kor 5, 12-21)? Warum besingt die Kirche die Sünde Adams alljährlich zu Ostern als felix culpa, die den Erlöser erst auf den Plan gerufen hat? 

 

Wenn die Welt, in die Christus gekommen ist, so beschaffen war, dass sie keines Erlösers mehr bedurfte, wozu dann Inkarnation, Passion und Auferstehung? 

 

Kann das jemand widerspruchsfrei erklären? Und ohne eine Suada an verklausulierten, windenden Wortgebilden? So dass ein einfach gestrickter Mensch wie ich das nachvollziehen kann. 

 

Warum stieg Christus dann herab? Um eine Lehre zu verkünden und diese mit seinem Leben zu besiegeln, wie die Menschen gut  - und damit sicher auch gottgefällig - miteinander auskommen können? Um seine Einsichten über Gott und ethisches Handeln zu predigen? Das hieße die Person Christi und seine Mission auf eine Ebene mit der anderer Religionsstifter und Weisen der Menschheitsgeschichte zu stellen. Ist es das, was den Kern des Christentums ausmacht? 

 

Ich finde an dieser Stelle wird sehr gut deutlich, dass die Auseinandersetzung mit der theologischen Vorstellung der Erbsünde eben kein irrelevanter Nebenkriegschauplatz ist, sondern mithin ein tragendes Element in der Architektur der christlichen Glaubenslehre. Ich habe das Bild schon öfter gebracht und gebrauche es wieder: An diesen basalen Voraussetzungen in der gezeigten Weise herumzuexegetisieren ist gleichbedeutend mit einem Spiel Mikado. Oben und an den Seiten kann man sicherlich gefahrlos einige Stäbchen abnehmen, wenn man allerdings unten anfängt und sich an die tragende Struktur macht, dann ist es schnell passiert, dass das Türmchen in sich zusammen bricht. Man kann dann mit der modernen Philosophie, mit Evolution und Psychologie daher kommen und sehr kunstvoll versuchen, die Ruine als neue Ganzheit zu verkaufen. Dass man vor einem Haufen unzusammmenhängenden Schutts steht, kann man damit jedenfalls nicht kaschieren. 

bearbeitet von Studiosus
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vor 17 Minuten schrieb Studiosus:

Hier und auch andernorts kam die Diskussion über die Erbsünde auf. Diese Glaubenswahrheit wird wie fast keine zweite angefochten: sei es, dass sie rundheraus abgelehnt oder durch ein Verstreichen auf eine allgemeine, nicht personale, aber strukturelle Sünde verunklart wird. 

 

Ich stelle als Überlegung einmal die Frage in den Raum, ob Christentum ohne Erbsünde in klassischer Vorstellung überhaupt sinnvoll gedacht werden kann. Diese Frage hängt eng mit der Sichtweise auf Jesus Christus und sein Wirken zusammen. Wenn es keine Erbsünde im klassischen Sinne gibt, warum musste die Welt dann mit Gott versöhnt werden? Durch das Ganzopfer seines eingeborenen Sohnes, den er in die Welt gesandt hat, um Sühne zu leisten? Oder, wie es bei Paulus anklingt, um zu korrigieren, was durch die Übertretung des ersten Menschen verloren gegangen ist (vgl. 1 Kor 5, 12-21)? Warum besingt die Kirche die Sünde Adams alljährlich zu Ostern als felix culpa, die den Erlöser erst auf den Plan gerufen hat? 

 

Wenn die Welt, in die Christus gekommen ist, so beschaffen war, dass sie keines Erlösers mehr bedurfte, wozu dann Inkarnation, Passion und Auferstehung? 

 

Warum stieg Christus dann herab? Um eine Lehre zu verkünden und diese mit seinem Leben zu besiegeln, wie die Menschen gut  - und damit sicher auch gottgefällig - miteinander auskommen können? Um seine Einsichten über Gott und ethisches Handeln zu predigen? Das hieße die Person Christi und seine Mission auf eine Ebene mit der anderer Religionsstifter und Weisen der Menschheitsgeschichte zu stellen. Ist es das, was den Kern des Christentums ausmacht? 

 

Ich finde an dieser Stelle wird sehr gut deutlich, dass die Auseinandersetzung mit der theologischen Vorstellung der Erbsünde eben kein irrelevanter Nebenkriegschauplatz ist, sondern mithin ein tragendes Element in der Architektur der christlichen Glaubenslehre. 

 

Hier will ich mal ein wenig theologisch dazwischengrätschen. Während ich davon überzeugt sind, daß die meisten Ablehner der Erbsünde (oder auch Ursünde genannt) diese ablehnen, weil sie sich überhaupt nicht als erlösungsbedürftig empfinden (wider alle Evidenz findet man sich selbst zudem eigentlich ganz okay so), hat das mit der Frage der Inkarnation nicht zwingend was zu tun.

 

Ich nehme an, Du kennst auch die theologische Schule, der ich sehr zuneige, die franziskanische. Während Thomas von Aquin und von ihm ausgehend die Dominikaner kurz gesagt lehrten "no sin = no Christ" (also ohne Erbsünde wäre Er nicht inkarniert), lehrte die franziskanische Schule ausgehend von der schöpferischen christozentrischen Schule des Bonaventura und des Duns Scotus "no sin = still Christ". Gemäß der franziskanischen Schule war Christus von Beginn an (also sozusagen prä-Urknall) schon mitgedacht und vor allem mitgewollt - und die "Motivation" ist die göttliche Liebe. Diese Liebe ist eine nichts für sich wollende Liebe, keine funktionale Liebe, sie ist pure Hingabe. Und daher wäre Christus auch gekommen, hätte es die Übertretung Adams nicht gegeben.

Das leugnet die Erbsünde natürlich nicht, es holt die Inkarnation nur aus einer funktionellen Betrachtung  (und ich finde diesen Gedanken der franziskanischen Schule sehr schön).

bearbeitet von rorro
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vor 34 Minuten schrieb Mecky:

Momentan ist viel die Rede von Reformen. Tja, da hätte man mal mit Reformen ansetzen können, und zwar schon lange in der vorchristlichen Zeit.

Und dann in der christlichen Zeit hätte man Anlass gehabt, diese Reformen weiter zu treiben. Jesus hat dies punktuell schon getan. 

Das hat die Kirche aber nur sehr, sehr schwach übernommen.

Da möchte ich dir widersprechen. Es dürfte auch unter den Juden schon lange unüblich sein, rebellische Söhne zu töten.

Da kommt dann die (für Katholiken doch ach-so-wichtige) Auslegungstradition ins Spiel.

So gesehen ist die Bibel voll von Reformen.

 

Genau genommen fängt das schon ganz am Anfang an: Die Göttlichen Beherrscher des Tages und der Nacht werden gleich auf der ersten Seite zu 'Laternen am Firmament' degradiert.

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vor 9 Minuten schrieb rorro:

Und daher wäre Christus auch gekommen, hätte es die Übertretung Adams nicht gegeben.

Das leugnet die Erbsünde natürlich nicht, es holt die Inkarnation nur aus einer funktionellen Betrachtung  (und ich finde diesen Gedanken der franziskanischen Schule sehr schön).

 

Diesen Gedanken finde ich ebenfalls sehr schön (Allerdings löst er für mich die Frage, was Christus dann getan hätte, wenn er sozusagen ohne direkten Anlass gekommen wäre, nicht restlos auf). Und er steht in gewisser Spannung - nicht Widerspruch - zu den paulinischen Antitypen, die das "Christusgeschehen" in direkten Zusammenhang zum "Adamsgeschehen" setzen.

 

Dass in der Heilsökonomie Christus von Anbeginn an "eingepreist" oder mitgedacht war, schließt meines Erachtens nicht aus, dass Gott in seiner Präszienz den Sündenfall und die Erbsünde vor Augen hatte. Dies bereits vor dem Entschluss, den Menschen zu schaffen.

bearbeitet von Studiosus
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vor 4 Minuten schrieb Studiosus:

Warum stieg Christus dann herab? Um eine Lehre zu verkünden und diese mit seinem Leben zu besiegeln, wie die Menschen gut miteinander - und damit sich gottgefällig - auskommen können? Um seine Einsichten über Gott und ethisches Handeln zu predigen? Das hieße die Person Christi und seine Mission auf eine Ebene mit der anderer Religionsstifter und Weisen der Menschheitsgeschichte zu stellen. Ist es das, was den Kern des Christentums ausmacht? 

Ich stehe mit dem Kreuzopfer als Sühneopfer ja nun bekanntermaßen aus Kriegsfuß, weil ich die dahinterstehende des Menschenopfers im Zusammenhang mit dem Ich-bin-da etwas sehr merkwürdig finde.

 

Bei der Erbsünde verschiebst Du allerdings wieder Kommastellen, die entweder in der Katechese seit 1900 nicht mehr so stehen oder Du bringst hier einen eigenen Touch rein (was ich grundsätzlich ja nicht schlecht finde, solange es als solcher markiert ist).

Die Erbsünde ist keine persönliche Sünde oder Schuld. Sie ist der Grund dafür, daß wir überhaupt erst sündigen können. Insofern ist es in mehrfacher Hinsicht eine "glückliche Schuld", weil sie uns überhaupt erst befähigt uns für oder gegen Gott zu entscheiden und - wie Gott - Gut und Böse. In gewisserweise ist sie die Voraussetzung dafür, daß der Mensch Freiheit zu erkennen und auszuüben vermag.

 

Als Christus im Abendmahlssaal das Brot brach und die Eucharistie einsetzte, verlieh er seiner Botschaft, dem "Logos" Gottes, dauerhafte Präsenz unter den Menschen. Wo auch immer das Brot gebrochen wird, ist der Logos real gegenwärtig, sichtbar, fühlbar, konsumierbar (und der Mensch ist, was er isst).

 

Seine Passion und sein Sterben in der Barbarei waren die bittere Konsequenz seiner Botschaft, die fast unausweichliche Folge seiner Opposition gegenüber einer Zeit, in der Gerechtigkeit etwas für wenige war und Barmherzigkeit ein Luxus. Indem er sich auslieferte und die Kontrolle über sich selbst (scheinbar?) abgab, wurde er im Tod der "Mensch" an sich. Der Gewalt der Welt unterworfen, ohnmächtig, gedemütigt.

Durch seine gottgewirkte Auferstehung haben wir die Verheißung,  daß weder der Tod das Ende ist noch, daß die Gewalt und die Unbarmherzigkeit uns vernichten können. Wir sind sterblich (und im Gegensatz zur herrschenden Lehre glaube ich, daß wir das seit dem Tag unserer Erschaffung waren - sonst wäre der Baum des Lebens überflüssig gewesen), aber dadurch, daß wir in der Taufe mit Christus begraben werden und auferstehen sind wir schon in diesem Leben Teil des Göttlichen bzw. des Reiches Gottes.

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