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Synodaler Weg - schon versperrt?


Jan_Duever

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vor 3 Stunden schrieb Studiosus:

Eine menschliche Braut passt da nicht mehr hinein, der verheiratete Priester müsste zum geistlichen Bigamisten werden, wollte er Kirche und Ehefrau in gleicher Weise dienen. [....]  Zwar bezeugt die Kirchengeschichte über lange Strecken verheiratete Priester mit Familie (in der unierten und nichtunierten Orthodoxie bis heute) [....]

 

Wir haben hier wieder mal ein Beispiel für einen Punkt, auf den vor allem @Werner001 immer wieder hinweist: Man beruft sich dort auf die Bibel bzw. das NT, wo es passt, und anderswo nicht. Schließlich heißt es ja in 1 Tim, 3, 1, ff:

 

"Das ist gewisslich wahr: Wenn jemand ein Bischofsamt erstrebt, begehrt er eine hohe Aufgabe. Ein Bischof aber soll untadelig sein, Mann einer einzigen Frau, nüchtern, besonnen, würdig, gastfrei, geschickt im Lehren, kein Säufer, nicht gewalttätig, sondern gütig, nicht streitsüchtig, nicht geldgierig, einer, der seinem eigenen Haus gut vorsteht und gehorsame Kinder hat, in aller Ehrbarkeit. Denn wenn jemand seinem eigenen Haus nicht vorzustehen weiß, wie soll er für die Gemeinde Gottes sorgen?"

 

Man wird doch in aller Ehrlichkeit zugeben müssen, dass Deine Perspektive auf die Ehe und Familie des Bischofs bzw. Priesters und die Haltung des Verfassers des 1. Timotheusbriefes nicht gerade eine harmonische Einheit bilden, wenn ich es vorsichtig ausdrücken darf...

 

vor 3 Stunden schrieb Studiosus:

[....] aber es spricht nichts dagegen, anzunehmen, dass die Kirche aus ihren Erfahrungen gelernt hat und daher den Pflichtzölibat - den Lokalsynoden seit Elvira immer wieder ins Spiel gebracht haben - als universale Praxis in der lateinischen Kirche für überaus angemessen erkannt hat.

 

Wenn ich mir die Begründungen, die historische Entwicklung und die Praxis ansehe, habe zumindest ich einen etwas anderen Eindruck. Zum einen gab es beispielsweise wohl auch finanzielle Motive. Und dann ist die Sexualfeindschaft sicherlich ein Aspekt, auch wenn das heute gerne abgestritten wird. Dazu Pfürtner (Kirche und Sexualität):

 

"Fest steht, daß PIUS XII. mit der folgenden Aussage eben jene unterschwellig wirkende Auffassung artikuliert hat, von der PIEPER glaubte, daß sie der Vergangenheit angehört. Nach PIUS XII. «enthalten sich die Verwalter der heiligen Geheimnisse [die Priester. D. A] nicht nur deshalb ganz der Ehe, weil sie ein apostolisches Amt versehen, sondern ebenso, weil sie dem Altar dienen. Wenn schon die Priester des Alten Testamentes, während sie den Tempeldienst versahen, vom Gebrauch der Ehe abstanden, damit sie nicht wie die übrigen Menschen vom Gesetz als unrein erklärt würden (vgl. Lev. 15, 16-17 u. 1. Sam. 21,5-7), um wieviel mehr geziemt es sich, daß die Diener Jesu Christi, die täglich das eucharistische Opfer darbringen, in ständiger Keuschheit leben ... Auch aus diesem Grunde vor allem muß gesagt werden, was die klare Lehre der Kirche ist: daß die heilige Jungfräulichkeit durch ihren hohen Wert die Ehe überrage» (PIUS XII. 1954, S. 11 f). Also nicht nur weil der Träger des geistlichen Amtes freier von familiären Verpflichtungen für seine Funktionen sein soll, sondern weil sexuelles Leben aus dem aufgezeigten motivgeschichtlichen Zusammenhang immer noch für den Dienst am Heiligen disqualifiziert, gilt die Zölibatspflicht für den Priester. Das muß im katholischen Raum endlich deutlich gemacht werden. Nur dann kann man sich mit dem heimlich wirkenden schöpfungsfeindlichen Sexualpessimismus in der Kirche aufrichtig und ohne Beschönigung konfrontieren."

 

Soweit solche Einstellungen noch eine Rolle spielen, würde sich die Kirche ehrlich machen, wenn sie dazu wenigstens offen stünde. Die konkrete Geschichte der Durchsetzung des Zölibats ist im Übrigen auch nicht besonders "spirituell". Deschner (Das Kreuz mit der Kirche) dazu:

 

"Da der Papst der eigenen Prälaten oft nicht sicher war - einige Episkopen, wie die von Reims und Bamberg, setzte er ab [1090] — , wiegelte er nicht nur weltliche Herrscher, sondern auch die Masse auf, von deren Mithilfe er eine »heilsame Wirkung« erhoffte [1091]. Er entband sie vom Gehorsam, erklärte, der Segen verehelichter Kleriker verwandle sich in Fluch, ihr Gebet in Sünde, worauf viele keine Messen der »Götzen- und Teufelsdiener« mehr besuchten, keine Sakramente von ihnen empfingen, statt Öl und Chrysam schmutziges Ohrenschmalz nahmen, ihre Kinder selbst tauften, »das Blut des Herrn« verschütteten, seinen »Leib« mit Füßen traten und sich von solchen »Heiden« nicht einmal mehr begraben lassen wollten [1092]. [...] »Die Kleriker«, berichtet der Bischof von Gembloux, »sind der Verhöhnung auf offener Straße ausgesetzt; wo sie sich zeigen, empfängt sie wüstes Geschrei, man zeigt mit Fingern auf sie, man greift sie tätlich an. Manche sind um Hab und Gut gekommen... Andere sind verstümmelt worden... Wieder andere hat man in langen Martern hingeschlachtet, und ihr Blut schreit zum Himmel um Rache [1099].«
Tatsächlich ergriff man wieder die Waffen, focht selbst in den Kirchen (nachher reinigte man sie mit Weihwasser!), Geistliche wurden während des Gottesdienstes ermordet und ihre Frauen auf den Altären geschändet [1100]. Kurz, ähnlich wie in Mailand ging es in Cremona zu, in Pavia und Padua; auch in Deutschland, Frankreich und Spanien kam es zu Tumulten. Das Chaos war derart, daß man das Weltende erwartete [1101]. Um 1212 soll allein der Bischof von Straßburg annähernd einhundert Zölibatsgegner verbrannt haben [1102]."

 

Dafür habe man dann aber die "illegitimen" Verbindungen der Priester gegen Geld ("Hurenzins") oftmals bereitwillig geduldet, so ebenfalls Deschner:

 

"Die oberhirtliche Ausbeutung ging aber weiter. So registrieren 1520 die »100 Beschwerden der deutschen Nation«: »Ebenso dulden vielerorten die Bischöfe und ihre Offizialen nicht nur den Konkubinat der Priester, sofern eine gewisse Geldsumme bezahlt wird, sondern sie zwingen auch die enthaltsamen Priester, welche
ohne Konkubinen leben, den Konkubinenzins zu entrichten, indem sie sagen, der Bischof sei des Geldes bedürftig; sei es bezahlt, so stünde es den Priestern frei, entweder enthaltsam zu bleiben oder Konkubinen zu halten [1111].« Diese Erpressungen grassierten derart, daß es, wie Agrippa von Nettesheim mitteilt, geradezu sprichwörtlich hieß: »Er habe oder habe nicht, er muß Geld zahlen für die Konkubine und mag eine haben, wenn er will.« In anderer Version: »Wenn du keine Konkubine hast, so nimm dir eine, dieweil der Bischof Geld haben will.« Oder: »Keusche Pfaffen sind dem Bischof nicht zuträglich und sind demselben auch feind [1112]. [....]

Die Reformatoren prangerten den »Hurenzins« scharf an. So verfocht Zwingli 1523 im Züricher Rathaus gegen den Generalvikar des Konstanzer Bischofs erfolgreich den Satz: »Er kenne kein größeres Ärgernis, als daß man den Pfaffen nicht erlaubt, Eheweiber zu haben, aber ihnen um Bezahlung Huren zu halten gestattet [1115].«"

 

Schaut man sich das und manches andere an, fragt man sich wirklich, ob der Zölibat zustandekam und aufrechterhalten wurde, weil die Kirche aus irgendwelchen "Erfahrungen" weise und reflektiert gelernt hat, oder ob es nicht wesentlich weniger erhabene Motive sind, die die Geschichte des Zölibats erklären...

bearbeitet von iskander
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vor 5 Minuten schrieb Studiosus:

 

Geistliche Bigamisten. Und nein, nach den theologischen und kanonischen Maßstäben ihrer Zeit oder ihrer kirchlichen Eigentradition sind bzw. waren sie das sicher nicht. 

 

Aber diese Maßstäbe sind objektiv falsch, möchtest Du sagen. Es sind in tat und Wahrheit geistliche Bigamisten. Auch wenn sie nach dem Gesetz der kath. Kirche handeln (denn diese umfasst ja nicht nur die lateinische Kirche!). Das heißt. Die kath. Kirche erlaubt einem Teil ihrer Priester offiziell, geistliche Bigamisten zu sein!

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vor 8 Minuten schrieb iskander:

 

Aber diese Maßstäbe sind objektiv falsch, möchtest Du sagen. 

 

Bei aller Liebe: Was ich sagen möchte, sollte man doch mir zu sagen überlassen. 

 

vor 8 Minuten schrieb iskander:

Die kath. Kirche erlaubt einem Teil ihrer Priester offiziell, geistliche Bigamisten zu sein!

 

Das ist korrekt. Aber nicht unbedingt deswegen, weil sie diese Art der Klerogamie an und für sich als besonders wertvoll erachtet.

 

Um auch hier einmal die harten Fakten zu benennen: Die Priesterehe der Orientalen war Gegenstand der diversen Unionsverhandlungen der römischen Kirche mit den jetzt katholischen Ostkirchen. Und wie es bei Verhandlungen eben so ist, muss jede Seite ein Entgegenkommen zeigen. Da es sich beim Zölibat um eine kirchliche Rechtsverfügung handelt, konnte man in diesem Punkt nachgegen, um das übergeordnete Ziel, die Union mit den Ostkirchen, nicht zu behindern. 

 

Dasselbe ist übrigens, wenn auch in kleinerem Maßstab, seit Pius XII. im Zusammenhang mit der Aufnahme verheirateter und konversionswilliger Prediger der protestantischen Gemeinschaften der Fall. 

 

Es sind eng umgrenzte Ausnahmen von der Regel, die das Ziel im Blick haben, getrennten Brüdern die Heimkehr oder Konversion zu erleichtern. Keine allgemeinen Richtungsentscheidungen mit Signalcharakter. 

bearbeitet von Studiosus
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vor 4 Minuten schrieb Studiosus:

 

Bei aller Liebe: Was ich sagen möchte, sollte man doch mir zu sagen überlassen. 

 

 

Das ist korrekt. Aber nicht unbedingt deswegen, weil sie diese Art der Klerogamie an und für sich als besonders wertvoll erachtet.

 

Um auch hier einmal die harten Fakten zu benennen: Die Priesterehe der Orientalen war Gegenstand der diversen Unionsverhandlungen der römischen Kirche mit den jetzt katholischen Ostkirchen. Und wie es bei Verhandlungen eben so ist, muss jede Seite ein Entgegenkommen zeigen. Da es sich beim Zölibat um eine kirchliche Rechtsverfügung handelt, konnte man in diesem Punkt nachgegen, um das übergeordnete Ziel, die Union mit den Ostkirchen, nicht zu behindern. 

 

Dasselbe ist übrigens, wenn auch in kleinerem Maßstab, seit Pius XII. im Zusammenhang mit der Aufnahme verheirateter und konversionswilliger Prediger der protestantischen Gemeinschaften der Fall. 

 

Es sind eng umgrenzte Ausnahmen von der Regel, die das Ziel im Blick haben, getrennten Brüdern die Heimkehr oder Konversion zu erleichtern. Keine allgemeinen Richtungsentscheidungen mit Signalcharakter. 

Kurz gesagt: päpstliche Machtausdehnung ist allemal wichtiger als „heiligeJungfräulichkeit“ und „ständige Keuschheit wegen der Darbringung des Opfers Christi“

 

Werner

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vor 17 Minuten schrieb Studiosus:

Bei aller Liebe: Was ich sagen möchte, sollte man doch mir zu sagen überlassen.

 

Ich wollte Dir nichts unterstellen, aber so habe ich Dich verstanden. Du schreibst einerseits davon, dass "der verheiratete Priester müsste zum geistlichen Bigamisten werden" müsse und andererseits, dass sie das "nach den theologischen und kanonischen Maßstäben ihrer Zeit oder ihrer kirchlichen Eigentradition [nicht] sind bzw. waren" (Hervorhebung durch mich).

 

Wie soll ich das anders interpretieren, als dass es sich Deiner Meinung nach objektiv um "geistliche Bigamie" handelt, dass dies aber nach den Maßstäben dieser Leute nicht so ist - und diese Maßstäbe also dann wohl falsch sein müssen?

bearbeitet von iskander
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vor 31 Minuten schrieb Werner001:

Kurz gesagt: päpstliche Machtausdehnung ist allemal wichtiger als „heiligeJungfräulichkeit“ und „ständige Keuschheit wegen der Darbringung des Opfers Christi“

 

Werner

 

Das kann man, wenn man zynisch auf Kirche und Welt blickt, so sagen. Man könnte auch sagen, der Einheitsdienst der Päpste hat sie dazu veranlasst in Bereichen, die nicht göttliches Recht berühren, die Zügel mit Blick auf die getrennten Brüder etwas lockerer zu lassen. 

 

Und zu der letzten Formulierung: Die Priesterehe der Orientalen führt u. a. dazu, dass der Konnex von ritueller Reinheit und Eucharistie, den die lateinische Kirche nicht mehr in den Vordergrund stellt, sehr deutlich zum Vorschein kommt. So ist es in den orientalischen Kirchen üblich, dass sich die Priester trotz Heirat vor der Zelebration der Mysterien dem ehelichen Verkehr temporär enthalten, um in einem Zustand der spirituellen und physischen Reinheit zu zelebrieren. Was verschmerzbar erscheint, da in der Orthodoxie die tägliche Messfeier nicht Usus ist. Allerdings ist das ein starkes Indiz, dass selbst im Osten, der sich das Recht der Priesterehe gegen Widerstände bewahrt hat, der verheiratete Klerus offensichtlich nicht das Idealbild darstellt. Wie könnte er auch? Es sind nicht zuletzt die östlichen Väter, welche die Jungfräulichkeit und Keuschheit überschwänglich loben. Hier gibt es also ein gewisses Abrücken von der sonst so hoch gehaltenen Vätertradition. 

 

Dass aus den Reihen der ehelich lebenden Priester keine Bischöfe erwählt werden, ist ebenfalls weithin bekannt. 

 

De facto gibt es also u. a. aufgrund der Priesterehe in der Orthodoxie ein Klassensystem unter den Klerikern, die einen verheirateten Priester prinzipiell von höheren Weihen ausschließt - wörtlich und im übertragenen Sinne. 

bearbeitet von Studiosus
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vor 5 Stunden schrieb Studiosus:

Es geht hier eher um die Ebene der Christusrepräsentanz (auch außerhalb der Liturgie). 

Wenn der Priester auch außerhalb der Liturgie Christus repräsentiert, handelt er dann immer in Persona Christi?

 

Wenn er Blumen giesst, giesst er dann Blumen oder segnet er sie mit Weihwasser. 

Wenn er seinem alten Schulkameraden ne WhatsApp schreibt, schreibt die in Wirklichkeit Christus?

 

Verzeih die Ironie, aber wenn es um Christusrepräsentanz außerhalb der Liturgie geht ist doch die Frage ob und wann er auch außerhalb der Liturgie in Persona Christi handelt bzw. warum er es nicht tut.

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vor 1 Minute schrieb Frank:

Wenn der Priester auch außerhalb der Liturgie Christus repräsentiert, handelt er dann immer in Persona Christi?

 

Das denke ich nicht. Die Christusrepräsentanz in der (vor allem eucharistischen) Liturgie, die mit der oft verkürzt dargelegten Formel in persona Christi capitis verknüpft ist, ist ein Sonderfall oder gewissermaßen der Gipfel der Christusrepräsentanz. Mancher würde vielleicht argumentieren, es sei der einzige Fall, in dem ein Priester Christus repräsentiert. 

 

Das wäre mir allerdings ein wenig zu formalistisch und funktional gedacht. Der Priester, so ist zumindest die Idee, ist durch seine Weihe nochmals besonders im Volk Gottes herausgehoben und soll danach streben, Christus in allem immer ähnlicher zu werden. Das erschöpft sich meines Erachtens nicht allein auf den Bereich der Liturgie, sondern ist sozusagen ein Programm, das das ganze Leben durchzieht. 

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vor 6 Stunden schrieb Studiosus:

Das Priesteramt ist nicht mit anderen, "weltlichen" Berufen vergleichbar. Auch kirchenintern nicht mit dem Job von Laientheologen. 

 

Der Priester ist durch seine Weihe in ganz besonderer Weise ausgesondert für den Dienst an der Kirche, die gleichsam seine Braut geworden ist. Eine menschliche Braut passt da nicht mehr hinein, der verheiratete Priester müsste zum geistlichen Bigamisten werden, wollte er Kirche und Ehefrau in gleicher Weise dienen. Damit erledigt sich auch die Frage nach Kindern und Familiengründung. Zwar bezeugt die Kirchengeschichte über lange Strecken verheiratete Priester mit Familie (in der unierten und nichtunierten Orthodoxie bis heute), aber es spricht nichts dagegen, anzunehmen, dass die Kirche aus ihren Erfahrungen gelernt hat und daher den Pflichtzölibat - den Lokalsynoden seit Elvira immer wieder ins Spiel gebracht haben - als universale Praxis in der lateinischen Kirche für überaus angemessen erkannt hat.

 

Die Befürworter eines optionalen Zölibats sehen meines Erachtens den Priester zu sehr auf der Ebene seiner bürgerlichen Existenz. Wenn man diesen Skopus einnimmt, dann will es tatsächlich nicht einleuchten, warum dem Priester das "Recht" auf Sexualität, Ehe und Familie versagt bleiben sollte. 

Das kann man so sehen, aber es gibt auch andere Sichtweisen darauf – nicht in der offiziellen RKK, schon klar.

Die Priesterweihe macht aus dem Menschen keine andere, gar eine bessere Person, sondern sie betraut den Geweihten (bzw. in anderen Konfessionen auch: die Geweihte) mit einer besonderen Aufgabe und Verantwortung in der Gemeinde. Aber alle sind ja nach Paulus(?) aufgerufen, ihre jeweiligen Charismen einzubringen, sei es die Gabe der Rede, der Heilkraft oder Machttaten zu vollbringen. Und die Erfahrung lehrt (leider), dass es auch unter Priestern, Bischöfen und Päpsten (bei ersteren beiden seien -innen mitgemeint) xxx gibt. Ja, die Kirche_n verlangen von ihren Geistlichen viel, oft auch zu viel – aber ist das eine Notwendigkeit des Amtes? Oder nur die Bequemlichkeit des Arbeitgebers, auch keine Rücksichten auf Ehefrauen und Kinder nehmen zu müssen? Wird die seelsorgerische Leistung wirklich besser, wenn der Mensch mindestens keine eigene Familie, ja beinahe gar kein Privatleben haben soll? Oder kann es nicht im Sinne der von Iskander(?) schon zitierten Stelle so sein, dass gerade die Erfahrungen aus dem eigenen Leben eine Befähigung, ein Beleg für die Eignung zur Gemeindeleitung sein kann? 

Die Antwort ist vermutlich wieder „sowohl als auch“, denn es hängt jeweils vom einzelnen Menschen und der konkreten Situation ab. Den einen mag es stärken, sich voll und ganz nur seinem Amte widmen zu können, die andere ist besser, wenn sie einen Ausgleich in ihrem eigenen Leben hat, was die amtlichen Aufgaben und Sorgen wieder erdet und in einen anderen Maßstab stellt. 
Es ist unverkennbar, dass ich den Pflichtzölibat eben nicht für grundsätzlich angemessen halte. 

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vor 15 Minuten schrieb o_aus_h:

Wird die seelsorgerische Leistung wirklich besser, wenn der Mensch mindestens keine eigene Familie, ja beinahe gar kein Privatleben haben soll? Oder kann es nicht im Sinne der von Iskander(?) schon zitierten Stelle so sein, dass gerade die Erfahrungen aus dem eigenen Leben eine Befähigung, ein Beleg für die Eignung zur Gemeindeleitung sein kann? 

 

 

 

Sicher, das sind Überlegungen zur Billigkeit. Braucht es den Zölibat unbedingt? Ein klares Nein. Die entsprechenden Argumente wurden schon vorgetragen. 

 

Es kann also nur um die Frage gehen, ob der Zölibat sinnvoll und angemessen ist. Und da kann man dieselben zwei Haltungen einnehmen: Dass Ehe und Familie dem Priesteramt nicht im Wege stehen, sondern vielleicht sogar eine Art Bewährung, probatio, darstellen. Das ist neben dem Mangelargument ja die schlagende Begründung für viri probati

 

Man kann allerdings auch der Ansicht sein, dass die Bereitschaft zum Verzicht auf Ehe und Familie ein Hilfsmittel für die Klärung der Berufung eines Kandidaten darstellt. Diese Überlegung hat sich in der katholischen Kirche manifestiert. Wer das Charisma der Ehelosigkeit besitzt, ist, wenn andere Faktoren hinzu treten, geeignet Priester zu werden.

 

Diese Auffassung teile ich vollkommen. Ich will es einmal ganz ungefiltert, allerdings ohne Missachtung des orientalischen Sonderweges sagen, den ich als historisch gewachsene Situation respektiere: Wer auf Frau, Familie und im Idealfall gelebte Sexualität nicht verzichten kann, der ist in meinen Augen nicht unbedingt für das Priesteramt geeignet. 

bearbeitet von Studiosus
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vor 27 Minuten schrieb Studiosus:

Ich will es einmal ganz ungefiltert, allerdings ohne Missachtung des orientalischen Sonderweges sagen, den ich als historisch gewachsene Situation respektiere: Wer auf Frau, Familie und im Idealfall gelebte Sexualität nicht verzichten kann, der ist in meinen Augen nicht unbedingt für das Priesteramt geeignet. 

Und ich stelle gerne genauso ungefiltert meine Meinung daneben: Ja, es ist ziemlich schwierig bis unmöglich, die Berufung eines Kandidaten (oder genauso, bei uns: einer Kandidatin) objektiv zu ‚messen‘. Der Verzicht auf Ehe und Partnerschaft ist aber in meinen Augen ein ebenso ungeeignetes Maß wie Haarfarbe, Sehstärke oder das Geschlecht der Person, weil keines davon Einfluss auf die seelsorgerischen Charismen hat. Bestenfalls kann Ehelosigkeit ein Hinweis für die Hingabe an das Amt sein – aber eben nicht für die Fähigkeit für die Aufgabe.

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vor 9 Minuten schrieb o_aus_h:

Bestenfalls kann Ehelosigkeit ein Hinweis für die Hingabe an das Amt sein – aber eben nicht für die Fähigkeit für die Aufgabe.

 

Und sollte diese Hingabe - ich würde sagen an die Berufung, nicht an das Amt - nicht über das Normalmaß eines nine-to-five Jobs hinausreichen? Ich hielte jedenfalls von Teilzeit-Priestern, die das quasi nebenher machen, nicht allzu viel. 

 

Dass man in der Übernahme des Zölibats keinen Hinweis für die Eignung erkennen will, gut, das kann ich nachvollziehen. Ich sage ja auch nicht, dass Verheiratete per se schlechte Seelsorger wären. Wobei man definieren müsste, was hier Seelsorge konkret meint, das was Pastoralreferenten in der katholischen Kirche auch machen? Da habe ich etwas Bauchschmerzen hier den Begriff des Seelsorgers im eigentlichen Sinne zu gebrauchen. Die cura animarum, die den Klerikern aufgetragen ist, ist schon nochmal etwas anderes. 

bearbeitet von Studiosus
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vor 10 Minuten schrieb Studiosus:

Ich hielte jedenfalls von Teilzeit-Priestern, die das quasi nebenher machen, nicht allzu viel. 

Dann werden meine Urenkel wohl Priester nur noch aus weihrauchumwölkten Legenden aus dem Dunkel der Geschichte kennen - wie den Dodo.

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vor 28 Minuten schrieb Flo77:

Dann werden meine Urenkel wohl Priester nur noch aus weihrauchumwölkten Legenden aus dem Dunkel der Geschichte kennen - wie den Dodo.

 

Solche Visionen halte ich für zu schwarzmalerisch. Ja, die Kirche ist momentan - im mehrfachen Sinne selbstverschuldet - in der westlichen Welt in der Defensive. Und die Demographie steht auch vielerorts gegen sie. Ob das eine Entwicklung ist, die sich durchtragen wird, ist meiner Meinung nach keine ausgemachte Sache.

 

Vielleicht hat eine weltlichem Einfluss und Reichtum entkleidete, dafür aber überzeugte und doktrinell einwandfreie Kirche auch wieder mehr Anziehungskraft auf nachfolgende Generationen. Außerdem sehe ich auch die Gläubigen in der Pflicht. Wenn weiter gelten soll, dass vom Altare lebe, wer dem Altare dient, dann müssen notfalls die Gläubigen ihre verbliebenen Priester alimentieren. 

 

Arbeiterpriester und verheiratete Priester sind dafür nicht die Lösung. 

 

Auch aus rein praktischen Erwägungen finde ich es eher kontraproduktiv, in Deutschland über Priester mit Familie zu diskutieren: Wenn zutrifft, was die Demographen sagen und recht bald mit gewaltigen Einbrüchen der Kirchenfinanzen zu rechnen ist, dann sind Geistliche, die Frau und Kinder versorgen müssen, vollkommen abwegig. Woher soll das Geld kommen? Zölibatäre Priester, durch eine neue kirchliche Realität auf den Boden von Bescheidenheit und Armutsweisung zurückgeholt, könnte man sich einfacher leisten als ganze Priesterdynastien. 

 

Außer, nachdem die Kirche Verheiratete und Frauen zum Weihealtar zugelassen hat, beginnt endlich das neue Pfingsten und die Kirchen und Seminare quellen über. Das wäre dann schon das dritte Pfingsten der Kirche nach dem biblischen Pfingstereignis und dem II. Vatikanum. 

bearbeitet von Studiosus
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vor 27 Minuten schrieb Studiosus:

Und sollte diese Hingabe - ich würde sagen an die Berufung, nicht an das Amt - nicht über das Normalmaß eines nine-to-five Jobs hinausreichen? Ich hielte jedenfalls von Teilzeit-Priestern, die das quasi nebenher machen, nicht allzu viel. 

Und ich würde eben sagen, dass es auch da verschiedene Charismen gibt: Es kann jemand ein herausragender Seelsorger sein, oder begnadete Predigen vortragen – aber gerade nicht dauernd und ohne je irgend etwas anderes zu machen, sondern weil in die Seelsorge und in die Predigttexte die Erfahrung eines gelebten Lebens einfließen. Oder auch: trotzdem die Kraft körperlich nicht einmal 9-to-5 ermöglicht. Mein Mann (ev-luth) hat heute gerade noch erwähnt, man könne ja vom Pontifikat Johannes-Paul II. halten was man wolle, aber dass er das Amt auch noch ausübte, als er schon hinfällig war, dass er sein Leiden nicht vor der Öffentlichkeit versteckt habe, sondern sichtbar machte, sei eine große Leistung gewesen, gerade in der modernen Zeit, in der man vor dem Gebrechen des Alters gern die Augen verschließt, verschließen kann.

Also, kurz gesagt: Ich will da keine pauschale Urteilen fällen, im Gegenteil habe bei uns auch schon Priesterinnen und Priester im Ehrenamt kennengelernt, die mich mit ihrer Art sehr beeindruckt haben. 

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vor 6 Minuten schrieb Studiosus:

Wenn weiter gelten soll, dass vom Altare lebe, wer dem Altare dient, dann müssen notfalls die Gläubigen ihre verbliebenen Priester alimentieren. 

Was meinst Du an der Stelle mit „alimentieren“? Direkt die Entlohnung oder ist das eher sinnbildlich gemeint?

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vor 1 Minute schrieb o_aus_h:

Was meinst Du an der Stelle mit „alimentieren“? Direkt die Entlohnung oder ist das eher sinnbildlich gemeint?

 

Alimentieren meine ich wirklich im Wortsinne von "ernähren". Notfalls eben in Form von Naturalien oder Kost und Logie. 

 

Sollte die amtliche Kirche wirklich irgendwann so ausgebrannt sein, dass sie das nicht mehr im geforderten Umfang leisten kann. 

bearbeitet von Studiosus
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vor 3 Stunden schrieb Studiosus:

Und zu der letzten Formulierung: Die Priesterehe der Orientalen führt u. a. dazu, dass der Konnex von ritueller Reinheit und Eucharistie, den die lateinische Kirche nicht mehr in den Vordergrund stellt, sehr deutlich zum Vorschein kommt. So ist es in den orientalischen Kirchen üblich, dass sich die Priester trotz Heirat vor der Zelebration der Mysterien dem ehelichen Verkehr temporär enthalten, um in einem Zustand der spirituellen und physischen Reinheit zu zelebrieren. Was verschmerzbar erscheint, da in der Orthodoxie die tägliche Messfeier nicht Usus ist. Allerdings ist das ein starkes Indiz, dass selbst im Osten, der sich das Recht der Priesterehe gegen Widerstände bewahrt hat, der verheiratete Klerus offensichtlich nicht das Idealbild darstellt. Wie könnte er auch? Es sind nicht zuletzt die östlichen Väter, welche die Jungfräulichkeit und Keuschheit überschwänglich loben. Hier gibt es also ein gewisses Abrücken von der sonst so hoch gehaltenen Vätertradition.

 

Ja, hier zeigt sich die Tradition der alten Kirche, beeinflusst von Strömungen von archaischen Sakraltabus, dem Manichäismus, der Gnosis, Teilen der Stoa und ich weiß nicht was noch.

Ich kann mich in diesem Punkt nur wiederholen: Die Kirche sollte doch einfach so ehrlich sein und dazu stehen, wenn sie sich dieser Tradition noch immer verpflichtet fühlt. Sie soll es sagen, wenn sie glaubt, dass Sexualität den Menschen unrein macht und befleckt. Dann kann sie im Übrigen auch ihre Sexualmoral wesentlich glaubwürdiger vertreten, jedenfalls, wenn sie sie erneut verschärft und Lockerungen der jüngeren Zeit zurücknimmt. Denn wenn die Sexualität ein Übel ist, dann ist es eine vertretbare Meinung, dass sie nur um des Gutes der Kinder willen legitimiert werden kann.

 

Dann wären die Fronten sozusagen geklärt. Man könnte auf diese ständige Überhöhung der Sexualität, wie die letzten Päpste sie vorgebracht haben, verzichten, zumal dies Überhöhung letztlich ja doch nur dazu dient, das Sexuelle in den Bereich des Numinosen und dem Menschen weitgehend Entzogenen zu rücken.

bearbeitet von iskander
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vor 16 Minuten schrieb Studiosus:

 

Alimentieren meine ich wirklich im Wortsinne von "ernähren". Notfalls eben in Form von Naturalien oder Kost und Logie. 

 

Sollte die amtliche Kirche wirklich irgendwann so ausgebrannt sein, dass sie das nicht mehr im geforderten Umfang leisten kann. 

Meines Wissen ist das Problem doch nicht, dass regelmäßig Geistliche wegen Unterernährung berufsunfähig werden, sondern dass es zu wenige gäbe, um die seelsorgerische Versorgung aufrecht zu halten. Wie soll da wöchentlich ein Schweinebraten frei Haus von Metzger Müller und/oder die grüne Kiste von Landwirtin Meier helfen?

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vor 15 Minuten schrieb o_aus_h:

Meines Wissen ist das Problem doch nicht, dass regelmäßig Geistliche wegen Unterernährung berufsunfähig werden, sondern dass es zu wenige gäbe, um die seelsorgerische Versorgung aufrecht zu halten. Wie soll da wöchentlich ein Schweinebraten frei Haus von Metzger Müller und/oder die grüne Kiste von Landwirtin Meier helfen?

 

Das war ja eine Antwort auf Flo und die Zukunft der Kirche. 

 

Wenn die Kirche in Europa wirklich so zusammenschrumpft, wie die Demographen unken, dann wird es logischerweise auch finanziell sehr eng.  Dann erscheint mir eine Besoldung der Priester wie bisher in Deutschland geregelt nicht mehr stemmbar. Dann müssten tatsächlich die Gläubigen einspringen und ihre Priester versorgen. 

 

Man könnte einweden, dann sollen sie eben Bürgergeld beziehen (in Deutschland). Aber Flo sprach von seiner Urenkelgeneration. Ich bezweifle stark, dass es in dieser gar nicht allzu fernen Zukunft noch besonders hohe Sozialleistungen in Deutschland geben wird, aber das führt vom Thema weg. 

bearbeitet von Studiosus
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Die Ursprünge des Glaubens an die Verunreinigung durch Sexualkontakte sind nach verschiedenen Autoren ursprünglich heidnisch und haben mit der Angst vor dem männlichen Samen, vor allem aber der Menstruation zu tun. Angenendt (Ehe, Liebe und Sexualität im Christentum) dazu:

 

"'Neben dem Tod gelten als gefürchtetste ‚Ausdünstungsquellen‘ gemeinhin Krankheiten oder sonstige Versehrungszustände sowie die monatliche Regel der Frauen. Letztere wird, praktisch weltweit, wegen der Ausscheidung vermeintlich ‚unreinen‘ Blutes […] ebenfalls als eine Art ‚Krankheit‘ begriffen […]. Menstruierende scheiden, wie man auch in Europa noch lange Zeit überzeugt war, ‚eine große Menge unsichtbarer Dünste‘ aus, die man eben für hoch toxisch hält'125.

Folglich war die Frau, weil erste Quelle der Unreinheit, in bestimmten Situationen zu meiden [....].  Nach Menstruation, Beischlaf und Geburt hatte sich die Frau in besonderer Weise zu reinigen, mußte zeitweilig abseits leben und sah sich obendrein religiös-kultisch zurückgesetzt, da Kultakte immer sexuell unbefleckte, ‚reine Hände‘ erfordern. [...] Paul Ricoeur ( † 2005) zufolge muß uns die Pollutio komplett verblüffen, wird doch die Befleckung materiell verstanden: Nicht aus dem Herzen kommt diese Verunreinigung, sondern durch Kontakt mit materiellen Stoffen, ist auch materiell wieder zu beseitigen, nämlich durch Waschungen und nicht durch Reinigung des Herzens.129 Insoweit ist die Pollutio Ausdruck eines vorethischen Religionskonzeptes. Beseitigt hat die Unreinheitsvorstellungen die moderne Medizin, als mit der Entdeckung der Bakterien und Viren die medizinische Untersuchung aufkam und damit eine ganz andere Art von Reinheit folgte, die hygienische. Die englische Kulturanthropologin Mary Douglas ( † 2007) sieht hier die radikalste Revolution in der Geschichte der Medizin, nicht minder auch der Religion.130"

 

Laut Angenendt (Ehe, Liebe und Sexualität im Christentum) war ein derartiges Denken im frühen Christentum überwunden, kam dann aber zurück:

 

"Trotz der von Jesus überwundenen Pollutio kehrte diese auch im Christentum wieder zurück. [...] Den Anfang machte Johannes Cassian ( † um 430) mit seiner das westliche Mönchtum begründenden Spiritualität: Zum ersten gebiete sich Keuschheit des Leibes und der Seele, weil „wir täglich das hochheilige Fleisch des Lammes genießen sollen“426; zum zweiten sei die geistige Erhabenheit über alle Sexuallust sicherzustellen [...] Zuerst reaktivierte sich die Pollutio für die Liturgie.429 Waren die ‚reinen Hände‘ im Christentum zunächst eine Metapher für sittlich-reine Lebensführung im Sinne des geistigen Opfers gewesen, so wurden sie in der Spätantike wieder zur Vorbedingung eucharistischer Betätigung: Den Altardienern wird die Ehelosigkeit, der Zölibat, abverlangt.430 [....]"

 

Die Kirche kann die Unreinheit des Sexualverkehrs also entweder dadurch begründen, dass sie auf vorwissenschaftliche, magisch anmutende Vorstellungen rekurriert. Das wäre dann eine "außermoralische" Begründung. Oder sie kann lehren, dass jeder Geschlechtsakt - selbst wenn er zwischen Eheleuten stattfindet und "offen für das Leben" ist - ein Übel im moralischen Sinne darstelle. Welche dieser beiden Varianten noch absurder vernünftiger anmutet, darüber mag jeder für sich urteilen.

 

Eine dritte Variante bestünde in der Erkenntnis, dass nicht alles, was alt ist, auch altehrwürdig sein muss. Manche alte Tradition beruht auch einfach auf den Vorurteilen und Missverständnissen früherer Zeiten.

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Angenendt hat das wirklich gut rekonstruiert. Und er bringt das Thema auch in seiner großen Abhandlung zur Entstehung der Messfeier, also mit direktem Bezug zur Liturgie. Er zitiert u. a. aus seinen Quellen persönliche Bittgebete der Priester, die auf ihre Unwürdigkeit, den eucharistischen Leib des Herrn zu berühren, abstellen. Dabei spielen Sexualstoffe eine große Rolle. In einem dieser Gebete bekennt der Priester, dass seine Hände so befleckt seien wie das Tuch einer Menstruierenden (die "reinen Hände" nehmen einen zentralen Platz in Angenendts Darstellung ein). Das sind natürlich mehr oder weniger offensichtliche mittelalterliche Repliken auf alttestamentliche Reinheitsvorstellungen. 

 

Ein andermal wird von sog. Entziehungswundern berichtet, in denen sich die konsekrierte Hostie dem Griff - wahlweise ungläubiger oder unkeuscher - Priester entwindet.

 

Diese Liste ließe sich, auch außerhalb von Angenendt (Hubertus Lutterbach hat zum Thema Sexualität im christlichen Mittelalter ebenfalls ein viel beachtetes Werk verfasst), beliebig fortsetzen. 

 

Die zugrundeliegende These ist allerdings überall dieselbe: Das frühe Christentum habe eine Ethisierung von Reinheit vorgenommen, die eben gerade nicht auf das Abstehen von Sexualität, den Kontakt mit Sexualstoffen usw. abzielt, sondern in der die reine Gesinnung höher steht als die (unreine) Handlung. Diese im Christentum eigentlich angelegte Erkenntnis habe das mittelalterliche Christentum, u. a. im Zuge des Übergangs der Eucharistiefeier vom Mahl zum Heiligen Messopfer, der Erstarkung des monastisch-aszetischen Ideals und der Aufnahme paganer Sittlichkeitsvorstellungen nach und nach überlagert und so eine Sexualitätfeindlichkeit ins Christentum eingetragen, die ihm eigentlich fremd sei. 

 

Soweit die These dieses Zweigs der Kirchenhistorie. Für wie überzeugend man das hält ist dem persönlichen Geschmack überlassen. 

bearbeitet von Studiosus
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vor 3 Stunden schrieb Studiosus:

Soweit die These dieses Zweigs der Kirchenhistorie. Für wie überzeugend man das hält ist dem persönlichen Geschmack überlassen. 

Dein Duktus ist mal wieder zum...

 

Hätte das frühe Christentum diese Überwindung altjüdischer und altheidnischer Reinheitsvorstellungen nicht in sich getragen, wäre für mich der ganze Kult nicht mehr tragbar, weil er keinen Deut besser wäre als andere alte Kulte.

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