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Wohin ist die prägende Kraft des Christentums


Mecky

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Lieber Sokrates,

 

da hast Du gut getroffen.

Die Erbsündenlehre, so wie sie hier im Tridentinum dargestellt ist, ist in der Tat eine ganz wichtige und entlastende Sache, ein Trost der eigenen, schuldhaften Sündigkeit, ein Schutz vor äußerlicher Schuldzuweisung durch Menschen.

 

Aber: Der Text (ebenso wie die späteren Texte - inklusive kkk) ist ein Text, der in einem alten Weltbild wurzelt. Er ist nur gutwilligen Spezialisten (die auch den Überblick über die Verstehensweise der alten Zeit haben) verständlich und durch weniger gutwillige Spezialisten sogar übel ins Gegenteil dessen pervertierbar, was ursprünglich gemeint war.

 

Wo findet man etwas Begeisterndes zur Erbsündenlehre, was die Erlösungshaftigkeit dieser Lehre für heutige Menschen verständlich macht?

 

Richtig: In der Liturgie, wo sich die Gemeinde versammelt.

 

Äääähhh - nein. Eigentlich nicht.

 

In offiziellen Aussagen der Kirche.

 

Ich hör lieber auf, mit dieser Aufzählung, ist spüre, wie ich schon anfange, zynisch zu werden. Das Beste hab ich noch bei Drewermann gefunden - in "Psychoanalyse und Moraltheologie". Das war dann wenigstens einleuchtend. Nur schade, dass Drewermann eigentlich gar keinen Glauben für seine Begründung braucht, sondern lediglich Psychoanalyse, an die er ein wenig Theologie klebt.

 

Ich frag jetzt lieber nicht, welche kirchenamtlichen Aussagen oder welche Theologen den Ansatz Drewermanns aufgenommen und auf das Fundament des christlichen Glaubens gestellt haben. Sonst werde ich noch wirklich defätistisch angesichts der Leere.

Warum schreibst Du dann nicht mal eine Katechese z. B. zu diesem Thema der Erbsünde in heutigen Deutsch? Als jemand, der in seiner Ausbildung sich ja mit dem damaligen Denken beschäftigen mußte wärest Du doch dafür qualifiziert.

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"Wir stauben Papierblumen ab, wo wir Rosen züchten könnten" hat ein kluger Kopf formuliert. Es könnte Johannes XIII gewesen sein, aber ich bin mir nicht sicher.

Ich stimme allen hier zu, die der Kirche vorwerfen, in der Vergangenheit stehengeblieben zu sein. Sie definiert sich als Hüter der apostolischen Tradition, in Jesus hat Gott sich den Menschen zum letzenmal mitgeteilt und die Kirche ist treuer Verwalter dieser Mitteilung. Möchte Gott sich wieder mitteilen, muß der das definitionsgemäß außerhalb der Kirche tun. Außerdem haben im Laufe der Jahrhunderte unzählige Kirchenväter, Päpste, Theologen und auch das Kirchenvolk, die einfache Lehre Jesu aufgeblasen, spitzfindig dogmatisiert. Sie haben Jesus so viele Mäntelchen umgehängt, daß es sehr mühselig ist, ihn davon wieder zu befreien. Diese "Arbeit" muß leider jeder von uns selbst tun, das Lehramt ist wenig hilfreich, zum Glück gibt es auch kirchliches Bodenpersonal das anders denkt. Und das wird dann auch noch verurteilt als Patchwork-Religion.

Ich weiß auch, daß es äußerst schwierig ist, etwas zu ändern. Das Problem ist weniger die Amtskirche als die Vielzahl der Gläubigen mit ihren geprägten Glaubensvorstellung. Verantwortung heißt auch, diese nicht von heute auf morgen einem für sie glaubensleeren Raum auszusetzen. Aber anfangen, und in kleinen Schritten vorwärtsgehen, das müßte geschehen. Und hier versagt die Kirche, nicht die Theologie. Deswegen bin ich auch so sauer auf Redemptionis sacramentum, weil (außer den Ministrantinnen) kein noch so kleiner Schritt vorwärts getan wurde, im Gegenteil.

Es ist meiner Meinung nicht mehr damit getan, die altehrwürdigen Texte so hinzubiegen, daß sie für heute einen Sinn ergeben und, was besonders wichtig ist, das kirchliche Lehrgebäude stützen. Wie überhaupt vieles von der kirchlichen Lehre für mich nur der Selbsterhaltung und Selbstrechtfertigung dient. Auch das sollte aufgegeben werden. Aber die Verantwortlichen verlassen sich da nicht so sehr auf den Hl. Geist, als vielmehr auf ihr Machtgefühl und recht irdische Winkelzüge.

Also, laßt uns beginnen, einen christlich-naturwissenschaftlichen Glauben zu formulieren: Am Anfang war der Urknall, von Gottes Geist bewirkt. Er prägte ihm Gesetze ein und alles war gut und gemäß seinem Willen. ...

Und Du findest den Vorwurf der Patchworkreligion wirklich seltsam, nicht ohne sofort eine Neuschreibung der Bibel zu fordern und die gesamte Kirchengeschichte auf das Jahr 30 zurückdrehen zu wollen, nur weil sich damals noch kein reichhaltiges Nachdenken über Christus und seine Botschaft entwickelt hatte?

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... den Sauerampfer einer bigotten Moral zu stutzen, die feudalen Stellvertreter-Edelgewächse in rot und purpur zu demokratischen Dienern und Lilien auf dem Feld zurechtzustutzen, ...

 

... thumbem Kirchenunterthan ...

 

Die Kirche setzt voll auf den unmündigen oder angepassten Untertan. ...

 

Die Pforten der Hölle werden die Kirche nicht überwältigen (was ihr Jesus übrigens nie versprochen haben kann weil er gar keine Kirche im Sinn hatte) ...

Oh Himmel!

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In diesem Thread ist für mich viel wichtiger, dass ich in Deiner Argumentation(sweise) diesen Willen zum Zementieren des Ist-Standes erkenne, der meiner Meinung nach eine Frucht der Angst und nicht des Glaubens ist: Angst vor Veränderung, Angst, sich auf etwas Neues und Ungewohntes einlassen zu müssen.

Es scheint eine Art pawlow'scher Reflex bei den liberalistisch-progressiven Kirchenveränderern zu sein, der sie einen pauschalen Angst-Vorwurf in Richtung ihrer innerkirchlichen Gegner "stricken läßt". Dabei wird durch die glaubenstreuen Katholiken nur auf die Glaubenstradition der Kirche verwiesen. Nachdem in der Reformation das Standbein der Schrift (Sola-Scriptura-Prinzip) überbelastet wurde, soll jetzt offensichtlich das zweite Standbein der katholischen Lehre unterminiert werden. :P

 

Es ist so schön einfach, es entlastet von weiteren Begründungserfordernissen und man erhebt sich zum "Fackelträger des Fortschritts". Wer wollte da schon beiseite stehen, wenn - im übertragenen Sinne verstanden - «die Internationale das Menschenrecht erkämpft»? :blink:

 

Da hilft es möglicherweise, den selten zitierten Judas-Brief "zu Gehör zu bringen", denn bekanntlich kommt der Glauben vom Hören:

Liebe Brüder, da es mich sehr drängt, euch über unsere gemeinsame Rettung zu schreiben, halte ich es für notwendig, euch mit diesem Brief zu ermahnen: Kämpft für den überlieferten Glauben, der den Heiligen ein für allemal anvertraut ist.

Denn es haben sich einige Leute eingeschlichen, die schon seit langem für das Gericht vorgemerkt sind: gottlose Menschen, die die Gnade unseres Gottes dazu missbrauchen, ein zügelloses Leben zu führen, und die Jesus Christus, unseren einzigen Herrscher und Herrn, verleugnen.

(Judas 1, 3 f.)

 

GsJC

Raphael

bearbeitet von Raphael
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Ja, was willst Du denn, Soames? Ich fand das sehr hilfreich. Ich weiß jetzt endlich, was ich von mir zu halten habe, Helmut Martin sei Dank.

 

Und da ich als Untertan die Schnauze halte, hab ich mich auch weiter beteiligt. Ich warte, bis mein Bischof mir sagt, was ich tun soll.

 

Mit bigottem Gruß

 

Thomas Blömer

Thumber Kirchenunterthan

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Hallo Raphael,

 

in der großen Linie sollte man den Grund der Überlegungen nicht außer acht lassen. Den Kirchen laufen die Gläubigen in Scharen weg. Das ist keinesfalls untertrieben. Die Gottesdienstbesucher sind von ihrer Altersstruktur her bei den älteren Semestern sehr stark überrepräsentiert (um es mal nett zu sagen). Das Durchschnittsalter der katholischen Priester ist sehr hoch.

 

Zusammengefasst stellt sich die Frage, ob das Beharren auf den traditionellen Formen dazu führt, dass in ca. 20 Jahren (?) nur noch ein Bruchteil der katholischen und evangelischen Gemeinden existiert.

 

Genau so berechtigt ist natürlich die Frage, ob diese Tendenz durch das, was hier bisher genannt wurde, aufzuhalten ist.

 

Herzliche Grüße

Martin

 

 

PS: Hast du mit dem Zitat des "zügellosen Lebens" aus dem Judas-Brief irgend etwas andeuten wollen - oder ist das mit reingerutscht?

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@ Martin

 

Hallo Raphael,

 

in der großen Linie sollte man den Grund der Überlegungen nicht außer acht lassen. Den Kirchen laufen die Gläubigen in Scharen weg. Das ist keinesfalls untertrieben. Die Gottesdienstbesucher sind von ihrer Altersstruktur her bei den älteren Semestern sehr stark überrepräsentiert (um es mal nett zu sagen). Das Durchschnittsalter der katholischen Priester ist sehr hoch.

 

Zusammengefasst stellt sich die Frage, ob das Beharren auf den traditionellen Formen dazu führt, dass in ca. 20 Jahren (?) nur noch ein Bruchteil der katholischen und evangelischen Gemeinden existiert.

 

Genau so berechtigt ist natürlich die Frage, ob diese Tendenz durch das, was hier bisher genannt wurde, aufzuhalten ist.

 

Herzliche Grüße

Martin

Ich will es 'mal mit einem Bild ausdrücken:

Vom Baum der Kirche fallen Blätter herunter. Dies ist ein natürlicher Vorgang bei der Pluralisierung des religiösen Angebotes in einer postmodernen Gesellschaft. Der größte Fehler, den die katholische Kirche machen könnte, wäre, jetzt den Versuch zu machen, den Fall der Blätter zu stoppen bzw. zu verhindern, indem sie die Verbindungen zu ihren traditionellen Wurzeln kappt. Denn dann fallen nicht nur Blätter, sondern ganze Äste und der Baum verdorrt. :)

 

Die Kraft, welche hier für die Jammerei über die fehlende kulturprägende Kraft des Christentums verbraucht wird, könnte z.B. besser zu einer Vertiefung der eigenen christlichen Spiritualität oder in der konkreten caritativen Tätigkeit genutzt werden.

Oder zur Evangelisierung gemäß der Kriterien, welche Susanne in diesem Beitrag genannt hatte: Quelle!

 

PS: Hast du mit dem Zitat des "zügellosen Lebens" aus dem Judas-Brief irgend etwas andeuten wollen - oder ist das mit reingerutscht?

Nein, das ist nicht nur "reingerutscht"! :blink:

Es ist aber auch nicht persönlich auf irgendeinen der potentiellen Leser bezogen, sondern soll nur zur Wachsamkeit hinsichtlich bestimmer Tendenzen ermuntern. :P

 

GsJC

Raphael

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Zusammengefasst stellt sich die Frage, ob das Beharren auf den traditionellen Formen dazu führt, dass in ca. 20 Jahren (?) nur noch ein Bruchteil der katholischen und evangelischen Gemeinden existiert.

Nun, die evangelischen Gemeinden haben ja en gros alles andere als traditionelle Formen - und die Vielfalt in der Liturgie scheint diesem Beispiel zufolge nicht dazu geeignet zu sein, Menschen dauerhaft anzuziehen.

 

Man muß nicht die Fehler anderer wiederholen (dazu gehört auch die Hybris zu meinen, es bviel besser machen zu können).

 

Ursprünglich ging es hier ja einmal um die Frage, warum der Glaube flöten geht.

 

Ich behaupte erst einmal, daß der Glaube nie schwächer oder stärker war hierzulande als heute. Die kulturell prägende Kraft war in einer religiösen Monokultur viel stärker, keine Frage. Aber die prägende Kraft auf den Einzelnen? Wie kann man behaupten, dies sei früher anders gewesen?

 

Daß der Glaube - zumindest die liturgische Manifestation desselben - auch bei ganz traditionellen liturgischen Formen sehr stark sein kann, die sogar dem einzelnen Gläubigen viel unverständlicher sind als der recht neu-frische römische Ritus, zeigt das Beispiel der Orthodoxie. Viele Jahrunderte unter Verfolgung, mehr als es hier je war, und immer noch eine große Glaubenskraft.

bearbeitet von rorro
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Ursprünglich ging es hier ja einmal um die Frage, warum der Glaube flöten geht.

 

Ich behaupte erst einmal, daß der Glaube nie schwächer oder stärker war hierzulande als heute. Die kulturell prägende Kraft war in einer religiösen Monokultur viel stärker, keine Frage. Aber die prägende Kraft auf den Einzelnen? Wie kann man behaupten, dies sei früher anders gewesen?

Wie kann man denn behaupten, dass das früher genauso gewesen ist?

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Diese Behauptung ist natürlich ebensowenig erwiesen. Lediglich aus der Menschheitserfahrung extrapoliert, daß sich Menschenwesen nicht wirklich ändert.

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Lieber Helmut!

 

Nein, ein klares Ziel, kenne ich diesbezüglich nicht - zumindest nicht so, dass man es einfach nur vor Augen halten müsste und der Rest wäre Handwerk. Das wird es wahrscheinlich nie geben. Und wenn es dies gäbe, wären wir wahrscheinlich auch schon weit, weit vom Anliegen des Glaubens weg.

 

Es ging mir nicht um das Ziel, sondern um die Handlungsweise. Und hierbei finde ich es unerlässlich, zusammen weiterzugehen und - bei aller Verschiedenheit der Ansichten - den Willen zur Einheit zu wahren.

 

Und das gilt sowohl für "die da oben"

(Ich fand den Obrigkeitston, der in Redemptionis Sacramentum angeschlagen wurde unter aller Kanone, auch wenn er schon besser war als bei der Laieninstruktion)

alsauch für die einzelnen Pfarrer, Gemeinden und Gläubigen.

(Die Alleingänge auf eigene Faust bringen einfach auf die Dauer nichts, ebenso wenig die Verflachung durch volkstümliche, aber hohle Praktiken).

 

Hier besteht das Problem in einem Angstverhältnis von beiden Seiten. Das Vertrauen der Basis in "die da oben" ist katastrophal schlecht. Es wird nur noch überboten durch das Misstrauen von "denen da oben" gegenüber der Basis, die man zu räsonieren versucht.

 

Und ganz klar: Beide müssen aufeinander zugehen. Aber die Lenkung dieses Zugehens obliegt der Leitung, nicht der Basis.

Ja, da hast Du wohl Recht.

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Leider habe ich einige Tage gebraucht, um mich durch den gesamten Threat hindurchzubeißen.

 

Ich muß feststellen, daß ich im wesentlichen rorro beipflichten muß, obwohl mir der Grundgedanke Meckys, wie ich ihn verstanden habe, sehr sympathisch ist.

Mir macht das Schwinden der Kirche in Europa sehr viel aus, es verursacht tatsächlich eine gewisse Verzagtheit. Als Erklärung kommt mir aber nur eines in den Sinn: Solange in kleinen Gemeinschaften eine sehr strikte Sozialkontrolle herrscht, machen alle mit. Insbesondere mit zeitlichem Abstand kann man die tatsächlichen Sucher des Lichtes von bloßen Mitläufern oder gar reinen Opportunisten nur schwer unterscheiden. In unserer Zeit kommt natürlich noch hinzu, daß sich nicht nur die Gedankenwelt pluralisiert hat, sondern auch die soziale. Wir haben eben nicht mehr 80 % Bauern und dazu 15% Ackerbürger, wie das noch vor gar nicht langer Zeit üblich war. Diesen Menschen (und auch den restlichen 5 %) waren die agrarischen Bibelgleichnisse immer völlig vertraut. Und obwohl sie auch heute noch für jeden Gartenbesitzer ohne große Probleme einsichtig sind, selbst wenn sie beruflich Softwareingenieure sein sollten, bleiben all die jetzigen und ehemaligen Kinder als Problem, die damit aufwachsen, daß Strom aus der Steckdose, Wasser aus der Wand, Gemüse aus der Dose und Fleisch als Scheibenware aus der Kühltheke kommt. Diese Menschen sind vom Wesen der natürlichen Umwelt abgeschnitten. Auch alles rein verstandesmäßige Verstehen dessen, daß eine Pflanze Wasser braucht und Fleisch vom Tier kommt, ändert daran nichts mehr.

 

Gleichzeitig haben wir eine ungeheure geistige Pluralisierung und Entsozialisierung der Menschen. Vielen fehlt einfach nichts ohne Religion. Und ich muß der Meinung absolut widersprechen, daß dies nur daher käme, daß der Urknall nicht in der Bibel steht. Denn wer überhaupt darüber nachdenkt wird dies nicht als Problem empfinden können. Wer dieses Problem tatsächlich empfindet, ist wohl oftmals über die tatsächlichen Gedanken der Kirche schlecht informiert und verhetzt worden.

 

Wieviele Menschen gibt es, denen die reine Befriedigung der leiblichen Bedürfnisse genug ist? Wieviele brauchen nicht mehr als etwas Zerstreuung noch dazu? Und davon wird es immer viele gegeben haben.

 

Schrumpft sich die Kirche vielleicht tatsächlich nur auf die Zahl der wirklich religiös empfänglichen Menschen zurück?

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@ Martin

 

Hallo Raphael,

 

in der großen Linie sollte man den Grund der Überlegungen nicht außer acht lassen. Den Kirchen laufen die Gläubigen in Scharen weg. Das ist keinesfalls untertrieben. Die Gottesdienstbesucher sind von ihrer Altersstruktur her bei den älteren Semestern sehr stark überrepräsentiert (um es mal nett zu sagen). Das Durchschnittsalter der katholischen Priester ist sehr hoch.

 

Zusammengefasst stellt sich die Frage, ob das Beharren auf den traditionellen Formen dazu führt, dass in ca. 20 Jahren (?) nur noch ein Bruchteil der katholischen und evangelischen Gemeinden existiert.

 

Genau so berechtigt ist natürlich die Frage, ob diese Tendenz durch das, was hier bisher genannt wurde, aufzuhalten ist.

 

Herzliche Grüße

Martin

Ich will es 'mal mit einem Bild ausdrücken:

Vom Baum der Kirche fallen Blätter herunter. Dies ist ein natürlicher Vorgang bei der Pluralisierung des religiösen Angebotes in einer postmodernen Gesellschaft. Der größte Fehler, den die katholische Kirche machen könnte, wäre, jetzt den Versuch zu machen, den Fall der Blätter zu stoppen bzw. zu verhindern, indem sie die Verbindungen zu ihren traditionellen Wurzeln kappt. Denn dann fallen nicht nur Blätter, sondern ganze Äste und der Baum verdorrt. :)

 

Die Kraft, welche hier für die Jammerei über die fehlende kulturprägende Kraft des Christentums verbraucht wird, könnte z.B. besser zu einer Vertiefung der eigenen christlichen Spiritualität oder in der konkreten caritativen Tätigkeit genutzt werden.

Oder zur Evangelisierung gemäß der Kriterien, welche Susanne in diesem Beitrag genannt hatte: Quelle!

 

PS: Hast du mit dem Zitat des "zügellosen Lebens" aus dem Judas-Brief irgend etwas andeuten wollen - oder ist das mit reingerutscht?

Nein, das ist nicht nur "reingerutscht"! :blink:

Es ist aber auch nicht persönlich auf irgendeinen der potentiellen Leser bezogen, sondern soll nur zur Wachsamkeit hinsichtlich bestimmer Tendenzen ermuntern. :P

 

GsJC

Raphael

Um bei Deinem Bild zu bleiben,

 

ich habe eher das Gefühl, dass der halbe Baum verdorrt und zwar von der Wurzel an und dass man möglichst bedacht ist, alle Seitentriebe abzuschneiden.

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@ Mat

 

Um bei Deinem Bild zu bleiben,

 

ich habe eher das Gefühl, dass der halbe Baum verdorrt und zwar von der Wurzel an und dass man möglichst bedacht ist, alle Seitentriebe abzuschneiden.

Ich gewinne den Eindruck, daß Du mit "Wurzel" etwas anderes meinst, als in dem Bild ursprünglich gedacht war. :blink:

 

GsJC

Raphael

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@ Mat

 

Um bei Deinem Bild zu bleiben,

 

ich habe eher das Gefühl, dass der halbe Baum verdorrt und zwar von der Wurzel an und dass man möglichst bedacht ist, alle Seitentriebe abzuschneiden.

Ich gewinne den Eindruck, daß Du mit "Wurzel" etwas anderes meinst, als in dem Bild ursprünglich gedacht war. :blink:

 

GsJC

Raphael

Und ich gewinne den Eindruck, dass Du mich nicht verstehen willst. Aber o.k.

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@ Mat

 

@ Mat

 

Um bei Deinem Bild zu bleiben,

 

ich habe eher das Gefühl, dass der halbe Baum verdorrt und zwar von der Wurzel an und dass man möglichst bedacht ist, alle Seitentriebe abzuschneiden.

Ich gewinne den Eindruck, daß Du mit "Wurzel" etwas anderes meinst, als in dem Bild ursprünglich gedacht war. :blink:

 

GsJC

Raphael

Und ich gewinne den Eindruck, dass Du mich nicht verstehen willst. Aber o.k.

Nun, mein lieber Mat, wenn Du auf der Basis eines Bildes hochkomplexe Zusammenhänge diskutieren möchtest, dann ist es nicht zielführend, die in dem Bild enthaltenen Zeichen in ihrer Bedeutung zu verändern.

Dies führt quasi automatisch zu falschen Ergebnissen in der zwischenmenschlichen Verständigung. :P

 

GsJC

Raphael

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Ich behaupte erst einmal, daß der Glaube nie schwächer oder stärker war hierzulande als heute. Die kulturell prägende Kraft war in einer religiösen Monokultur viel stärker, keine Frage. Aber die prägende Kraft auf den Einzelnen? Wie kann man behaupten, dies sei früher anders gewesen?

Dass es heute ebenso wie früher sehr gläubige Menschen gibt, ist ja völlig unbestritten. Das nimmt der Erfahrung, dass der Glaube in Deutschland sich verflüchtigt, nichts hinweg.

 

Bei vielen kommt der Glaube inzwischen schon gar nicht mehr an, nicht einmal verbal. Hier den Handlungsbedarf zu übersehen oder zu bagattellisieren, ist schon ein wenig eigenartig. Es ist auch nicht damit getan, einfach seinen Glauben redlich zu leben - grad für sich allein. Der christliche Glaube trägt den Verkündigungswille in sich selbst. Nicht sinnlos verkünden wir Jesus als das "Wort Gottes". Ein Glaube, der sich nicht weiterschenken will, ist in meinen Augen bereits schwer defektiv.

 

Von seiner ersten Stunde an hat sich der christliche Glaube an andere mitgeteilt - und zwar keineswegs nur durch ein Leben aus dem Glauben, sondern worthaft. Von Jesus angefangen über Paulus. Das Wort "Apostel" sagt ja in seinem griechischen Wortsinn schon aus, worum es geht: Eine Gesandtschaft.

 

Und so, wie Paulus sich auf die Eigenarten des (für Juden) fremdartigen neuen Umfeldes eingelassen hat, so müssen wir uns heute auf die Eigenarten des heutigen Raumes und der heutigen Zeit einlassen.

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Ich halte die Neumissionierung Europas auch für sehr dringlich, schon allein damit der Kirche das eigene Heim nicht verloren geht, während sie sich um alle anderen Kontinente kümmert.

 

Ich glaube aber etwas anderes: Das Christentum war in der Vergangenheit nicht deshalb die prägende Kraft, weil es so viel toller war oder vermittelt wurde als heute, sondern weil vieles, was heute in Konkurrenz zur Kirche getreten ist, nicht vorhanden war. Wer irgendetwas erklärt haben wollte, kam mangels naturwissenschaftlichen Wissens nicht um die Kirche herum und damit um eine Deutung als "Gottes Wille" vieler Sachen. Wenn ich heute wissen will, warum es regnet (oder eben auch nicht), dann brauche ich dafür nicht mehr die Kirche. Wenn mir rein materialisitsche Deutungen ausreichen (und das tuen sie nach meiner Beobachtung für die Mehrzahl der Menschen tatsächlich), kann ich Gott ganz aus meinem Leben verbannen. Ebenso ist es mit der Moral und vielen anderen Dingen. Dies heißt nicht, daß ich diese Dinge nicht in Deinem Sinne in ein christliches Weltbild integrieren oder dieses auch auf naturwissenschaftlichen Erklärungen aufbauen kann (Deine Tagesgebete sind ein sehr gutes und nachahmenswertes Beispiel dafür), aber es besteht heute die weltliche Freiheit, es bei der Tatsache von Luftströmungen und genetischen Generationenfolgen zu belassen. Für eine kausale Erklärung der heutigen Vorgänge brauche ich nicht mehr unbedingt den Schöpfergott.

 

In Ostafrika, wo ich jetzt eine Weile war, gehört unsere naturwissenschaftliche Bildung noch nicht zum absoluten Allgemeingut. Viele Leute können sich auch einfach darauf aufgebaute Dinge wie Medizin, Ärzte etc. nicht leisten. Sie "brauchen" Gott und die Religion noch ganz körperlich, weshalb es viele Heilungsgebete, Regenmacher etc. gibt - Dinge, die bei uns "ausgegliedert" wurden und damit Bereiche der Kirche entzogen haben.

 

Die Kirche hat hier die Auseinandersetzung um die Art und Weise des Denkens der Massen verloren.

 

Meine Behauptung (und ich denke es geht in rorros Richtung) ist deshalb, daß die meisten Menschen nicht in dem Sinne Suchende sind, daß sie die Welt auch deuten wollen. Und deshalb müssen sie sich auf diese Art des Denkens nicht einlassen und tun es oft auch nicht. Ob man sich darauf aber einläßt oder nicht, scheint interessanterweise auch sehr unabhängig von Bildungsabschluß o. ä. zu sein, also eine menschliche Grunddisposition, die aber eben nicht bei einer Mehrheit vorhanden ist (daher der Gnadencharakter des Glaubens, vielleicht sogar ein Ansatzpunkt für die verworfenen Prädestinationslehren?).

 

Trotzdem muß die Kirche missionarisch sein, um wenigstens alle die zu erreichen, die auch nur im Ansatz Suchende nach Gott und seiner Liebe sind.

 

Würdest Du dies gänzlich anders sehen?

bearbeitet von soames
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Lieber Soames!

 

Auf einen Punkt möchte ich ein wenig genauer schauen:

Für suchend (gerade in Bezug auf Weltdeutung) halte ich alle Menschen. Besonders bei Kindern kann man das gut beobachten, die gieren richtig danach.

 

Diese Suche halte ich allerdings für etwas Empfindliches, etwas Frustrierbares. Und bei vielen Menschen wird dieses Bedürfnis (wie Du es ja schon geschrieben hast) dann im Endeffekt schnell abgedeckt. Dazu kommt noch, dass es in jeder Gesellschaft auch Deutungsmodelle gibt. Ohne Deutungsmodell lebt kein einziger Mensch. Viele Menschen übernehmen einfach ein Deutungsmodell, das gang und gäbe ist und plausibel erscheint - und fertig. Es gibt ja noch andere wichtige Dinge.

 

Das war schon immer so. Hier bin ich jetzt auch wieder bei Rorros Menschennatur: So ist der Mensch. Es gibt (erblich? durch Schicksal geprägt?) Menschen, die sich mit Konfektionsmodellen der Deutung zufrieden geben und solche, die weiterfragen. Und hier denke ich auch: Das zahlenmäßige Verhältnis zwischen diesen beiden Typen könnte großflächig gesehen konstant sein. Aber ganz so sicher bin ich hier nicht. Denn es gibt Lebenssituationen, die ein Weiterfragen geradezu erzwingen, z.B. Schicksalsschläge, Konfrontation mit bestimmten Themen oder auch Konfrontation mit bestimmten Menschen (z.B. religiösen Lehrern). Und hier spielt neben der Prägung auch die konkrete Geschichte eine wichtige Rolle.

 

Und - hier wende ich mich jetzt von Rorros Gedanken wieder ganz ab - fernab von der bloßen Menschennatur liegt es unter anderem auch an den Deutungsmodellen. Gerade in entscheidenden Lebenslagen, die ein Weiterdenken nahelegen, greift nicht jeder nach jedem Strohhalm. Und auch die, die nach Strohhalmen greifen, gucken umher, ob da nicht woanders mehr und bessere Strohhalme sind. Vertrauenswürdigere, die mehr versprechen.

 

Ein Deutemodell, das dann von vornherein im Mantel der Unglaubwürdigkeit hervortritt, hat nur dann eine Chance, wenn es suggeriert wird (z.B. durch eine Art Guru im Weitesten Sinne) oder sogar aufgezwungen wird. Aber sowohl Suggestion wie auch Aufzwingen dürften eher die Ausnahme sein. In der Regel muss das Deutesystem offenkundig Glaubwürdigkeit zu bieten haben.

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Schrumpft sich die Kirche vielleicht tatsächlich nur auf die Zahl der wirklich religiös empfänglichen Menschen zurück?

Es scheint vieles dafür zu sprechen, soames. Ist das nicht auch sinnvoll?

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Die Kraft ... könnte ... zu einer Vertiefung der eigenen christlichen Spiritualität oder in der konkreten caritativen Tätigkeit genutzt werden.

 

Oder zur Evangelisierung gemäß der Kriterien, welche Susanne ... genannt hatte

Das Gespräch, das hier geführt wird, finde ich sehr hilfreich. Es sind viele Aspekte darin enthalten und hat mir viele Anregungen gegeben.

 

Dennoch denke ich allerdings wie du, dass am Ende nichts anderes dabei herauskommen kann, als das, was ich gerade aus deinem Beitrag zitiert habe.

bearbeitet von Martin
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Schrumpft sich die Kirche vielleicht tatsächlich nur auf die Zahl der wirklich religiös empfänglichen Menschen zurück?

Es scheint vieles dafür zu sprechen, soames. Ist das nicht auch sinnvoll?

Es wäre sinnvoll, wenn Religiösität etwas Statisches wäre. Dem ist aber nicht so. Da sind durchaus Prägungsmöglichkeiten. Und keineswegs nur zu Beginn des Lebens.

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Dennoch denke ich allerdings wie du, dass am Ende nichts anderes dabei herauskommen kann, als das, was ich gerade aus deinem Beitrag zitiert habe.

Ich denke auch, dass wir uns keinen Illusionen hingeben sollten. Die Kirche wird gewaltig schrumpfen. Aber ich sehe darin eine furchtbare Gefahr: Dass mit der Schrumpfung die Kirche zu einer Sekte wird. Und mit "Sekte" meine ich nicht die quantitative Anzahl der Gläubigen, sondern sektiererische Einigelung. Dorthin zielende Tendenzen finde ich schon heute sichtbar.

 

Auch die Einteilung zwischen "religiös empfänglich" und "religiös nicht so empfänglich" halte ich für sehr fragwürdig, wenn sie als Prädikat verliehen wird. Man geht dabei zu schnell davon aus, dass es eine solche Unterscheidung in der Realität gibt. Dann sind die Nichtchristen eben religiös nicht empfänglich. Ist halt so.

 

Und genau dies glaube ich nicht. Ich vermute, dass sogar sehr viele durchaus religiös empfänglich sind. Nur eben nicht empfänglich für das, was sie als Schwachsinn, Mummenschanz und Spinnerei halten - womöglich sogar völlig zurecht.

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Vom Baum der Kirche fallen Blätter herunter. Dies ist ein natürlicher Vorgang bei der Pluralisierung des religiösen Angebotes in einer postmodernen Gesellschaft. Der größte Fehler, den die katholische Kirche machen könnte, wäre, jetzt den Versuch zu machen, den Fall der Blätter zu stoppen bzw. zu verhindern, indem sie die Verbindungen zu ihren traditionellen Wurzeln kappt. Denn dann fallen nicht nur Blätter, sondern ganze Äste und der Baum verdorrt. :blink:

 

Die Kraft, welche hier für die Jammerei über die fehlende kulturprägende Kraft des Christentums verbraucht wird, könnte z.B. besser zu einer Vertiefung der eigenen christlichen Spiritualität oder in der konkreten caritativen Tätigkeit genutzt werden.

Oder zur Evangelisierung gemäß der Kriterien, welche Susanne in diesem Beitrag genannt hatte:

Oder mit anderen Worten: Lauft doch nicht einem verlorenen Schaf hinterher. Wir reinen (Katharroi) sind die guten, wer vom Baum fällt, ist eben unbelehrbar.

 

Angesagt ist business as usual. Was juckt uns die neue Zeit? Was juckt uns, wenn der Glaube zu einer Exotenveranstaltung wird? Was juckt uns der hilflose Glaubensmangel der "Unbelehrbaren"? Glaube ist was für die, die noch am Baum fest sind.

 

Und genau das ist die Versuchung. Man tut was, ja, sogar etwas Gutes. Man macht eine sinnvolle Aktion nach der anderen, evangelisiert, ist caritativ engagiert ... und vor lauter schönen Aktiönchen und vor lauter Richtigkeit bemerkt man schon nicht mehr, was eigentlich läuft und wo die Ursachen liegen. Man hat ja schon eine Erklärung: Die anderen sind die Unbelehrbaren, die sind selber schuld. Das genügt.

 

Die Ursachen liegen per Dekret (roma locuta) außerhalb der Kirche. Die Kirche bekommt den Persilschein. Und zum Beweis, dass es sowieso nicht möglich ist, jemanden zu bekehren ist man selbst in diesem Punkt umkehrunfähig.

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