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Synodaler Weg - schon versperrt?


Jan_Duever

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vor 14 Stunden schrieb Gerhard Ingold:
Am 19.3.2023 um 15:53 schrieb Studiosus:

So mag die Schrift selbst über die Verhältnisse Jesu - was Ehe, Familie etc. angeht - schweigen. Die Tradition tut es nicht. 

 

Wie kann die Tradition etwas lehren, wo es in den Evangelien und in der Geschichte keine Anhaltpunkte dafür gibt?

Nun, die Tradition hat einfach was erfunden und dazu erdichtet, was in den Kram passt. Geht ganz einfach, wenn man an der Macht ist und bestimmen kann, was wahr ist.

 

Hat man bei Corona gesehen. Sieht man bei Putin, Erdogan & Co. Sieht überall, immer wieder.

bearbeitet von rince
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vor 9 Stunden schrieb Studiosus:

@iskander

 

Du kannst immer offen sprechen. Das schätze ich persönlich sehr. Und indem Du sozusagen mit einer etwas größeren Freiheit (und Kühnheit) auf diese theologischen Zusammenhänge reagierst, siehst Du manche Dinge meines Erachtens sogar klarer manche, die aufgrund ihrer grundsätzlichen Verbundenheit mit der katholischen Kirche hier die Schauklappen aufbehalten. 

 

Und ich kann Dir eigentlich kaum widersprechen. Ich greife nur den Punkt der Höherwertigkeit des Zölibats gegenüber dem ehelichen Leben heraus. Natürlich ist das so, wie Du es analysierst. Ich erinnere gerne daran, dass diese Enzyklika nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil erschien, das ja u. a. die große Aufwertung der Ehe gebracht haben soll. Das Bild, das Paul VI. hier zeichnet, hat damit kaum Berührungspunkte. Der Zölibat ist hier eindeutig die höherwertigere Lebensform, die engelsgleiche Lebensform, während die Ehe, wiewohl durch Christus zum Sakrament erhoben, den Menschen mehr oder weniger im Morast der Welt liegen lässt. Ja, hauptsächlich wegen des Sex. Das Ideal sexueller Askese ist hier als edle und erstrebenswerte Sache dargestellt. Richtig ist allerdings auch: Das würde heute keiner mehr so sagen, selbst der Papst nicht, obwohl diese Vorstellungen immer noch im Hintergrund der großen Reformdebatten unserer Tage stehen. Oft unausgesprochen, aber mit Händen zu greifen. Natürlich kann man sich als Kleriker heute nicht mehr hinstellen und so über Ehe und Sexualität sprechen, zumindest dann nicht, wenn man nicht mit Mistgabeln und Fackeln aus dem Dorf getrieben werden will.

 

Aber eigentlich ist das die "reine Lehre", eben der alte Glaube, der Väterglaube. Heute hält man sich an irgendein Amalgam, das Altes mit Modernerem verquirlt. Die verschiedenen Punkte, wo das nicht ineinander passt und zu Passgenauigkeiten oder sogar Widersprüchen im Lehrsystem führt, haben wir schon öfter hier thematisiert. Wenn man ganz ehrlich wäre, dann müsste man eigentlich sagen, dass katholischer Glaube ohne innere Widersprüche nur dann funktioniert, wenn man sich konsequent an die "alte Religion" hält, an das alte Dogma, die alte Interpretation der Schrift und die alte Moral. 

 

Das war jetzt vielleicht zu sehr on the nose, aber so sehe ich das. Freilich ist auch richtig, dass man mit dem arbeiten muss, was heute Stand der kirchlichen Lehre ist. Und es fiele mir nicht ein, das in Abrede zu stellen. Aber meiner Privatmeinung nach sind alle Ansätze, Dogma und Tradition der Kirche mit säkularer Vernunft und moderner Welt zu versöhnen entweder bereits gescheitert oder im Begriff zu scheitern. 

 

Oder lange Rede, kurzer Sinn: Ambiguitätstoleranz ist nichts für Offenbarungsreligionen mit Exklusivitätsanspruch. 

Ich staune immer wieder. Manchmal erkennst Du, ohne Probleme damit zu haben, dass sich die Vorfahren mit ihrer Sicht geirrt haben.

Dass sie sich geirrt haben, würdest Du natürlich nie sagen: Doch alles, was heute als richtiger betrachtet wird, kann gestern entsprechen nicht richtig gewesen sein. Wäre zB die Sklaverei je richtig gewesen, müsste sie auch heute richtig sein. Das ist natürlich ein krasses Beispiel.  Dennoch zeigt Dein Bejahen der Kritik @iskanderdoch, dass Du eigentlich nicht alles schluckst, was gestern rosa gefärbt wurde.

bearbeitet von Gerhard Ingold
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BISTUM AUGSBURG RICHTET ERSTMALS PLANSTELLE EIN

Bischof Meier: Mit queersensibler Pastoral doppeltes Zeichen setzen

Katholisch.de 21.März 2023 [klick]

 

STANDPUNKT

"Concilio subito" statt autokratische "Unterscheidung der Geister"

Ein Kommentar auf katholisch.de, 21  März 2023 [Klick]

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vor 3 Stunden schrieb Frank:

BISTUM AUGSBURG RICHTET ERSTMALS PLANSTELLE EIN

Bischof Meier: Mit queersensibler Pastoral doppeltes Zeichen setzen

Katholisch.de 21.März 2023 [klick]

 

STANDPUNKT

"Concilio subito" statt autokratische "Unterscheidung der Geister"

Ein Kommentar auf katholisch.de, 21  März 2023 [Klick]

Nett gemeint, aber erstens ist das ja mal wieder nur eine lokale Aktion, von “der Kirche” als solcher kommen keinerlei ähnliche Signale, und zweitens ist das Thema „katholische Kirche“ in queeren Kreisen sowieso längst keines mehr

 

Werner

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vor 18 Stunden schrieb Studiosus:

@iskander

 

Du kannst immer offen sprechen. Das schätze ich persönlich sehr. Und indem Du sozusagen mit einer etwas größeren Freiheit (und Kühnheit) auf diese theologischen Zusammenhänge reagierst, siehst Du manche Dinge meines Erachtens sogar klarer manche, die aufgrund ihrer grundsätzlichen Verbundenheit mit der katholischen Kirche hier die Schauklappen aufbehalten. 

 

Das freut mich - ich möchte ja niemandes religiöse Gefühle verletzen! Und manchmal ist ein Dialog bei erheblichen inhaltlichen Divergenzen wohl tatsächlich spannender.

 

vor 18 Stunden schrieb Studiosus:

Das Bild, das Paul VI. hier zeichnet, hat damit kaum Berührungspunkte. Der Zölibat ist hier eindeutig die höherwertigere Lebensform, die engelsgleiche Lebensform, während die Ehe, wiewohl durch Christus zum Sakrament erhoben, den Menschen mehr oder weniger im Morast der Welt liegen lässt. Ja, hauptsächlich wegen des Sex. Das Ideal sexueller Askese ist hier als edle und erstrebenswerte Sache dargestellt. Richtig ist allerdings auch: Das würde heute keiner mehr so sagen, selbst der Papst nicht, obwohl diese Vorstellungen immer noch im Hintergrund der großen Reformdebatten unserer Tage stehen. Oft unausgesprochen, aber mit Händen zu greifen. [....]

 

Ich finde es bemerkenswert, dass Du das auch so siehst. Denn offiziell ist das ja nichts, was man "offiziöserseits" je zugeben würde.

 

vor 18 Stunden schrieb Studiosus:

Aber eigentlich ist das die "reine Lehre", eben der alte Glaube, der Väterglaube. Heute hält man sich an irgendein Amalgam, das Altes mit Modernerem verquirlt. Die verschiedenen Punkte, wo das nicht ineinander passt und zu Passgenauigkeiten oder sogar Widersprüchen im Lehrsystem führt, haben wir schon öfter hier thematisiert. Wenn man ganz ehrlich wäre, dann müsste man eigentlich sagen, dass katholischer Glaube ohne innere Widersprüche nur dann funktioniert, wenn man sich konsequent an die "alte Religion" hält, an das alte Dogma, die alte Interpretation der Schrift und die alte Moral.

 

Ich zähle mal aus meiner Sicht die Vor-und Nachteile auf, die sich ergeben würden, wenn man eben doch zur alten Moral zurückkehren würde (was DU ja nicht direkt forderst, aber als das "eigentlich Richtige" anzusehen scheinst.

 

Der Vorteil wäre aus meiner Sicht der einer größeren Stimmigkeit und Ehrlichkeit. Viele Gebote bzw. Verbote im Bereich der Sexualität passen eigentlich nicht wirklich zu einer positiven Sicht auf die Sexualität, und die Begründungen wirken konstruiert. Die alte Verbotsmoral ist im Wesentlichen in einer Zeit entstanden, in welcher man in der Sexualität ein Übel sah - und da passt diese Moral nun auch sachlich besser hin. Da lässt sie sich auch besser begründen.

 

Die Nachteile wären diese:

 

- Wo sollte man anfangen, wo sollte man aufhören? Sollte man dann auch gleich zu der überkommenen Lehre zurück, dass der Geschlechtsverkehr nur dann erlaubt ist, wenn ein Kind entstehen soll? Dann müsste man auch die seit Pius XII. bestehende Lehre von der natürlichen Familienplanung durch Zeitwahl liquidieren. Oder sollte man noch weiter zurück in Zeiten, in denen die Devise galt, dass selbst der "naturgemäße" eheliche Geschlechtsverkehr nie ganz ohne Sünde sein könne?

 

- Die negative und extrem restriktive Haltung (spät)antiken Strömungen wie z.B. Teilen der Stoa beeinflusst worden zu sein. Sind das genuin christliche Elemente, oder müsste man nicht auch diese hinter sich lassen und nach dem Geist des Evangeliums suchen?

 

- Die Kirche würde stark an Glaubwürdigkeit verlieren. Dass die Ehe wegen der Sexualität den Menschen "mehr oder weniger im Morast" liegen lässt ist eine Vorstellung, die außer den wirklich Konservativen wohl niemand mehr nachvollziehen kann.

 

- Die Kirche würde auch durch ihren inhaltlichen Schwenk an Glaubwürdigkeit verlieren. Es ist das eine zu sagen, dass man sich früher geirrt habe und Gott einen nach und nach in die "volle Wahrheit" führe. Aber die Behauptung, dass man früher die Wahrheit gehabt habe und Gott es zugelassen habe, dass man (Päpste und mindestens ein Konzil eingeschlossen) die Wahrheit verloren habe, wiegt noch schwerer.

 

- Ich halte es für gut möglich, dass viele "Konservative" im Grunde ihres Herzens eine sexualfeindliche Einstellung haben, weil diese eben durch die ganze Moral und überhaupt immer irgendwie nahegelegt werden, wenn auch, um es mit Deinen Worten zu sagen, "oft unausgesprochen, aber mit Händen zu greifen". Diese konservativen Katholiken würden sich an einer Wende dann vielleicht nicht aus inhaltlichen Gründen stören, aber wohl doch an dem "Bruch" mit der Lehre der letzten Päpste (und ev. auch des 2. Vatikanums, je nachdem wie konservativ sie sind). 

 

- Die Kirche legt großen Wert darauf, den Eindruck zu vermeiden, sie sei - gerade auch wegen des Zölibats ihrer Entscheidungsträger - sexualfeindlich oder habe gar ein "neurotisches" Verhältnis zur Sexualität. Das Sexuelle - sofern es denn ehelich und "offen für das Leben" und alles das ist - wird ja in den höchsten Tönen gelobt (und m.E. z.T. auch spirituell überhöht).

Man müsste nun im Nachhinein zugestehen, dass die Kritiker mit ihrem Vorwurf der Sexualfeindschaft völlig recht hatten, dass sämtliche Verteidigungsversuche gegenstandslos waren und dass alles offizielle "Lob" der Sexualität im Wesentlichen wohl eine große Selbsttäuschung war.

 

Aus diesen Gründen ist es auch äußerst unwahrscheinlich, dass es zu einer "Rolle rückwärts" kommt. Der Verlust an Ansehen und Prestige und die Blamage wären einfach zu groß. Ansonsten könnte ich als Kritikpunkt noch hinzufügen, dass die alte Lehre (wenn auch in sich stimmiger) nach meiner Überzeugung sogar noch absurder ist als die jetzige Lehre, und dass sie dem Menschen noch weniger gerecht wird, wenn ich wieder Klartext sprechen darf - aber dieser Punkt dürfte für die Kirche kaum eine Rolle spielen.

 

Man könnte sich allerdings auch noch dies fragen: Wenn es anzuraten wäre, dass die Kirche bei der Sexualmoral die Uhren zurückdreht, wieso soll sie es dann nicht anderswo auch tun? Wieso sollte man nicht wieder lehren, dass Ketzer auf den Scheiterhaufen gehören oder sogar die Sklaverei billigen? Sind religiöse Toleranz und die Abschaffung der Sklaverei nicht auch "säkulare" Errungenschaften, welche von der Kirche übernommen wurden?

 

bearbeitet von iskander
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vor 9 Stunden schrieb Gerhard Ingold:

[@Studiosus]

Ich staune immer wieder. Manchmal erkennst Du, ohne Probleme damit zu haben, dass sich die Vorfahren mit ihrer Sicht geirrt haben.

Dass sie sich geirrt haben, würdest Du natürlich nie sagen: Doch alles, was heute als richtiger betrachtet wird, kann gestern entsprechen nicht richtig gewesen sein. Wäre zB die Sklaverei je richtig gewesen, müsste sie auch heute richtig sein. Das ist natürlich ein krasses Beispiel.  Dennoch zeigt Dein Bejahen der Kritik @iskanderdoch, dass Du eigentlich nicht alles schluckst, was gestern rosa gefärbt wurde.

 

Ich glaube, da missinterpretierst Du @Studiosus. Er teilt zwar die Analyse, dass das Schreiben von Paul VI. "sexualpessimistisch" ist, um es mal so auszudrücken. Aber er sieht darin ja gerade keine Makel. Sondern die "traditionelle" negative Haltung zur Sexualität ist für ihn ja das eigentliche Ideal, zu dem man zwar aus pragmatischen Gründen schwer zurück kann, zu dem man aber "eigentlich" am besten zurückfinden müsste.

 

(Ich hoffe ich werde damit Deiner Position gerecht, @Studiosus?)

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vor 14 Stunden schrieb Werner001:

Dass geistig verwirrte Neurotiker vor Jahrhunderten ernsthaft solche Vorstellungen hatten, war mir bekannt. 

Dass Paul VI in dieser Gedankenwelt verhaftet war, war mir nicht bewusst, erklärt aber einiges, zum Beispiel, warum Humanae Vitae höchstens als Klopapier taugt.

 

Nach meinem bisherigen Eindruck war Paul VI. ein Mensch, der große Angst davor hatte, durch Veränderungen der Lehre die Autorität der Kirche zu schmälern. Aber wie man weiß, ist Furcht oft ein schlechter Ratgeber; und wenn man eine Entwicklung krampfhaft zu vermeiden vermeiden, leistet man ihr manchmal gerade dadurch Vorschub.

bearbeitet von iskander
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vor 25 Minuten schrieb iskander:

 

 Nach meinem bisherigen Eindruck war Paul VI. ein Mensch, der große Angst davor hatte, durch Veränderungen der Lehre die Autorität der Kirche zu schmälern. Aber wie man weiß, ist Furcht oft ein schlechter Ratgeber; und wenn man eine Entwicklung krampfhaft zu vermeiden vermeiden, leistet man ihr manchmal gerade dadurch Vorschub.

Angst vor Veränderung ist das eine, aber diese antiken Abstrusitäten zu zitieren und als Beleg für wasauchimmer zu preisen ist nochmal was ganz anderes. 

Werner

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vor einer Stunde schrieb iskander:

 

 Nach meinem bisherigen Eindruck war Paul VI. ein Mensch, der große Angst davor hatte, durch Veränderungen der Lehre die Autorität der Kirche zu schmälern. Aber wie man weiß, ist Furcht oft ein schlechter Ratgeber; und wenn man eine Entwicklung krampfhaft zu vermeiden vermeiden, leistet man ihr manchmal gerade dadurch Vorschub.

 

Mmh, da weiß ich nicht, ob ich dieser Aussage so zustimmen kann. Für das hier verhandelte Zölibatsthema trifft das vielleicht zu. Aber insgesamt hat Paul VI. - der Konzilspapst, der nicht nur das Konzil fortsetzte, sondern das Konzil einschließlich der wichtigsten Dokumente zum Abschluß brachte und die Änderungen mit Nachdruck implementierte - schon ziemlich engagiert an der Kirchenreform mitgewirkt. Und auch nicht gezögert, Dissidenten vor die Türe zu setzen. Aber das ist nur mein Eindruck. 

 

Anderseits gibt es auch Anhaltspunkte, dass Paul VI. manchmal vor der eigenen Courage (seiner eigenen und der des Konzils) erschrocken ist. So geht etwa die sogenannte NEP, nota explicativa praevia, zur Kirchenkonstitution Lumen Gentium wohl maßgeblich auf den Papst selbst (und das Insistieren der Konservativen Fraktion) zurück. Und eine Begebenheiten, die in Traditionalistenkreisen kolportiert wird, mag das zusätzlich illustrieren: Als Papst Paul VI. in der Nachkonzilszeit nach Pfingsten die Messe zelebrieren wollte und statt roter Paramente grüne Gewänder vorfand, fragte er den Sakristan, was das solle. Es sei doch Pfingstoktav. Der Sakristan antwortete verdutzt: "Aber Heiliger Vater, die Pfingstoktav haben Sie doch mit dem neuen Missale abgeschafft". Daraufhin soll Paul VI. bitter geweint haben.*

 

Macht damit, was ihr wollt. Aber wie der Italiener sagt: Wenn es nicht wahr ist, so ist es doch zumindest gut erfunden. 

 

Ohne das werten zu wollen, so muss man doch sagen - auch wenn man den Änderungen positiv gegenüber steht -, dass das Konzil und die nachkonziliare Implementation desselben doch mit teilweise jahrhundertealten Traditionen gebrochen hat (ja, unter dieser Hinsicht bin ich tatsächlich ein Hermeneutiker des Bruchs). Das mag selbst für diejenigen, die diesen Wandel selbst herbei geführt haben, nicht ohne eine gewisse Adaptionszeit zu akzeptieren gewesen sein. Wenn man es genau nimmt, und diese Meinung scheint auf Papst Franziskus zu teilen, befinden wir uns selbst heute im Jahr 2023 noch in der Rezeptionsphase der Konzils. Nun sind 60 Jahre vor dem Angesicht der Kirche wahrlich keine Zeit. Allerdings haben sich die Zeiten geändert und die Welt ist ungemein schnelllebiger als noch zu Zeiten des Tridentinums, sodass Lehren, die heute 60 Jahre alt sind, uns schon wieder unweigerlich anachronistisch und sehr "zeitgebunden" vorkommen. 

 

 

 

 

*Entfernt erinnert mich das an eine ganz junge Begebenheit, bei der Papst Franziskus die neue Fassung des Vaterunsers in der Landessprache versehentlich auch nicht benutzt hat, sondern die alte verwendete. Dabei war er es, der die Änderung angestoßen hat. Wie sagt man? Old habits die hard. Und das trifft besonders auf die Kirche zu. 

bearbeitet von Studiosus
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vor 12 Minuten schrieb Werner001:

Angst vor Veränderung ist das eine, aber diese antiken Abstrusitäten zu zitieren und als Beleg für wasauchimmer zu preisen ist nochmal was ganz anderes. 

Werner

 

Ich nehme an, dass das auch viel mit Psychologie zu tun hat. Es gibt ja auchausgeglichene Leute, die bewusst die zölibatäre Lebensform wählen und damit allem Anschein nach auch gut zurechtkommen (manche Mönche etwa).

Aber nun nimm an, jemand schluckt den Zölibat, weil er Priester werden will, ist selbst aber nicht "zölibatär hochbegabt" und quält sich da mit Ach und Krach durch. Nun steigt derjenige in eine hohe oder sehr hohe Position auf, vielleicht mit Mitte oder Ende 60. Vielleicht muss er insgeheim mit dem Gedanken kämpfen, dass ein nicht-zölibatäres Leben ih glücklicher gemacht hätte. Aber nun hat es kaum noch einen Sinn; was soll man mit 67 noch sein gesamtes Leben umstellen? Zudem sieht man vielleicht, dass auch viele andere Priester mit dem Zölibat Probleme haben, sich laisieren lassen usw. Aber man getraut sich auch nicht, den Zölibat infragezustellen, weil man ängstlich der Tradition verhaftet ist.

 

In dieser Situation ist es doch psychologisch naheliegend, dass man den Zölibat bis zum Gehtnichtmehr überhöht, um alle Kritik und vor allem auch alle eigenen Zweifel zu zerstreuen. Ich möchte mich damit nicht auf eine spezifische Person (wie Paul VI.) beziehen, aber ich glaube, dass das eine Dynamik ist, die bei manchen Entscheidungsträgern eine Rolle spielt.

 

Ich hatte auch mal eine Umfrage gelesen, nach welcher die meisten jungen Priester für die Aufhebung der Zölibatspflicht sind und die meisten älteren dagegen. Wenn das kein zeitlich befristetes Phänomen ist, sondern ein anhaltendes Muster sein sollte, würde das auch für meine Überlegung sprechen. Und in der Kirche haben die alten Männer die Macht, nicht die jüngeren.

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vor 7 Minuten schrieb Studiosus:

 

Mmh, da weiß ich nicht, ob ich dieser Aussage so zustimmen kann. Für das hier verhandelte Zölibatsthema trifft das vielleicht zu. Aber insgesamt hat Paul VI. - der Konzilspapst, der nicht nur das Konzil fortsetzte, sondern das Konzil einschließlich der wichtigsten Dokumente zum Abschluß brachte und die Änderungen mit Nachdruck implementierte - schon ziemlich engagiert an der Kirchenreform mitgewirkt. Und auch nicht gezögert, Dissidenten vor die Türe zu setzen. Aber das ist nur mein Eindruck. 

 

Anderseits gibt es auch Anhaltspunkte, dass Paul VI. manchmal vor der eigenen Courage (seiner eigenen und der des Konzils) erschrocken ist. So geht etwa die sogenannte NEP, nota explicativa praevia, zur Kirchenkonstitution Lumen Gentium wohl maßgeblich auf den Papst selbst (und das Insistieren der Konservativen Fraktion) zurück. Und eine Begebenheiten, die in Traditionalistenkreisen kolportiert wird, mag das zusätzlich illustrieren: Als Papst Paul VI. in der Nachkonzilszeit nach Pfingsten die Messe zelebrieren wollte und statt roter Paramente grüne Gewänder vorfand, fragte er den Sakristan, was das solle. Es sei doch Pfingstoktav. Der Sakristan antwortete verdutzt: "Aber Heiliger Vater, die Pfingstoktav hat das Konzil doch abgeschafft". Daraufhin soll Paul VI. bitter geweint haben. 

 

Macht damit, was ihr wollt. Aber wie der Italiener sagt: Wenn es nicht wahr ist, so ist es doch zumindest gut erfunden. 

 

 

 

Die Anlehnung der Reform der Empfängnisverhütung scheint jedenfalls auch wesentlich damit zu tun zu haben, dass Paul VI. sich nicht gegen die bisherige Lehre stellen wollte (Küng berichtet, dass er sich unsicher war, ob eine Enzyklika - ich weiß nicht mehr welche, vermute aber Casti Connubii - nicht womöglich als Dogma zu verstehen sei).

 

Auch hatte er offenbar die Furcht dass die Leute in sexualethischen Fragen nicht mehr auf die Kirche hören, wenn eine Lehre geändert wird.

Und hier ist dann das Gegenteil eingetreten: Wegen Humane Vitae haben sehr viele Katholiken das Lehramt in Fragen der Sexualmoral überhaupt abgeschrieben, so dass Katholiken dann teilweise "laxere" Vorstellungen hatten als Protestanten. Das ist auch das, woran ich primär dachte, als ich schrieb: "...und wenn man eine Entwicklung krampfhaft zu vermeiden vermeiden, leistet man ihr manchmal gerade dadurch Vorschub".

 

Allerdings muss man über Paul VI. wohl auch sagen, dass er insgesamt wesentlich mehr Widerspruch duldete als seine Nachfolger. Er duldete eher abweichende Meinungen oder ernannte Bischöfe mit abweichenden Ansichten. Auch bei den Laisierungen war er großzügiger als JPII es während großer Teile seines Pontifikates war.

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"Die Vereinigung der verheirateten Priester in Italien hat Vorschläge aus Deutschland für die Aufhebung des Pflichtzölibats gelobt. [...] Die italienische Vereinigung 'Vocatio' vertritt nach eigenen Angaben rund 5.000 Priester, die aufgrund von Heirat oder Lebenspartnerschaft ihren Dienst nicht mehr ausüben dürfen."

https://katholisch.de/artikel/44177-italiens-verheiratete-priester-loben-deutsche-zoelibatsdebatte

 

5.000 wäre viel, wenn man bedenkt, dass es in Italien 32.000 Priester gibt und dass ein Großteil der Priester, die mit einem Partner (m/w/d) zusammenleben, das offenbar heimlich tut und im Amt bleibt.

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Dass Betroffene aus dem Ausland den deutschen Vorstoß loben, überrascht nun nicht wirklich. Das ist ja meistens so. 

 

Worauf ich warte (und was mir mehr imponierte), wäre eine Solidaritätserklärung überzeugt und glücklich im Zölibat lebender Priester, die trotzdem die Freistellung des Zölibats unterstützten. Also keine Einzelstimmen, sondern einen große Solidaritätsbekundung. 

bearbeitet von Studiosus
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vor 24 Minuten schrieb iskander:

Küng berichtet, dass er sich unsicher war, ob eine Enzyklika - ich weiß nicht mehr welche, vermute aber Casti Connubii - nicht womöglich als Dogma zu verstehen sei

Eine seltsame Aussage. Ein Dogma ist doch der katholischen Legende zufolge ein Offenbarung Gottes. Wie kann sich denn ein Papst unsicher sein, ob etwas eine göttliche Offenbarung ist oder nicht?

Heißt das denn, dass selbst Päpste nicht wissen, wie man eine göttliche Offenbarung erkennen kann, oder dass auch Päpste die Legende von den angeblichen göttlichen Offenbarungen nicht glauben?

 

Ich vermute stark letzteres

 

Werner

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vor 12 Minuten schrieb Studiosus:

Worauf ich warte (und was mir mehr imponierte), wäre eine Solidaritätserklärung überzeugt und glücklich im Zölibat lebender Priester, die trotzdem die Freistellung des Zölibats unterstützten.

Ich überlege gerade krampfhaft, aus welchen Gründen ein Priester, der selbst überzeugt und glücklich im Zölibat lebt, wohl fordern könnte, das Zölibat auch Leuten aufzunötigen, die damit nicht überzeugt und glücklich leben, sondern es nur als notwendiges Übel in Kauf nehmen.

 

Werner

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vor 11 Minuten schrieb Werner001:

Eine seltsame Aussage. Ein Dogma ist doch der katholischen Legende zufolge ein Offenbarung Gottes. Wie kann sich denn ein Papst unsicher sein, ob etwas eine göttliche Offenbarung ist oder nicht?

Heißt das denn, dass selbst Päpste nicht wissen, wie man eine göttliche Offenbarung erkennen kann, oder dass auch Päpste die Legende von den angeblichen göttlichen Offenbarungen nicht glauben?

 

Ich vermute stark letzteres

 

Werner

 

Die Formulierungen von Casti Connubii sind wohl so gehalten, dass manche Leute glauben, dass es der Form eines Dogmas Genüge tut. Und Paul VI.war sich dessen wohl unsicher. Ich finde leider das Original-Zitat von Küng nicht. Ich hatte mir das entsprechende Buch damals in einer Buchhandlung angesehen, aber nicht gekauft. Küng beruft sich jedoch auf eine Privat-Audienz und die Reaktion auf Küngs Aussage, dass es sich bei dieser Frage ja nicht um ein Dogma handele. Das war vor der Verkündigung von "Humanae Vitae", als das Thema breit diskutiert wurde.

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vor 26 Minuten schrieb Studiosus:

Dass Betroffene aus dem Ausland den deutschen Vorstoß loben, überrascht nun nicht wirklich. Das ist ja meistens so. 

 

Worauf ich warte (und was mir mehr imponierte), wäre eine Solidaritätserklärung überzeugt und glücklich im Zölibat lebender Priester, die trotzdem die Freistellung des Zölibats unterstützten. Also keine Einzelstimmen, sondern einen große Solidaritätsbekundung. 

 

Hier gibt es eine interessante Studie dazu (und zu anderen Aspekten):

 

https://cruxnow.com/church-in-the-americas/2023/03/survey-shows-brazilian-priests-struggling-with-stress-loneliness

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vor 5 Minuten schrieb iskander:

Die Formulierungen von Casti Connubii sind wohl so gehalten, dass manche Leute glauben, dass es der Form eines Dogmas Genüge tut. Und Paul VI.war sich dessen wohl unsicher.

„Formulierungen“ sind was fürs dumme Volk.

Wenn ein Papst eine göttliche Offenbarung nicht als solche erkennen kann, ist es keine, egal wie sie formuliert ist

 

(ich persönlich halte das mit den göttlichen Offenbarungen eh für ein Märchen zur Volksverdummung)

 

Werner

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vor 9 Minuten schrieb rorro:

 

Hier gibt es eine interessante Studie dazu (und zu anderen Aspekten):

 

https://cruxnow.com/church-in-the-americas/2023/03/survey-shows-brazilian-priests-struggling-with-stress-loneliness

 

Das ist in der Tat interessant. Besonders der Umstand, dass trotz der beschriebenen Probleme mehr als 86 Prozent der befragten Priester den Zölibat nicht kritisieren. 

 

Wenn ich diesen Artikel so lese, dann scheint mir auch nicht die Ehelosigkeit als solche, sondern andere Umstände, so z. B. die Beziehungslosigkeit (im zwischenmenschlichen Sinne, Freundschaften) und die Arbeitsbelastung eine große Rolle zu spielen. 

 

Natürlich lassen sich die Erkenntnisse aus Brasilien nicht ohne Schärfeverlust auf Deutschland oder andere Länder übertragen. Aber auch hier scheinen eher Einsamkeit und Überlastung, und in der Folge spirituelle Austrocknung, die Wurzelprobleme zu sein. Muss dafür der Zölibat freigestellt werden? Ich denke hier könnte man erstmal andere Wege versuchen, so z. B. eine breitere Großzügigkeit der Bischöfe bei der Realisierung einer priesterlichen vita communis. Dann residiert ein einzelner Priester nicht mehr allein in einem Pfarrhaus, sondern es gibt Kollegien, Häuser, in denen Priester gemeinschaftlich leben. Dass es nicht gut ist, wenn Weltgeistliche sich selbst überlassen herum schwirren, war schon eine Erkenntnis, die Chrodegang von Metz hatte (und entsprechende Konsequenzen nach sich zog). 

bearbeitet von Studiosus
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vor 33 Minuten schrieb Studiosus:

Dann residiert ein einzelner Priester nicht mehr allein in einem Pfarrhaus, sondern es gibt Kollegien, Häuser, in denen Priester gemeinschaftlich leben. Dass es nicht gut ist, wenn Weltgeistliche sich selbst überlassen herum schwirren, war schon eine Erkenntnis, die Chrodegang von Metz hatte (und entsprechende Konsequenzen nach sich zog). 

Gute Idee. Kollidiert mit der Residenzpflicht des Pfarrers. Wobei ich ein Abweichen von römischen Vorgaben hier sehr begrüße.

bearbeitet von Chrysologus
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vor 1 Minute schrieb Chrysologus:

Gute Idee. Kollidiert mit der Residenzpflicht des Pfarrers.

 

Daher sprach ich von der breiteren Großzügigkeit der Bischöfe. Oder wenn die Änderung dieser Norm einer Zustimmung aus Rom bedarf, dann auch diese. Ich denke dafür könnte es eher Mehrheiten geben als für die Freistellung des Zölibats. 

 

Und überhaupt wird man sich in Deutschland, aber sicher nicht nur dort, auf Kurz oder Lang die Frage stellen müssen, ob das Parochialsystem in seiner derzeitigen Form noch Zukunft hat. 

 

Wie ist das eigentlich mit den schon existierenden kirchlichen Großstrukturen a. k. a. Pastorale Räume, in denen mehrerer ehedem selbständige Pfarrerin aufgehen? Wo residiert dort der "moderierende Pfarrer"? In der Pfarrei, die man als "Kernpfarrei" festgelegt hat? 

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vor 40 Minuten schrieb Studiosus:

Ich denke hier könnte man erstmal andere Wege versuchen, so z. B. eine breitere Großzügigkeit der Bischöfe bei der Realisierung einer priesterlichen vita communis. Dann residiert ein einzelner Priester nicht mehr allein in einem Pfarrhaus, sondern es gibt Kollegien, Häuser, in denen Priester gemeinschaftlich leben. Dass es nicht gut ist, wenn Weltgeistliche sich selbst überlassen herum schwirren, war schon eine Erkenntnis, die Chrodegang von Metz hatte (und entsprechende Konsequenzen nach sich zog). 

 

Und/oder man macht es so wie Bischof Oster: man wohnt einfach mit Laien zusammen, Familien bspw.

Gibt auch mehr Bodenhaftung.

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vor 4 Minuten schrieb Studiosus:

Und überhaupt wird man sich in Deutschland, aber sicher nicht nur dort, auf Kurz oder Lang die Frage stellen müssen, ob das Parochialsystem in seiner derzeitigen Form noch Zukunft hat. 

Die Frage stellt man sich. Rom schaut aus dem Fenster und sieht genügend Priester - und lehnt entsprechende Ideen ab. Das Parochialsystem ist de facto weltweit so tot wie die Sonntagseucharistie nice to have ist, ersetzbar geworden.

Nur müssen wir uns die Frage nicht stellen.

 

 

 

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vor 12 Minuten schrieb rorro:

 

Und/oder man macht es so wie Bischof Oster: man wohnt einfach mit Laien zusammen, Familien bspw.

Gibt auch mehr Bodenhaftung.

 

Eben. Hauptsache nicht allein als etwas verschrobener Einzelgänger. Es könnten sich auch kleinere geistliche Gemeinschaften, das müssen nicht alles Kleriker sein, strategisch klug in den Diözesen platzieren und Weltpriester könnten dort, neben einer etwaigen Funktion als Pfarrer, mitleben. 

 

Da hätte ich mir mal kreative Impulse z. B. von den Deutschen erhofft. Wer die Überprüfung von Zölibatspflicht und Frauenordination fordern kann, der hätte auch die Lockerung einer in der Taxonomie eher tief stehenden Norm wie der Residenzpflicht der Pfarrer anregen können. Vielleicht hat das Priesterforum entsprechende Gedanken formuliert, das ist mir gerade nicht präsent. 

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