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Synodaler Weg - schon versperrt?


Jan_Duever

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@StudiosusNun, du hast hier ins Spiel gebracht, dass der Zölibat auf die Lebensform Jesu zurückginge, dem sind die Überlegungen zu weiteren Aspekten seines Wandels als Prediger gefolgt.

 

Ich persönlich wäre extrem vorsichtig, vom späteren Judentum und seinen Erwartungen auf das zeitgenössische Judentum Jesu zu schließen, speziell, was das zwingende Gebot der Heirat betrifft. Niemand stellt diese Frage in Bezug auf Johannes den Täufer. Johannes lebte in der Wüste, Heuschrecken und wilder Honig usw. Heutzutage sieht man da eine Verbindung zu Qumran und den Essenern. Belegt ist das natürlich nicht. Was viele nicht auf dem Schirm haben, das ist die Elija-Bewegung jener Zeit, die Erwartung seiner Wiederkunft und die Tatsache, dass Männer in die Wüste gingen um ihm nachzufolgen.

 

Und Jesus war in der Wüste.

 

Natürlich lässt das die Frage unbeantwortet, warum Jesu Lebensform im NT nicht thematisiert wird, eine Frau wird nicht erwähnt, aber eine Ehelosigkeit nicht kritisiert. Bei Johannes auch nicht, obwohl er über 90 mal im NT Erwähnung findet (auf Platz vier nach Jesus, Paulus und Petrus).

 

Ungeachtet dessen ist es frappierend, dass die nicht thematisierte Ehelosigkeit so ein Ding ist, die Armut und Unbehaustheit (schönes Wort, Danke @Chrysologus) dagegen keine, ja, sogar in der Regula Benedicti keine Rolle spielt: Die Unbehaustheit wird abgelehnt, Armut spielt keine Rolle, man gelobte Gütergemeinschaft, Stabilitas loci, Gehorsam und Ehelosigkeit.

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vor 37 Minuten schrieb MartinO:

Ich halte es für eher unwahrscheinlich, dass Jesus verheiratet war und Kinder hatte. Diese wären zumindest entweder in antichristlichen Schriften (wie etwa die Panthera-Legende) oder in Polemiken gegen solche aufgetaucht.
Zudem gab es ein Ideal der Ehelosigkeit weder im Judentum noch im Hellenismus. (jeweils mit Ausnahmen).

Irgendwie passen der erste Absatz und der letzte Satz nicht so 100% zusammen.

 

Eine Anmerkung zu den armen Jüngern habe ich noch: Das Buch der Sprüche Salomos ergeht sich in 31, 10-31 im "Lob der tüchtigen Hausfrau".

Nun, zunächst einmal klingt das alles hoch emanzipatorisch denn das Ideal der guten Gattin ist eine erfolgreiche Unternehmerin.

Die Sache hat nur einen klitzkleinen Haken, denn in Vers 31 steht der Hinweis, man solle der Gattin von ihren Früchten geben während in Vers 23 die Rolle des Mannes beim Palavern mit den anderen Männern skizziert wird.

 

In Anatevka, "Tradition" wird die Rolle der Frau mit dem führen eines koscheren, ruhigen Haushalts beschrieben "so is Papa free to read the Holy Book". Mit anderen Worten, die Ehefrauen sollen den Unterhalt ranschaffen, damit der werte Gemahl sich dem Studium der Thora und der Politik widmen kann.

 

Nun, in der Genesis steht ja schon "ich will ihm eine Hilfe machen".

Ob "Hilfe" da richtig übersetzt ist?

 

Jedenfalls kann ich mir durchaus vorstellen, daß die Frauen der Apostel sich ggf. selbst um alles weitere kümmerten...

 

bearbeitet von Flo77
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vor 1 Minute schrieb nannyogg57:

@Studiosus

Ungeachtet dessen ist es frappierend, dass die nicht thematisierte Ehelosigkeit so ein Ding ist, die Armut und Unbehaustheit (schönes Wort, Danke @Chrysologus) dagegen keine, ja, sogar in der Regula Benedicti keine Rolle spielt: Die Unbehaustheit wird abgelehnt, Armut spielt keine Rolle, man gelobte Gütergemeinschaft, Stabilitas loci, Gehorsam und Ehelosigkeit.

 

Das stimmt natürlich. Dabei gab es durchaus umherziehende, also in diesem Sinne jesuanisch-unbehauste Mönche, die sogenannten Gyrovagen. Deren größte Gegner waren bezeichnenderweise die in Klöstern lebenden Mönche selbst. 

 

Ich denke, das hat immer auch mit einer bestimmten Schwerpunktsetzung zu tun. Nicht alles, "nur" weil es die Heilige Schrift berichtet, muss zwingend von jedermann geübt werden. 

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vor 1 Minute schrieb Studiosus:

Ich denke, das hat immer auch mit einer bestimmten Schwerpunktsetzung zu tun. Nicht alles, "nur" weil es die Heilige Schrift berichtet, muss zwingend von jedermann geübt werden. 

Wie das Fasten und das Almosengeben?

 

Ich will Dich ja nicht ärgern, ich suche nur die Konsequenz.

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vor einer Stunde schrieb Studiosus:

Ich kann nur unterstreichen, was ich zuvor schrieb: Ich halte den Zölibat für ein eminent wichtiges Zeichen, gerade für unsere Zeit. Ich denke in dieser Sache gerne an Paul VI. zurück, der vom Zölibat als dem Juwel in der Krone der Kirche gesprochen hat. Heilsnotwendig in dem Sinne, dass es ohne ihn nicht ginge, ist er allerdings nicht.

 

Ein "Zeichen" ist aber keine graue Theorie, sondern etwas Praktisches, Reales und Greifbares. Es ist auch kein Selbstzweck, sondern es ist für die Empfänger da; es soll ihnen ja eine "Botschaft" übermitteln.

 

Ein "Zeichen" im Sinne des Zölibats funktioniert daher nur, wenn es glaubwürdig gelebt wird. Das ist eine ganz banale Tatsache.

Wenn Du eine Organisation hast, in der alle Leute ehrenamtlich unerwegs sind, mag das in der Theorie auch ein schönes Zeichen sein. Wenn es sich in der Praxis aber so darstellt, dass fast alle diese Leute korrupt sind und unter der Hand Geld nehmen, ist das Zeichen futsch. Oder vielleicht müsste man es so sagen: Das Zeichen mutiert von einem Symbol des hohen Ethos zu einem Symbol der Heuchelei. Dann wäre es, um bei meinem Beispiel zu bleiben, ein weit glaubwürdigeres Zeichen, wenn die Leute regulär bezahlt würden, dafür aber sauber arbeiten würden. Es ist nämlich sicherlich weit besser, ein "moderates" Ideal zu haben, welches dann aber auch einigermaßen gelebt wird, als ein sehr hohes Ideal, das im hohen Maße missachtet wird.

 

Die Reformation hatte auch deshalb so viel Erfolg, weil der enorme Abgrund, der zwischen Ideal und Praxis klaffte, die kath. Kirche unglaubwürdig machte. Denn wie ein "Zeichen" wie der Zölibat verstanden wird, bestimmt nicht der Sender, sondern der Empfänger. Und der Empfänger orientiert sich an dem, was der Sender tut, und nicht an dem, was der Sender sagt. Wenn das Zeichen kein reiner Selbstzweck sein soll, sondern tatsächlich eine Botschaft in die Welt senden soll, darf man dies nicht ignorieren.

 

bearbeitet von iskander
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@iskander

 

Das hatten wir der Sache nach schon so ähnlich festgestellt. Und ich sehe deine Bedenken. Der Zölibat, würde er flächendeckend und streng gelebt (was er, wie wir wissen, leider nicht wird), wäre er ein noch größeres Zeichen, weil Handeln und äußere Erscheinung mehr zusammen fielen. Ich weiß um diese Problematik, behalte mir - zusammen mit vielen Gläubigen, Priestern, Bischöfen und Päpsten - allerdings trotzdem vor, den Zölibat für sinnvoll und beibehaltenswert zu erachten. 

 

Mir ist ein mangelbehaftetes Ideal lieber als gar kein Ideal. 

 

Und da Reform ja ein ständiges Thema der Kirche ist: Hier wäre mal ein Ort, an dem sich Reform vollziehen könnte. Eine Reform hin zu mehr Strenge und einer straffen kirchlichen Disziplin. So haben alle wahrhaft katholischen Reformen (die Reformation im Zuge Luthers natürlich nicht) operiert: Mehr Strenge, mehr Beachtung der Kirchendisziplin als Gegenbewegung zu einer allzu verweichlichten und auf Weltliches schielendenden Kirche. 

 

bearbeitet von Studiosus
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vor 7 Stunden schrieb mn1217:

Kann uns das nicht egal sein?

Wir wissen,was wir wissen- Spekulationen brauchen ich da nicht nur nicht,ich finde sie sogar eher kontraproduktiv. 

Jesus hat erstaunlicherweise angeblich immer das getan  was man selbst/ die Gesellschaft grade gerne hätte.

 

 

 

Ob Jesus verheiratet war oder nicht, könnte uns dann egal sein, wenn nicht zuvor von @Studiosus der Pflichtzölibat für rk Priester argumentativ verteidigt worden wäre mit dem Hinweis auf die Nachahmung Jesu Christi.

Die Argumente, die gegen eine Ehelosigkeit Jesu Christi sprechen, sind nicht so ganz einfach von der Hand zu weisen, es sei denn, man macht es wie Studiosus und tut, als sei Schalom Ben Chorin reichlich bedeutungslos, sobald "die Autoritäten der Kirche" etwas Gegenteiliges sagen (guckst du da)

 

Kontraproduktiv sind übrigens auch Anachronismen. Bei einem Mann von 30 Jahren ganz selbstverständlich davon auszugehen, dass die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass er unverheiratet war, ist ein solcher Anachronismus. Da eben zu biblischen Zeiten Männer mit 30 Jahren eher verheiratet als unverheiratet waren. Da ist es selbst mal nicht ganz so unwahrscheinlich, dass sie schon verwitwet sind. 

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vor 2 Stunden schrieb Studiosus:

Mir ist ein mangelbehaftetes Ideal lieber als gar kein Ideal. 

 

Die Frage lautet doch eher: Was ist besser? Ein durchaus respektables Ideal (Wahl zwischen Zölibat und Ehe), das eine faire Chance hat, einigermaßen glaubwürdig umgesetzt zu werden? Oder ein "sehr strenges Ideal", das nicht glaubwürdig umgesetzt wird?

 

vor 2 Stunden schrieb Studiosus:

 

Und da Reform ja ein ständiges Thema der Kirche ist: Hier wäre mal ein Ort, an dem sich Reform vollziehen könnte. Eine Reform hin zu mehr Strenge und einer straffen kirchlichen Disziplin. So haben alle wahrhaft katholischen Reformen (die Reformation im Zuge Luthers natürlich nicht) operiert: Mehr Strenge, mehr Beachtung der Kirchendisziplin als Gegenbewegung zu einer allzu verweichlichten und auf Weltliches schielendenden Kirche. 

 

 

Ja, nur ist das realistisch? Scheinbar hat es früher schon nicht funktioniert:

 

"So ergab eine Auswertung der Visitationsprotokolle des deutschen Fürstbistums Münster aus den Jahren 1571 und 1573, „dass knapp sechzig Prozent der Pfarrer eheähnliche Verhältnisse unterhielten und nicht selten mehrere Kinder hatten“."

https://religion.orf.at/v3/stories/2988250/

 

Das wäre ähnlich wie die von Sipe vorgelegten Zahlen heutzutage für die USA. Wobei es hier um die "Punktprälenz" geht. Die "Lebenszeiprävalenz" ist zumindest heutzutage (laut Sipe) noch viel höher.

 

Auch vermutet man, "dass seit den 1960er Jahren weltweit etwa zwanzig Prozent der Priester ihr Amt wegen des Zölibats aufgegeben haben" (gleiche Quelle). Das sind alles Dinge, die man bedenken muss.

 

Der Kirchenhistoriker Hubert Wolf des Weiteren:

 

"Historisch ist zunächst einmal festzustellen: Mit „Zölibat“ waren über die Jahrhunderte hinweg sehr viele verschiedene Dinge gemeint: vom Verbot der Wiederheirat etwa eines verwitweten Priesters über sexuelle Enthaltsamkeit an Sonn- und Feiertagen bis hin eben zur verpflichtenden lebenslangen Ehelosigkeit. Es gab in der katholischen Kirche alles – und nichts, was es nicht gab. Es liegen wunderbare Studien vor über ganze katholische Priesterdynastien aus dem 17. und 18. Jahrhundert im Münsterland, in denen das Priesteramt über Generationen hinweg vom Vater auf den Sohn überging. Und niemand hatte etwas dagegen, kein Bischof schritt dagegen ein. Das zeigt: Es gab ein Kirchengesetz, das aber weder von unten eingehalten noch von oben durchgesetzt wurde. Zu letzterem setzte die kirchliche Obrigkeit erst im 19. Jahrhundert an."

https://www.fr.de/kultur/zoelibat-unumstoesslich-erst-seit-hundert-jahren-12830626.html

 

Außerdem wechseln nach Wolf die Begründungen (dieselbe Quelle):

 

"Wenn es für den Zölibat wenigstens eine Begründung gäbe, die – im Neuen Testament grundgelegt – über 2000 Jahre hinweg durchgehalten worden wäre! Aber nicht einmal eine solche existiert. Stattdessen wurden und werden immer wieder neue Argumente zur Verteidigung des Zölibats herangezogen. Manche davon hat die Kirche später eigenhändig wieder verworfen. [...]
Die Vorstellung etwa, dass Geschlechtsverkehr den Priester verunreinigen und ihn deshalb unwürdig für die Feier des Messopfers mache, wurde ausdrücklich für hinfällig erklärt, genau wie die jahrhundertelange Verteufelung der Sexualität überhaupt. Wer aber die Argumente wechselt wie andere ihre Hemden, der hat schlechte Karten."

 

Man kann natürlich versuchen, mit äußerster Härte und Strenge ein Ideal auch dann durchzusetzen, wenn das in der Vergangenheit nicht geklappt hat und heute nicht klappt und vermutlich auch in der Zukunft nicht fuktionieren wird. Und man kann jedes Abrücken vom Ideal als "Verweichlichung" abtun. Aber vielleicht könnte es einen auch zum Nachdenken bringen, wenn der eingeschlagene Weg offenkundig nicht funktioniert?

 

Es gibt ja dieses böse Wort, welches man (ohne Beweis) Hegel zuschreibt. Als man ihm gesagt hat, dass die Wirklichkeit anders sei, als er sie sich das vorstellt, soll er geantwortet haben: "Umso schlimmer für die Wirklicheit!" Das ist die Gefahr, die man manchmal auch bei Leuten findet, die an einem Ideal festhalten, ohne sich ernsthaft zu fragen, was denn die ganz banalen Folgen in der konkreten Welt sind.

 

Am Ende kommt dann leicht heraus, was Kardinal Lehmann gegenüber einem Prister so formuliert hat:

 

"Im Übrigen habe ich ihn mehrfach während des Gespräches nicht im Zweifel gelassen, dass ich nicht das Schlafzimmer von [Beschuldigter 547] ausspähen will. Dafür muss er Gott selbst Rechenschaft geben, wie er lebt. Aber ich muss Sorge dafür tragen, dass er sein Versprechen eines ehelosen Lebens so verwirklicht, dass die Menschen es glauben können. Es geht um die öffentliche Glaubwürdigkeit des Lebens im Zölibat."

 

Si non caste, tamen caute.

 

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vor 6 Stunden schrieb Studiosus:

Das verborgene Leben Jesu ist tatsächlich ein Themenfeld mit vielen Lücken und weißen Flecken. Man kann grundsätzlich sagen, dass den heiligen Schriftstellern dieser Bereich des Lebens Jesu nicht so relevant erschien, um ihn näher zu betrachten (falls sie darüber selbst Kunde hatten). Die apokryphe Literatur hat sich in diesem Freiraum ausgetobt - mit mäßigen Ergebnissen und natürlich ohne kirchliche Anerkennung. 

 

Ich löse das so: Alles, was zu unserem Heil nötig ist, ist in der Heiligen Schrift niedergelegt. Es ist dies, wie der Theologe sagt, die materiale Suffizienz der Schrift. Also ist die Lücke zwischen Geburt/Jugend und öffentlichem Wirken wohl für uns interessant, aber nicht heilsrelevant. 

 

Und natürlich kommt zur Schrift, als zweiter Lungenflügel, die kirchliche Überlieferung hinzu, die gewisse Grauzonen ausleuchtet. So mag die Schrift selbst über die Verhältnisse Jesu - was Ehe, Familie etc. angeht - schweigen. Die Tradition tut es nicht. 

 

Jop, die Tradition schweigt dazu nicht, sondern ergeht sich ebenso in Spekulationen wie diejenigen, die überlegen, ob er verheiratet war. 

Nun kann man mal nachsehen, welche der Spekulationen logisch schlüssiger erscheinen. 

Nun kannst du natürlich über Suffizienz der kirchlichen Lungenflügel schreiben, du solltest dabei aber nicht vergessen, dass es auch das Krankheitsbild der Herzinsuffizienz gibt. 😉

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vor 5 Stunden schrieb Studiosus:

 

Die Bibelsteinhauerin hat wieder zugeschlagen. Ich nehm 1 zu 1 was in der Bibel steht 

:rolleyes:

 

Im Übrigen habe ich selbst gegen arm und ehelos nichts einzuwenden. Auch mit unbehaust kann ich leben, wenn damit gemeint ist, keine eigene Immobilie oder einen dauerhaften Wohnsitz zu besitzen. 

 

1:1

 

Bist du dir da sicher?

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vor 4 Stunden schrieb Flo77:

Wie das Fasten und das Almosengeben?

 

Ich will Dich ja nicht ärgern, ich suche nur die Konsequenz.

Da ist keine Konsequenz. Nur willkürliche Rosinenpockerei

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vor 18 Stunden schrieb Studiosus:

Ich denke in dieser Sache gerne an Paul VI. zurück, der vom Zölibat als dem Juwel in der Krone der Kirche gesprochen hat.

Sollte er das ernst gemeint haben, hatte er definitiv völlig falsche Prioritäten.

Und das als Papst, ja nun…

 

Werner

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vor 3 Stunden schrieb Werner001:

Sollte er das ernst gemeint haben, hatte er definitiv völlig falsche Prioritäten.

Und das als Papst, ja nun…

 

Werner

 

Geschrieben sogar. In einer seiner eher wenig beachteten Enzykliken: Sacerdotalis Caelibatus

 

Es gibt auf der Seite des Vatikans keine deutsche Übersetzung, daher müsste man mit meiner Übertragung des ersten Satzes vorlieb nehmen:

 

Der priesterliche Zölibat wurde von der Kirche über die Jahrhunderte hinweg gleichsam wie ein funkelndes Juwel gehütet und er behält seinen Wert selbst in unserer Zeit [Anm.: 1967] unvermindert bei, wenngleich die Ansichten der Menschen und der Zustand der Welt sich so grundlegend verändert haben. 

 

Dabei darf man nicht vergessen, dass diese Zeilen entstanden sind, obwohl es gerade dieser Papst war, der mit einer Vielzahl an Laiisierungsgesuchen konfrontiert war. Auch eine Parallele zu unserer Situation: Damals hat man im Zuge des Konzils suggeriert, die Aufhebung des Pflichtzölibats stehe kurz bevor. Heute wecken Synodaler Weg und eine Fehlinterpretation des Synodalen Prozesses ähnliche Hoffnungen. 

bearbeitet von Studiosus
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Am 19.3.2023 um 15:53 schrieb Studiosus:

So mag die Schrift selbst über die Verhältnisse Jesu - was Ehe, Familie etc. angeht - schweigen. Die Tradition tut es nicht. 

 

Wie kann die Tradition etwas lehren, wo es in den Evangelien und in der Geschichte keine Anhaltpunkte dafür gibt?

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vor 12 Minuten schrieb Gerhard Ingold:

 

Wie kann die Tradition etwas lehren, wo es in den Evangelien und in der Geschichte keine Anhaltpunkte dafür gibt?

 

Von Lehren im strengen Sinne kann bei der Ehelosigkeit Christi nicht die Rede sein. Zumindest wäre mir nicht bekannt, dass die Lebensform Christi ein Glaubenssatz im eigentlichen Sinne wäre, einschlussweise schon, aber das hat kein Papst oder Konzil unfehlbar festgestellt (man korrigiere mich, wenn doch).

 

Was allerdings im Generellen das Verhältnis von Heiliger Schrift und Tradition angeht, so kann man sagen, dass nach katholischer Lehre Schrift und Tradition zwei Seitenarme der einen Offenbarung sind. Die Tradition (bitte diesen Begriff deutlich abheben, von dem, was man landläufig Tradition nennt: Tradition meint nicht, dass traditionell 6 Kerzen am Altar brennen oder bei der Prozession die Schützen vorne her laufen) ist kein Nachgedanke, kein späteres Addendum, das verzichtbar wäre, sondern die durch die Apostel vermittelte authentische Überlieferung in Praxis und Lehre, welche die Kirche durch die Zeiten bewahrt hat. 

bearbeitet von Studiosus
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vor 33 Minuten schrieb Studiosus:

 

Von Lehren im strengen Sinne kann bei der Ehelosigkeit Christi nicht die Rede sein. Zumindest wäre mir nicht bekannt, dass die Lebensform Christi ein Glaubenssatz im eigentlichen Sinne wäre, einschlussweise schon, aber das hat kein Papst oder Konzil unfehlbar festgestellt (man korrigiere mich, wenn doch).

 

Was allerdings im Generellen das Verhältnis von Heiliger Schrift und Tradition angeht, so kann man sagen, dass nach katholischer Lehre Schrift und Tradition zwei Seitenarme der einen Offenbarung sind. Die Tradition (bitte diesen Begriff deutlich abheben, von dem, was man landläufig Tradition nennt: Tradition meint nicht, dass traditionell 6 Kerzen am Altar brennen oder bei der Prozession die Schützen vorne her laufen) ist kein Nachgedanke, kein späteres Addendum, das verzichtbar wäre, sondern die durch die Apostel vermittelte authentische Überlieferung in Praxis und Lehre, welche die Kirche durch die Zeiten bewahrt hat. 

An einer Stelle schreibst Du, Du nähmest die Bibel 1:1. So ist es nachvollziehbar, dass Du die Apostel nicht historisch-kritisch hinterfragst. 

Aus meiner Sicht wurden die Apostel nicht mehr oder weniger von einem Heiligen Geist geleitet, als alle Menschen dieser Welt. Die Begründung ist für alle nachvollziehbar: Die Apostelgeschichte lehrt nach Apg. 2, dass die ersten Christen eine Naherwartung vertraten. Unter diese Christen zählte auch Petrus und damit der angeblich erste unfehlbare Papst. Was die ersten Christen machten, war jedoch nicht vernünftig. Sie verkauften alles und hatten alles gemeinsam. Doch das konnte nicht lange gut gehen. Da sehe ich nun wirklich keine Leitung durch den Heiligen Geist.

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vor 3 Stunden schrieb Studiosus:

 

Geschrieben sogar. In einer seiner eher wenig beachteten Enzykliken: Sacerdotalis Caelibatus

 

Es gibt auf der Seite des Vatikans keine deutsche Übersetzung, daher müsste man mit meiner Übertragung des ersten Satzes vorlieb nehmen:

 

Der priesterliche Zölibat wurde von der Kirche über die Jahrhunderte hinweg gleichsam wie ein funkelndes Juwel gehütet und er behält seinen Wert selbst in unserer Zeit [Anm.: 1967] unvermindert bei, wenngleich die Ansichten der Menschen und der Zustand der Welt sich so grundlegend verändert haben. 

 

Dabei darf man nicht vergessen, dass diese Zeilen entstanden sind, obwohl es gerade dieser Papst war, der mit einer Vielzahl an Laiisierungsgesuchen konfrontiert war. Auch eine Parallele zu unserer Situation: Damals hat man im Zuge des Konzils suggeriert, die Aufhebung des Pflichtzölibats stehe kurz bevor. Heute wecken Synodaler Weg und eine Fehlinterpretation des Synodalen Prozesses ähnliche Hoffnungen. 

Moment, das ist aber etwas anderes. „Das Juwel in der Krone“ hattest du geschrieben, das wäre dann ja das Wertvollste vom Wertvollen und eben falsche Priorität.

Geschrieben hat er aber von „einem Juwel“. Naja, Juwelen hat die Kirche zuhauf, das passt dann schon.

 

Werner

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vor 36 Minuten schrieb Werner001:

Moment, das ist aber etwas anderes. „Das Juwel in der Krone“ hattest du geschrieben, das wäre dann ja das Wertvollste vom Wertvollen und eben falsche Priorität.

Geschrieben hat er aber von „einem Juwel“. Naja, Juwelen hat die Kirche zuhauf, das passt dann schon.

 

Werner

 

Das war der Wortlaut in einer älteren deutschen Übersetzung:

 

"Der priesterliche Zölibat, den die Kirche wie einen strahlenden Edelstein in ihrer Krone hütet, steht auch in unserer Zeit in hohem, ehrenvollem Ansehen, mögen sich auch Mentalität und Lebensbedingungen der Menschen tiefgehend gewandelt haben" 

 

Gefällt mir persönlich besser, ist allerdings aufgrund des lateinischen Textes keine zwingende Übersetzung. Lyrischer auf jeden Fall. 

 

[Ich habe Dir vorhin im falschen Thread geantwortet.]

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Und noch ein Auszug aus nämlicher Enzyklika:

 

"Wie dem auch sei: Die abendländische Kirche kann nicht wanken in der Treue zu ihrer alten Überlieferung; und es ist undenkbar, dass sie durch so viele Jahrhunderte einem Weg gefolgt wäre, auf dem sie irgendwie die größere Heiligkeit und Tugend der einzelnen Seelen und des Volkes Gottes eher beeinträchtigt als gefördert hätte, oder dass sie durch übertriebene und allzu strenge Gesetze die freie Entfaltung der verborgenen Güter der Natur und Gnade gehemmt hätte."

 

 

Die Lektüre dieses leider etwas vergessenen Schreibens kann ich wirklich nur jedem empfehlen. Es ist mit das Schönste, was man in langer Zeit zum Zölibat gelesen hat. Insbesondere wenn man verfolgt, wie selbst in katholischen Kreisen mittlerweile darüber gesprochen wird. 

bearbeitet von Studiosus
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vor 2 Stunden schrieb Studiosus:

Und noch ein Auszug aus nämlicher Enzyklika:

 

"Wie dem auch sei: Die abendländische Kirche kann nicht wanken in der Treue zu ihrer alten Überlieferung; und es ist undenkbar, dass sie durch so viele Jahrhunderte einem Weg gefolgt wäre, auf dem sie irgendwie die größere Heiligkeit und Tugend der einzelnen Seelen und des Volkes Gottes eher beeinträchtigt als gefördert hätte, oder dass sie durch übertriebene und allzu strenge Gesetze die freie Entfaltung der verborgenen Güter der Natur und Gnade gehemmt hätte."

 

Zum einen ist das empirisch einfach sehr fragwürdig, wenn der Zölibat oftmals mit Heuchelei und Doppelmoral einherging und einhergeht. Man kann eine alles andere als glanzvolle Wirklichkeit nicht mit schönen Worten übertünchen.

 

Außerdem birgt diese Argumentation eine ernste Gefahr: Dass man einen falschen Weg, den man einmal eingeschlagen hat, kaum noch verlassen kann, weil man sich dann ja eingestehen müsste, sich geirrt zu haben oder einen suboptimalen Weg gegangen zu sein. Dies war im Übrigen auch einer der entscheidenden Gründe für Paul VI., beim Verbot der Empfängnisverhütung zu bleiben. Zu welchen Folgen das dann führt, haben wir im Thread über "widernatürliche Akte" diskutiert. Oder um es an einem verwandten Beispiel mit Ranke-Heinemann (Eunuchen für das Himmelreich) zu sagen:

 

"Hier eine kleine Aufstellung von des hl. Thomas unheiligen Wortprägungen für den ehelichen Geschlechtsakt, die nach Josef Fuchs »überraschen können« (l. c., S. 50), die allerdings nur den überraschen, der nicht sehen will, daß die gesamte katholische Sexualmoral von Anfang an fehlgelaufen ist: »Schmutzigkeit« (immunditia), »Befleckung« (macula), »Abscheulichkeit« (foeditas), »Schändlichkeit« (turpitudo), »Entehrung« (ignominia). Die Kleriker wahren durch ihren Zölibat laut Thomas »die körperliche Reinheit« (Stellen bei Fuchs, S. 50 f.). Fuchs fügt entschudigend hinzu: »Thomas stand... in einer langen Tradition... So konnte er nicht leicht eine freiere Lehre vortragen« (ebd., S. 51). Niemand muß Unsinn nachreden, und inzwischen ist die Tradition, verstärkt durch Thomas, noch länger, und der Unsinn wird immer noch nachgeredet, und die freiere Lehre wird immer noch schwieriger durch das immer noch größere Gewicht der Tradition."

 

(Ich habe das auch deshalb zitiert, weil hier eine der wichtigen traditionellen Wurzeln des Zölibates sichtbar wird - freilich eine, die heutzutage zumindest offiziell nicht mehr zählt.)

 

Das ist der Punkt! Je mehr große Theologen oder Päpste an einer Lehre festgehalten und sie verstärkt haben, desto weniger kann man von ihr abrücken - es sei denn, es geht irgendwann gar nicht mehr anders, wie mit dem 2. Vatikanum und der Religionsfreiheit. Man manövriert sich selbst in eine Falle.

 

Abgesehen davon: Wenn der Zölibat so ein glanzvoller Edelstein ist, dann wird damit indirekt auch gesagt, dass die unierten Ost-Kirchen mit ihrer Lebensform eigentlich minderwertig seien. Ihnen fehlt dieser angeblich so wunderbare Edelstein samt "größere[r] Heiligkeit und Tugend".

bearbeitet von iskander
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vor 9 Minuten schrieb iskander:

Abgesehen davon: Wenn der Zölibat so ein glanzvoller Edelstein ist, dann wird damit indirekt auch gesagt, dass die unierten Ost-Kirchen mit ihrer Lebensform eigentlich minderwertig seien. Ihnen fehlt dieser angeblich so wunderbare Edelstein samt "größere[r] Heiligkeit und Tugend".

 

Das wäre ein naheliegender Schluss, der sich allerdings so bei Paul VI. nicht erhärten lässt. Die Hochachtung vor den Orientalen ist in seinem Text sehr prominent. Was er allerdings tut, und das halte ich für zulässig, ist auf den hohen Stellenwert der Jungfräulichkeit und Keuschheit bei den östlichen Vätern hinzuweisen. Gerade mit Blick auf das Priestertum. Das ist, denke ich, keine Geringschätzung der östlichen Zölibatspraxis. Wenn überhaupt könnte man behaupten, der Papst "schlägt" hier die Orthodoxie mit ihren eigenen Waffen (wenn man sich vor Augen hält, welche Autorität die Väter in der Ostkirche bis heute besitzen). Aber wie gesagt: Es geht Paul VI. nicht darum, die Praxis der Ostkirchen, seien sie uniert oder getrennt, schlecht zu machen. 

bearbeitet von Studiosus
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vor 1 Stunde schrieb Studiosus:

Was er allerdings tut, und das halte ich für zulässig, ist auf den hohen Stellenwert der Jungfräulichkeit und Keuschheit bei den östlichen Vätern hinzuweisen.

 

Dass die Enthaltsamkeit von jeder Art von Sexualität etwas Gutes ist, wenn man die Sexualität als ein Übel ansieht, liegt auf der Hand. Und das ist doch wesentlich auch der historische Kontext, und dieser Aussage hätte wohl auch kaum einer der "Väter" widersprochen. Man kann die Sache doch hindrehen wie man will: Es ging doch wohl nie allein darum, dass eine "unverheiratate" und allein lebende Person mehr Zeit und Kraft für Gott übrig hat, sondern immer oder meistens auch darum, dass die Freiheit von Sexuellem einen Wert an sich darstellt.

 

Und wahrscheinlich geht es bei der Jungfräulichkeit tatsächlich um das Hymen oder das, was man dazu zu wissen meint. Das wird man mir offiziell kaum zugeben. Ich habe aber ein Argument, das schwer wiegt:

Wenn die weibliche Anatomie nicht eine wesentliche Rolle spielen würde, welchen Sinn hätte es dann, (auch heutzutage) eine "Jungfrauenweihe" für Frauen anzubieten, aber kein Äquivalent für Männer?

 

Zitat

Das ist, denke ich, keine Geringschätzung der östlichen Zölibatspraxis. Wenn überhaupt könnte man behaupten, der Papst "schlägt" hier die Orthodoxie mit ihren eigenen Waffen (wenn man sich vor Augen hält, welche Autorität die Väter in der Ostkirche bis heute besitzen).

 

Das ist ein wenig wie "wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass". Wenn der Zölibat etwas so wunderbares Juwel ist, dann fehlt den verheirateten Priestern eben dieses Juwel. Da führt kein Weg dran vorbei. Dann ist die ostkirchliche Praxis eben unterlegen.

 

Die von Dir genannte Enzyklika gibt es übrigens hier in Gänze auf Deutsch:

https://www.kathpedia.com/index.php/Sacra_virginitas_(Wortlaut)

 

Ich zitiere aus ihr und kommentiere:

 

"Denn die Jungfräulichkeit ist nach dem heiligen Ambrosius eine Art Opfer und der jungfräuliche Mensch selbst ein Opfer der Züchtigkeit, ein Opfer der Keuschheit [....]. Der heilige Bischof Methodius von Olympus vergleicht die Jungfrauen sogar mit den Blutzeugen [...], und der heilige Gregor der Große lehrt, die vollkommene Keuschheit ersetze das Martyrium: 'Denn, wenn es auch keine Verfolgung gibt, so hat doch unsere friedliche Zeit ihr Martyrium, da wir ja, wenn wir auch unseren Hals nicht dem Schwert des Henkers ausliefern, in unserem Herzen mit dem geistigen Messer unsere fleischlichen Begierden töten'. Darum verlangt die gottgeweihte Keuschheit tapfere und vornehme Seelen, die 'des Himmelreiches wegen [....] zu kämpfen und zu siegen bereit sind."

 

Was für ein Bohei man da um die "Jungfräulichkeit" macht! Man könnte meinen, das "Nicht-Ausleben" von Sexualität sei so ziemlich das Großartigste, was es im katholischen Universum überhaupt geben könne.

 

"Nicht ohne Grund wird die Jungfräulichkeit eine engelgleiche Tugend genannt, wie der heilige Cyprian mit vollem Recht in einem Schreiben an die Jungfrauen behauptet: 'Was wir sein werden, das habt ihr schon zu sein begonnen. Ihr besitzt die Herrlichkeit der Auferstehung schon in dieser Welt fest und schreitet durch die Welt, ohne von ihr angesteckt zu werden. Indem ihr beharrlich keusch und jungfräulich bleibt, seid ihr den Engeln gleich [....]'"

 

Die Argumentation mit den Engeln ist obskur. Da diese nach kath. Lehre keinen Leib haben, haben sie auch keine Geschlechtsorgane und können keinen Sex haben, so wenig sie essen, trinken, tanzen, Musik machen oder zeichnen können. Daraus nun aber zu folgern, dass der Mensch umso höher aufsteige und den Engeln umso mehr in einem bedeutungsvollen Sinne "gleiche", je mehr er sich selbst sich wie ein körperloses Wesen geriert, ist auch dann sonderbar, wenn man alle gerade aufgeführten katholischen Prämissen akzeptiert. (Aber natürlich: So argumentiert man ja auch nur auf die Sexualität bezogen - und nicht bezogen auf Musik und Zeichnen und Wandern.)

Aus dem Gesagten folgt zudem zwingend, dass Engel, so wie die kath. Kirche sie sich vorstellt, unmöglich die "Keuschheit" im Sinne einer Tugend besitzen können, so wenig wie sie die Tugend der Mäßigung beim Essen und Trinken besitzen können.

 

"Jene aber, die in der Ehe leben, und sogar diejenigen, die sich im Sumpf der Laster wälzen, bewundern nicht selten, wenn sie Jungfrauen gewahr werden, den Glanz ihrer leuchtenden Reinheit und fühlen den Drang nach einem Ziel, das über die Sinnenfreuden hinausliegt. Das behauptet der Aquinate, wenn er schreibt: 'Der Jungfräulichkeit... wird die höchste Schönheit zugeschrieben'<ref>Thomas von Aquin, Summa theologica, II-II, q. 152, a. 5. </ref>, und das ist sicher der Grund, weshalb die Jungfrauen durch ihr Beispiel alle anziehen. Bekunden nicht außerdem all diese Männer und Frauen durch ihre vollkommene Keuschheit [perfectam castitatem] ganz deutlich, dass die Herrschaft der Seele über die Triebe des Leibes eine Wirkung der göttlichen Hilfe und ein Zeichen kraftvoller Tugend ist?"


Womit allen Beschwichtigungen zum Trotz, dass die Ehe auch okay sei, die Katze aus dem Sack ist: Bei der Ehe gibt es dann offenbar nur eine "unvollkommenere Keuschheit". Je asexueller, desto besser. Da haben wir es wieder. Es verwundert dann auch nicht, dass es lange Zeit wohl kaum irgendwelche heiliggesprochenen Eheleute gab, sofern diese nicht verwitwet waren oder "enthaltsam" lebten.

 

"Gleichwohl ist ebenso zuzugeben, dass die niederen Fähigkeiten der menschlichen Natur seit dem traurigen Fall Adams der rechten Vernunft widerstreiten und zuweilen den Menschen auch zu unehrbarem Tun verleiten. 'Der Gebrauch der Ehe”, so schreibt der engelgleiche Lehrer, 'zieht den Geist davon ab, sich gänzlich dem Dienste Gottes hinzugeben<ref>Thomas von Aquin, Summa theologica, II-II, q. 186, a. 4. </ref>.'"

 

Aha! Also nicht allein das Leben in der Ehe mit seinen Verpflichtungen "zieht den Geist ab", sondern der Sexualakt!

 

"Eine solche Wachsamkeit, die sich auf jeden Augenblick unseres Lebens und auch auf jeden Umstand erstreckt, ist uns unumgänglich notwendig: 'Denn des Fleisch gelüstet wider den Geist und der Geist wider das Fleisch. [....]' Wenn jemand aber in etwa, wenn auch nur wenig, den körperlichen Regungen nachgibt, so wird er merken, dass er leicht zu den 'Werken des Fleisches', die der Apostel aufzählt [....], und zu noch beschämenderen und hässlicheren menschlichen Lastern kommt."

 

Andere mögen dazu mehr sagen können, aber es ist m.W. unumstritten, dass das von Paulus benutzte Wort "Sarx" (Fleisch) keineswegs als Synonym für die geschlechtliche Lust steht, auch wenn hier der Eindruck erweckt wird, dass dies die primäre Bedeutung sei.

 

Ich hoffe, damit niemandem zu nahe zu treten, und ich gestehe jedem seine persönliche Meinung zu. Aber wenn ich ich für meinen Teil offen reden darf, so finde das besagte päpstliche Schreiben überspannt und schwülstig bis hin zum Kitsch. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass man sich da selbst auf die Schulter klopfen und Mut machen möchte. Und ich fürchte, mit diesem Schreiben beeindruckt man selbst unter den konservativen Katholiken nur die ganz besonders konservativen.

bearbeitet von iskander
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@iskander

 

Du kannst immer offen sprechen. Das schätze ich persönlich sehr. Und indem Du sozusagen mit einer etwas größeren Freiheit (und Kühnheit) auf diese theologischen Zusammenhänge reagierst, siehst Du manche Dinge meines Erachtens sogar klarer manche, die aufgrund ihrer grundsätzlichen Verbundenheit mit der katholischen Kirche hier die Schauklappen aufbehalten. 

 

Und ich kann Dir eigentlich kaum widersprechen. Ich greife nur den Punkt der Höherwertigkeit des Zölibats gegenüber dem ehelichen Leben heraus. Natürlich ist das so, wie Du es analysierst. Ich erinnere gerne daran, dass diese Enzyklika nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil erschien, das ja u. a. die große Aufwertung der Ehe gebracht haben soll. Das Bild, das Paul VI. hier zeichnet, hat damit kaum Berührungspunkte. Der Zölibat ist hier eindeutig die höherwertigere Lebensform, die engelsgleiche Lebensform, während die Ehe, wiewohl durch Christus zum Sakrament erhoben, den Menschen mehr oder weniger im Morast der Welt liegen lässt. Ja, hauptsächlich wegen des Sex. Das Ideal sexueller Askese ist hier als edle und erstrebenswerte Sache dargestellt. Richtig ist allerdings auch: Das würde heute keiner mehr so sagen, selbst der Papst nicht, obwohl diese Vorstellungen immer noch im Hintergrund der großen Reformdebatten unserer Tage stehen. Oft unausgesprochen, aber mit Händen zu greifen. Natürlich kann man sich als Kleriker heute nicht mehr hinstellen und so über Ehe und Sexualität sprechen, zumindest dann nicht, wenn man nicht mit Mistgabeln und Fackeln aus dem Dorf getrieben werden will.

 

Aber eigentlich ist das die "reine Lehre", eben der alte Glaube, der Väterglaube. Heute hält man sich an irgendein Amalgam, das Altes mit Modernerem verquirlt. Die verschiedenen Punkte, wo das nicht ineinander passt und zu Passgenauigkeiten oder sogar Widersprüchen im Lehrsystem führt, haben wir schon öfter hier thematisiert. Wenn man ganz ehrlich wäre, dann müsste man eigentlich sagen, dass katholischer Glaube ohne innere Widersprüche nur dann funktioniert, wenn man sich konsequent an die "alte Religion" hält, an das alte Dogma, die alte Interpretation der Schrift und die alte Moral. 

 

Das war jetzt vielleicht zu sehr on the nose, aber so sehe ich das. Freilich ist auch richtig, dass man mit dem arbeiten muss, was heute Stand der kirchlichen Lehre ist. Und es fiele mir nicht ein, das in Abrede zu stellen. Aber meiner Privatmeinung nach sind alle Ansätze, Dogma und Tradition der Kirche mit säkularer Vernunft und moderner Welt zu versöhnen entweder bereits gescheitert oder im Begriff zu scheitern. 

 

Oder lange Rede, kurzer Sinn: Ambiguitätstoleranz ist nichts für Offenbarungsreligionen mit Exklusivitätsanspruch. 

bearbeitet von Studiosus
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Jedenfalls ist die Leibfeindlich einer der Hauptbestandteile der DNA des Christentums.

Und auch der gnostische Gegensatz zwischen der bösen, verderbten Welt und dem guten, reinen Göttlichen ist in Pauls Enzyklika schön zu erkennen.

Im Grunde enthält das real existierende Christentum mehr Manichäismus als Jesus Christus 

 

Werner

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vor 4 Stunden schrieb Studiosus:

Natürlich kann man sich als Kleriker heute nicht mehr hinstellen und so über Ehe und Sexualität sprechen, zumindest dann nicht, wenn man nicht mit Mistgabeln und Fackeln aus dem Dorf getrieben werden will.

Nein, man sollte da nicht aus dem Dorf getrieben werden, die Einweisung in die Psychiatrie wäre sicher die hilfreichere Variante, um den betroffenen vielleicht langfristig von seinen Wahnvorstellungen zu heilen.

 

Ich kenne Menschen, die zölibatär leben, aber sie tun es nicht, weil sie Welt oder Sexualität ekelig finden und durch möglich großen Abstand zu ihr „heiliger“ werden möchten.

 

Dass geistig verwirrte Neurotiker vor Jahrhunderten ernsthaft solche Vorstellungen hatten, war mir bekannt. 
Dass Paul VI in dieser Gedankenwelt verhaftet war, war mir nicht bewusst, erklärt aber einiges, zum Beispiel, warum Humanae Vitae höchstens als Klopapier taugt.

 

Ok, hier breche ich ab, die Höflichkeit und die Forenregeln erfordern es.

Aber ich gebe zu, dass es mich erschüttert, das auch heute noch Menschen solche Gedanken richtig finden. Was ist das für eine Religion, die Menschen auf solche Gedanken bringt?

Jedenfalls nichts, was auf einen in irgendeiner Weise „guten Gott“ zurückgehen könnte

 

Werner

bearbeitet von Werner001
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